Mülltrenner, Müsliesser und Klimaschützer
Wir Deutschen und unsere Umwelt
Wir Deutschen sind Weltmeister im Umweltschutz - wir verteilen unseren Müll brav auf mehrere Tonnen, essen vorzugsweise Bio, bauen Solaranlagen auf unsere über alles geliebten Eigenheime und sind stolz darauf. Aber sind wir wirklich so gut, wie wir denken?...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Mülltrenner, Müsliesser und Klimaschützer “
Klappentext zu „Mülltrenner, Müsliesser und Klimaschützer “
Wir Deutschen sind Weltmeister im Umweltschutz - wir verteilen unseren Müll brav auf mehrere Tonnen, essen vorzugsweise Bio, bauen Solaranlagen auf unsere über alles geliebten Eigenheime und sind stolz darauf. Aber sind wir wirklich so gut, wie wir denken? Beim Autofahren zum Beispiel hört für viele der Umwelt-Spaß ganz schnell auf. Sind wir also mal wieder nur gefühlte Weltmeister, so wie beim Fußball? Inspiriert von seinem eigenen Leben als passionierter Umweltschützer und Familienvater erzählt Volker Quaschning humorvolle Geschichten von Vegetariern und Müsliessern, Wassersparern und Warmduschern, Kernkraftwerken und buntem Strom. Leser finden unter anderem Antworten auf folgende Fragen: Sind Vegetarier die besseren Menschen? Wie unterscheiden sich die Müllkulturen in Europa? Und warum decken Versicherungen eigentlich keine Schäden durch Kernenergie ab?
Das Buch enthält ca. dreißig unterhaltsame und informative Geschichten zu Themen rund um Umwelt- und Klimaschutz und erneuerbare Energien, passend in Szene gesetzt durch zahlreiche Cartoons.
Lese-Probe zu „Mülltrenner, Müsliesser und Klimaschützer “
Mülltrenner, Müsliesser & Klimaschützer von Volker QuaschningDer Müll, die Tonnen und ich
Die Mülltrennung gehört mittlerweile zu Deutschland wie das Bier. Einige verweigern sich zwar hartnäckig der Sammeldoktrin. Aber es soll ja auch Menschen geben, die alkoholfreies Bier - oder sogar etwas ganz anderes - trinken. Während in Deutschland der Müll also geordnete Bahnen geht, versinken andere Teile der Welt in ihren Abfällen. Ganz klar, das deutsche Müllkonzept ist eben einfach gut.
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»Schatz, kannst du bitte mal den Müll runtertragen?! Und nimm den gelben Sack mit, wenn du schon gehst.«
Eigentlich zähle ich uns zu den emanzipierten Familien. Bei der Mülltrennung herrscht aber trotzdem die klassische Rollenverteilung. Die Ehefrau organisiert das Ganze. Die Kinder lernen bereits ab drei, dass der Apfelkrotz in den vorderen und der Joghurtbecher in den hinteren Mülleimer in der Küche kommen. Schließlich kann man ja nicht früh genug mit der Umwelterziehung anfangen. Der Ehemann ist für die Entsorgung zuständig, die Ehefrau für das Terminmanagement derselben.
»Könntest du auch noch die Werbung für die Biotonne ins Altpapier werfen?« Seit wir ein eigenes Einfamilienhaus bewohnen, ist das Müllsystem etwas komplizierter geworden als früher. Zur letzten Mietwohnung in einem Mehrfamilienhaus gehörten fünf verschiedenfarbige Tonnen für Altpapier, Altglas, grünen Punkt, Biomüll und Restmüll. Nun haben wir nur noch eine schwarze Tonne. Der grüne Punkt wird in einen gelben Sack gesteckt. Eine gelbe Tonne steht uns als Einfamilienhausbesitzer nicht zu. Altpapier und Altglas kommen erst mal in den Flurschrank. Wenn der voll ist und einem beim Öffnen alles entgegenfällt, gibt es eine Müllfahrt zum Recyclinghof. Eine braune Biotonne haben wir nicht - noch nicht. Unser Müllentsorger hat uns nämlich gerade die Vorzüge der gesonderten Sammlung von kompostierbaren Reststoffen klargemacht. Aus dem Biomüll wird Biogas hergestellt. Damit sollen einige Müllautos betankt werden, die den Biomüll aus der Biotonne abholen. Toll! Dafür wird dann aber auch eine extra Gebühr fällig. Umweltschutz hat schließlich seinen Preis. Unsere bisherigen Erfahrungen mit der Biomülltonne waren aber nur bedingt positiv. Biomüll neigt dazu, im Sommer übel zu riechen und im Winter festzufrieren. Unser Entsorger empfiehlt deshalb, den Biomüll in Zeitungspapier einzuwickeln. Zeitungspapier gehört unserer Meinung nach aber besser in die Altpapiertonne oder bei Fehlen derselben eben in den Flurschrank. Wir überlegen in dieser Angelegenheit also noch.
Wenn ich an meine früheste Kindheit zurückdenke, gibt es in meiner Erinnerung nur eine Mülltonne. Die war noch aus richtig schwerem Metall. Doch dann setzte die kontinuierliche Tonnenvermehrung ein. Ich fand es damals faszinierend, immer neue Tonnen kennenzulernen. Erst kam blau für Altpapier. Dann folgte gelb für Altglas.
Der Müll, die Tonnen und ich. Die gelbe Tonne für Altglas wurde dann später grün, weil seit dem Jahr 1990 der grüne Punkt bundesweit in gelben Tonnen gesammelt wird. Ansonsten sind die Mülltrennungssysteme in unterschiedlichen Regionen und Haushalten meist etwas verschieden. Daher gehört eine Einweisung in das Mülltrennungssystem immer dazu, wenn wir bei Freunden für eine Übernachtung einfallen.
Die Einweisung für Gäste aus dem Ausland ist oft etwas schwieriger, da außerhalb von Deutschland eine andere Müllkultur existiert. Zu meinen Studienzeiten hatte ein guter Freund einmal einen Austauschstudenten aus Frankreich für einige Wochen zu Gast. Kurz vor seiner Abreise wurde er gefragt, was sein Eindruck von Deutschland wäre. Er meinte, ihm habe es gut gefallen. Die Deutschen wären recht locker und witzig, was er gar nicht so erwartet hätte. Es gäbe aber zwei Sachen, die fände er etwas merkwürdig. Zum einen würden die Deutschen das Fahrrad zur normalen Fortbewegung und nicht nur zum Sport verwenden, und zum anderen gäbe es in Deutschland unendlich viele Mülltonnen.
Wie sich Gäste anderer Nationen in Deutschland fühlen, kann man bei eigenen Auslandsaufenthalten nachempfinden. Beruflich hatte es uns für einige Jahre nach Südspanien verschlagen. Selbstverständlich wollten wir unser lange antrainiertes Abfallsammelsystem auch auf der iberischen Halbinsel beibehalten. Schließlich hat Spanien seit 1998 den grünen Punkt kopiert. Auf Spanisch heißt er »el punto verde«.
Alle Verpackungen tragen seitdem wie in Deutschland das vertraute Recyclingsymbol. Also sammelten wir weiter fleißig Einwegverpackungen. Gelbe Säcke gab es in Spanien zwar nicht, dafür aber Unmengen an Einwegplastiktüten, mit denen wir beim Einkaufen fleißig eingedeckt wurden. Mehrmals hatten wir an der Kasse versucht, mit Baumwolltaschen aus Deutschland den Plastiktütenberg zu reduzieren. Dass die Kunden ihre eigenen Taschen mitbringen, versteht man in Spanien allerdings nicht. Darum bekamen wir trotzdem Plastiktüten. Da man schließlich die Kultur des Gastlandes respektieren soll, gaben wir den Versuch der Tütenvermeidung erst einmal auf.
Nicht geklärt hatten wir aber die Frage, was wir mit den gehorteten Einwegverpackungen mit dem grünen Punkt in den Einwegplastiktüten aus dem Supermarkt anfangen sollten. Ich fragte also einen deutschen Kollegen, der schon länger in Spanien war. »Meine Frau hat neulich eine gelbe Tonne im Nachbarort gesehen«, antwortete er. Euphorisch packten wir also die Müllsäcke in den Kofferraum und starteten eine Suchexpedition. Nach einer Stunde und fünf Litern verfahrenem Benzin brachen wir die Suche erfolglos ab. Der grüne Punkt kam fortan in den normalen Müll.
Etwa zwei Jahre später tauchten dann wirklich gelbe Container in unserer Ortschaft auf. Offensichtlich gab es aber außer uns noch mehr deutsche Auswanderer, die sofort ihren Entzug nach ordentlicher Mülltrennung kompensieren wollten. Die gelben Container waren stets überfüllt und wurden leider nur äußerst selten geleert.
Sehr routiniert läuft hingegen in Spanien die Entsorgung des normalen Haushaltsmülls ab. Anders als in Deutschland hat nicht jedes Haus seine eigene Mülltonne. Alle hundert Meter steht ein großer Müllcontainer auf der Straße. Dieser wird von der ganzen Nachbarschaft genutzt und täglich mitten in der Nacht geleert. So möchte man bei den hohen sommerlichen Temperaturen in Spanien das Stinken des Mülls und den wärmebedingten Kreislaufkollaps der Müllleute vermeiden.
Ganz verhindert wird das Stinken des Mülls dadurch allerdings nicht. Genauer gesagt wird es nur auf die Mülldeponie verlagert. Diese befand sich in einem abgeschiedenen Tal etwas landeinwärts. Man konnte es daran erkennen, dass in unregelmäßigen Abständen dunkle, übelriechende Rauchschwaden aufstiegen und die Umgebung weiträumig einnebelten. Angeblich neigt der Müll bei den hohen spanischen Temperaturen gerne zur Selbstentzündung.
Eine andere Selbstentzündung konnten wir nachts, immer vor Beginn der Pflanzsaison, beobachten. In Südspanien boomt die Landwirtschaft. Von einer Fläche größer als die der Stadt München stammen die meisten Tomaten, die das ganze Jahr über zu uns nach Deutschland kommen und unseren Hunger nach frischem Gemüse stillen. Die Vorstellung von romantischen Bauerhöfen in andalusischen Bergdörfern entspricht dabei nicht ganz der Realität. Vielmehr gedeihen die Tomaten in automatisch bewässerten Kunstsubstraten. Eine gigantische Fläche ist dabei einfach mit Plastikfolien überspannt. Das ist billiger als Glas und erfüllt im warmen Spanien ebenfalls seinen Zweck. Die Witterung macht den Folien jedoch
mit der Zeit zu schaffen. Sind sie verschlissen, werden sie auf einen Haufen geworfen und durch neue ersetzt. Bei genau diesen Folienhaufen kommt es dann regelmäßig zu einer spontanen nächtlichen Selbstentzündung. Eine Müllverbrennung wäre nämlich auch in Spanien strafbar.
Auch im italienischen Neapel brannte im Jahr 2008 wochenlang der Müll - nicht aber
irgendwo auf einem Feld, sondern mitten in der Stadt. Die Politik hatte die Müllentsorgung auf die lange Bank geschoben. Sie hatte die Hoffnung, das Müllproblem würde sich schon irgendwie von selbst lösen.
Das tat es aber nicht. Als Konsequenz hatten sich tausende Tonnen stinkenden Abfalls in den Straßen gesammelt. Die Deponien waren voll und geplante Müllverbrennungsanlagen nicht fertig.
Nach langem Hin und Her fand sich schließlich eine Lösung. Was in Italien Mangelware war, gab es in Deutschland im Überfluss. Viele Gemeinden in Deutschland haben ihre Müllverbrennungsanlagen sehr großzügig dimensioniert. Die Bürger haben das bezahlt und einige Unternehmen in der Entsorgungsbranche damit sehr gut verdient. Nun stehen schlecht ausgelastete Anlagen herum und treiben die Müllkosten in die Höhe. Was lag also näher, als unseren italienischen Freunden zur Seite zu springen? Schließlich hinterlassen wir bei unserem alljährlichen Sommerurlaub in Italien auch jede Menge Abfall. Also wurde der Müll umweltfreundlich per Zug nach Deutschland gebracht. Die Müllverbrennungsanlagen hierzulande waren endlich mal richtig ausgelastet und Neapel gerettet. Alle waren zufrieden. Einige kritische Stimmen soll es auch gegeben haben. Schließlich verbrennt Müll nicht absolut schadstofffrei. Inzwischen haben sich die kritischen Stimmen aber weitgehend in Rauch aufgelöst und Italien baut seine eignen Müllverbrennungsanlagen.
Es ist unbestritten: Die Müllentsorgung funktioniert im Vergleich zu anderen Ländern in Deutschland recht gut, die Umweltstandards sind hoch. Konsequente Müllvermeidung und eine optimierte Kreislaufwirtschaft wären sicher ein besserer Weg gewesen. Aber wer will das heute noch wissen, wo unsere Müllverbrennungsanlagen sogar Krisen in der weiten Welt lösen?
© Carl Hanser Verlag, München
»Schatz, kannst du bitte mal den Müll runtertragen?! Und nimm den gelben Sack mit, wenn du schon gehst.«
Eigentlich zähle ich uns zu den emanzipierten Familien. Bei der Mülltrennung herrscht aber trotzdem die klassische Rollenverteilung. Die Ehefrau organisiert das Ganze. Die Kinder lernen bereits ab drei, dass der Apfelkrotz in den vorderen und der Joghurtbecher in den hinteren Mülleimer in der Küche kommen. Schließlich kann man ja nicht früh genug mit der Umwelterziehung anfangen. Der Ehemann ist für die Entsorgung zuständig, die Ehefrau für das Terminmanagement derselben.
»Könntest du auch noch die Werbung für die Biotonne ins Altpapier werfen?« Seit wir ein eigenes Einfamilienhaus bewohnen, ist das Müllsystem etwas komplizierter geworden als früher. Zur letzten Mietwohnung in einem Mehrfamilienhaus gehörten fünf verschiedenfarbige Tonnen für Altpapier, Altglas, grünen Punkt, Biomüll und Restmüll. Nun haben wir nur noch eine schwarze Tonne. Der grüne Punkt wird in einen gelben Sack gesteckt. Eine gelbe Tonne steht uns als Einfamilienhausbesitzer nicht zu. Altpapier und Altglas kommen erst mal in den Flurschrank. Wenn der voll ist und einem beim Öffnen alles entgegenfällt, gibt es eine Müllfahrt zum Recyclinghof. Eine braune Biotonne haben wir nicht - noch nicht. Unser Müllentsorger hat uns nämlich gerade die Vorzüge der gesonderten Sammlung von kompostierbaren Reststoffen klargemacht. Aus dem Biomüll wird Biogas hergestellt. Damit sollen einige Müllautos betankt werden, die den Biomüll aus der Biotonne abholen. Toll! Dafür wird dann aber auch eine extra Gebühr fällig. Umweltschutz hat schließlich seinen Preis. Unsere bisherigen Erfahrungen mit der Biomülltonne waren aber nur bedingt positiv. Biomüll neigt dazu, im Sommer übel zu riechen und im Winter festzufrieren. Unser Entsorger empfiehlt deshalb, den Biomüll in Zeitungspapier einzuwickeln. Zeitungspapier gehört unserer Meinung nach aber besser in die Altpapiertonne oder bei Fehlen derselben eben in den Flurschrank. Wir überlegen in dieser Angelegenheit also noch.
Wenn ich an meine früheste Kindheit zurückdenke, gibt es in meiner Erinnerung nur eine Mülltonne. Die war noch aus richtig schwerem Metall. Doch dann setzte die kontinuierliche Tonnenvermehrung ein. Ich fand es damals faszinierend, immer neue Tonnen kennenzulernen. Erst kam blau für Altpapier. Dann folgte gelb für Altglas.
Der Müll, die Tonnen und ich. Die gelbe Tonne für Altglas wurde dann später grün, weil seit dem Jahr 1990 der grüne Punkt bundesweit in gelben Tonnen gesammelt wird. Ansonsten sind die Mülltrennungssysteme in unterschiedlichen Regionen und Haushalten meist etwas verschieden. Daher gehört eine Einweisung in das Mülltrennungssystem immer dazu, wenn wir bei Freunden für eine Übernachtung einfallen.
Die Einweisung für Gäste aus dem Ausland ist oft etwas schwieriger, da außerhalb von Deutschland eine andere Müllkultur existiert. Zu meinen Studienzeiten hatte ein guter Freund einmal einen Austauschstudenten aus Frankreich für einige Wochen zu Gast. Kurz vor seiner Abreise wurde er gefragt, was sein Eindruck von Deutschland wäre. Er meinte, ihm habe es gut gefallen. Die Deutschen wären recht locker und witzig, was er gar nicht so erwartet hätte. Es gäbe aber zwei Sachen, die fände er etwas merkwürdig. Zum einen würden die Deutschen das Fahrrad zur normalen Fortbewegung und nicht nur zum Sport verwenden, und zum anderen gäbe es in Deutschland unendlich viele Mülltonnen.
Wie sich Gäste anderer Nationen in Deutschland fühlen, kann man bei eigenen Auslandsaufenthalten nachempfinden. Beruflich hatte es uns für einige Jahre nach Südspanien verschlagen. Selbstverständlich wollten wir unser lange antrainiertes Abfallsammelsystem auch auf der iberischen Halbinsel beibehalten. Schließlich hat Spanien seit 1998 den grünen Punkt kopiert. Auf Spanisch heißt er »el punto verde«.
Alle Verpackungen tragen seitdem wie in Deutschland das vertraute Recyclingsymbol. Also sammelten wir weiter fleißig Einwegverpackungen. Gelbe Säcke gab es in Spanien zwar nicht, dafür aber Unmengen an Einwegplastiktüten, mit denen wir beim Einkaufen fleißig eingedeckt wurden. Mehrmals hatten wir an der Kasse versucht, mit Baumwolltaschen aus Deutschland den Plastiktütenberg zu reduzieren. Dass die Kunden ihre eigenen Taschen mitbringen, versteht man in Spanien allerdings nicht. Darum bekamen wir trotzdem Plastiktüten. Da man schließlich die Kultur des Gastlandes respektieren soll, gaben wir den Versuch der Tütenvermeidung erst einmal auf.
Nicht geklärt hatten wir aber die Frage, was wir mit den gehorteten Einwegverpackungen mit dem grünen Punkt in den Einwegplastiktüten aus dem Supermarkt anfangen sollten. Ich fragte also einen deutschen Kollegen, der schon länger in Spanien war. »Meine Frau hat neulich eine gelbe Tonne im Nachbarort gesehen«, antwortete er. Euphorisch packten wir also die Müllsäcke in den Kofferraum und starteten eine Suchexpedition. Nach einer Stunde und fünf Litern verfahrenem Benzin brachen wir die Suche erfolglos ab. Der grüne Punkt kam fortan in den normalen Müll.
Etwa zwei Jahre später tauchten dann wirklich gelbe Container in unserer Ortschaft auf. Offensichtlich gab es aber außer uns noch mehr deutsche Auswanderer, die sofort ihren Entzug nach ordentlicher Mülltrennung kompensieren wollten. Die gelben Container waren stets überfüllt und wurden leider nur äußerst selten geleert.
Sehr routiniert läuft hingegen in Spanien die Entsorgung des normalen Haushaltsmülls ab. Anders als in Deutschland hat nicht jedes Haus seine eigene Mülltonne. Alle hundert Meter steht ein großer Müllcontainer auf der Straße. Dieser wird von der ganzen Nachbarschaft genutzt und täglich mitten in der Nacht geleert. So möchte man bei den hohen sommerlichen Temperaturen in Spanien das Stinken des Mülls und den wärmebedingten Kreislaufkollaps der Müllleute vermeiden.
Ganz verhindert wird das Stinken des Mülls dadurch allerdings nicht. Genauer gesagt wird es nur auf die Mülldeponie verlagert. Diese befand sich in einem abgeschiedenen Tal etwas landeinwärts. Man konnte es daran erkennen, dass in unregelmäßigen Abständen dunkle, übelriechende Rauchschwaden aufstiegen und die Umgebung weiträumig einnebelten. Angeblich neigt der Müll bei den hohen spanischen Temperaturen gerne zur Selbstentzündung.
Eine andere Selbstentzündung konnten wir nachts, immer vor Beginn der Pflanzsaison, beobachten. In Südspanien boomt die Landwirtschaft. Von einer Fläche größer als die der Stadt München stammen die meisten Tomaten, die das ganze Jahr über zu uns nach Deutschland kommen und unseren Hunger nach frischem Gemüse stillen. Die Vorstellung von romantischen Bauerhöfen in andalusischen Bergdörfern entspricht dabei nicht ganz der Realität. Vielmehr gedeihen die Tomaten in automatisch bewässerten Kunstsubstraten. Eine gigantische Fläche ist dabei einfach mit Plastikfolien überspannt. Das ist billiger als Glas und erfüllt im warmen Spanien ebenfalls seinen Zweck. Die Witterung macht den Folien jedoch
mit der Zeit zu schaffen. Sind sie verschlissen, werden sie auf einen Haufen geworfen und durch neue ersetzt. Bei genau diesen Folienhaufen kommt es dann regelmäßig zu einer spontanen nächtlichen Selbstentzündung. Eine Müllverbrennung wäre nämlich auch in Spanien strafbar.
Auch im italienischen Neapel brannte im Jahr 2008 wochenlang der Müll - nicht aber
irgendwo auf einem Feld, sondern mitten in der Stadt. Die Politik hatte die Müllentsorgung auf die lange Bank geschoben. Sie hatte die Hoffnung, das Müllproblem würde sich schon irgendwie von selbst lösen.
Das tat es aber nicht. Als Konsequenz hatten sich tausende Tonnen stinkenden Abfalls in den Straßen gesammelt. Die Deponien waren voll und geplante Müllverbrennungsanlagen nicht fertig.
Nach langem Hin und Her fand sich schließlich eine Lösung. Was in Italien Mangelware war, gab es in Deutschland im Überfluss. Viele Gemeinden in Deutschland haben ihre Müllverbrennungsanlagen sehr großzügig dimensioniert. Die Bürger haben das bezahlt und einige Unternehmen in der Entsorgungsbranche damit sehr gut verdient. Nun stehen schlecht ausgelastete Anlagen herum und treiben die Müllkosten in die Höhe. Was lag also näher, als unseren italienischen Freunden zur Seite zu springen? Schließlich hinterlassen wir bei unserem alljährlichen Sommerurlaub in Italien auch jede Menge Abfall. Also wurde der Müll umweltfreundlich per Zug nach Deutschland gebracht. Die Müllverbrennungsanlagen hierzulande waren endlich mal richtig ausgelastet und Neapel gerettet. Alle waren zufrieden. Einige kritische Stimmen soll es auch gegeben haben. Schließlich verbrennt Müll nicht absolut schadstofffrei. Inzwischen haben sich die kritischen Stimmen aber weitgehend in Rauch aufgelöst und Italien baut seine eignen Müllverbrennungsanlagen.
Es ist unbestritten: Die Müllentsorgung funktioniert im Vergleich zu anderen Ländern in Deutschland recht gut, die Umweltstandards sind hoch. Konsequente Müllvermeidung und eine optimierte Kreislaufwirtschaft wären sicher ein besserer Weg gewesen. Aber wer will das heute noch wissen, wo unsere Müllverbrennungsanlagen sogar Krisen in der weiten Welt lösen?
© Carl Hanser Verlag, München
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Autoren-Porträt von Volker Quaschning
Der Autor: Volker Quaschning ist Professor für Regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin und hat bereits zwei erfolgreiche Bücher über erneuerbare Energien und Klimaschutz geschrieben. Der Illustrator: Michael Hüter arbeitet als Illustrator und Karikaturist für Fachzeitschriften, Verlage und andere Auftraggeber. Er ist Stammkarikaturist der Zeitschrift "Sonne, Wind und Wärme".
Bibliographische Angaben
- Autor: Volker Quaschning
- 2010, 245 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 13,2 x 19,7 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Hanser Fachbuchverlag
- ISBN-10: 3446422617
- ISBN-13: 9783446422612
- Erscheinungsdatum: 02.09.2010
Rezension zu „Mülltrenner, Müsliesser und Klimaschützer “
"In seinem Buch schafft Volker Quaschning es, Umweltschutz mit Humor zu behandeln, ohne ihm dabei seine Wichtigkeit zu nehmen. Im Gegenteil, wer von seiner eigenen Machtlosigkeit fristriert war oder wer noch nie wirklich Engagement gezeigt hat, bekommt mit diesem Buch wieder Lust, etwas für die Umwelt zu tun - ohne zu jammern." Anne Bünning, ROBiN WOOD Magazin, November 2010"Den Leser erwartet jedenfalls eine humorige, faktenreiche und angenehm undogmatische Lektüre." BUNDmagazin, Januar 2011
Kommentar zu "Mülltrenner, Müsliesser und Klimaschützer"
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