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Interviewmit Peter Dempf
IhrRoman kreist um zwei Wochen im Leben des jungen Mozart, die Sie alsentscheidend für seine Entwicklung zum Jahrtausendgenie" beschreiben. ZweiWochen während einer Konzertreise in Augsburg, in denen er sich vom Vaterabnabelt und seine erste Liebe erlebt. Was für ein Mensch war Mozart davor, wiewar er danach?
Vor diesenzwei Wochen in Augsburg war Wolfgang ein Junge. Weitgehend unerfahren in SachenLiebe, was sich auch in seiner Musik widerspiegelt. Den Liebesszenen seiner Opern,den Liebesliedern darin, fehlt es an Tiefe. Sie sind formal brillant, technischversiert und doch ein wenig seelenlos. Er hat keine Ahnung. Das ändert sicherst in Augsburg - und ich sage bewusst in Augsburg, nicht in Mannheim. Bereitsin Mannheim ist er in der Lage, seine ganze Gefühlswelt in Lieder zu stecken,die er vor seiner neuen Liebe Aloysia Weber ausbreitet. Ohne den Hintergrundder Liebe zur Augsburger Cousine Anna Maria, zum Bäsle" also, wäre dasundenkbar gewesen.
Gleichzeitigbefreit Mozart sich: vom Vater, auch wenn ihm das ein Leben nie so ganz gelingt,und vom Duktus des Musikus. Er wird zum selbstständigen Komponisten. Die Briefeaus Augsburg an seinen Vater sprechen deutlich davon, dass er sich gedemütigtfühlt, auf den Musikus reduziert zu sein. Er setzt alles daran, dies zu ändern.Die Flucht nach Mannheim, die Annäherung an die Weber-Familie ist nur unterdiesem Aspekt wirklich zu verstehen.
Um dieAusführungen kurz zusammenzufassen. Vor Augsburg fehlte Mozart die Gefühlstiefein seiner Musik. Technisch hervorragend, wirkt sie trotzdem hölzern. DasBäsle" hilft ihm, sich erotisch und künstlerisch zu vervollkommnen und Erfahrungenzu sammeln (was die Bäsle-Briefe deutlich zeigen). Nach Augsburg ist Mozartdurch die körperliche und seelische Liebeserfahrung der Künstler, den wir zukennen glauben.
Zwar glaubeich, dass Augsburg ein wesentlicher Schritt hin zu dem Mozart gewesen ist, denwir heute vor allem hören, nämlich dem Mozart der Opern und Konzerte Und doch -dies ist dem Genius dieses Mannes zu verdanken - wäre sein Lebensweg vermutlichauch ohne das Augsburger Erlebnis ähnlich verlaufen, hätte er dieselbeEntwicklung gemacht. Das Bäsle" bleibt - trotz ihrer handfestenEntwicklungshilfe - alles in allem austauschbar. An ihre Stelle wäre einanderes Mädchen zu einem anderen Zeitpunkt getreten, in Hohenaltheim, inMannheim oder in Paris. Tatsache ist allerdings, dass Zeitpunkt und Person beinaheideal waren. Das will der Roman zeigen. Wolfgang und Maria Anna waren beidebereit, ihre Erfahrungen zu machen. Und es hat diese Begegnung unleugbargegeben. Das macht es so spannend.
Geschriebenhaben Sie einen Roman, dem eine umfangreiche historische Recherchevorangegangen ist. Wie eng sind Sie an dem historisch Belegbaren geblieben?
Ich bleibeimmer sehr eng am historisch Belegbaren - soweit das in einem Roman möglichist. Ich habe alle Handlungsorte aufgesucht, sie beschrieben, ihreVeränderungen in der Zeit berücksichtigt, soweit sie mir kenntlich wurden, und habePersonen und Ereignisse verwendet, sofern sie in die Geschichte gepasst haben.Das geht bis hin zu Wetterschilderungen und auch Formulierungen, die ich denBriefen entnommen habe. Die Ereignisse, Besuche, Aktivitäten jedes einzelnenTages wurden akribisch rekonstruiert und dienten als Hintergrund für den Roman.Trotzdem habe ich mir natürlich Freiheiten erlaubt, die jedoch mit derdamaligen Realität vereinbar sein mussten. So sind beispielsweise die KopistenMeierl frei erfunden. Dennoch musste Wolfgang seine Noten kopieren lassen. Und dieseKopistenbüros gab es. Wahr ist auch, dass Mozart seine eigenenKlavierpartituren aus dem Kopf gespielt hat, um zu verhindern, dass andere siekopieren und verwerten können.
Bislanghatten diese zwei Augsburger Wochen wenig Bedeutung in der Literatur zu Mozartgespielt. Sind Sie darauf gestoßen, weil Sie auch in Augsburg leben, es alsoein Stück Lokalgeschichte ist? Welche Quellen konnten Sie vor Ort nocherschließen?
Ichschreibe Romane, keine Biografien. Dennoch versuche ich, mich so genau wiemöglich an die verbürgte Wirklichkeit zu halten. Bei der Bäsle-Geschichte istmir wieder und wieder aufgefallen, mit welch spitzen Fingern geradeMusikwissenschaftler das Thema behandeln - als läge die Krätze darin verborgen.Sie verklausulieren natürliche Vorgänge und verstecken sie hinterWortungetümen, dass man nur mit Heiterkeit darauf antworten kann. Das gipfelt zumBeispiel in der Tatsache, dass man sich zwar mit den Bäsle-Briefen beschäftigt,sich jedoch so gut wie gar nicht für die tatsächliche Begegnung der beidenjungen Menschen interessiert.
Es geht kaumum den Menschen Mozart. Immer ist es das musikalische Jahrhundertgenie, dasseine Menschlichkeit längst abgelegt hat und als Ikone durch alle Anfechtungenseines Lebens schwebt, mit dem und an dem gearbeitet wird. Das fand ich fürkeine Zeit so schlimm ausformuliert wie für die Tage in Augsburg und dieBegegnung mit dem Bäsle". Schon deshalb habe ich mich entschlossen, die beidenjungen Menschen Wolfgang und Maria Anna einander näher kommen zu lassen. Mitall den Verwirrungen und Irrungen, die eine solches Zusammenkommen in jungenMenschen hervorruft. Dass mich dabei ein gewisses Lokalkolorit begeistert hat,kann ich nicht leugnen. Doch ich denke, dass auch und gerade Stoffe ausAugsburg - eben weil sie aus einer Stadt kommen, die in damaliger Zeit immernoch international anerkannt war - überregionale Bezüge aufweisen. Sie sindmindestens ebenso universell oder provinziell wie Stoffe, die sich mit Berlinbeschäftigen.
Leider gabes vor Ort selbst keine neuen Quellen zu erschließen. Mozart ist zu bekannt,als dass sich hier große Sensationsfunde machen lassen. Dennoch habe ich aufden ungeheuren Fundus zurückgegriffen, den Musikwissenschaftler und Historikerzu seinem Aufenthalt in Augsburg geliefert haben und der häufig in größerePublikationen über Mozart nicht einfließt, weil die Aufenthalte in Salzburg undWien für bedeutender gehalten werden. Das ist natürlich Unsinn, denn inAugsburg haben wir es mit einem unfertigen Menschen zu tun - und was kannspannender sein, als an der Verfertigung eines Menschen wie Mozart teilzuhaben.Dies ist in den zwei Wochen in Augsburg möglich gewesen.
Beanspruchtder Zusammenhang zwischen Liebe und musikalischem, kreativem Schaffen, den Siebeschreiben, Gültigkeit über die Biografie Mozarts hinaus?
O ja.Liebe, Kunst und Kreativität sind drei Aspekte, die einander gegenseitigbefruchten. Ich möchte sogar so weit gehen zu behaupten, dass ohne eines dieserdrei Elemente der schöpferische Prozess schier unmöglich wird. Dreht sich nichtalles um die Liebe? Dreht sich nicht alles um unseren ästhetischen Zugang zudieser Welt? Warum lockt es uns nicht auf Müllplätze in den Urlaub, sondern anblaue Sandstrände? Weil sie unseren ästhetischen Vorstellungen einfach näherkommen. Dort können wir uns erholen, träumen, die Seele baumeln lassen". Nurwas uns beseelt", führt zu fruchtbaren Ergebnissen. Da ist die Musik einwesentliches Erlebnis, eine Hauptnahrung für unser Empfinden. Und diesesEmpfinden wird durch die Liebe gesteigert, vertieft. Die Liebe macht unsempfänglich für die Schönheit, sie befördert Kreativität. Denken wir nur an diewortmächtigen Gedichte des jungen Goethe an seine umschwärmte Friederike oderan die Freiherrin Charlotte von Stein.
Ich bindavon überzeugt, dass Liebe ohne Kunst, dass Kreativität ohne Liebe und Kunstohne Kreativität nicht existiert.
Siehaben bereits historische Romane etwa zu Hieronymus Bosch oder Caravaggiovorgelegt. Verbindet die Figuren, die Sie sich aussuchen, mehr als dieTatsache, dass sie geniale Künstler waren?
AlleFiguren, über die ich geschrieben habe haben zweierlei gemeinsam: Einmal sindes Getriebene, Menschen und Künstler, die von einer Idee besessen sind unddiese gegen die Widrigkeiten des Lebens und oft genug unter Einsatz ihrerExistenz vorantreiben. Ob Hieronymus Bosch seine Ideen gegen die Inquisitionverteidigen muss, ob Caravaggio manisch seine Neuerungen in der bildenden Kunstbetreibt, ob Mozart verzweifelt seinen künstlerischen Weg sucht oder einSalomon Idler einer fixen Idee, der nämlich, fliegen zu wollen, hinterher jagt- sie alle haben sich etwas in den Kopf gesetzt und verfolgen diese Ideekonsequent. Vielleicht sehe ich mich in diesen Existenzen gespiegelt, denn auchich bin ein Mensch, der um sein Schreiben gekämpft hat und immer noch kämpfenmuss.
Zum anderenhaben alle diese Figuren ein unlösbares Geheimnis in ihrer Biografie. Jederweiß darum. Doch können wissenschaftliche Arbeiten, z.B. Biografien, die sichstreng an die Fakten halten müssen, diese offenen Geheimnisse nicht lösen, umnicht unglaubwürdig zu werden. Ein Roman kann es. Er darf beantworten, wasHieronymus Bosch in seinem Bild für Botschaften versteckt hat. Er muss sogardie Frage stellen und beantworten, von wem Caravaggio durch ganz Italien gejagtwurde. Und wenn sich dann die gefundenen Details nahtlos in die vom Autorvorgeschlagene Handlungsthese einfügen, hat der Roman seine Funktion erfüllt.
TrotzIhres beachtlichen Erfolgs sind Sie noch nicht hauptberuflich als Autor tätigund unterrichten noch als Lehrer. Wie sieht bei Ihnen ein Arbeitstag aus?
Ich binnicht deshalb Gymnasiallehrer geworden, weil ich nachmittags frei haben wollte.Dann hätte ich einen anderen Beruf wählen müssen. Ich unterrichte gern. Auchnoch nach 18 Dienstjahren. Ich finde es faszinierend, wenn Kinder an meinenLippen hängen, wenn ich von den Pharaonen erzähle oder Alexander nach Indienaufbrechen lasse. Ebenso gern unterhalte ich mich mit jungen Erwachsenen überLiteratur, Geschichte und Politik. Das sind Aufgaben, die von vielenIntellektuellen leider nicht mehr geleistet werden. Deshalb unterrichte ichnoch. Es macht mir Spaß.
Ebenso sehrliebe ich das Schreiben. Ich erzähle für mein Leben gern Geschichten und tauchein die Welten meiner Fantasie ab, in die Welt, die ich gerne beschreiben will.Meine Lehrertätigkeit erleichtert mir dies, sie macht mich unabhängig vomZeitgeist, von Aufträgen oder besonderen Interessen der Verlage. Ich schreibe,was ich gerne schreiben will.
MeinArbeitsalltag ist deshalb wohl der eines Workaholic, eines leicht verrücktenDauerarbeiters. Ich unterrichte vormittags, nachmittags bereite ich meinenUnterricht vor, korrigiere (auch schon mal meine eigenen Sachen). Dann wirdeine Stunde gelesen. Ich bin nämlich auch ein süchtiger Leser, der am liebstendie neueste deutsche Literatur auf einen Sitz verschlingen würde. Der Abendgehört dem Schreiben. Zuerst wird das verbessert, was am Tag vorher geschriebenwurde. Dann werden mindestens 50 neue Zeilen geschrieben. An den Wochenendenmeist mehr. Das kann in einer halben Stunde beendet sein, das kann aber auchmal zwei Stunden oder länger dauern. Der Text wird ausgedruckt, mit der Handüberarbeitet und wieder korrigiert. Wenn die Ideen sprudeln, kann es schongeschehen, dass ich bis nachts um zwei am Computer sitze.
Wenn ichnur" meine 50 Zeilen geschrieben und überarbeitet habe, recherchiere ich, d.h.ich lese Neues, stelle die Inhalte für ein neues Kapitel zusammen, bastle anmeinem Schreibplan, konzipiere Spannungsbögen.
Wichtig fürmich ist, dass ich immer an zwei oder drei Projekten gleichzeitig arbeitenkann, z.B. an einem Kinderbuch, zu dem ich Lieder texte, an einem Theaterstückoder an einer Erzählung. So kann ich, wenn es bei einem Projekt nicht ganz sogut läuft, oder wenn ich über Entwicklungen meiner Hauptfiguren nachdenkenmuss, die ich nicht vorausgesehen habe, zum Ersatzprojekt wechseln und dortweiterarbeiten. Das entspannt und nimmt den Druck weg, die Hauptarbeitvorantreiben zu müssen.
Das klingtalles nach sehr viel Mühe, ist aber keine. Es ist eine nimmer endende Quelleder Freude. Und wenn andere diesen Spaß mit mir teilen, indem sie meine Bücherlesen, kann ich nur mehr als zufrieden sein.
DieFragen stellte Henrik Flor, Literaturtest.
- Autor: Peter Dempf
- 2004, 301 Seiten, Maße: 13 x 21,9 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Eichborn
- ISBN-10: 3821809515
- ISBN-13: 9783821809519
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