Principia
Roman
Der dritte Band der weltweit gefeierten "Barock-Trilogie"
London, 1714: Daniel Waterhouse kehrt als alter Mann nach England zurück. Doch kaum angekommen, sieht er sich in ein teuflisches Komplott verstrickt, das auf nichts Geringeres zielt als die...
London, 1714: Daniel Waterhouse kehrt als alter Mann nach England zurück. Doch kaum angekommen, sieht er sich in ein teuflisches Komplott verstrickt, das auf nichts Geringeres zielt als die...
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Produktinformationen zu „Principia “
Der dritte Band der weltweit gefeierten "Barock-Trilogie"
London, 1714: Daniel Waterhouse kehrt als alter Mann nach England zurück. Doch kaum angekommen, sieht er sich in ein teuflisches Komplott verstrickt, das auf nichts Geringeres zielt als die Zerstörung der sich entwickelnden modernen Weltordnung. Im Zentrum dieser Umtriebe steht Jack Shaftoe: Dieb, Abenteurer, Glücksritter, Fälscher - und ewig Liebender. Die Frau seines Herzens, die einzigartige Eliza, ist in tödlicher Gefahr. Denn in seinem Kampf um die Macht in Europa ist Elizas Leben ein mächtiger Trumpf im Ärmel des königlichen Gewands von Ludwig XIV. ...
London, 1714: Daniel Waterhouse kehrt als alter Mann nach England zurück. Doch kaum angekommen, sieht er sich in ein teuflisches Komplott verstrickt, das auf nichts Geringeres zielt als die Zerstörung der sich entwickelnden modernen Weltordnung. Im Zentrum dieser Umtriebe steht Jack Shaftoe: Dieb, Abenteurer, Glücksritter, Fälscher - und ewig Liebender. Die Frau seines Herzens, die einzigartige Eliza, ist in tödlicher Gefahr. Denn in seinem Kampf um die Macht in Europa ist Elizas Leben ein mächtiger Trumpf im Ärmel des königlichen Gewands von Ludwig XIV. ...
Klappentext zu „Principia “
Der dritte Band der "Barock-Trilogie"London, 1714: Daniel Waterhouse kehrt als alter Mann nach England zurück. Doch kaum angekommen, sieht er sich in ein teuflisches Komplott verstrickt, das auf nichts Geringeres zielt als die Zerstörung der sich entwickelnden modernen Weltordnung. Im Zentrum dieser Umtriebe steht Jack Shaftoe: Dieb, Abenteurer, Glücksritter, Fälscher - und ewig Liebender. Die Frau seines Herzens, die einzigartige Eliza, ist in tödlicher Gefahr. Denn in seinem Kampf um die Macht in Europa ist Elizas Leben ein mächtiger Trumpf im Ärmel des königlichen Gewands von Ludwig XIV. ...
Der dritte Band der weltweit gefeierten 'Barock-Trilogie'London, 1714: Daniel Waterhouse kehrt als alter Mann nach England zurück. Doch kaum angekommen, sieht er sich in ein teuflisches Komplott verstrickt, das auf nichts Geringeres zielt als die Zerstörung der sich entwickelnden modernen Weltordnung. Im Zentrum dieser Umtriebe steht Jack Shaftoe: Dieb, Abenteurer, Glücksritter, Fälscher - und ewig Liebender. Die Frau seines Herzens, die einzigartige Eliza, ist in tödlicher Gefahr. Denn in seinem Kampf um die Macht in Europa ist Elizas Leben ein mächtiger Trumpf im Ärmel des königlichen Gewands von Ludwig XIV. ...
Lese-Probe zu „Principia “
"Die bittere Kälte in dieser Einöde hat schon Männer dahingerafft, die halb so alt waren wie Ihr und doppelt so viel wogen", sagte der Earl of Lostwithiel, Oberster Aufseher der Zinngruben und Forst- und Jagdherr von Dartmoor, zu einem seiner beiden Mitreisenden.Der Wind hatte innegehalten, als habe Boreas sich verausgabt und holte von irgendwo über Island frisch Atem. Daher konnte sich der junge Earl in sachlichem Ton äußern. "Mr. Newcomen und ich sind Euch für Eure Gesellschaft sehr dankbar, aber Der Wind schlug sie alle mit Taubheit, als wären die drei Männer Kerzenflammen, die es auszublasen galt. Sie wankten, stellten die dem Wind abgekehrten Füße fester auf den schwarzen, steinigen Boden und stemmten sich dagegen. Lostwithiel brüllte: "Wir werden Euch nicht für unhöflich halten, wenn Ihr zu meiner Kutsche zurückkehrt!" Er wies mit dem Kopf auf eine schwarze Equipage, die ein kurzes Stück entfernt auf dem Fahrweg stand und auf ihrer französischen Federung schaukelte. Sie war mit großer Kunstfertigkeit so gestaltet worden, dass sie leichter wirkte, als sie war, und sah so aus, als verhindere einzig das an sie angeschirrte, buntscheckige Gespann von Zugpferden, deren zottige Mähnen waagrecht im Wind standen, dass sie, sich überschlagend, über das Moor rollte.
"Es erstaunt mich, dass Ihr das als bittere Kälte bezeichnet", antwortete der Alte. "In Boston würde es, wie Ihr wisst, ohne Bemerkung hingehen. Ich bin für Boston gekleidet." Er war in einen rustikalen ledernen Umhang gehüllt, den er vorn kurz auseinanderschlug, sodass sich ein aus den Fellen vieler Waschbären zusammengenähtes Futter zeigte. "Nach jener Fahrt durch die Darmwindungen der Gorge of Lyd brauchen wir alle frische Luft - besonders, wenn ich die Anzeichen richtig deute, Mr. Newcomen."
Thomas Newcomen bedurfte keiner weiteren Aufforderung. Sein Gesicht, das so fahl war wie der Mond, senkte und hob sich ein einziges Mal, was einer förmlichen Verbeugung so nahe kam, wie es dieser
... mehr
Grobschmied aus Dartmouth nur vermochte. Nachdem er sich derart verabschiedet hatte, kehrte er ihnen den breiten Rücken zu und trottete rasch in Windrichtung davon. Bald war er nur noch schwer von den zahlreichen Menhiren zu unterscheiden - die sich als Kommentar zu seiner Statur, zur Düsterkeit des Tages oder zu Daniels schlechten Augen deuten ließen.
"Die Druiden haben schrecklich gern Steine aufrecht gestellt", bemerkte der Earl. "Zu welchem Zweck, ist mir schleierhaft."
"Indem Ihr die Frage stellt, habt Ihr sie schon beantwortet."
"Wie beliebt?"
"Da sie nun einmal an diesem gottverlassenen Ort wohnten, taten sie es, damit zweitausend Jahre nach ihrem Tod jeder, der auf diese Steine stieße, wüsste, dass sie hier gewesen sind. Der Herzog von Marlborough hat mit der Errichtung von Blenheim Palace, jenem berühmten Gebäude, nichts anderes getan."
Der Earl of Lostwithiel hielt es für klug, diese Bemerkung un- kommentiert zu lassen. Er drehte sich um und trat einen Pfad durch steifes, welkes Gras bis hin zu einer seltsamen Erhebung aus flechtenbedecktem Stein. Daniel, der ihm folgte, begriff, dass es sich um eine Ecke eines zur Ruine zerfallenen Gebäudes handelte. Der Boden gab unter ihren Füßen nach. Er lag als dünne Schicht über einem heillosen Durcheinander aus herabgestürzten Balken und zerfallenden Torfsoden. Immerhin bot ihnen der Winkel Schutz vor dem Wind.
"Ich spreche nun in meiner Eigenschaft als Oberster Aufseher der Zinngruben und heiße Euch, Daniel Waterhouse, im Namen des Gutsherrn in Dartmoor willkommen."
Daniel seufzte. "Wenn ich die letzten zwanzig Jahre in London gewesen wäre, mich in den Arkana der Heraldik auf dem Laufenden gehalten und regelmäßig mit einem der Wappenherolde Tee getrunken hätte, wüsste ich jetzt, wer zum Teufel das ist. Doch wie die Dinge liegen.
"Dartmoor wurde 1338 dem Herzogtum Cornwall zugeschlagen und ging demzufolge in den Besitz des Prinzen von Wales über - ein Titel, den König Edward I. im Jahre -"
"Ihr heißt mich also auf etwas umständliche Weise im Namen des Prinzen von Wales willkommen", sagte Daniel abrupt, in dem Bemühen, dem Earl in den Arm zu fallen, ehe sich dieser noch tiefer im Labyrinth der feudalen Hierarchie verlor.
"Und der Prinzessin. Die, wenn das Haus Hannover den Thron erbt -"
"Prinzessin Caroline von Ansbach sein wird. Ja. Ihr Name fällt ständig. Hat sie Euch beauftragt, mich auf den Straßen von Plymouth aufzuspüren?"
Der Earl zog eine leicht gekränkte Miene. "Ich bin der Sohn Eures alten Freundes. Ich bin Euch zufällig begegnet. Meine Überraschung war echt. Das Willkommen, das meine Frau und meine Kinder Euch bereitet haben, war ungekünstelt. Wenn Ihr es bezweifelt, dann kommt nächste Weihnachten in unser Haus."
"Warum gebt Ihr Euch dann solche Mühe, die Prinzessin zur Sprache zu bringen?"
"Nur weil ich mich freimütig äußern will. Wo Ihr als Nächstes hingeht, ist alles Intrige. Wer sich zu lange in London aufhält, den befällt eine Krankheit des Geistes, die dazu führt, dass ansonsten vernünftige Menschen Ereignissen, die rein zufällig sind, forcierte und absurde Bedeutungen beilegen."
"Ich habe diese Krankheit in voller Blüte beobachtet", räumte Daniel ein und dachte dabei speziell an einen Mann.
"Ich möchte nicht, dass Ihr heute in sechs Monaten, wenn Euch das alles bewusst wird, denkt: >Aha, der Earl of Lostwithiel war nichts weiter als ein Handlanger von Caroline - wer weiß, was er mir sonst noch an Lügen aufgetischt haben mag!cornercoignquoin< ableitet Daniel nickte. "So heißt der Keil, den Kanoniere an Bord eines Schiffes zum Richten eines Geschützes verwenden."
"Für diesen Vorgang bürgerte sich das Wort quoinage ein. Und daher unser merkwürdiges englisches Wort >coin< für Münze, das keinerlei Beziehung zu irgendwelchen französischen, lateinischen oder deutschen Wörtern hat. Unsere Freunde auf dem Kontinent sagen, grob übersetzt, >ein Stück Geldcoin< niederschlage. Aber ich versichere Euch, dass Franzosen und Deutsche wissen, was Geld ist. Und etwas anderes zu glauben heißt, sich sein vernünftiges Urteil von Toryismus trüben zu lassen."
"Wenn Ihr es so formuliert, klingt es in der Tat ein wenig albern", sagte der Earl durchaus heiter. Dann überlegte er: "Vielleicht habe ich es deshalb für nötig gehalten, diese Reise mit einem Schmied auf der einen und einem siebenundsechzig Jahre alten Doktor auf der anderen Seite zu unternehmen - um dem Vorhaben eine gewisse Seriosität zu verleihen."
Mittels Gesten, die so subtil und geschmackvoll waren, dass man sie schon fast subliminal nennen konnte, gab der Earl ihnen zu verstehen, dass es Zeit zur Weiterfahrt sei. Sie kehrten zur Kutsche zurück, obschon der Earl noch einige Augenblicke auf dem Trittbrett verhielt, um höfliche Worte mit einer kleinen Schar Herrenreiter zu wechseln, die gerade aus der Schlucht heraufgekommen waren und das auf den Schlag der Kutsche gemalte Wappen erkannt hatten.
Eine Viertelstunde lang rollten sie schweigend dahin, während der Earl durch ein offenes Fenster hinausschaute. Der weit entfernte Horizont präsentierte sich glatt und in sanften Abwandlungen, wurde jedoch gelegentlich von sonderbaren, schroffen Formen unterbrochen: vorstehenden Felsen, die Tors genannt wurden und mal wie Schoner oder Alchimistenöfen, mal wie Festungswälle oder die Kieferknochen toter Ungeheuer anmuteten.
"Ihr hattet völlig recht damit, meinen Ausführungen einen Riegel vorzuschieben, Dr.Waterhouse. Ich war oberflächlich", sagte der junge Earl. "Aber die Landschaft von Dartmoor hat nichts Oberflächliches, oder seid Ihr da anderer Meinung?"
"Eindeutig nicht."
"Dann soll die Landschaft in beredten Worten sagen, was ich nicht sagen konnte."
"Was sagt sie denn?"
Anstelle einer Antwort griff Will in eine Brusttasche und zog ein beschriebenes Blatt Papier hervor. Er hielt es ans Fenster und las davon ab. "Die alten Grabhügel, heidnischen Hünengräber, Pendragon-Schlachtfelder, Druidenaltäre, römischen Wachtürme und die Furchen, welche die Alten auf ihrem Weg über das Land von Westen nach Osten in die Erde gezogen und so auf der Suche nach Zinn den Weg der großen Flut nachgezeichnet haben; das alles spottet stumm Londons. Es heißt, noch bevor es Whigs und Torys gab, noch vor Rundköpfen und Kavalieren, Katholiken und Protestanten - ja, noch vor Normannen, Angeln und Sachsen, lange bevor Julius Caesar auf diese Insel kam, habe es diesen Austausch gegeben, ein tiefes, unterirdisches Fließen, ein chthonisches Pulsieren von Metall durch urzeitliche Adern, die noch vor Adam wie Wurzeln in der Erde wuchsen. Wir sind nur Flöhe, die ihre kleinlichen Begierden an dem stillen, was durch die schmalsten und oberflächlichsten Kapillaren fließt." Er blickte auf.
"Wer hat das geschrieben?", fragte Daniel.
"Ich", sagte Will Comstock.
SPÄTER AN DIESEM TAG So viele Felsblöcke ragten durch die mottenzerfressene Erddecke, die über dieses Land gebreitet war, dass sie anhalten und aus der Kutsche aussteigen mussten, die mehr Umstände bereitete, als der Mühe wert war. Sie mussten entweder zu Fuß gehen oder auf vermeintlich zahmen Dartmoor-Ponys reiten. Newcomen ging zu Fuß. Daniel entschied sich zu reiten. Er war bereit, es sich anders zu überlegen, falls sich das Pony als so unleidlich herausstellte, wie es aussah. Das Geläuf war eine ungemein tückische Verbindung aus Felsblöcken und Grasbüscheln, die so weich waren wie Daunenkissen. Die Aufmerksamkeit des Ponys war so stark davon in Anspruch genommen, von Augenblick zu Augenblick zu entscheiden, wo es seine vier Hufe hinsetzen sollte, dass es den alten Mann auf seinem Rücken zu vergessen schien. Der Pfad verlief nordwärts, parallel zu einem kleinen, unterhalb davon zu ihrer Linken dahinströmenden Wasserlauf. Er war nur etwa ein Drittel der Zeit zu sehen, jedoch hilfreicherweise von einer Spur dampfender Pferdeäpfel markiert, die von den Reittieren der ihnen Vorausgegangenen stammten.
Die Steinmauern, die sich über dieses Land rankten, waren so alt, dass sie Löcher aufwiesen, wo Steine herausgefallen waren, und ihre Kronen waren alles andere als gerade und eben, sondern beschrieben ein wildes Auf und Ab. Daniel hätte sich eingebildet, er durchquerte ein verlassenes Land, wenn die kleinen Schafkotkügelchen nicht gewesen wären, die unter Newcomens Schritten davonrollten oder von seinen Stiefelsohlen zerquetscht wurden. Auf manchen Hügelkuppen wuchsen schmucke Wälder, die so schön und dicht und weich aussahen wie die Felle arktischer Säugetiere. Wenn der Wind sie durchbrauste, drang ein Geräusch wie von Eiswasser, das über scharfkantige Steine sprudelt, aus ihnen hervor. Doch größtenteils war das Land mit Heide bedeckt, die zum Winter hin die Farbe von Grind angenommen hatte. Dort war der Wind still, mit Ausnahme des heiseren Brüllens, das er von sich gab, wenn er wie ein betrunkener Einbrecher in den Vorhöfen von Daniels Ohren herumpolterte.
In einer schütteren Linie von Tors, die sich nordwärts über den Horizont erstreckte, war Crockern der kleinste, bescheidenste und von der Landstraße aus am einfachsten zu erreichende - vermutlich war man deshalb auf ihn verfallen. Er sah weniger wie ein Tor, sondern vielmehr wie der Stumpf und die Gesteinsbröckchen aus, die zurückgeblieben waren, nachdem man einen richtigen Tor umgelegt und fortgeschleppt hatte. Sie kamen im oberen Teil des Moors heraus und erblickten ihn über sich. Die in seinem Windschatten zusammengedrängten Männer und Pferde ermöglichten es ihnen, Größe und Entfernung abzuschätzen: weiter weg und weiter bergauf, als sie gehofft hatten - wie bei schwer zu erreichenden Zielen üblich. Man hatte den Eindruck, trotz stundenlanger Schinderei kaum vorwärtsgekommen zu sein, doch als Daniel sich umdrehte und auf den Weg zurückblickte, den sie hinter sich gebracht hatten, waren dessen viele langgezogene Mäander, die er vordem kaum bemerkt hatte, allesamt derart komprimiert, dass sie wie die Finger zweier ineinander verschränkter Hände wirkten.
Die Tors waren Felsnasen horizontal gelagerter Gesteinsschichten, wie sie sich nach Leibnizens Ansicht in Flussbetten bildeten. Der Wind hatte weiche Schichten weggenagt, sodass abgeflachte, zu wackeligen Stapeln aufeinandergeschichtete Gebilde entstanden waren, die sich aneinanderlehnten, um sich gegenseitig abzustützen - wie Stapel alter, abgegriffener Bücher in einer Bibliothek, aufgetürmt von einem Gelehrten, der etwas zu finden versucht. Überreste von umgestürzten Formationen waren ein ganzes Stück weit hügelabwärts verstreut und in bizarrem Winkel halb in die Erde eingesunken, wie mehrbändige, angewidert zu Boden geschleuderte Abhandlungen. Der Wind wurde nur noch stärker, während sie aufstiegen; kleine braune Vögel schlugen so kräftig sie konnten mit den Flügeln und fielen dennoch hinter diese unsichtbare Luftströmung zurück, sodass sie sich langsam rückwärts an Daniel vorbeibewegten.
Dieser schätzte, dass etwa zweihundertfünfzig Herren dem Aufruf des Earls Folge geleistet und sich im Windschatten des Tor versammelt hatten. Doch an diesem Ort kamen einem so viele Männer wie zehntausend vor. Nur wenige hatten sich die Mühe gemacht abzusitzen. Denn was für Menschen auch immer ihre Vorfahren gewesen sein mochten, sie waren wahrhaft moderne Herren und hier ebenso fehl am Platze wie Daniel. Der Einzige, der sich offenbar wie zu Hause fühlte, war Thomas Newcomen, der Schmied, der wie ein Splitter des alten Tor wirkte, wie er so danebenstand, die breiten Schultern ein Schirm gegen den Wind, die schorfigen Hände in die Taschen gestopft. Daniel sah ihn nun als das, was er war: ein Zwerg aus irgendeiner sächsischen Ring-Sage.
Zwischen Steinen und Wind hätten diesen Tor von Rechts wegen eigentlich die Elemente Erde und Luft beherrschen müssen, hätte er, Daniel, gefunden, wenn er dazu neigen würde, wie ein Alchimist zu denken; ihm erschien es freilich eher wie ein wässriger Ort. Der Wind sog ihm mit der Geschwindigkeit einer Schneeschmelze Wärme aus dem Körper. Die Luft hatte (verglichen mit den Miasmen der Großstadt) eine Klarheit und Sauberkeit und die Landschaft etwas Reingewaschenes, Lapidares, das ein Gefühl in ihm hervorrief, als stünde er in dem Augenblick, da im Frühjahr das Eis birst, auf dem Grunde eines klaren Flusses in New England. So war es denn Wasser; doch die Anwesenheit von Thomas Newcomen sprach auch von Feuer, denn ein Zwerg war nie sehr weit von seiner Esse entfernt.
"Missversteht mich nicht, ich wäre den Eigentümern der Maschine zur Hebung von Wasser mittels Feuer gern zu Diensten", hatte Daniel am zwölften Tag der Weihnachtszeit insistiert, nachdem Newcomen den Kessel angeheizt und die von ihm gebaute Maschine, saugend und zischend wie ein Drache, begonnen hatte, Wasser aus Lostwithiels Mühlenteich in eine Zisterne auf dem Dach seines Hauses zu pumpen. "Aber ich habe kein Geld."
"Betrachtet den Sperrhahn, mittels dessen Mr. Newcomen die Maschine zum Leben erweckt", hatte der Earl gesagt und auf ein handgeschmiedetes Ventilrad gedeutet, das auf ein Rohr montiert war. "Erzeugt dieser Sperrhahn Dampf?"
"Natürlich nicht. Der Dampf wird im Kessel erzeugt."
"Der Handel dieses Landes ist ein Kessel, der sämtlichen Dampf- will sagen, sämtliches Kapital - erzeugt, das wir brauchen. Was uns fehlt, ist ein Ventil", hatte der Earl gesagt, "das heißt ein Mittel, einiges von diesem Kapital in eine Maschine zu leiten, wo es etwas Nützliches bewirkt."
Das Durcheinander abgeworfener Brocken bot natürliche Bänke, Podien, Kanzeln und Balkone, die den Zinnleuten ebenso gute Dienste leisteten wie die gleichen Einrichtungen in einem regelrechten Versammlungssaal. Dort wurde, wie schon seit einem halben Jahrtausend, durch Verlesung bestimmter Dekrete König Edwards I. der Rat der Zinngräber einberufen. Sogleich trat der Dienstälteste dieses Zinnparlaments vor und stellte den Antrag, dass man sich unverzüglich in ein bestimmtes nahegelegenes Wirtshaus, das Saracen's Head, verfügen solle, wo (folgerte Daniel) Erfrischungen zu haben waren. Der Antrag wurde ohne den leisesten Argwohn gestellt, er könnte zurückgewiesen werden. Es war wie der Moment bei einer Trauung, in dem der Priester die Gemeinde auffordert, allfällige Einwände gegen die Eheschließung vorzubringen. Doch der Earl of Lostwithiel erstaunte alle, indem er widersprach.
Er hatte auf einer moosbedeckten Steinbank gesessen. Nun stieg er darauf und hielt die folgende Rede:
"Seine Majestät, König Edward I., hat verfügt, dass diese Ratsversammlung an diesem Ort zusammentritt, und seither hat man immer wieder gemutmaßt, er habe schlicht und einfach den königlichen Finger auf eine Landkarte gehalten und auf einen Ort gedeutet, der von den vier um das Moor herum liegenden Zinnstädten gleich weit entfernt war, ohne im mindesten zu ahnen, dass er sich damit für einen der entlegensten und grässlichsten Orte Britanniens entschied. Und so ist es Sitte, sich zu den Annehmlichkeiten von Tavistock zu verfügen, ausgehend von der Annahme, der damalige König könne niemals beabsichtigt haben, dass seine Herren ihre Beratungen an einem solchen Ort abhalten. Doch ich traue König Edward I. mehr zu. Ich möchte behaupten, er hat einen Argwohn gegen Ratsversammlungen und Parlamente gehegt und gewollt, dass seine Zinnleute ihre Tage damit hinbringen, Metall zu produzieren, und nicht, langwierige Dispute zu führen und vielleicht Kabalen auszuhecken. Daher hat er diesen Ort mit Bedacht ausgewählt, um unsere Beratungen abzukürzen. Ich sage, wir sollten hierbleiben und von der Weisheit des Königs profitieren. Denn der Handel mit Zinn und Kupfer macht schwere Zeiten durch, die Minen stehen unter Wasser, und abgesehen von dem, was wir selbst auf die Beine stellen, haben wir keine richtigen Geschäfte zu machen. Ich gedenke jetzt etwas auf die Beine zu stellen, und zwar ohne große Umschweife.
"Die Druiden haben schrecklich gern Steine aufrecht gestellt", bemerkte der Earl. "Zu welchem Zweck, ist mir schleierhaft."
"Indem Ihr die Frage stellt, habt Ihr sie schon beantwortet."
"Wie beliebt?"
"Da sie nun einmal an diesem gottverlassenen Ort wohnten, taten sie es, damit zweitausend Jahre nach ihrem Tod jeder, der auf diese Steine stieße, wüsste, dass sie hier gewesen sind. Der Herzog von Marlborough hat mit der Errichtung von Blenheim Palace, jenem berühmten Gebäude, nichts anderes getan."
Der Earl of Lostwithiel hielt es für klug, diese Bemerkung un- kommentiert zu lassen. Er drehte sich um und trat einen Pfad durch steifes, welkes Gras bis hin zu einer seltsamen Erhebung aus flechtenbedecktem Stein. Daniel, der ihm folgte, begriff, dass es sich um eine Ecke eines zur Ruine zerfallenen Gebäudes handelte. Der Boden gab unter ihren Füßen nach. Er lag als dünne Schicht über einem heillosen Durcheinander aus herabgestürzten Balken und zerfallenden Torfsoden. Immerhin bot ihnen der Winkel Schutz vor dem Wind.
"Ich spreche nun in meiner Eigenschaft als Oberster Aufseher der Zinngruben und heiße Euch, Daniel Waterhouse, im Namen des Gutsherrn in Dartmoor willkommen."
Daniel seufzte. "Wenn ich die letzten zwanzig Jahre in London gewesen wäre, mich in den Arkana der Heraldik auf dem Laufenden gehalten und regelmäßig mit einem der Wappenherolde Tee getrunken hätte, wüsste ich jetzt, wer zum Teufel das ist. Doch wie die Dinge liegen.
"Dartmoor wurde 1338 dem Herzogtum Cornwall zugeschlagen und ging demzufolge in den Besitz des Prinzen von Wales über - ein Titel, den König Edward I. im Jahre -"
"Ihr heißt mich also auf etwas umständliche Weise im Namen des Prinzen von Wales willkommen", sagte Daniel abrupt, in dem Bemühen, dem Earl in den Arm zu fallen, ehe sich dieser noch tiefer im Labyrinth der feudalen Hierarchie verlor.
"Und der Prinzessin. Die, wenn das Haus Hannover den Thron erbt -"
"Prinzessin Caroline von Ansbach sein wird. Ja. Ihr Name fällt ständig. Hat sie Euch beauftragt, mich auf den Straßen von Plymouth aufzuspüren?"
Der Earl zog eine leicht gekränkte Miene. "Ich bin der Sohn Eures alten Freundes. Ich bin Euch zufällig begegnet. Meine Überraschung war echt. Das Willkommen, das meine Frau und meine Kinder Euch bereitet haben, war ungekünstelt. Wenn Ihr es bezweifelt, dann kommt nächste Weihnachten in unser Haus."
"Warum gebt Ihr Euch dann solche Mühe, die Prinzessin zur Sprache zu bringen?"
"Nur weil ich mich freimütig äußern will. Wo Ihr als Nächstes hingeht, ist alles Intrige. Wer sich zu lange in London aufhält, den befällt eine Krankheit des Geistes, die dazu führt, dass ansonsten vernünftige Menschen Ereignissen, die rein zufällig sind, forcierte und absurde Bedeutungen beilegen."
"Ich habe diese Krankheit in voller Blüte beobachtet", räumte Daniel ein und dachte dabei speziell an einen Mann.
"Ich möchte nicht, dass Ihr heute in sechs Monaten, wenn Euch das alles bewusst wird, denkt: >Aha, der Earl of Lostwithiel war nichts weiter als ein Handlanger von Caroline - wer weiß, was er mir sonst noch an Lügen aufgetischt haben mag!cornercoignquoin< ableitet Daniel nickte. "So heißt der Keil, den Kanoniere an Bord eines Schiffes zum Richten eines Geschützes verwenden."
"Für diesen Vorgang bürgerte sich das Wort quoinage ein. Und daher unser merkwürdiges englisches Wort >coin< für Münze, das keinerlei Beziehung zu irgendwelchen französischen, lateinischen oder deutschen Wörtern hat. Unsere Freunde auf dem Kontinent sagen, grob übersetzt, >ein Stück Geldcoin< niederschlage. Aber ich versichere Euch, dass Franzosen und Deutsche wissen, was Geld ist. Und etwas anderes zu glauben heißt, sich sein vernünftiges Urteil von Toryismus trüben zu lassen."
"Wenn Ihr es so formuliert, klingt es in der Tat ein wenig albern", sagte der Earl durchaus heiter. Dann überlegte er: "Vielleicht habe ich es deshalb für nötig gehalten, diese Reise mit einem Schmied auf der einen und einem siebenundsechzig Jahre alten Doktor auf der anderen Seite zu unternehmen - um dem Vorhaben eine gewisse Seriosität zu verleihen."
Mittels Gesten, die so subtil und geschmackvoll waren, dass man sie schon fast subliminal nennen konnte, gab der Earl ihnen zu verstehen, dass es Zeit zur Weiterfahrt sei. Sie kehrten zur Kutsche zurück, obschon der Earl noch einige Augenblicke auf dem Trittbrett verhielt, um höfliche Worte mit einer kleinen Schar Herrenreiter zu wechseln, die gerade aus der Schlucht heraufgekommen waren und das auf den Schlag der Kutsche gemalte Wappen erkannt hatten.
Eine Viertelstunde lang rollten sie schweigend dahin, während der Earl durch ein offenes Fenster hinausschaute. Der weit entfernte Horizont präsentierte sich glatt und in sanften Abwandlungen, wurde jedoch gelegentlich von sonderbaren, schroffen Formen unterbrochen: vorstehenden Felsen, die Tors genannt wurden und mal wie Schoner oder Alchimistenöfen, mal wie Festungswälle oder die Kieferknochen toter Ungeheuer anmuteten.
"Ihr hattet völlig recht damit, meinen Ausführungen einen Riegel vorzuschieben, Dr.Waterhouse. Ich war oberflächlich", sagte der junge Earl. "Aber die Landschaft von Dartmoor hat nichts Oberflächliches, oder seid Ihr da anderer Meinung?"
"Eindeutig nicht."
"Dann soll die Landschaft in beredten Worten sagen, was ich nicht sagen konnte."
"Was sagt sie denn?"
Anstelle einer Antwort griff Will in eine Brusttasche und zog ein beschriebenes Blatt Papier hervor. Er hielt es ans Fenster und las davon ab. "Die alten Grabhügel, heidnischen Hünengräber, Pendragon-Schlachtfelder, Druidenaltäre, römischen Wachtürme und die Furchen, welche die Alten auf ihrem Weg über das Land von Westen nach Osten in die Erde gezogen und so auf der Suche nach Zinn den Weg der großen Flut nachgezeichnet haben; das alles spottet stumm Londons. Es heißt, noch bevor es Whigs und Torys gab, noch vor Rundköpfen und Kavalieren, Katholiken und Protestanten - ja, noch vor Normannen, Angeln und Sachsen, lange bevor Julius Caesar auf diese Insel kam, habe es diesen Austausch gegeben, ein tiefes, unterirdisches Fließen, ein chthonisches Pulsieren von Metall durch urzeitliche Adern, die noch vor Adam wie Wurzeln in der Erde wuchsen. Wir sind nur Flöhe, die ihre kleinlichen Begierden an dem stillen, was durch die schmalsten und oberflächlichsten Kapillaren fließt." Er blickte auf.
"Wer hat das geschrieben?", fragte Daniel.
"Ich", sagte Will Comstock.
SPÄTER AN DIESEM TAG So viele Felsblöcke ragten durch die mottenzerfressene Erddecke, die über dieses Land gebreitet war, dass sie anhalten und aus der Kutsche aussteigen mussten, die mehr Umstände bereitete, als der Mühe wert war. Sie mussten entweder zu Fuß gehen oder auf vermeintlich zahmen Dartmoor-Ponys reiten. Newcomen ging zu Fuß. Daniel entschied sich zu reiten. Er war bereit, es sich anders zu überlegen, falls sich das Pony als so unleidlich herausstellte, wie es aussah. Das Geläuf war eine ungemein tückische Verbindung aus Felsblöcken und Grasbüscheln, die so weich waren wie Daunenkissen. Die Aufmerksamkeit des Ponys war so stark davon in Anspruch genommen, von Augenblick zu Augenblick zu entscheiden, wo es seine vier Hufe hinsetzen sollte, dass es den alten Mann auf seinem Rücken zu vergessen schien. Der Pfad verlief nordwärts, parallel zu einem kleinen, unterhalb davon zu ihrer Linken dahinströmenden Wasserlauf. Er war nur etwa ein Drittel der Zeit zu sehen, jedoch hilfreicherweise von einer Spur dampfender Pferdeäpfel markiert, die von den Reittieren der ihnen Vorausgegangenen stammten.
Die Steinmauern, die sich über dieses Land rankten, waren so alt, dass sie Löcher aufwiesen, wo Steine herausgefallen waren, und ihre Kronen waren alles andere als gerade und eben, sondern beschrieben ein wildes Auf und Ab. Daniel hätte sich eingebildet, er durchquerte ein verlassenes Land, wenn die kleinen Schafkotkügelchen nicht gewesen wären, die unter Newcomens Schritten davonrollten oder von seinen Stiefelsohlen zerquetscht wurden. Auf manchen Hügelkuppen wuchsen schmucke Wälder, die so schön und dicht und weich aussahen wie die Felle arktischer Säugetiere. Wenn der Wind sie durchbrauste, drang ein Geräusch wie von Eiswasser, das über scharfkantige Steine sprudelt, aus ihnen hervor. Doch größtenteils war das Land mit Heide bedeckt, die zum Winter hin die Farbe von Grind angenommen hatte. Dort war der Wind still, mit Ausnahme des heiseren Brüllens, das er von sich gab, wenn er wie ein betrunkener Einbrecher in den Vorhöfen von Daniels Ohren herumpolterte.
In einer schütteren Linie von Tors, die sich nordwärts über den Horizont erstreckte, war Crockern der kleinste, bescheidenste und von der Landstraße aus am einfachsten zu erreichende - vermutlich war man deshalb auf ihn verfallen. Er sah weniger wie ein Tor, sondern vielmehr wie der Stumpf und die Gesteinsbröckchen aus, die zurückgeblieben waren, nachdem man einen richtigen Tor umgelegt und fortgeschleppt hatte. Sie kamen im oberen Teil des Moors heraus und erblickten ihn über sich. Die in seinem Windschatten zusammengedrängten Männer und Pferde ermöglichten es ihnen, Größe und Entfernung abzuschätzen: weiter weg und weiter bergauf, als sie gehofft hatten - wie bei schwer zu erreichenden Zielen üblich. Man hatte den Eindruck, trotz stundenlanger Schinderei kaum vorwärtsgekommen zu sein, doch als Daniel sich umdrehte und auf den Weg zurückblickte, den sie hinter sich gebracht hatten, waren dessen viele langgezogene Mäander, die er vordem kaum bemerkt hatte, allesamt derart komprimiert, dass sie wie die Finger zweier ineinander verschränkter Hände wirkten.
Die Tors waren Felsnasen horizontal gelagerter Gesteinsschichten, wie sie sich nach Leibnizens Ansicht in Flussbetten bildeten. Der Wind hatte weiche Schichten weggenagt, sodass abgeflachte, zu wackeligen Stapeln aufeinandergeschichtete Gebilde entstanden waren, die sich aneinanderlehnten, um sich gegenseitig abzustützen - wie Stapel alter, abgegriffener Bücher in einer Bibliothek, aufgetürmt von einem Gelehrten, der etwas zu finden versucht. Überreste von umgestürzten Formationen waren ein ganzes Stück weit hügelabwärts verstreut und in bizarrem Winkel halb in die Erde eingesunken, wie mehrbändige, angewidert zu Boden geschleuderte Abhandlungen. Der Wind wurde nur noch stärker, während sie aufstiegen; kleine braune Vögel schlugen so kräftig sie konnten mit den Flügeln und fielen dennoch hinter diese unsichtbare Luftströmung zurück, sodass sie sich langsam rückwärts an Daniel vorbeibewegten.
Dieser schätzte, dass etwa zweihundertfünfzig Herren dem Aufruf des Earls Folge geleistet und sich im Windschatten des Tor versammelt hatten. Doch an diesem Ort kamen einem so viele Männer wie zehntausend vor. Nur wenige hatten sich die Mühe gemacht abzusitzen. Denn was für Menschen auch immer ihre Vorfahren gewesen sein mochten, sie waren wahrhaft moderne Herren und hier ebenso fehl am Platze wie Daniel. Der Einzige, der sich offenbar wie zu Hause fühlte, war Thomas Newcomen, der Schmied, der wie ein Splitter des alten Tor wirkte, wie er so danebenstand, die breiten Schultern ein Schirm gegen den Wind, die schorfigen Hände in die Taschen gestopft. Daniel sah ihn nun als das, was er war: ein Zwerg aus irgendeiner sächsischen Ring-Sage.
Zwischen Steinen und Wind hätten diesen Tor von Rechts wegen eigentlich die Elemente Erde und Luft beherrschen müssen, hätte er, Daniel, gefunden, wenn er dazu neigen würde, wie ein Alchimist zu denken; ihm erschien es freilich eher wie ein wässriger Ort. Der Wind sog ihm mit der Geschwindigkeit einer Schneeschmelze Wärme aus dem Körper. Die Luft hatte (verglichen mit den Miasmen der Großstadt) eine Klarheit und Sauberkeit und die Landschaft etwas Reingewaschenes, Lapidares, das ein Gefühl in ihm hervorrief, als stünde er in dem Augenblick, da im Frühjahr das Eis birst, auf dem Grunde eines klaren Flusses in New England. So war es denn Wasser; doch die Anwesenheit von Thomas Newcomen sprach auch von Feuer, denn ein Zwerg war nie sehr weit von seiner Esse entfernt.
"Missversteht mich nicht, ich wäre den Eigentümern der Maschine zur Hebung von Wasser mittels Feuer gern zu Diensten", hatte Daniel am zwölften Tag der Weihnachtszeit insistiert, nachdem Newcomen den Kessel angeheizt und die von ihm gebaute Maschine, saugend und zischend wie ein Drache, begonnen hatte, Wasser aus Lostwithiels Mühlenteich in eine Zisterne auf dem Dach seines Hauses zu pumpen. "Aber ich habe kein Geld."
"Betrachtet den Sperrhahn, mittels dessen Mr. Newcomen die Maschine zum Leben erweckt", hatte der Earl gesagt und auf ein handgeschmiedetes Ventilrad gedeutet, das auf ein Rohr montiert war. "Erzeugt dieser Sperrhahn Dampf?"
"Natürlich nicht. Der Dampf wird im Kessel erzeugt."
"Der Handel dieses Landes ist ein Kessel, der sämtlichen Dampf- will sagen, sämtliches Kapital - erzeugt, das wir brauchen. Was uns fehlt, ist ein Ventil", hatte der Earl gesagt, "das heißt ein Mittel, einiges von diesem Kapital in eine Maschine zu leiten, wo es etwas Nützliches bewirkt."
Das Durcheinander abgeworfener Brocken bot natürliche Bänke, Podien, Kanzeln und Balkone, die den Zinnleuten ebenso gute Dienste leisteten wie die gleichen Einrichtungen in einem regelrechten Versammlungssaal. Dort wurde, wie schon seit einem halben Jahrtausend, durch Verlesung bestimmter Dekrete König Edwards I. der Rat der Zinngräber einberufen. Sogleich trat der Dienstälteste dieses Zinnparlaments vor und stellte den Antrag, dass man sich unverzüglich in ein bestimmtes nahegelegenes Wirtshaus, das Saracen's Head, verfügen solle, wo (folgerte Daniel) Erfrischungen zu haben waren. Der Antrag wurde ohne den leisesten Argwohn gestellt, er könnte zurückgewiesen werden. Es war wie der Moment bei einer Trauung, in dem der Priester die Gemeinde auffordert, allfällige Einwände gegen die Eheschließung vorzubringen. Doch der Earl of Lostwithiel erstaunte alle, indem er widersprach.
Er hatte auf einer moosbedeckten Steinbank gesessen. Nun stieg er darauf und hielt die folgende Rede:
"Seine Majestät, König Edward I., hat verfügt, dass diese Ratsversammlung an diesem Ort zusammentritt, und seither hat man immer wieder gemutmaßt, er habe schlicht und einfach den königlichen Finger auf eine Landkarte gehalten und auf einen Ort gedeutet, der von den vier um das Moor herum liegenden Zinnstädten gleich weit entfernt war, ohne im mindesten zu ahnen, dass er sich damit für einen der entlegensten und grässlichsten Orte Britanniens entschied. Und so ist es Sitte, sich zu den Annehmlichkeiten von Tavistock zu verfügen, ausgehend von der Annahme, der damalige König könne niemals beabsichtigt haben, dass seine Herren ihre Beratungen an einem solchen Ort abhalten. Doch ich traue König Edward I. mehr zu. Ich möchte behaupten, er hat einen Argwohn gegen Ratsversammlungen und Parlamente gehegt und gewollt, dass seine Zinnleute ihre Tage damit hinbringen, Metall zu produzieren, und nicht, langwierige Dispute zu führen und vielleicht Kabalen auszuhecken. Daher hat er diesen Ort mit Bedacht ausgewählt, um unsere Beratungen abzukürzen. Ich sage, wir sollten hierbleiben und von der Weisheit des Königs profitieren. Denn der Handel mit Zinn und Kupfer macht schwere Zeiten durch, die Minen stehen unter Wasser, und abgesehen von dem, was wir selbst auf die Beine stellen, haben wir keine richtigen Geschäfte zu machen. Ich gedenke jetzt etwas auf die Beine zu stellen, und zwar ohne große Umschweife.
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Autoren-Porträt von Neal Stephenson
Neal Stephenson, geb. 1959 in Fort Meade, Maryland erhielt bei der Ars Electronica 2000 für sein bisheriges Gesamtwerk die Goldene Nica. Seit seinem frühen Roman 'Snow Crash' gilt er als eines der größten Genies der amerikanischen Gegenwartsliteratur.
Bibliographische Angaben
- Autor: Neal Stephenson
- 2010, 1119 Seiten, Maße: 13,6 x 20,9 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Gräbener-Müller, Juliane; Stingl, Nikolaus
- Übersetzer: Nikolaus Stingl, Juliane Gräbener-Müller
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442542847
- ISBN-13: 9783442542840
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