Mönche, Mörder & Mysterien
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Mönche,Mörder & Mysterien von Johannes Thiele, Herausgeber
LESEPROBE
TOD IM MAI
Barbara von Bellingen
Er atmete nicht mehr.Das grausige, furchterregende Ringen nach Luft hatte aufgehört; keinverzweifeltes Röcheln kämpfte sich mehr aus der zugeschwollenenKehle. Seine hellblauen Augen, die eben noch so entsetzlich lebendig hin- undhergerollt und so sprechend um Hilfe gebettelt hatten, starrten jetzt glasigund blicklos in den lächelnden Frühlingshimmel. Volkmars Leiche lag auf demRücken hart neben dem aus schlanken Weidenästen geflochteten Zaun, der Haus und Viehweide einfriedete -fast zwanzig Schritt von den Bienenstöcken entfernt. Aber noch immer drängtenaus dem letzten der vier gelben, kuppelförmigen Strohkörbe Schwärme vonangriffslustigen Bienen hervor, schwirrten mit drohendem Gesumm herüber, ließensich nieder und senkten wütend ihre Stacheln in das verquollene, aufgedunseneFleisch des gerade Gestorbenen. Sie waren überall, krabbelten über seinengroßen blauen Kittel aus Leinen, schoben sich in die Ärmel und denHalsausschnitt, liefen auf den kniekurzen Wollhosen und den nackten Waden desGetöteten herum - so, als wollten sie ganz sicher gehen, daßer ihren Angriff nicht doch noch überlebte. Das Geräusch, das sie hören ließen,war scharf, feindselig, bösartig. Hadwig, die dabeistand, flößten dienützlichen Honigsammlerinnen zum ersten Mal in ihrem Leben Angst ein. Denn denarmen Volkmar hatte nicht einmal der breitkrempige Strohhut mit dem Schleieraus Leinengaze gegen die unerklärliche Wut der Insekten schützen können. DerHut lag neben ihm im Gras, und wie zum Hohn hatten sich auf ihm ebenfallsScharen stechwütiger Bienen versammelt.
Hadwig wollte sichabwenden, aber sie konnte es nicht. Wie alles Schreckliche, so hielt auchdieser furchtbare Anblick ihre Augen gegen ihren Willen gefesselt. Hadwig warDienstmagd auf der Burg; oft genug kehrten die Jungherren mit Wunden von ihrenmutwilligen Fehdezügen heim, und oft genug gab es Dienstmannen, die von Schwertund Streitaxt zusammengehauen waren und denen keine Pflege mehr helfen konnte.Solche Dinge waren Hadwig nicht fremd. Aber der Anblick des toten Pachtbauernflößte ihr ein nie gekanntes Grauen ein, zumal sie die Umstände seines Todesnicht verstehen konnte.
Volkmar wardreiundzwanzig gewesen; der Mann ihrer Schwester - ein Kerl wie eine jungeEiche. Stark, gesund, von angenehmem Aussehen. Er hatte gearbeitet wie einPferd, hatte den Hof hochgebracht. Seine Felder trugen am reichsten; was er angefaßt hatte, war gediehen - nicht, weil er Glück gehabthatte, sondern weil er fleißig gewesen war. Und all seine Liebe hatte HadwigsSchwester Almut gegolten - ihr und seinem ersten Kind, einem Bübchen von drei Monaten
Arme, unglücklicheAlmut. Sie stand, die Hände fest auf den Mund gepreßtund in den Augen das blanke Entsetzen, neben Hadwig. Wie Hadwig, hielt sie denBlick auf das monströse, von grotesken Schwellungen bis zur Unkenntlichkeitentstellte Gesicht ihres Mannes geheftet - der Hoffnung ihres Lebens, die nuntot war. Almut gab keinen Laut von sich. Sie vergoßauch keine Tränen. Ihr Schrecken ließ das nicht zu.
Das Tor imFlechtwerkzaun schwang auf. Mit leichten, elastischen Schritten näherte sicheine kleine Frauengestalt im schwarzen Habit, begleitet von einem jungenMädchen.
Mutter Hildegard vomKloster auf dem Rupertsberg war persönlich gekommen.Ob nicht sie, die Heilkundige und Erleuchtete, die doch vom Allerhöchstenselbst Botschaften und Weisungen empfing, in diesem Jammer Rat und Hilfe bietenkonnte? Hadwig wandte sich der berühmten Nonne zu. »Ehrwürdige Mutter«, begannsie schüchtern und neigte sich tief, um ihre Verehrung zu zeigen, »die Magdwird Euch das wichtigste berichtet haben - dalIVolkmar so schreckliche Atemnot hatte ... dort drüben haben wir ihn gefunden,wie er nach Luft rang. Und wir haben ihn dann hierher gebracht ...« Sie deuteteauf die Stelle, wo der Tote lag. Die Klosterfrau schwieg und blickte Hadwig füreinen langen Moment mit ihren sanften braunen Augen an. Sie war alt schon mehrals fünfzig Jahre mußte sie zählen. Aber ihr zartes,schmales Antlitz zeigte keine Altersspuren; es hatte eine Reinheit und Anmut,die sonst ausschließlich der Jugend eigen ist. Viele Gerüchte und Legendenrankten sich um Mutter Hildegards Person. Sie konnte Wunder vollbringen; und daß ihr mehr Kräfte zur Verfügung standen als anderen,gewöhnlichen Sterblichen, daran hatte auch Hadwig keine Zweifel. Bis weit indie Dörfer der Umgebung, bis nach Bingen hinein ging die Rede, daß die Äbtissin vom Rupertsbergselbst in aussichtslosen Fällen noch helfen konnte - sie sollte sogar den Todschon mehr als einmal besiegt haben. Volkmars Frau fand aus ihrer Erstarrungheraus. Sie warf sich vor der alten Nonne auf die Knie. »Ehrwürdige Mutter,helft«, bat sie zitternd. »Ihr seid Gottes Heilige - gebt meinem urischuldigen Knaben seinen Vater wieder und mir dengeliebten Mann!« Einen Atemzug lang spiegelten sich inHildegards Miene herzliches Mitgefühl und eine starke Anteilnahme. Dann wurdeihr Antlitz streng. »Steh auf, mein Kind«, sagte sie, und ihre Stimme nahm einebefehlsgewohnte Schärfe an, »knien darfst du nur vor Gott. Ich bin lediglichsein niedrigstes Werkzeug.«
Sie wandte sich ab undnäherte sich dem Körper Volkmars. Eine Weile, die lang schien wie eine Ewigkeit,betrachtete sie ihn aufmerksam. Dann beugte sie sich über ihn, legte die Fingerder rechten Hand an seinen Hals, schüttelte den Kopf.
Mit einer fastzärtlichen Bewegung ihrer schlanken Hand schloß siedem toten Bauern die Augen, während sie sich wieder zu Almut und Hadwigumdrehte. »Hier ist keine Hilfe mehr«, sagte sie mit schleppender, müderStimme, »der Herr hat ihn für immer abberufen. So stand es in Seinem Rat. SeinName sei gelobt.«
Almut stieß einenMeinen Schrei aus. Sie warf sich der Nonne noch einmal zu Füßen. »HeiligeHildegard - rette ihn!« bettelte sie. »Tu ein Wunder -laß ihn wieder leben! Du hast die Macht dazu... hilfmir in meiner Not!«
»Lass dein Schreien«,sagte die Klosterfrau ruhig. Sie faßte dieVerzweifelte an den Schultern und ließ sich vor Almut auf den Rasenniedersinken. »Wunder kann allein Gott vollbringen. Ich bin ja nichts als einschwacher Mensch, meine arme Tochter!« Sie standwieder auf und zog Almut mit sich empor. »Schick nach einem Priester«, befahlsie milde, »damit er betet für deinen Mann und ihn vorbereitet für seinen Platzin geweihter Erde. Er ist nun tot - sorge dich nicht mehr um seinen irdischenLeib. Wenn du ihn liebhattest, bete für seine Seele!«
Eine zärtliche,tröstende Umarmung für die junge Witwe, dann wandte sie sich ab und verließ denHofraum wieder. Die Meine Magd, die sie hergeholt hatte, folgte ihr stumm.
Almut blickte ihr mitbleichem Gesicht nach. Aus ihren Augen tropften Tränen, strömten unaufhörlich,zogen glitzernde Spuren über ihre Wangen und fielen ins Gras zu ihren Füßen.»Warum konnte sie für mich kein Wunder tun?« wispertesie tonlos, »anderen hat sie doch auch geholfen ...«
Hadwig legte ihrerSchwester die Hand auf die Schulter. »Gott muß einWunder erst wollen«, sagte sie sanft, »ohne seine Billigung ist selbst eineHeilige machtlos. Almut ich kann es genausowenigfassen wie du, daß Volkmar tot ist. Aber wir müssenuns damit abfinden. Es war Gottes Wille ...«
Almut schluchzte leiseauf. »Komm, Schwester«, sagte Hadwig, »lass uns Volkmar ins Haus schaffen. Ersollte nicht so würdelos daliegen.«
Die beiden jungen Frauen schickten sich an, den Toten vomGras aufzuheben. Volkmar war ein großer kräftiger Mann gewesen; es kostete sieviel Mühe, den schweren Leichnam zu bewegen. Almut faßtedie Schultern, während Hadwig die Füße nahm. So schleppten sie den VerstorbenenSchritt für Schritt zu dem Haus hinüber, das Volkmar erst vor zwei Jahren miteigener Hand für seine Frau und sich gebaut hatte.
©Weltbild Buchverlag
- Autor: Johannes Thiele
- 2005, 1, 320 Seiten, Maße: 13 x 19 cm, Gebunden
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 389897197X
- ISBN-13: 9783898971973
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