Verwandlung / Ocean Rose Trilogie Bd.2
Die neue Generation der Romantic Mystery: Alyson Noël meets Ally Condie
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Verwandlung / Ocean Rose Trilogie Bd.2 “
Die neue Generation der Romantic Mystery: Alyson Noël meets Ally Condie
Klappentext zu „Verwandlung / Ocean Rose Trilogie Bd.2 “
In Vanessas Leben ist nichts so, wie es einmal war: Sie weiß jetzt, dass sie eine Meerjungfrau ist. Doch den strengen Regeln der Sirenen will sie sich nicht beugen. Sie will mit Simon zusammen sein und muss sich entscheiden: Soll sie ihrer Bestimmung folgen oder für ihre Liebe alles aufs Spiel setzen?
Lese-Probe zu „Verwandlung / Ocean Rose Trilogie Bd.2 “
Verwandlung von Tricia RayburnKapitel 1
Heute war der erste September. Also der Tag, an dem meine ältere Schwester Justine eigentlich mit dem College beginnen sollte. Sie hätte jetzt Schulbücher kaufen und an ihre Zukunft denken sollen. Doch Justine hatte keine Zukunft mehr. Statt zu tun, was College-Neulinge eben taten, hatte sie sich mitten in der Nacht von einer Klippe gestürzt. Das war jetzt drei Monate her.
Und nun war ich diejenige, die über das Uni-Gelände marschierte.
»Das da drüben ist das Hathorn-Gebäude«, verkündete mein Campusführer gerade. »Und hier haben wir die Universitätskapelle.«
Ich lächelte höflich und folgte ihm über den Hof. Die hübsche parkähnliche Anlage war von roten Backsteingebäuden umgeben und voller junger Leute, die lachten, sich unterhielten und Stundenpläne verglichen.
»Dann gibt es noch die Coram-Bibliothek«, fuhr er gestikulierend fort, »und gleich dahinter die Hauptbibliothek - unser dreitausend Quadratmeter großes Mekka des Wissens. «
»Ich bin echt beeindruckt«, sagte ich und dachte dasselbe über ihn. Er hatte warme braune Augen, und sein schwarzes Haar war verwuschelt, als sei er auf einem Lehrbuch eingeschlafen und erst kurz vor unserem Termin wieder aufgewacht. Die Sonnenbräune seiner muskulösen Arme hob sich auffällig vom Weiß seines Sportshirts ab. Falls das Bates College versuchte, auf weibliche Teenager nicht nur akademisch, sondern auch romantisch attraktiv zu wirken, hatte es sich den richtigen Köder ausgesucht.
... mehr
»Hier lässt es sich gut leben, das kannst du mir glauben. Als Studentin würdest du dich wohl fühlen.« Er blieb stehen und zog mich am Ärmel näher. Als ich willig auf ihn zutrat, sauste ein Frisbee direkt dort vorbei, wo eben noch mein Kopf gewesen war.
»Natürlich glaube ich dir«, erwiderte ich.
Wir waren uns so nah, dass ich hörte, wie sich sein Atem beschleunigte. Seine Finger umklammerten meinen Ärmel fester, so dass sich die Muskeln seines Arms abzeichneten. Doch gleich darauf ließ er mich los und ballte die Hände um die Träger seines Rucksacks.
»Und was ist da drüben?«, wollte ich wissen.
Er folgte meinem Blick zu dem großen Gebäude neben der Bibliothek. »Dort siehst du den krönenden Höhepunkt unserer Tour«, verkündete er und marschierte auf die Eingangstreppe zu. Bei ihr angekommen, drehte er sich um und grinste. »Voilà, die Carnegie Science Hall.«
Ich legte dramatisch eine Hand aufs Herz. »Nein, ehrlich? Die Carnegie Science Hall? Wo viele der brillantesten, innovativsten Denker der Welt versammelt sind und mit ihren bahnbrechenden Forschungen die Wissenschaft revolutionieren? «
Nach einem kurzen Moment sagte er: »Äh, ja?«
»Warte mal kurz, das muss ich unbedingt fotografieren.« »Da du anscheinend schon davon gehört hast«, sagte er, während ich in meiner Handtasche nach der Digitalkamera suchte, »wirst du auch wissen, welchen Ruf das Bates College durch die hier stattfindenden Forschungen genießt. Selbst wenn du keinen naturwissenschaftlichen Schwerpunkt wählst, sollte allein die Existenz dieses Gebäudes die hohen Gebühren wert sein, die man für das Studium bezahlt.«
Vox clamatis in deserto. Die Stimme des Rufers in der Wüste.
Ich starrte auf den Bildschirm meiner Digitalkamera, sah jedoch in Wirklichkeit etwas ganz anderes: grüne Schlüsselanhänger und Kaffeebecher, einen Pullover und einen Regenschirm mit dem Logo von Dartmouth.
»Vanessa?«
»Sorry.« Ich schüttelte den Kopf, um die Erinnerungen zu verdrängen, und hielt die Kamera in die Höhe. »Sag Cheeeeese.«
Er öffnete den Mund, doch dann fiel sein Blick auf etwas hinter meinem Rücken. Bevor ich mich umdrehen konnte, tippte mir schon jemand auf die Schulter.
»Das ist ganz falsch«, sagte der Typ hinter mir. Er schien ungefähr in meinem Alter zu sein, vielleicht ein oder zwei Jahre älter, und wurde von zwei anderen Studenten flankiert, die bei meinem Anblick breit lächelten. Der Typ trug eine Outdoorhose, eine Fleecejacke und Wanderstiefel, als wolle er nach dem Unterricht direkt in die Wildnis stürmen.
»Und was soll falsch sein?«
»Das Foto. Ich meine, der Blick ist ja nicht schlecht ... aber er wäre noch viel besser, wenn du auch darauf zu sehen wärst.« Er hielt mir eine ausgestreckte Hand entgegen. »Darf ich mal?«
»Oh.« Ich schaute nach unten auf die Kamera. »Danke, aber ...«
»Wie wär's mit Mitose?«, fragte mein Fremdenführer.
Der Naturfreund blickte verwirrt hoch zur Eingangstreppe. »Ich meine, drinnen im Gebäude gibt es eine phantastische Fotoausstellung über Zellkernteilung. Jetzt am frühen Vormittag wirkt sie am besten. Wir sollten hingehen, bevor sich das Licht ändert.«
»Ja, schon klar.« Der Naturfreund nickte und überlegte laut: »Vielleicht sollte man ein Foto von ihr in die PR-Broschüre fürs College packen? Damit ließen sich bestimmt Tausende von zusätzlichen Studenten anwerben.«
»Ich werde es der Verwaltung ausrichten.«
Nach einem letzten bewundernden Blick gab der Student endlich auf und ging. Ich wartete, bis er mit seinen Freunden verschwunden war, bevor ich mich der Treppe zuwandte. Mein Begleiter stand immer noch am selben Fleck und hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben. Auf seinem Gesicht las ich ... was? Nervosität? Eifersucht?
»Gibt es da drin wirklich eine phantastische Ausstellung über Mitose?«, hakte ich nach.
»Keine Ahnung. Aber wenn, dann wäre sie kein Teil der College-Tour. Wir wollen Schüler anwerben und nicht zu Tode langweilen.«
Ich hielt die Kamera in die Höhe.
»Cheese«, sagte er.
Nachdem ich ein Foto von ihm geschossen hatte, verstaute ich die Kamera wieder in meiner Handtasche. »Okay, mir ist klar, dass das Carnegie Science Building euer College absolut einzigartig macht, aber trotzdem würde ich gerne noch etwas Bestimmtes sehen, bevor ich mich entscheide. «
»Die Sportanlagen? Das Theater? Das Kunstmuseum?«
»Ein Wohnheimzimmer.«
Er schaute zu Boden, und mein Puls beschleunigte sich. Falls ihm meine Direktheit peinlich war, wären mir auch andere lohnende Ziele eingefallen. Wir hätten zum Beispiel den Campus ganz verlassen und uns einen Ort suchen können, wo wir ungestörter waren. Doch da lief er schon die Treppe hinunter und führte mich in die Richtung, aus der wir gekommen waren.
»Warte nur, bis du die Betonwände und den Linoleumboden siehst«, sagte er. »Dann möchtest du nie wieder nach Hause.«
Wir überquerten den Campus schweigend, er grüßte nur ab und zu Bekannte oder Studienkollegen. Ich sagte nichts, weil in meinem Kopf wieder Erinnerungen an Justine und unseren letzten gemeinsamen Sommer herumwirbelten, so dass ich nicht sicher war, was aus meinem Mund kommen würde. Diese Gedanken verfolgten mich den ganzen Weg bis ins Wohnheimgebäude und die Treppen zur vierten Etage hinauf.
Glücklicherweise fühlte sich das Schweigen zwischen uns nicht unangenehm an. Tat es schließlich nie.
»Ich sollte dich vorwarnen«, sagte er, als wir vor einer geschlossenen Tür stehen blieben. »Der Raum ist nicht gerade ein Musterbeispiel für Innendekoration. So etwas passiert, wenn man zwei Biostudenten in einen engen Raum sperrt. Na ja, bei mehr Platz sähe es wahrscheinlich ähnlich aus.«
»Dein Zimmergenosse ist ...«
»Im Moment nicht da. Er hat ein vierstündiges Seminar, das noch dreieinhalb Stunden dauert.«
Mein Herz machte einen Freudensprung, während sich gleichzeitig mein Magen umdrehte. Diese gemischte Reaktion war wohl von meinem Gesicht abzulesen. Besorgt trat er einen Schritt auf mich zu.
»Okay«, sagte ich schnell und war froh, dass meine Stimme unbeschwert klang, »dann sollten wir wohl mit der Tour weitermachen.«
Meine Antwort schien ihn zu beruhigen. Mit einem Lächeln zog er den Schlüssel aus der Jeanstasche und ließ mich ins Zimmer. Dort lehnte er sich mit verschränkten Armen gegen die Tür und sah sich um. »Hm, interessant«, sagte er.
»Was?«, fragte ich.
»Die Innendekoration, von der ich gesprochen habe.«
Ich schaute mich ebenfalls um, sah aber nur ein typisches Studentenzimmer mit zwei Betten, Schreibtischen, Schränken und Bücherregalen. Die eine Seite war unordentlicher als die andere, was wahrscheinlich daran lag, dass der abwesende Zimmergenosse keinen Besuch erwartet hatte. Als einzige Dekoration gab es einen blauen Teppich, ein Banner mit dem College-Logo ... und ein gerahmtes Foto von einem Mädchen in einem roten Ruderboot.
»Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass etwas fehlt«, fuhr er mit sanfter Stimme fort. »Tatsächlich habe ich schon geahnt, was das sein könnte. Aber jetzt bin ich mir sicher.«
Unsere Blicke trafen sich. Er rührte sich nicht, als ich auf ihn zuging. Wie immer wartete er darauf, dass ich den ersten Schritt machte, damit ich bestimmt nur tat, was ich wirklich wollte. Daran hatte sich in den letzten zwei Monaten nichts geändert. Selbst zwei Jahre oder zwei Jahrzehnte würden keinen Unterschied machen.
Ich stand so nah bei ihm wie nur eben möglich, ohne dass unsere Körper sich berührten. Ich roch den Seifenduft seiner Haut und sah, wie seine Brust sich schnell hob und senkte. Sein Kiefer war angespannt, die muskulösen Schultern ebenfalls. Er lehnte sich mit ganzer Kraft gegen die Tür und hielt die Arme verschränkt.
»Vanessa ...«
»Ist schon gut«, flüsterte ich und beugte mich vor. »Alles ist gut.«
Kaum hatten meine Lippen seine Wange gestreift, als er mich auch schon bei den Hüften packte und die restlichen Zentimeter zu sich heranzog. Seine Hände glitten von meiner Taille hoch, bis er mein Gesicht so vorsichtig hielt, als sei es aus Glas. Noch einmal trafen sich unsere Blicke, gerade lange genug, damit ich die Wärme in ihnen spüren konnte, bevor sich sein Mund auf meinen presste.
Das Gedankenkarussell in meinem Kopf kam endlich zum Stehen. Jetzt gab es nichts mehr außer diesem Moment, außer mir und ihm.
Simon. Mein Simon.
Zuerst war der Kuss sanft und süß, als müssten sich unsere Lippen nach der langen Trennung erst wieder aneinander gewöhnen. Doch schon bald wurde der Druck stärker, und seine Lippen begannen zu wandern. Ich krallte beide Hände in sein Shirt, während sich seine Lippen über meine Wange und mein Ohr bis zum Hals bewegten. Er hielt erst an, als ihm die nackte Haut zum Erforschen ausging. Da ich nicht wollte, dass er aufhörte, ließ ich sein Shirt los und zog mir den Sommerpulli über den Kopf. Und Simons Oberteil landete noch schneller auf dem Boden als meins.
Er lehnte die Stirn gegen meine Schulter, und seine Handflächen strichen langsam meinen Rücken hinunter und über meine Jeans. Wir küssten uns den ganzen Weg zum Bett, bis er sich ausstreckte und mich mitzog, so dass ich auf ihm hockte und meine Beine seine Hüften umschlangen.
»Wir können aufhören«, sagte Simon leise, als ich zögerte. »Wenn du auch nur ein bisschen nervös oder unsicher bist ...«
Ich musste lächeln. Konnte ja sein, dass Simon mich nervös machte, aber bestimmt nicht, weil ich seine Nähe fürchtete.
Eher hatte ich Angst davor, dass wir uns nicht nahe genug waren.
»Ich habe dich vermisst«, sagte ich.
»Und ich erst. Du hast ja keine Ahnung ...«
Was nicht stimmte. Er brauchte mich nur anzusehen, meinen Namen zu sagen, meine Hand zu halten oder mich zu küssen, und ich wusste Bescheid. Zwar hatte er die Worte nur einmal ausgesprochen, aber mehr war auch nicht nötig.
Ich wusste genau, wie sehr Simon mich liebte.
Leider wusste ich auch, warum.
Er wollte noch etwas sagen, doch ich verschloss ihm den Mund mit einem Kuss. Verzweifelt küsste ich ihn, bis er vergaß, was er hatte sagen wollen, und bis ich meine eigenen hartnäckigen Zweifel wegschieben konnte, um mich nur auf diesen Moment zu konzentrieren, in dem wir beide zusammen waren.
Ich wusste, dass es enden würde. Das war unvermeidlich. Trotzdem ließ ich mich manchmal hinreißen, einfach nur glücklich zu sein. Ich tat so, als ob das Ende nicht schon in Sicht sei - doch leider dauerte es nie lange, bis ich daran erinnert wurde.
Wie in diesem Moment, als wir beieinanderlagen. Unsere Beine waren ineinander verschlungen, und mein Kopf ruhte auf Simons Brust. Während er geistesabwesend mit den Fingern durch mein Haar fuhr, starrte ich auf das Foto, das neben dem Bett auf der Kommode stand und ein Mädchen in einem Ruderboot zeigte. Ich zählte Simons ruhige, gleichmäßige Herzschläge.
»Bin gleich zurück«, flüsterte ich.
Ich wickelte mir die Decke um die Schultern, stand auf und zwang meine Füße, sich in Richtung Kleiderschrank zu bewegen. Dort tauschte ich die Decke gegen Simons Bademantel aus, schnappte mir ein Handtuch vom Regal und meine Tasche vom Fußboden und verließ das Zimmer.
Copyright © von Ullstein TB (Verlag)
»Hier lässt es sich gut leben, das kannst du mir glauben. Als Studentin würdest du dich wohl fühlen.« Er blieb stehen und zog mich am Ärmel näher. Als ich willig auf ihn zutrat, sauste ein Frisbee direkt dort vorbei, wo eben noch mein Kopf gewesen war.
»Natürlich glaube ich dir«, erwiderte ich.
Wir waren uns so nah, dass ich hörte, wie sich sein Atem beschleunigte. Seine Finger umklammerten meinen Ärmel fester, so dass sich die Muskeln seines Arms abzeichneten. Doch gleich darauf ließ er mich los und ballte die Hände um die Träger seines Rucksacks.
»Und was ist da drüben?«, wollte ich wissen.
Er folgte meinem Blick zu dem großen Gebäude neben der Bibliothek. »Dort siehst du den krönenden Höhepunkt unserer Tour«, verkündete er und marschierte auf die Eingangstreppe zu. Bei ihr angekommen, drehte er sich um und grinste. »Voilà, die Carnegie Science Hall.«
Ich legte dramatisch eine Hand aufs Herz. »Nein, ehrlich? Die Carnegie Science Hall? Wo viele der brillantesten, innovativsten Denker der Welt versammelt sind und mit ihren bahnbrechenden Forschungen die Wissenschaft revolutionieren? «
Nach einem kurzen Moment sagte er: »Äh, ja?«
»Warte mal kurz, das muss ich unbedingt fotografieren.« »Da du anscheinend schon davon gehört hast«, sagte er, während ich in meiner Handtasche nach der Digitalkamera suchte, »wirst du auch wissen, welchen Ruf das Bates College durch die hier stattfindenden Forschungen genießt. Selbst wenn du keinen naturwissenschaftlichen Schwerpunkt wählst, sollte allein die Existenz dieses Gebäudes die hohen Gebühren wert sein, die man für das Studium bezahlt.«
Vox clamatis in deserto. Die Stimme des Rufers in der Wüste.
Ich starrte auf den Bildschirm meiner Digitalkamera, sah jedoch in Wirklichkeit etwas ganz anderes: grüne Schlüsselanhänger und Kaffeebecher, einen Pullover und einen Regenschirm mit dem Logo von Dartmouth.
»Vanessa?«
»Sorry.« Ich schüttelte den Kopf, um die Erinnerungen zu verdrängen, und hielt die Kamera in die Höhe. »Sag Cheeeeese.«
Er öffnete den Mund, doch dann fiel sein Blick auf etwas hinter meinem Rücken. Bevor ich mich umdrehen konnte, tippte mir schon jemand auf die Schulter.
»Das ist ganz falsch«, sagte der Typ hinter mir. Er schien ungefähr in meinem Alter zu sein, vielleicht ein oder zwei Jahre älter, und wurde von zwei anderen Studenten flankiert, die bei meinem Anblick breit lächelten. Der Typ trug eine Outdoorhose, eine Fleecejacke und Wanderstiefel, als wolle er nach dem Unterricht direkt in die Wildnis stürmen.
»Und was soll falsch sein?«
»Das Foto. Ich meine, der Blick ist ja nicht schlecht ... aber er wäre noch viel besser, wenn du auch darauf zu sehen wärst.« Er hielt mir eine ausgestreckte Hand entgegen. »Darf ich mal?«
»Oh.« Ich schaute nach unten auf die Kamera. »Danke, aber ...«
»Wie wär's mit Mitose?«, fragte mein Fremdenführer.
Der Naturfreund blickte verwirrt hoch zur Eingangstreppe. »Ich meine, drinnen im Gebäude gibt es eine phantastische Fotoausstellung über Zellkernteilung. Jetzt am frühen Vormittag wirkt sie am besten. Wir sollten hingehen, bevor sich das Licht ändert.«
»Ja, schon klar.« Der Naturfreund nickte und überlegte laut: »Vielleicht sollte man ein Foto von ihr in die PR-Broschüre fürs College packen? Damit ließen sich bestimmt Tausende von zusätzlichen Studenten anwerben.«
»Ich werde es der Verwaltung ausrichten.«
Nach einem letzten bewundernden Blick gab der Student endlich auf und ging. Ich wartete, bis er mit seinen Freunden verschwunden war, bevor ich mich der Treppe zuwandte. Mein Begleiter stand immer noch am selben Fleck und hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben. Auf seinem Gesicht las ich ... was? Nervosität? Eifersucht?
»Gibt es da drin wirklich eine phantastische Ausstellung über Mitose?«, hakte ich nach.
»Keine Ahnung. Aber wenn, dann wäre sie kein Teil der College-Tour. Wir wollen Schüler anwerben und nicht zu Tode langweilen.«
Ich hielt die Kamera in die Höhe.
»Cheese«, sagte er.
Nachdem ich ein Foto von ihm geschossen hatte, verstaute ich die Kamera wieder in meiner Handtasche. »Okay, mir ist klar, dass das Carnegie Science Building euer College absolut einzigartig macht, aber trotzdem würde ich gerne noch etwas Bestimmtes sehen, bevor ich mich entscheide. «
»Die Sportanlagen? Das Theater? Das Kunstmuseum?«
»Ein Wohnheimzimmer.«
Er schaute zu Boden, und mein Puls beschleunigte sich. Falls ihm meine Direktheit peinlich war, wären mir auch andere lohnende Ziele eingefallen. Wir hätten zum Beispiel den Campus ganz verlassen und uns einen Ort suchen können, wo wir ungestörter waren. Doch da lief er schon die Treppe hinunter und führte mich in die Richtung, aus der wir gekommen waren.
»Warte nur, bis du die Betonwände und den Linoleumboden siehst«, sagte er. »Dann möchtest du nie wieder nach Hause.«
Wir überquerten den Campus schweigend, er grüßte nur ab und zu Bekannte oder Studienkollegen. Ich sagte nichts, weil in meinem Kopf wieder Erinnerungen an Justine und unseren letzten gemeinsamen Sommer herumwirbelten, so dass ich nicht sicher war, was aus meinem Mund kommen würde. Diese Gedanken verfolgten mich den ganzen Weg bis ins Wohnheimgebäude und die Treppen zur vierten Etage hinauf.
Glücklicherweise fühlte sich das Schweigen zwischen uns nicht unangenehm an. Tat es schließlich nie.
»Ich sollte dich vorwarnen«, sagte er, als wir vor einer geschlossenen Tür stehen blieben. »Der Raum ist nicht gerade ein Musterbeispiel für Innendekoration. So etwas passiert, wenn man zwei Biostudenten in einen engen Raum sperrt. Na ja, bei mehr Platz sähe es wahrscheinlich ähnlich aus.«
»Dein Zimmergenosse ist ...«
»Im Moment nicht da. Er hat ein vierstündiges Seminar, das noch dreieinhalb Stunden dauert.«
Mein Herz machte einen Freudensprung, während sich gleichzeitig mein Magen umdrehte. Diese gemischte Reaktion war wohl von meinem Gesicht abzulesen. Besorgt trat er einen Schritt auf mich zu.
»Okay«, sagte ich schnell und war froh, dass meine Stimme unbeschwert klang, »dann sollten wir wohl mit der Tour weitermachen.«
Meine Antwort schien ihn zu beruhigen. Mit einem Lächeln zog er den Schlüssel aus der Jeanstasche und ließ mich ins Zimmer. Dort lehnte er sich mit verschränkten Armen gegen die Tür und sah sich um. »Hm, interessant«, sagte er.
»Was?«, fragte ich.
»Die Innendekoration, von der ich gesprochen habe.«
Ich schaute mich ebenfalls um, sah aber nur ein typisches Studentenzimmer mit zwei Betten, Schreibtischen, Schränken und Bücherregalen. Die eine Seite war unordentlicher als die andere, was wahrscheinlich daran lag, dass der abwesende Zimmergenosse keinen Besuch erwartet hatte. Als einzige Dekoration gab es einen blauen Teppich, ein Banner mit dem College-Logo ... und ein gerahmtes Foto von einem Mädchen in einem roten Ruderboot.
»Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass etwas fehlt«, fuhr er mit sanfter Stimme fort. »Tatsächlich habe ich schon geahnt, was das sein könnte. Aber jetzt bin ich mir sicher.«
Unsere Blicke trafen sich. Er rührte sich nicht, als ich auf ihn zuging. Wie immer wartete er darauf, dass ich den ersten Schritt machte, damit ich bestimmt nur tat, was ich wirklich wollte. Daran hatte sich in den letzten zwei Monaten nichts geändert. Selbst zwei Jahre oder zwei Jahrzehnte würden keinen Unterschied machen.
Ich stand so nah bei ihm wie nur eben möglich, ohne dass unsere Körper sich berührten. Ich roch den Seifenduft seiner Haut und sah, wie seine Brust sich schnell hob und senkte. Sein Kiefer war angespannt, die muskulösen Schultern ebenfalls. Er lehnte sich mit ganzer Kraft gegen die Tür und hielt die Arme verschränkt.
»Vanessa ...«
»Ist schon gut«, flüsterte ich und beugte mich vor. »Alles ist gut.«
Kaum hatten meine Lippen seine Wange gestreift, als er mich auch schon bei den Hüften packte und die restlichen Zentimeter zu sich heranzog. Seine Hände glitten von meiner Taille hoch, bis er mein Gesicht so vorsichtig hielt, als sei es aus Glas. Noch einmal trafen sich unsere Blicke, gerade lange genug, damit ich die Wärme in ihnen spüren konnte, bevor sich sein Mund auf meinen presste.
Das Gedankenkarussell in meinem Kopf kam endlich zum Stehen. Jetzt gab es nichts mehr außer diesem Moment, außer mir und ihm.
Simon. Mein Simon.
Zuerst war der Kuss sanft und süß, als müssten sich unsere Lippen nach der langen Trennung erst wieder aneinander gewöhnen. Doch schon bald wurde der Druck stärker, und seine Lippen begannen zu wandern. Ich krallte beide Hände in sein Shirt, während sich seine Lippen über meine Wange und mein Ohr bis zum Hals bewegten. Er hielt erst an, als ihm die nackte Haut zum Erforschen ausging. Da ich nicht wollte, dass er aufhörte, ließ ich sein Shirt los und zog mir den Sommerpulli über den Kopf. Und Simons Oberteil landete noch schneller auf dem Boden als meins.
Er lehnte die Stirn gegen meine Schulter, und seine Handflächen strichen langsam meinen Rücken hinunter und über meine Jeans. Wir küssten uns den ganzen Weg zum Bett, bis er sich ausstreckte und mich mitzog, so dass ich auf ihm hockte und meine Beine seine Hüften umschlangen.
»Wir können aufhören«, sagte Simon leise, als ich zögerte. »Wenn du auch nur ein bisschen nervös oder unsicher bist ...«
Ich musste lächeln. Konnte ja sein, dass Simon mich nervös machte, aber bestimmt nicht, weil ich seine Nähe fürchtete.
Eher hatte ich Angst davor, dass wir uns nicht nahe genug waren.
»Ich habe dich vermisst«, sagte ich.
»Und ich erst. Du hast ja keine Ahnung ...«
Was nicht stimmte. Er brauchte mich nur anzusehen, meinen Namen zu sagen, meine Hand zu halten oder mich zu küssen, und ich wusste Bescheid. Zwar hatte er die Worte nur einmal ausgesprochen, aber mehr war auch nicht nötig.
Ich wusste genau, wie sehr Simon mich liebte.
Leider wusste ich auch, warum.
Er wollte noch etwas sagen, doch ich verschloss ihm den Mund mit einem Kuss. Verzweifelt küsste ich ihn, bis er vergaß, was er hatte sagen wollen, und bis ich meine eigenen hartnäckigen Zweifel wegschieben konnte, um mich nur auf diesen Moment zu konzentrieren, in dem wir beide zusammen waren.
Ich wusste, dass es enden würde. Das war unvermeidlich. Trotzdem ließ ich mich manchmal hinreißen, einfach nur glücklich zu sein. Ich tat so, als ob das Ende nicht schon in Sicht sei - doch leider dauerte es nie lange, bis ich daran erinnert wurde.
Wie in diesem Moment, als wir beieinanderlagen. Unsere Beine waren ineinander verschlungen, und mein Kopf ruhte auf Simons Brust. Während er geistesabwesend mit den Fingern durch mein Haar fuhr, starrte ich auf das Foto, das neben dem Bett auf der Kommode stand und ein Mädchen in einem Ruderboot zeigte. Ich zählte Simons ruhige, gleichmäßige Herzschläge.
»Bin gleich zurück«, flüsterte ich.
Ich wickelte mir die Decke um die Schultern, stand auf und zwang meine Füße, sich in Richtung Kleiderschrank zu bewegen. Dort tauschte ich die Decke gegen Simons Bademantel aus, schnappte mir ein Handtuch vom Regal und meine Tasche vom Fußboden und verließ das Zimmer.
Copyright © von Ullstein TB (Verlag)
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Autoren-Porträt von Tricia Rayburn
Rayburn, TriciaTricia Rayburn hat bereits mehrere Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht. Sie lebt gemeinsam mit ihrem Verlobten auf Long Island.
Bibliographische Angaben
- Autor: Tricia Rayburn
- 2013, 384 Seiten, Maße: 12,1 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Nolte, Ulrike
- Übersetzer: Ulrike Nolte
- Verlag: Ullstein TB
- ISBN-10: 3548285120
- ISBN-13: 9783548285122
- Erscheinungsdatum: 14.01.2013
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