Milarepa
Milarepavon Eric-Emmanuel Schmitt
LESEPROBE
Alles begann mit einem Traum.
Hohe Berge . . . ein Gebäude oben
auf dem Fels, ein roter Bau, voneinem gedämpften
Rot, einem Sonnenuntergangsrot;
weiter unten Hundekadaver, die in
einem Schwarm Fliegen verwesten . ..
Der Wind beugte mich nieder. ImTraum
stand ich auf meinen beiden Füßen,aber
ich kam mir sehr groß vor, größerals ich
tatsächlich bin, ich ragte über michhinaus
- ein schmaler Körper -, papierenwie ein
Schmetterlingsflügel. Mein Körperund
doch nicht mein Körper. Unbändiger
Haß pulsierte in meinem Blut und trieb
mich dazu, auf allen Wegen nacheinem
Mann zu suchen, ich wollte ihn mitmeinem
Stock erschlagen; der Haß war so
stark, daßer schließlich wie eine schwarze
brodelnde Milch überkochte und ichdavon
erwachte.
Ich fand mich allein wieder, nur mit
mir, zwischen meinen Laken, inmeinem
Zimmer in Montmartre, unter demHimmel
von Paris.
Der Traum belustigte mich.
Doch er ließ mir keine Ruhe, kamwieder.
Woher kommen die Träume?
Und warum verfolgte mich geradedieser?
Nacht für Nacht wurde ich auflangen,
steinigen Wegen von diesenRachegelüsten
verfolgt. Und immer dieseHundekadaver,
und dieser Stock in meiner Hand,
der nach dem Mann gierte, den er niederstrecken
sollte.
Irgendwann wurde mir die Sacheunheimlich.
Im allgemeinenkommen die
Träume und gehen wieder. DieserTraum
aber setzte sich in mir fest! Ichbegann in
zwei Welten zu leben, beide so konkret
wie beständig: hier, in Paris, dieTagwelt,
in der ich mich an den gleichenMöbeln
stieß, an den gleichen Menschen, inder
gleichen Stadt; und dort - aber wodort?
- die steinerne Welt hoher Berge, inder
ich einen Mann töten wollte. Wenndie
Träume im Wachen wiederkommen, wie
soll man da nicht glauben, daß man zwei
Leben lebt? Was für eine Tür hattesich
mir im Schlaf aufgetan?
Es dauerte zwei Jahre, bis sich mirdie
Antwort im Antlitz einer Frau offenbarte.
( )
© Ammann Verlag & Co. 2006
Übersetzung: InésKoebel
Milarepavon Eric-Emmanuel Schmitt
LESEPROBE
Alles begann mit einem Traum.
Hohe Berge . . . ein Gebäude oben
auf dem Fels, ein roter Bau, voneinem gedämpften
Rot, einem Sonnenuntergangsrot;
weiter unten Hundekadaver, die in
einem Schwarm Fliegen verwesten . ..
Der Wind beugte mich nieder. ImTraum
stand ich auf meinen beiden Füßen,aber
ich kam mir sehr groß vor, größerals ich
tatsächlich bin, ich ragte über michhinaus
- ein schmaler Körper -, papierenwie ein
Schmetterlingsflügel. Mein Körperund
doch nicht mein Körper. Unbändiger
Haß pulsierte in meinem Blut und trieb
mich dazu, auf allen Wegen nacheinem
Mann zu suchen, ich wollte ihn mitmeinem
Stock erschlagen; der Haß war so
stark, daßer schließlich wie eine schwarze
brodelnde Milch überkochte und ichdavon
erwachte.
Ich fand mich allein wieder, nur mit
mir, zwischen meinen Laken, inmeinem
Zimmer in Montmartre, unter demHimmel
von Paris.
Der Traum belustigte mich.
Doch er ließ mir keine Ruhe, kamwieder.
Woher kommen die Träume?
Und warum verfolgte mich geradedieser?
Nacht für Nacht wurde ich auflangen,
steinigen Wegen von diesenRachegelüsten
verfolgt. Und immer dieseHundekadaver,
und dieser Stock in meiner Hand,
der nach dem Mann gierte, den er niederstrecken
sollte.
Irgendwann wurde mir die Sacheunheimlich.
Im allgemeinenkommen die
Träume und gehen wieder. DieserTraum
aber setzte sich in mir fest! Ichbegann in
zwei Welten zu leben, beide so konkret
wie beständig: hier, in Paris, dieTagwelt,
in der ich mich an den gleichenMöbeln
stieß, an den gleichen Menschen, inder
gleichen Stadt; und dort - aber wodort?
- die steinerne Welt hoher Berge, inder
ich einen Mann töten wollte. Wenndie
Träume im Wachen wiederkommen, wie
soll man da nicht glauben, daß man zwei
Leben lebt? Was für eine Tür hattesich
mir im Schlaf aufgetan?
Es dauerte zwei Jahre, bis sich mirdie
Antwort im Antlitz einer Frau offenbarte.
( )
© Ammann Verlag & Co. 2006
Übersetzung: InésKoebel
- Autor: Eric-Emmanuel Schmitt
- 2006, 1, 90 Seiten, Maße: 12,5 x 20,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Inés Koebel
- Verlag: Ammann
- ISBN-10: 3250600997
- ISBN-13: 9783250600992
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Milarepa".
Kommentar verfassen