Mitternachtszirkus - Das Blut der Vampire, Band 3
"Die Prophezeiungen der Dunkelheit", "Die Verbündeten der Nacht", "Die Flammen der Verdammnis"
Band 7 bis 9 der Vampir-Saga. Der Krieg zwischen Vampiren und ihren untoten Brüdern tobt weiter. Nur Darren Shan kann den Schrecken beenden.
- Die Prophezeiungen der Dunkelheit
- Die Verbündeten der Nacht
- Die Flammen der Verdammnis
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Mitternachtszirkus - Das Blut der Vampire, Band 3 “
Band 7 bis 9 der Vampir-Saga. Der Krieg zwischen Vampiren und ihren untoten Brüdern tobt weiter. Nur Darren Shan kann den Schrecken beenden.
- Die Prophezeiungen der Dunkelheit
- Die Verbündeten der Nacht
- Die Flammen der Verdammnis
Klappentext zu „Mitternachtszirkus - Das Blut der Vampire, Band 3 “
"Vielen Dank auch", sagte ich zu dem Mann, der mir gerade das Leben gerettet hatte. Er blieb stehen, seine Armbrust zielte direkt auf mich. "Weißt du, warum ich dich verschont habe?", fragte er. Ich schluckte und wurde das Gefühl nicht los, seine Stimme von irgendwoher zu kennen. "Vielleicht wollte ich dich ja für mich selbst aufsparen!", zischte er.Immer weiter werden Darren Shan und seine Freunde in den Krieg zwischen den Vampiren und ihren untoten Brüdern, den Vampyren, verwickelt. Unzählige Vampire sind ihm schon zum Opfer gefallen. Um dem Schrecken ein Ende zu setzen, gibt es nur einen Weg: Darren Shan muss den Fürst der Vampyre töten. Ein gefährlicher Auftrag, der ihn und seine Freunde dorthin zurückführt, wo alles begann
Dieses Buch enthält Band sieben bis neun der dunklen Vampirsaga von Darren Shan:
DIE PROPHEZEIUNGEN DER DUNKELHEIT
DIE VERBÜNDETEN DER NACHT
DIE FLAMMEN DER VERDAMMNIS
Lese-Probe zu „Mitternachtszirkus - Das Blut der Vampire, Band 3 “
Mitternachtszirkus - Das Blut der Vampire, Band 3 von Darren Shan("Die Prophezeiungen der Dunkelheit", "Die Verbündeten der Nacht", "Die Flammen der Verdammnis")
Die Prophezeiungen der Dunkelheit
1
Wieder einmal verbrachte ich eine lange, anstrengende Nacht in der Fürstenhalle. Ein Obervampir namens Staffen Irve erstattete mir und Paris Skyle Bericht. Paris war mit über achthundert Jahren auf dem Buckel der zurzeit älteste lebende Vampir.
Er besaß wallendes, weißes Haar, einen langen, grauen Bart und hatte das rechte Ohr schon vor einer halben Ewigkeit im Kampf eingebüßt. Staffen Irve war drei Jahre lang im Feld gewesen und lieferte uns nun eine kurze Zusammenfassung seiner Erlebnisse im Krieg der Narben, wie die Auseinandersetzung inzwischen allgemein genannt wurde. (Diese Bezeichnung spielte auf die vernarbten Fingerkuppen an, das Erkennungszeichen aller Vampire und Vampyre.) Es war ein seltsamer Krieg. Es gab keine großen Schlachten, und keine der beiden Parteien benutzte Schusswaffen.
Vampire und Vampyre kämpfen ausschließlich Mann gegen Mann, und das mit Schwertern, Keulen, Speeren oder dergleichen. Daher beschränkten sich die Gefechte auf einzelne Geplänkel, bei denen drei oder vier Vampire gegen die gleiche Anzahl Vampyre antraten und den Kampf bis zum bitteren Ende ausfochten.
»Wir waren vier und sie nur drei«, schilderte uns Staffen Irve einen noch nicht lange zurückliegenden Zusammenstoß.
»Aber meine Jungs waren noch ziemlich trocken hinter den Mandeln und die Vampyre ausgefuchste Haudegen. Einen von ihnen hab ich erledigt, die anderen sind abgehauen. Von meinen Leuten sind leider zwei auf der Strecke geblieben, und der dritte konnte seinen Arm nicht mehr gebrauchen.«
»Haben die Vampyre irgendetwas von ihrem Lord erwähnt?«, erkundigte sich Paris.
... mehr
»Nein, Euer Gnaden. Wenn ich welche gefangen genommen und verhört habe, haben sie mich nur ausgelacht, sogar als ich sie foltern ließ.«
Sechs Jahre lang fahndeten wir nun schon vergeblich nach dem sagenhaften Lord. Wir wussten lediglich, dass er noch nicht angezapft war (mehrere Vampyre hatten berichtet, er müsse sich erst mit ihrer Lebensweise vertraut machen, bevor er einer von ihnen werden könne).
Die meisten Vampire vertraten übrigens die Ansicht, wir könnten Meister Schicks unheilvolle Prophezeiung nur abwenden, wenn wir den Lord rechtzeitig aufstöberten und töteten, bevor er sich zum Befehlshaber des Vampyrclans aufschwang. Eine Gruppe anderer Obervampire wartete ebenfalls ungeduldig darauf, mit Paris zu sprechen.
Als Staffen Irve fertig war, drängten sie näher, doch ich hob abwehrend die Hand. Dann ergriff ich einen Krug warmes Blut und reichte ihn dem einohrigen Fürsten. Paris lächelte mich dankbar an, nahm einen tiefen Zug und wischte sich mit dem Handrücken die roten Spritzer vom Mund. Seine Hand zitterte die verantwortungsvolle Aufgabe, dem Kriegsrat vorzustehen, forderte ihren Tribut von dem greisen Vampir.
»Wollt Ihr nicht lieber für heute Nacht Schluss machen?«, fragte ich, um den Gesundheitszustand meines Mitfürsten besorgt. Der schüttelte den Kopf.
»Die Nacht ist noch jung«, brummelte er.
»Aber Ihr seid es nicht mehr«, mahnte eine vertraute Stimme hinter mir. Es war Mr. Crepsley. Mein in einen roten Umhang gewandeter ehemaliger Lehrmeister hielt sich fast ständig in meiner Nähe auf, um mir mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Damit nahm er eine Sonderstellung ein.
Als einfacher Vampir bekleidete er keinen höheren Dienstgrad und konnte im Grunde vom unerfahrensten Obervampir herumkommandiert werden. Doch als mein Vormund besaß er inoffiziell so viel Einfluss wie ein Fürst, da ich seine Ratschläge fast immer befolgte. In Wahrheit war Mr. Crepsley nur Paris Skyle unterstellt, auch wenn diese Tatsache nie offen ausgesprochen wurde. Da werd noch einer schlau draus!
»Ihr solltet Euch ein wenig ausruhen«, wandte sich mein ehemaliger Meister jetzt direkt an den Alten und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Dieser Krieg wird noch lange dauern. Ihr müsst mit Euren Kräften haushalten. Wir brauchen Euch noch.«
»Blödsinn!«, wehrte Paris ab. »Du und Darren ihr seid unsere Zukunft. Ich bin schon Vergangenheit, Larten. Wenn dieser Krieg so lange währt, wie zu befürchten steht, werde ich sein Ende nicht mehr erleben. Wenn ich mich jetzt nicht ranhalte, wann dann?«
Mr. Crepsley wollte ihm widersprechen, doch Paris gebot ihm mit einer Geste Schweigen.
»Ein alter Zausel wie ich lässt sich nicht gern erzählen, wie jung und kräftig er noch ist. Ich pfeife auf dem letzten Loch, und wer etwas anderes behauptet, ist entweder ein Dummkopf, ein Lügner oder beides.«
Mein Mentor neigte gehorsam den Kopf. »Nun gut. Ich will mich nicht mit Euch herumstreiten.«
»Das will ich auch hoffen«, gab Paris zurück, doch dann rutschte er unbehaglich auf seinem Thron herum. »Aber diese Nacht war wirklich strapaziös. Ich höre mir noch an, was diese Obervampire da drüben vorzubringen haben, dann ziehe ich mich in meinen Sarg zurück und schlafe eine Runde. Glaubst du, Darren kommt ohne mich zurecht?«
»Ganz bestimmt«, bekräftigte Mr. Crepsley und stellte sich unauffällig hinter mich, bereit, mir jederzeit beizuspringen, als die Obervampire nun vor das Podium traten. Als der Morgen dämmerte, lag Paris noch immer nicht in seinem Sarg. Die Obervampire hatten eine Menge zu besprechen: Sie verglichen Berichte über die Bewegungen des Feindes und versuchten auf diese Weise, das Versteck des Lords ausfindig zu machen.
Es war schon fast Mittag, als sich der alte Fürst endlich verabschiedete. Auch ich gestattete mir eine kurze Pause und aß einen Happen. Dann nahmen drei der Kampfausbilder des Berges, die mit dem Training der zukünftigen Obervampire betraut waren, meine Aufmerksamkeit in Anspruch. Anschließend erteilte ich noch zwei frisch gebackenen Obervampiren den Marschbefehl, damit sie sich ihre ersten Sporen im Gefecht mit den Vampyren verdienen konnten. Ich brachte die kleine Zeremonie so rasch wie möglich hinter mich.
Ich musste ihre Stirn mit Vampirblut benetzen und dabei einen altertümlichen Kriegssegen murmeln, dann wünschte ich ihnen viel Glück und sandte sie aus, um Vampyre zu töten oder von ihnen getötet zu werden. Als das erledigt war, waren die einfachen Vampire an der Reihe, mir ihre Fragen und Probleme vorzutragen. Von mir als Fürst wurde erwartet, dass ich mich mit jedem nur denkbaren Thema unter dem Mond befasste.
Zwar war ich nur ein junger, unerfahrener Halbvampir, der eher durch Zufall als aufgrund eigener Verdienste zum Fürsten ordiniert worden war, doch die Clanmitglieder vertrauten allen ihren Fürsten bedingungslos und brachten mir dieselbe Hochachtung entgegen wie Paris oder einem der anderen Anführer. Als schließlich auch der letzte Vampir die Halle verlassen hatte, legte ich mich in einer Hängematte, die ich im hinteren Teil des Raumes angebracht hatte, für drei Stunden aufs Ohr.
Nach dem Aufwachen aß ich ein paar Bissen halb rohes, gepökeltes Wildschweinfleisch, spülte es mit Wasser hinunter und gönnte mir zum Schluss einen kleinen Becher Blut. Dann war es schon wieder höchste Zeit, mich auf meinen Thron zu begeben, um die neuesten Lageberichte entgegenzunehmen, Schlussfolgerungen daraus zu ziehen und Schlachtpläne zu schmieden.
2
Ein lauter Schrei riss mich jäh aus dem Schlaf. Ich fuhr in die Höhe und plumpste aus meiner Hängematte unsanft auf den kalten, harten Steinfußboden der Schlafkammer. Automatisch fuhr meine Hand an den Knauf des Kurzschwertes, das Nacht und Tag an meiner Hüfte baumelte.
Dann wich meine Benommenheit, und ich begriff, dass Harkat nur wieder einen seiner Albträume hatte. Harkat Mulds war ein Kleiner Kerl, eines dieser kleinwüchsigen Wesen in blauen Kapuzenkutten, die Meister Schick dienten. Früher einmal war er ein Mensch gewesen, konnte sich allerdings weder an seine damalige Identität erinnern noch daran, wann und wo er gelebt hatte.
Bei seinem Tod hatte seine Seele die Erde nicht verlassen können, und schließlich hatte ihn Meister Schick in seiner jetzigen verkrüppelten Gestalt wieder zum Leben erweckt. »Harkat«, ächzte ich und schüttelte ihn unsanft.
»Wach auf. Du hast wieder geträumt.« Harkat besaß keine Augenlider, doch seine großen, grünen Augen wurden trüb, wenn er schlief. Jetzt leuchteten sie auf, und mit lautem Stöhnen rollte er aus seiner Hängematte, genau wie ich gerade eben.
»Drachen!«, brüllte er. Der Mundschutz, den er rund um die Uhr umgebunden hatte, dämpfte seine Stimme ein wenig. Normale Luft vertrug er nicht länger als zehn oder zwölf Stunden, und ohne die Filtermaske müsste er sterben.
»Drachen!«
»Nein«, gähnte ich. »Das hast du bloß geträumt.« Harkat starrte mich mit seinen unnatürlich grünen Augen an, dann beruhigte er sich, zog die Maske herunter und enthüllte seinen breiten, graulippigen, klaffenden Mund.
»Tut mir Leid, Darren. Hab ich dich ... geweckt?«
»Nein«, schwindelte ich. »Ich war schon wach.« Ich schwang mich wieder in meine Hängematte, setzte mich auf und musterte Harkat. Er war wirklich erstaunlich hässlich.
Klein und stämmig, mit leichenfahler, grauer Haut, ohne sichtbare Ohren und Nase (die Ohren waren unter der Kopfhaut eingenäht, doch er besaß weder Geruchs- noch Geschmackssinn). Dazu war er völlig kahl, hatte runde, grüne Augen, scharfe, kleine Zähne und eine dunkelgraue Zunge.
Sein Gesicht war so narbenübersät wie das von Frankensteins Monster. Ich selbst war allerdings, wie die meisten Vampire, auch nicht gerade eine Schönheit!
Mein Gesicht und mein Körper waren voller Narben und Brandwunden. Viele davon hatte ich mir bei meinen Einweihungsprüfungen zugezogen, die ich zwei Jahre zuvor im zweiten Anlauf bestanden hatte. Auch ich war seit dem ersten Prüfungsdurchgang, bei dem ich schwere Verbrennungen davongetragen hatte, so glatzköpfig wie ein Säugling. Harkat war einer meiner besten Freunde.
Er hatte mir schon zweimal das Leben gerettet: Das erste Mal, als ich auf der Anreise zum Vampirberg von einem wilden Bären angefallen worden war, und das zweite Mal bei meinen ersten, misslungenen Einweihungsprüfungen, als ich mit zwei mörderischen Wildschweinen hatte kämpfen müssen. Es bereitete mir Sorgen, dass er immer noch unter den Albträumen litt, die ihn schon seit Jahren quälten.
»War es der gleiche Traum wie immer?«, erkundigte ich mich.
»Ja«, nickte der Kleine Kerl. »Ich wanderte durch ein weites, ödes Land. Der Himmel war rot. Ich suchte irgendetwas, aber ich ... wusste nicht, was. Überall waren Gruben mit spitzen Pfählen. Dann wurde ich von einem Drachen angegriffen. Ich konnte ihn in die Flucht schlagen, aber ... ein zweiter tauchte auf. Dann noch einer. Dann ...« Er seufzte bedrückt. Harkat sprach immer besser.
Als er angefangen hatte zu reden, hatte er alle zwei oder drei Wörter unterbrechen und Luft holen müssen, doch inzwischen hatte er sich eine spezielle Atemtechnik angeeignet und stockte nur noch bei längeren Sätzen.
»Waren die Schattenmänner auch wieder da?«, wollte ich wissen. Manchmal träumte er nämlich von schattenhaften Gestalten, die ihn verfolgten und peinigten.
»Diesmal nicht«, verneinte er. »Aber sie wären bestimmt noch gekommen, wenn du ... mich nicht wachgerüttelt hättest.«
Er schwitzte (sein Schweiß hatte eine hellgrüne Farbe), und seine Schultern bebten leicht. Das Schlafen war für ihn zur Qual geworden. Daher blieb er so lange wie möglich wach und schlief nur alle drei Tage höchstens vier oder fünf Stunden.
»Willst du was essen oder trinken?«, fragte ich.
»Nein«, lehnte er ab. »Hab keinen Hunger.«
Er rappelte sich auf und reckte die kräftigen Arme. Er war nur mit einem Tuch um die Hüften bekleidet, so dass ich seine Brust und seinen Bauch sehen konnte, die völlig glatt waren, ohne Brustwarzen und Nabel.
»Freut mich, dich mal wieder zu sehen«, meinte er und streifte sich die blaue Kutte über, die er aus Gewohnheit noch immer trug.
»Ist schon ewig her .... dass du hier geschlafen hast.«
»Ich weiß«, stöhnte ich. »Dieser verfluchte Kriegskram bringt mich noch mal um, aber ich kann Paris nicht im Stich lassen. Er braucht mich.«
»Wie geht's dem Hohen Herrn denn so?«
»Er hält sich wacker. Aber es ist furchtbar anstrengend. So viele Entscheidungen müssen getroffen werden, so viele Truppen aufgestellt, so viele Vampire in den sicheren Tod geschickt werden.«
Wir schwiegen beide und dachten an den Krieg der Narben und all jene Vampire, die ihm bereits zum Opfer gefallen waren darunter einige sehr gute Freunde von uns.
»Und wie ist es dir so ergangen?«, wandte ich mich an den Kleinen Kerl und verscheuchte die trüben Gedanken.
»Hatte alle Hände voll zu tun. Seba hält mich ganz schön auf Trab.«
Nachdem sich Harkat ein paar Monate müßig im Vampirberg herumgetrieben hatte, hatte er angefangen, für Seba Nile, den Quartiermeister, zu arbeiten. Dieser war für alle Lagerräume des Berges zuständig und verwaltete die Vorräte an Lebensmitteln, Kleidung und Waffen.
Zunächst hatte Harkat nur Kisten und Säcke geschleppt, doch schon bald hatte er sich mit der Einteilung der Vorräte und den Bedürfnissen der Vampire vertraut gemacht und war zu Sebas Obergehilfen aufgestiegen.
»Musst du gleich wieder in die Fürstenhalle zurück?«, fragte er. »Seba möchte dich gern sprechen. Er will dir ... ein paar Spinnen zeigen.«
Der Berg wurde von abertausend Achtfüßlern bewohnt, die >Ba'Halens-Spinnen< genannt wurden. »Ich muss wieder an die Arbeit«, erwiderte ich bedauernd, »aber ich versuche, möglichst bald bei ihm vorbeizuschauen.«
»Tu das«, sagte Harkat ernst. »Du siehst erschöpft aus. Paris ist nicht der Einzige, der dringend Ruhe braucht.« Kurz darauf musste Harkat selbst los, um die Ankunft eines Trupps Obervampire vorzubereiten. Ich blieb in meiner Hängematte liegen und blickte an die dunkle Felsdecke über mir, konnte jedoch nicht mehr einschlafen. Seit unserer Ankunft im Vampirberg teilte ich mir mit Harkat diese Kammer.
Es war bloß ein kleines Kabuff, aber es kam einem Schlafzimmer so nahe, wie das im Berg eben möglich war. Ich hielt mich gern dort auf. Leider kam ich in letzter Zeit nur selten dazu. Die meisten Nächte verbrachte ich in der Fürstenhalle, und die paar freien Stunden, die mir verblieben, nutzte ich normalerweise zum Essen oder Trainieren. Im Liegen fuhr ich mir mit der Hand über den kahlen Schädel und dachte an meine Prüfungen zurück. Im zweiten Anlauf hatte ich sie schließlich doch noch bestanden.
Ich hätte sie nicht noch einmal zu absolvieren brauchen als Fürst war ich dazu nicht verpflichtet , doch ich wäre mir sonst feige vorgekommen. Es war der Beweis, dass ich würdig war, ein Vampir zu sein. Abgesehen von den Narben und Verbrennungen hatte ich mich im Lauf der vergangenen sechs Jahre äußerlich nicht sehr verändert.
Da ich nur ein Halbvampir bin, altere ich ungefähr fünfmal langsamer als ein Mensch. Seit meiner Zeit beim Cirque Du Freak war ich zwar ein Stück gewachsen, und meine Gesichtszüge waren etwas ausgeprägter und weniger kindlich als früher, einschneidend verändern würde ich mich jedoch erst als vollwertiger Vampir. Als solcher verfügte ich dann über wesentlich mehr Körperkraft, könnte mit meinem Speichel Wunden verschließen, ein Gas ausatmen, das Menschen bewusstlos macht, und mich mit anderen Vampiren durch Gedankenübertragung verständigen. Nicht zu vergessen das Huschen, eine superschnelle Fortbewegungsart, die nur vollwertige Vampire beherrschen. Andererseits vertrüge ich dann kein Sonnenlicht mehr und könnte mich bei Tag nicht mehr frei bewegen. Doch das alles war noch längst nicht aktuell.
Mr. Crepsley hatte nie erwähnt, wann ich ein Vollvampir werden würde, aber ich hatte mir zusammengereimt, dass ich dazu erst ausgewachsen sein musste. Das wiederum würde noch zehn bis fünfzehn Jahre dauern, denn ich steckte noch immer im Körper eines Kindes. Insofern blieb mir noch reichlich Zeit, meine verlängerte Kindheit zu genießen oder zu erdulden. Ich ruhte mich noch eine halbe Stunde lang aus, dann stand ich auf und zog mich an.
Inzwischen hatte ich mir angewöhnt, Hemd, Hose sowie ein Wams aus hellblauem Stoff und darüber ein langes, königlich wirkendes Übergewand zu tragen. Als ich das Hemd überstreifte, verfing sich wie so oft mein rechter Daumen im Ärmel. Vor sechs Jahren hatte ich ihn mir gebrochen, und er stand immer noch ab. Vorsichtig, um den Stoff nicht mit meinen extrascharfen Fingernägeln aufzuschlitzen, mit denen ich sogar Löcher in mürbes Gestein bohren konnte, machte ich mich los und zog mich fertig an. Ich schlüpfte in ein Paar weiche Schuhe und fuhr mir gewohnheitsmäßig mit der Hand über den Kopf, um festzustellen, ob ich Zeckenbisse abbekommen hatte, denn in letzter Zeit herrschte im Berg eine regelrechte Zeckenplage.
Dann begab ich mich wieder in die Fürstenhalle, wo eine weitere endlose Nacht strategischer Überlegungen und hitziger Diskussionen auf mich wartete.
Übersetzung: Gerald Jung und Katharina Orgaß
Sonderausgabe Sammelband Juli 2010
Copyright © 2002 und 2003 der deutschsprachigen Ausgaben bei Verlag der Vampire im Schneekluth Verlag GmbH, München. Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München
»Nein, Euer Gnaden. Wenn ich welche gefangen genommen und verhört habe, haben sie mich nur ausgelacht, sogar als ich sie foltern ließ.«
Sechs Jahre lang fahndeten wir nun schon vergeblich nach dem sagenhaften Lord. Wir wussten lediglich, dass er noch nicht angezapft war (mehrere Vampyre hatten berichtet, er müsse sich erst mit ihrer Lebensweise vertraut machen, bevor er einer von ihnen werden könne).
Die meisten Vampire vertraten übrigens die Ansicht, wir könnten Meister Schicks unheilvolle Prophezeiung nur abwenden, wenn wir den Lord rechtzeitig aufstöberten und töteten, bevor er sich zum Befehlshaber des Vampyrclans aufschwang. Eine Gruppe anderer Obervampire wartete ebenfalls ungeduldig darauf, mit Paris zu sprechen.
Als Staffen Irve fertig war, drängten sie näher, doch ich hob abwehrend die Hand. Dann ergriff ich einen Krug warmes Blut und reichte ihn dem einohrigen Fürsten. Paris lächelte mich dankbar an, nahm einen tiefen Zug und wischte sich mit dem Handrücken die roten Spritzer vom Mund. Seine Hand zitterte die verantwortungsvolle Aufgabe, dem Kriegsrat vorzustehen, forderte ihren Tribut von dem greisen Vampir.
»Wollt Ihr nicht lieber für heute Nacht Schluss machen?«, fragte ich, um den Gesundheitszustand meines Mitfürsten besorgt. Der schüttelte den Kopf.
»Die Nacht ist noch jung«, brummelte er.
»Aber Ihr seid es nicht mehr«, mahnte eine vertraute Stimme hinter mir. Es war Mr. Crepsley. Mein in einen roten Umhang gewandeter ehemaliger Lehrmeister hielt sich fast ständig in meiner Nähe auf, um mir mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Damit nahm er eine Sonderstellung ein.
Als einfacher Vampir bekleidete er keinen höheren Dienstgrad und konnte im Grunde vom unerfahrensten Obervampir herumkommandiert werden. Doch als mein Vormund besaß er inoffiziell so viel Einfluss wie ein Fürst, da ich seine Ratschläge fast immer befolgte. In Wahrheit war Mr. Crepsley nur Paris Skyle unterstellt, auch wenn diese Tatsache nie offen ausgesprochen wurde. Da werd noch einer schlau draus!
»Ihr solltet Euch ein wenig ausruhen«, wandte sich mein ehemaliger Meister jetzt direkt an den Alten und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Dieser Krieg wird noch lange dauern. Ihr müsst mit Euren Kräften haushalten. Wir brauchen Euch noch.«
»Blödsinn!«, wehrte Paris ab. »Du und Darren ihr seid unsere Zukunft. Ich bin schon Vergangenheit, Larten. Wenn dieser Krieg so lange währt, wie zu befürchten steht, werde ich sein Ende nicht mehr erleben. Wenn ich mich jetzt nicht ranhalte, wann dann?«
Mr. Crepsley wollte ihm widersprechen, doch Paris gebot ihm mit einer Geste Schweigen.
»Ein alter Zausel wie ich lässt sich nicht gern erzählen, wie jung und kräftig er noch ist. Ich pfeife auf dem letzten Loch, und wer etwas anderes behauptet, ist entweder ein Dummkopf, ein Lügner oder beides.«
Mein Mentor neigte gehorsam den Kopf. »Nun gut. Ich will mich nicht mit Euch herumstreiten.«
»Das will ich auch hoffen«, gab Paris zurück, doch dann rutschte er unbehaglich auf seinem Thron herum. »Aber diese Nacht war wirklich strapaziös. Ich höre mir noch an, was diese Obervampire da drüben vorzubringen haben, dann ziehe ich mich in meinen Sarg zurück und schlafe eine Runde. Glaubst du, Darren kommt ohne mich zurecht?«
»Ganz bestimmt«, bekräftigte Mr. Crepsley und stellte sich unauffällig hinter mich, bereit, mir jederzeit beizuspringen, als die Obervampire nun vor das Podium traten. Als der Morgen dämmerte, lag Paris noch immer nicht in seinem Sarg. Die Obervampire hatten eine Menge zu besprechen: Sie verglichen Berichte über die Bewegungen des Feindes und versuchten auf diese Weise, das Versteck des Lords ausfindig zu machen.
Es war schon fast Mittag, als sich der alte Fürst endlich verabschiedete. Auch ich gestattete mir eine kurze Pause und aß einen Happen. Dann nahmen drei der Kampfausbilder des Berges, die mit dem Training der zukünftigen Obervampire betraut waren, meine Aufmerksamkeit in Anspruch. Anschließend erteilte ich noch zwei frisch gebackenen Obervampiren den Marschbefehl, damit sie sich ihre ersten Sporen im Gefecht mit den Vampyren verdienen konnten. Ich brachte die kleine Zeremonie so rasch wie möglich hinter mich.
Ich musste ihre Stirn mit Vampirblut benetzen und dabei einen altertümlichen Kriegssegen murmeln, dann wünschte ich ihnen viel Glück und sandte sie aus, um Vampyre zu töten oder von ihnen getötet zu werden. Als das erledigt war, waren die einfachen Vampire an der Reihe, mir ihre Fragen und Probleme vorzutragen. Von mir als Fürst wurde erwartet, dass ich mich mit jedem nur denkbaren Thema unter dem Mond befasste.
Zwar war ich nur ein junger, unerfahrener Halbvampir, der eher durch Zufall als aufgrund eigener Verdienste zum Fürsten ordiniert worden war, doch die Clanmitglieder vertrauten allen ihren Fürsten bedingungslos und brachten mir dieselbe Hochachtung entgegen wie Paris oder einem der anderen Anführer. Als schließlich auch der letzte Vampir die Halle verlassen hatte, legte ich mich in einer Hängematte, die ich im hinteren Teil des Raumes angebracht hatte, für drei Stunden aufs Ohr.
Nach dem Aufwachen aß ich ein paar Bissen halb rohes, gepökeltes Wildschweinfleisch, spülte es mit Wasser hinunter und gönnte mir zum Schluss einen kleinen Becher Blut. Dann war es schon wieder höchste Zeit, mich auf meinen Thron zu begeben, um die neuesten Lageberichte entgegenzunehmen, Schlussfolgerungen daraus zu ziehen und Schlachtpläne zu schmieden.
2
Ein lauter Schrei riss mich jäh aus dem Schlaf. Ich fuhr in die Höhe und plumpste aus meiner Hängematte unsanft auf den kalten, harten Steinfußboden der Schlafkammer. Automatisch fuhr meine Hand an den Knauf des Kurzschwertes, das Nacht und Tag an meiner Hüfte baumelte.
Dann wich meine Benommenheit, und ich begriff, dass Harkat nur wieder einen seiner Albträume hatte. Harkat Mulds war ein Kleiner Kerl, eines dieser kleinwüchsigen Wesen in blauen Kapuzenkutten, die Meister Schick dienten. Früher einmal war er ein Mensch gewesen, konnte sich allerdings weder an seine damalige Identität erinnern noch daran, wann und wo er gelebt hatte.
Bei seinem Tod hatte seine Seele die Erde nicht verlassen können, und schließlich hatte ihn Meister Schick in seiner jetzigen verkrüppelten Gestalt wieder zum Leben erweckt. »Harkat«, ächzte ich und schüttelte ihn unsanft.
»Wach auf. Du hast wieder geträumt.« Harkat besaß keine Augenlider, doch seine großen, grünen Augen wurden trüb, wenn er schlief. Jetzt leuchteten sie auf, und mit lautem Stöhnen rollte er aus seiner Hängematte, genau wie ich gerade eben.
»Drachen!«, brüllte er. Der Mundschutz, den er rund um die Uhr umgebunden hatte, dämpfte seine Stimme ein wenig. Normale Luft vertrug er nicht länger als zehn oder zwölf Stunden, und ohne die Filtermaske müsste er sterben.
»Drachen!«
»Nein«, gähnte ich. »Das hast du bloß geträumt.« Harkat starrte mich mit seinen unnatürlich grünen Augen an, dann beruhigte er sich, zog die Maske herunter und enthüllte seinen breiten, graulippigen, klaffenden Mund.
»Tut mir Leid, Darren. Hab ich dich ... geweckt?«
»Nein«, schwindelte ich. »Ich war schon wach.« Ich schwang mich wieder in meine Hängematte, setzte mich auf und musterte Harkat. Er war wirklich erstaunlich hässlich.
Klein und stämmig, mit leichenfahler, grauer Haut, ohne sichtbare Ohren und Nase (die Ohren waren unter der Kopfhaut eingenäht, doch er besaß weder Geruchs- noch Geschmackssinn). Dazu war er völlig kahl, hatte runde, grüne Augen, scharfe, kleine Zähne und eine dunkelgraue Zunge.
Sein Gesicht war so narbenübersät wie das von Frankensteins Monster. Ich selbst war allerdings, wie die meisten Vampire, auch nicht gerade eine Schönheit!
Mein Gesicht und mein Körper waren voller Narben und Brandwunden. Viele davon hatte ich mir bei meinen Einweihungsprüfungen zugezogen, die ich zwei Jahre zuvor im zweiten Anlauf bestanden hatte. Auch ich war seit dem ersten Prüfungsdurchgang, bei dem ich schwere Verbrennungen davongetragen hatte, so glatzköpfig wie ein Säugling. Harkat war einer meiner besten Freunde.
Er hatte mir schon zweimal das Leben gerettet: Das erste Mal, als ich auf der Anreise zum Vampirberg von einem wilden Bären angefallen worden war, und das zweite Mal bei meinen ersten, misslungenen Einweihungsprüfungen, als ich mit zwei mörderischen Wildschweinen hatte kämpfen müssen. Es bereitete mir Sorgen, dass er immer noch unter den Albträumen litt, die ihn schon seit Jahren quälten.
»War es der gleiche Traum wie immer?«, erkundigte ich mich.
»Ja«, nickte der Kleine Kerl. »Ich wanderte durch ein weites, ödes Land. Der Himmel war rot. Ich suchte irgendetwas, aber ich ... wusste nicht, was. Überall waren Gruben mit spitzen Pfählen. Dann wurde ich von einem Drachen angegriffen. Ich konnte ihn in die Flucht schlagen, aber ... ein zweiter tauchte auf. Dann noch einer. Dann ...« Er seufzte bedrückt. Harkat sprach immer besser.
Als er angefangen hatte zu reden, hatte er alle zwei oder drei Wörter unterbrechen und Luft holen müssen, doch inzwischen hatte er sich eine spezielle Atemtechnik angeeignet und stockte nur noch bei längeren Sätzen.
»Waren die Schattenmänner auch wieder da?«, wollte ich wissen. Manchmal träumte er nämlich von schattenhaften Gestalten, die ihn verfolgten und peinigten.
»Diesmal nicht«, verneinte er. »Aber sie wären bestimmt noch gekommen, wenn du ... mich nicht wachgerüttelt hättest.«
Er schwitzte (sein Schweiß hatte eine hellgrüne Farbe), und seine Schultern bebten leicht. Das Schlafen war für ihn zur Qual geworden. Daher blieb er so lange wie möglich wach und schlief nur alle drei Tage höchstens vier oder fünf Stunden.
»Willst du was essen oder trinken?«, fragte ich.
»Nein«, lehnte er ab. »Hab keinen Hunger.«
Er rappelte sich auf und reckte die kräftigen Arme. Er war nur mit einem Tuch um die Hüften bekleidet, so dass ich seine Brust und seinen Bauch sehen konnte, die völlig glatt waren, ohne Brustwarzen und Nabel.
»Freut mich, dich mal wieder zu sehen«, meinte er und streifte sich die blaue Kutte über, die er aus Gewohnheit noch immer trug.
»Ist schon ewig her .... dass du hier geschlafen hast.«
»Ich weiß«, stöhnte ich. »Dieser verfluchte Kriegskram bringt mich noch mal um, aber ich kann Paris nicht im Stich lassen. Er braucht mich.«
»Wie geht's dem Hohen Herrn denn so?«
»Er hält sich wacker. Aber es ist furchtbar anstrengend. So viele Entscheidungen müssen getroffen werden, so viele Truppen aufgestellt, so viele Vampire in den sicheren Tod geschickt werden.«
Wir schwiegen beide und dachten an den Krieg der Narben und all jene Vampire, die ihm bereits zum Opfer gefallen waren darunter einige sehr gute Freunde von uns.
»Und wie ist es dir so ergangen?«, wandte ich mich an den Kleinen Kerl und verscheuchte die trüben Gedanken.
»Hatte alle Hände voll zu tun. Seba hält mich ganz schön auf Trab.«
Nachdem sich Harkat ein paar Monate müßig im Vampirberg herumgetrieben hatte, hatte er angefangen, für Seba Nile, den Quartiermeister, zu arbeiten. Dieser war für alle Lagerräume des Berges zuständig und verwaltete die Vorräte an Lebensmitteln, Kleidung und Waffen.
Zunächst hatte Harkat nur Kisten und Säcke geschleppt, doch schon bald hatte er sich mit der Einteilung der Vorräte und den Bedürfnissen der Vampire vertraut gemacht und war zu Sebas Obergehilfen aufgestiegen.
»Musst du gleich wieder in die Fürstenhalle zurück?«, fragte er. »Seba möchte dich gern sprechen. Er will dir ... ein paar Spinnen zeigen.«
Der Berg wurde von abertausend Achtfüßlern bewohnt, die >Ba'Halens-Spinnen< genannt wurden. »Ich muss wieder an die Arbeit«, erwiderte ich bedauernd, »aber ich versuche, möglichst bald bei ihm vorbeizuschauen.«
»Tu das«, sagte Harkat ernst. »Du siehst erschöpft aus. Paris ist nicht der Einzige, der dringend Ruhe braucht.« Kurz darauf musste Harkat selbst los, um die Ankunft eines Trupps Obervampire vorzubereiten. Ich blieb in meiner Hängematte liegen und blickte an die dunkle Felsdecke über mir, konnte jedoch nicht mehr einschlafen. Seit unserer Ankunft im Vampirberg teilte ich mir mit Harkat diese Kammer.
Es war bloß ein kleines Kabuff, aber es kam einem Schlafzimmer so nahe, wie das im Berg eben möglich war. Ich hielt mich gern dort auf. Leider kam ich in letzter Zeit nur selten dazu. Die meisten Nächte verbrachte ich in der Fürstenhalle, und die paar freien Stunden, die mir verblieben, nutzte ich normalerweise zum Essen oder Trainieren. Im Liegen fuhr ich mir mit der Hand über den kahlen Schädel und dachte an meine Prüfungen zurück. Im zweiten Anlauf hatte ich sie schließlich doch noch bestanden.
Ich hätte sie nicht noch einmal zu absolvieren brauchen als Fürst war ich dazu nicht verpflichtet , doch ich wäre mir sonst feige vorgekommen. Es war der Beweis, dass ich würdig war, ein Vampir zu sein. Abgesehen von den Narben und Verbrennungen hatte ich mich im Lauf der vergangenen sechs Jahre äußerlich nicht sehr verändert.
Da ich nur ein Halbvampir bin, altere ich ungefähr fünfmal langsamer als ein Mensch. Seit meiner Zeit beim Cirque Du Freak war ich zwar ein Stück gewachsen, und meine Gesichtszüge waren etwas ausgeprägter und weniger kindlich als früher, einschneidend verändern würde ich mich jedoch erst als vollwertiger Vampir. Als solcher verfügte ich dann über wesentlich mehr Körperkraft, könnte mit meinem Speichel Wunden verschließen, ein Gas ausatmen, das Menschen bewusstlos macht, und mich mit anderen Vampiren durch Gedankenübertragung verständigen. Nicht zu vergessen das Huschen, eine superschnelle Fortbewegungsart, die nur vollwertige Vampire beherrschen. Andererseits vertrüge ich dann kein Sonnenlicht mehr und könnte mich bei Tag nicht mehr frei bewegen. Doch das alles war noch längst nicht aktuell.
Mr. Crepsley hatte nie erwähnt, wann ich ein Vollvampir werden würde, aber ich hatte mir zusammengereimt, dass ich dazu erst ausgewachsen sein musste. Das wiederum würde noch zehn bis fünfzehn Jahre dauern, denn ich steckte noch immer im Körper eines Kindes. Insofern blieb mir noch reichlich Zeit, meine verlängerte Kindheit zu genießen oder zu erdulden. Ich ruhte mich noch eine halbe Stunde lang aus, dann stand ich auf und zog mich an.
Inzwischen hatte ich mir angewöhnt, Hemd, Hose sowie ein Wams aus hellblauem Stoff und darüber ein langes, königlich wirkendes Übergewand zu tragen. Als ich das Hemd überstreifte, verfing sich wie so oft mein rechter Daumen im Ärmel. Vor sechs Jahren hatte ich ihn mir gebrochen, und er stand immer noch ab. Vorsichtig, um den Stoff nicht mit meinen extrascharfen Fingernägeln aufzuschlitzen, mit denen ich sogar Löcher in mürbes Gestein bohren konnte, machte ich mich los und zog mich fertig an. Ich schlüpfte in ein Paar weiche Schuhe und fuhr mir gewohnheitsmäßig mit der Hand über den Kopf, um festzustellen, ob ich Zeckenbisse abbekommen hatte, denn in letzter Zeit herrschte im Berg eine regelrechte Zeckenplage.
Dann begab ich mich wieder in die Fürstenhalle, wo eine weitere endlose Nacht strategischer Überlegungen und hitziger Diskussionen auf mich wartete.
Übersetzung: Gerald Jung und Katharina Orgaß
Sonderausgabe Sammelband Juli 2010
Copyright © 2002 und 2003 der deutschsprachigen Ausgaben bei Verlag der Vampire im Schneekluth Verlag GmbH, München. Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München
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Autoren-Porträt von Darren Shan
Darren Shan ist das Pseudonym des Schriftstellers Darren O'Shaughnessy, geb. 1972 in London. 1978 zog seine Familie nach Limerick in Irland. Darren Shan studierte Soziologie und Englisch und arbeitete danach einige Jahre für eine Fernsehfirma, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Wenn Darren Shan nicht an neuen Büchern arbeitet, genießt er seine umfassende Filmsammlung, lange Spaziergänge, Fußball und Reisen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Darren Shan
- Altersempfehlung: 12 - 15 Jahre
- 2010, 480 Seiten, Maße: 12,5 x 19 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzung: Jung, Gerald; Orgaß, Katharina
- Übersetzer: Gerald Jung, Katharina Orgaß
- Verlag: PAN-Verlag
- ISBN-10: 3426283379
- ISBN-13: 9783426283370
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