Projekt: Atlantis
Roman
Ein uralter Mayacodex und ein verloren geglaubtes Schriftstück von Platon veranlassen die Forscher Peter Lavell und Patrick Nevreux zu einer abenteuerlichen Expedition: In mehr als 3.000 Metern Tiefe suchen sie nach Atlantis. Schon bald heften sich zwielichtige Gestalten an ihre Fersen.
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Produktinformationen zu „Projekt: Atlantis “
Ein uralter Mayacodex und ein verloren geglaubtes Schriftstück von Platon veranlassen die Forscher Peter Lavell und Patrick Nevreux zu einer abenteuerlichen Expedition: In mehr als 3.000 Metern Tiefe suchen sie nach Atlantis. Schon bald heften sich zwielichtige Gestalten an ihre Fersen.
Klappentext zu „Projekt: Atlantis “
Knisternde Spannung, packende Action und geheimnisvolle Mystik in der Tiefsee<br /><br />Ein uralter Mayacodex und ein verloren geglaubtes Schriftstück von Platon veranlassen das ungleiche Forscherteam Peter Lavell und Patrick Nevreux zu einer abenteuerlichen Expedition. Nordöstlich der Bahamas suchen sie in mehr als 3 000 Metern Tiefe nach Atlantis. Bald schon heften sich zwielichtige Gestalten an ihre Fersen. Dennoch wagen sie eine gefährliche Tauchfahrt in ein riesiges Höhlensystem, das endlich alle Fragen um die rätselhaften Archive des Wissens beantworten könnte ...<br /><br />
Lese-Probe zu „Projekt: Atlantis “
Atlantis von Andreas WilhelmAls er das Wissen um die Schreibkunst übergab, sagte Thot: »Diese Lehre, o König, wird die Ägypter weiser und gedächtnisreicher machen; denn als Hilfsmittel für Gedächtnis und Weisheit ist sie erfunden worden.«
Aber Thamus erwiderte: »O du Meister der Kunstfertigkeit, Thot: Der eine ist in der Lage, Künste hervorzubringen, der andere ist in der Lage zu beurteilen, in welchem Verhältnis sich Schaden und Nutzen für die Leute darstellen, die sie brauchen sollen. Auch du hast jetzt, als Vater der Schrift, aus Voreingenommenheit das Gegenteil von dem behauptet, was sie eigentlich vermag. Denn diese Kunst wird Vergessenheit schaffen in den Seelen derer, die sie erlernen, aus Achtlosigkeit gegen das Gedächtnis, da die Leute sich im Vertrauen auf das Schriftstück von außen erinnern lassen durch fremde Zeichen , nicht von innen heraus durch Erinnerung. Also hast du nicht ein Mittel zur Kräftigung, sondern zur Stützung des Gedächtnisses erfunden. Und auch Weisheit scheinst du den Lehrlingen nur zu geben, in Wahrheit aber nicht: Wenn sie vieles ohne Belehrung gehört haben, werden sie sich auch einbilden, viel zu verstehen. Aber da sie doch größtenteils nichts verstehen und nur schwer zu ertragen sind im Umgang, werden sie zu Dünkelweisen geworden sein und nicht zu Weisen.«
Sokrates, ca. 469399 v. Chr. Nach Platon, »Phaidros«
Kapitel 1
Atlantik, etwa achtzig Seemeilen nördlich von Great Abaco Island, Bahamas
Donnernd schlug die erste Welle über das Deck der Juanita. Die empfindlichen elektronischen Geräte an Bord taten schon länger keinen Dienst mehr, und der Sturm um das Schiff herum wurde immer stärker. Die Scheinwerfer erhellten kaum mehr als das Vorderdeck und die aufgepeitschten Schaumkronen unmittelbar vor ihnen.
Die
... mehr
Luft war erfüllt von Gischt und dem Regen, der über das Schiff hinwegfegte und den die Lichter in silberne Streifen verwandelten. Als ehemaliger Trawler war die Juanita für den Hochseeeinsatz ausgelegt und hatte in der Vergangenheit schon schwerere Stürme unbeschadet überstanden. Nuño González wusste das, und seine Mannschaft musste sich dessen ebenfalls bewusst sein. Aber etwas war anders an diesem Unwetter.
Eine abergläubische Unruhe hatte sich unter seinen Leuten breitgemacht, und González durfte nicht zulassen, dass sie überhandnahm. Gerade jetzt mussten sie mit höchster Präzision arbeiten, menschliches Versagen konnte er nicht tolerieren. Das Meer würde es auch nicht.
»¡Maldición, Raúl!«, herrschte er seinen Bootsmann an, der über eine Karte gebeugt war. Er riss die Karte vom Tisch und fegte mit derselben Bewegung eine Kaffeetasse durch die kleine Brücke. »Kümmere dich um die Ausrüstung! Wir haben noch hunderttausend Dollar im Wasser. Und es ist nicht dein Geld. Also an die Arbeit!«
González fluchte weiter, als Raúl den Raum bereits verlassen hatte. Dann sah er durch die Fenster auf die See und beobachtete, wie sich eine weitere Welle von der Steuerbordseite her über das Deck brach. Er drehte bei, damit das Einholen der Ausrüstung vereinfacht wurde. Seit drei Tagen kreuzten sie in diesem Gebiet und sondierten den Meeresboden. González hatte zwei Jahre damit verbracht, die letzte Fahrt der Maria Celeste von Puerto Bello über Havanna bis hierher zu rekonstruieren, wo sie im März 1612 mit ihrer Ladung von über zweihundert Tonnen Silber gesunken war. In den letzten sechs Monaten hatte er diese Suche vorbereitet und sein übrig gebliebenes Vermögen in das Schiff und die Geräte investiert.
Die Mannschaft hatte er in Havanna angeheuert, eine Truppe wetterfester Männer, die ihn mit ihren technischen und handwerklichen Fähigkeiten überzeugt hatten. Es waren keine gebildeten Leute, sondern Seeleute und Arbeiter. Wer sich bei der Schatzsuche zu viele Gedanken über das Wenn und Aber machte und nicht richtig zupacken konnte, war hier fehl am Platz. González war nicht so dumm zu glauben, dass er sich deswegen nicht trotzdem um alles selbst kümmern musste. Niemand an Bord hatte so viel Erfahrung wie er, und niemand opferte hier sein Herzblut, so wie er. Eine plötzliche Woge ließ das Schiff aufbocken, und er stolperte nach vorn.
Es war noch keine Hurrikansaison, und die letzten Daten, die sie von der Wetterstation in Nassau erhalten hatten, deuteten auch nicht darauf hin, dass sich etwas zusammenbraute. Dennoch waren Wetterphänomene in diesem Gebiet keine Seltenheit, und González hatte das einkalkuliert. Er verließ die Brücke und trat an Deck. Regen peitschte ihm ins Gesicht, und für einen Moment nahm ihm der Sturm den Atem. Er war zwar kräftig gebaut, aber er machte sich keine Illusionen darüber, dass ein ordentlicher Sturm auch ihn von den Beinen reißen konnte. Also hielt er sich an der Reling fest, während er leicht gebückt zum Heck des Trawlers ging, um nach dem Rechten zu sehen. Er traf auf Raúl und weitere drei Männer, die an einer Winde des Bockkrans hantierten. Hiermit hatte man früher die Schleppnetze eingeholt, aber nun war das Schiff für ihre Anforderungen umgerüstet worden, und sie nutzten den Kran für ihre Unterwasserausrüstung.
Die Männer waren hektisch und bemerkten ihn erst, als er zwischen sie trat. Und nun sah er auch, was los war. Ein weiterer Arbeiter klemmte mit der Hand in der Winde und schrie gegen den Wind an. Das Regenwasser, das unablässig von der Armatur herablief, war dunkelrot gefärbt. Die anderen bemühten sich, seine Finger aus der Anlage zu befreien, während Raúl auf der elektronischen Steuereinheit der Winde herumdrückte. González stieß ihn beiseite, sodass der Bootsmann rückwärts auf das Deck schlug. Dann ergriff er das Steuermodul. Nichts leuchtete, die Knöpfe reagierten nicht. Kein Strom! Der eingeklemmte Mann brüllte verzweifelt und trat um sich. González ergriff sein Handgelenk und sah, dass drei Finger seiner Hand zwischen den Zahnrädern eingeklemmt waren. Die Knochen mussten bereits zu Brei zermalmt worden sein, anders hätten die Finger niemals hineingepasst. Sie wurden nur noch durch das Fleisch zusammengehalten.
»O Gott!«, schrie der Arbeiter. »Meine Hand!«
González umfasste den Oberkörper des Mannes, als eine neuerliche Welle über das Schiff brach und sie mit Meerwasser überschüttete.
»Raúl!«, schrie er. »Sie dreht sich! Bring das Schiff wieder quer zu den Wellen!«
Der Bootsmann hastete zur Brücke zurück, während González erneut festen Stand suchte. Mit einem kräftigen Ruck zog er den Arbeiter nach hinten und riss die Überreste seiner Hand aus den Zahnrädern. Mit einem Aufschrei stolperte der Mann zur Seite, krümmte sich und ging in die Knie. »Aufstehen, sofort!«, herrschte González ihn an, beugte sich über ihn und hievte ihn hoch.
»Los, steht nicht rum, ihr hirnlosen Affen!«, schrie er die anderen Männer an. »Muss ich alles alleine machen?! Bringt ihn unter Deck und verbindet ihn! Pedro, du bleibst hier.«
Zwei der Männer ergriffen den Verletzten und stützten sich gegenseitig auf dem Weg zurück, während González sich an der Winde zu schaffen machte.
»Halte die Kabel, los!«, rief er dem Arbeiter zu und legte einen Hebel um, mit dem er von Elektronik- auf Handbetrieb umstellte. Pedro griff nach den Kabeln, die vom Kran aus in das aufgewühlte Wasser führten. Ein Ruck fuhr durch seine Hände, als sich die Zahnräder lösten und die Wellen an den schweren Geräten am anderen Ende der Kabel rissen.
Er fasste nach und stemmte sich gegen eine Stahlschiene am Boden. Dann rastete endlich das Handrad ein, und González begann, die Maschinen hereinzukurbeln. Die Juanita lag nun nicht mehr parallel zum Seegang und wurde nicht mehr seitlich von den Wellen überspült, aber nun stampfte sie wie der stählerne Kolben einer gewaltigen, von Meereskraft angetriebenen Maschine. Über die Slip, die niedergelassene Rampe am Heck des Schiffs, brachen immer wieder Wassermassen über das Deck, die beim Abfließen einen gefährlichen Sog verursachten.
Das Unwetter nahm zu, Gischt und Regen waren nicht mehr zu unterscheiden. González gelang es nicht, sein Gesicht vor dem Sturm zu schützen, der von allen Seiten an ihm zerrte. Das Atmen fiel ihm schwer, längst war er vollständig durchnässt. Er presste die Augen zu Schlitzen zusammen und kurbelte unerbittlich weiter. Endlich zeigte sich das weiß und gelb lackierte Sonar am Ende der Kabel. González drehte die Kurbel mit beiden Händen weiter. Nur langsam kam das Gerät näher und bewegte sich auf die Slip zu.
Die stählerne Rampe war für die Aufnahme des empfindlichen Geräts mit einer Gummiisolierung versehen worden, aber die Wellen drohten das Sonar gegen das Schiff zu schleudern, wenn es nicht im richtigen Augenblick mit einem einzigen Schwung eingeholt und gesichert wurde.
»Schnapp das Sonar!«, rief er Pedro zu. »Und pass auf!«
Der Arbeiter ging einen Schritt auf die Slip zu, als die Juanita erneut aufbockte. Als sie sich hob, schien Pedro einen Moment lang den Boden unter den Füßen zu verlieren, dann schlug das Schiff zurück auf das Wasser, und augenblicklich schossen Hunderte Liter Ozean über die Rampe zwischen seinen Beinen hindurch und fegten sie ihm unter dem Leib weg.
»Pedro!«, rief González. Der Arbeiter schlug nach allen Seiten um sich, suchte verzweifelt nach Halt, als das Wasser über die Slip zurückfloss und ihn mit sich riss. González rastete die Winde ein und stürzte auf den Mann zu, doch er erreichte ihn nicht mehr.
Mit einem kaum hörbaren Schrei versank Pedro in den tobenden Wellen. Einen unwirklichen Moment lang zerriss der Wind die Schaumkronen, als sei nichts geschehen. Dann tauchten Pedros Kopf und Teile seines Oberkörpers auf. Er hatte irgendwie die noch im Wasser hängenden Kabel zu fassen bekommen und hielt sich nun an der Apparatur fest.
Er bemühte sich, Luft zu holen, doch immer neue Wellen schlugen über ihm zusammen. González fluchte, eilte zum Bockkran zurück und kurbelte weiter in der Hoffnung, dass er den Mann auf diese Weise gemeinsam mit dem Sonar an Bord ziehen könnte. Doch das Gewicht hatte sich vervielfacht, und trotz seiner Kraft brachte er das Kabel nur mit quälender Langsamkeit ein. Nur für eine Sekunde senkte er seinen Blick, um sich mit den Armen auf das Rad zu stemmen. Als er wieder aufsah, weiteten sich seine Augen vor Schreck.
Hinter der Slip türmte sich eine Welle auf, die die Juanita mannshoch überragte. Geistesgegenwärtig umfasste González den Kran mit beiden Armen und krallte sich mit aller Macht fest, als die Wassermassen auch schon über das Heck brandeten. Sie krachten über das Deck, gegen den Kran und schlugen ihm mit solcher Wucht gegen seinen Körper, dass ihm die Beine zur Seite gerissen wurden. Er rutschte nach unten. Nur mit seinen Armen am Kran hängend war er dem Sog ausgeliefert. Sein Unterköper baumelte und schlingerte über das Deck, seine Beine schlugen hilflos gegen Metallträger. Ein losgerissenes Brett schoss nur eine Handbreit an seinem Kopf vorbei und stieß gegen seine Rippen.
González krümmte sich vor Schmerz, aber er ließ nicht los. Er behielt Mund und Augen geschlossen und hoffte auf ein Ende. Dann endlich war das Wasser angelaufen. Aber das Schiff bäumte sich weiter auf. Mühsam zog er sich wieder am Kran hoch, hielt ihn weiter mit beiden Armen umfasst und sah zum Heck. Die Kabel peitschten durch den Wind, alles, was an ihnen gehangen hatte, war abgerissen. Er brüllte vor Wut, doch der Wind verschluckte seinen Schrei. Dann begann etwas zu leuchten.
Ein Schiff näherte sich! Er blickte gegen den stürmenden Regen hinaus auf den aufgewühlten Ozean. Aber das Licht kam von keinem Schiff. Es war das Meer selbst, das zu leuchten begann.
Büro der FOX International Channels, Los Angeles
»Noch heute strömen täglich Hunderte von Besuchern in die Kirche von Santa Maria delle Grazie und bestaunen das Gemälde im Speisesaal. Nur wenige von Ihnen ahnen, welche Geheimnisse hier verborgen liegen. Welches davon aber tatsächlich die Intention des Künstlers war, werden wir wohl niemals erfahren. Mein Name ist Kathleen Denver. Begleiten Sie mich auch das nächste Mal durch die Geheimnisse unserer Vergangenheit und eine neue Folge von Dare to Know.«
Rob schaltete die Aufnahme aus und wandte sich wieder Kathleen zu.
»Kannst du mir sagen, was das sollte?« Kathleen lehnte sich zurück und verzog den Mund. Sie hatte Robs herablassende Art noch nie leiden können. Sie kannten sich schon seit fünf Jahren, und da sie beide Profis waren, kamen sie zurecht, auch wenn die Stimmung nicht immer die beste war. Er hatte sie damals zu FOX geholt, weil ihn ihre journalistischen Fähigkeiten ebenso überzeugt hatten wie ihr Auftreten vor der Kamera.
Seit er jedoch ins Management aufgestiegen war, hielt er sich immer häufiger für den Programmchef höchstpersönlich, obwohl sie hier vom Tagesgeschehen weit entfernt waren. Rob war nur für einen kleinen Teil der Formate verantwortlich, die sie für den History Channel von FOX einkauften. Allerdings gehörte Kathleens Sendung »Wage zu wissen« dazu, und aus diesem Grund hatte er sie zu einem Termin hergebeten.
»Ich weiß nicht, was du meinst«, gab sie zurück. »Der Spruch am Ende: > ...werden wir wohl niemals erfahren< ... Wie oft haben wir schon darüber gesprochen? Die Sendung soll keine Rätsel verkaufen, wir wollen unsere Zuschauer informieren! Information ist die Beseitigung jeder Unsicherheit beim Zuschauer. Informieren heißt nicht: sie verwirren. Hier soll es um Fakten gehen, um Wissen. Die Sendung heißt >Wage zu wissen< und nicht >Wage zu raten<. Das ist nicht >PSI Factor<, okay?«
»Himmel, Rob, nun bleib auf dem Boden! Du weißt genauso gut wie ich, dass wir auch nicht einfach Behauptungen aufstellen können! Wer erzählt mir denn immer, der History Channel hätte einen Ruf zu verlieren?«
»Um den Ruf geht es, meine Liebe.« Rob tippte eine Abfrage in seinen Computer und drehte im Anschluss den Flachbildschirm, sodass sie von beiden Seiten des Schreibtischs daraufsehen konnten. »Mit einer Geschichte über das Abendmahl von Leonardo da Vinci können wir heute keine Maus mehr hinter dem Ofen hervorholen. Das hätte vor drei oder vier Jahren laufen müssen. Oder hier: Die Blutlinie von Jesus Christus, noch so ein Staubfänger. Und was haben wir sonst noch: Das Grabtuch von Turin, Freimaurer in Washington, Opus Dei ... Was gibt's sonst noch Neues? Ach ja, die Wikinger haben Amerika entdeckt, und die Geschichte der Sintflut stammt vom Gilgomasch-Epos ab ...«
»Gilgamesch«, warf Kathleen halbherzig ein. »Dann eben Gilgamesch, ist doch auch völlig egal. Die Sache ist die: Warum interessiert mich kein einziges dieser Themen? Na, eine Idee?«
Kathleen verdrehte die Augen. Sie hasste es, wenn er sich so aufführte.
»Ich werde es dir sagen«, fuhr Rob fort. »Es interessiert nicht, weil es schon tausendmal gelaufen ist, deswegen! Und das geht nicht nur mir so!«
Wieder tippte er etwas ein, und die Anzeige auf dem Bildschirm zeigte ein mehrfarbiges Säulendiagramm.
»Deine Quote ist schon wieder um zwei Prozent gesunken, du bist im freien Fall. Und dafür bist du mir ehrlich gesagt zu teuer.«
Na klar, daher weht der Wind, dachte sie und nickte innerlich. Dabei war er es gewesen, mit dem sie Anfang des letzten Jahres die Themenplanung durchgesprochen hatte. Aber natürlich war es völlig sinnlos, darüber mit ihm zu diskutieren. Die Mühe, recht zu behalten, würde nirgendwohin führen. Letzten Endes bezahlte er ihre Arbeit, und dass die Quote sank, daran war auch nicht zu rütteln. Im Grunde war es ihr egal, da sie nur an der Ausstrahlung und nicht an den Einschaltquoten verdiente, aber Rob wollte den Preis für die nächsten Projekte drücken. Sie hatte das erwartet und war vorbereitet.
»Ich werde dir auch keine neuen Folgen mehr anbieten«, antwortete sie. Rob horchte auf.
»Wie meinst du das? Willst du aufhören?«
»Du hast doch noch zwei«, sagte sie. »Dann kommt die Sommerpause, und bis dahin ...«
Sie ließ den Satz unbeendet. »Ja ...?«
»Bis dahin habe ich etwas anderes.«
»Etwas anderes? Willst du an einen anderen Sender verkaufen?« Sie lächelte.
Es gefiel ihr, ihn nervös zu machen. Rob zeigte es nicht deutlich, aber sie kannte ihn gut genug. Er konnte nicht auf sie verzichten, jedenfalls nicht so schnell und nicht in ihrem Preissegment. Doch sie hatte auch gar nicht vor, ihn hängen zu lassen. Er war ein verlässlicher Abnehmer.
»Nein, das nicht«, sagte sie schließlich, »aber ich arbeite an einem neuen Konzept. Bis zum Sommer habe ich die ersten Folgen fertig.«
»Ein neues Konzept, aha. Fragt sich, wer dir das abnehmen soll.«
»Du, wer sonst?« Kathleen lächelte ihn an und wusste, welchen Effekt das auf ihn hatte. Vor zwei Jahren waren sie sich auf einer Weihnachtsfeier nähergekommen, und Rob, der fast zehn Jahre jünger war als sie, hatte ihr gestanden, dass er seit geraumer Zeit ein Auge auf sie geworfen hatte. Das kam aus keiner weinseligen Laune heraus, tatsächlich hatte sie das auch schon länger vermutet, und am Ende des Abends waren sie in seinem Apartment und in seinem Bett gelandet.
Für sie war es nicht mehr als ein Abenteuer gewesen, und am Morgen danach hatte sie ihm behutsam, aber bestimmt erklärt, dass sie es bei dieser Nacht belassen sollten. Er hatte die Kröte tapfer geschluckt, und seitdem konnten sie tatsächlich weiterhin gut zusammenarbeiten. Aber sie waren beide Single geblieben, und sie wusste, dass er sich noch immer Hoffnungen machte.
In Augenblicken wie dem heutigen nutzte sie seine Schwäche gerne aus.
»Ich?«, gab er zurück und lächelte ebenfalls.
»Aber ja«, antwortete sie sanft. »Oder dachtest du, ich würde nicht ständig an dich denken?« »Vermutlich hauptsächlich an mein Geld.«
»Rob, also wirklich! Denkst du etwa so von mir?«
»Kathleen, meine Liebe, du weißt, dass ich selbst dir keine Katze im Sack abkaufe.«
»Du meinst, ich müsste dir ein bisschen mehr bieten?«
»Ich weiß ganz gut, was du zu bieten hast ...«
Er machte dabei einen vielsagenden Gesichtsausdruck, und sie erwiderte ihn offenherzig.
»Aber ich weiß auch«, fuhr er fort, »dass du nur eine Sendung meinst.«
»Nur eine Sendung?«, gab sie mit gespielter Entrüstung zurück. »Wenn das so ist, dann muss ich sie ja vielleicht doch CBS anbieten.«
Rob lachte auf. »Ist ja schon gut. Also zeig her!«
Sie grinste und reichte ihm eine Mappe über den Tisch. Er schlug die Unterlagen auf und studierte sie einen Augenblick.
»Eine neue Entdeckung?«, fragte er, ohne den Blick zu heben. »Weiß jemand davon?«
Kathleen stand auf und beugte sich über den Schreibtisch.
»Nein«, sagte sie. »Ich habe es von einem Informanten. Es ist absolut aktuell, die Presse weiß noch nichts davon. Bis der Boulevard Staub aufwirbelt, habe ich schon eine ganze Reportage zusammengestellt! Dann haben wir die Nase wieder vorn!«
Rob sah auf. »Und wie kommt es, dass das Ganze so günstig sein soll?«
»Ich dachte mir, wir ändern den Deal. Du beteiligst dich an den Spesen, und die Senderechte halbieren wir.«
Sie deutete auf eine andere Seite der Unterlagen. »Dafür will ich eine gestaffelte Prämie, die sich an den Einschaltquoten orientiert.«
Rob gab einige Zahlen in den Rechner ein.
»Nach dem Stand der letzten Folge machst du damit Verlust.«
»Ich weiß«, gab sie zurück. »Aber diese neue Reihe wird einschlagen wie eine Bombe.«
»Du scheinst dir sehr sicher zu sein.«
»Ja, absolut!« Rob sah sie eine Weile an. Dann nickte er.
»Ist gut, einverstanden. Ich gebe es an die Rechtsabteilung weiter, die können die Details prüfen.«
Er reichte ihre eine Hand über den Tisch. Sie ergriff seine Hand, zog ihn ein Stück vor und küsste ihn auf die Wange. »Danke, Rob, du bist ein Schatz!« Dann verließ sie das Büro, erfreut, ihr Ziel erreicht zu haben, und ließ den seufzenden Mann zurück.
1. Auflage © der Originalausgabe 2009 by Limes Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Eine abergläubische Unruhe hatte sich unter seinen Leuten breitgemacht, und González durfte nicht zulassen, dass sie überhandnahm. Gerade jetzt mussten sie mit höchster Präzision arbeiten, menschliches Versagen konnte er nicht tolerieren. Das Meer würde es auch nicht.
»¡Maldición, Raúl!«, herrschte er seinen Bootsmann an, der über eine Karte gebeugt war. Er riss die Karte vom Tisch und fegte mit derselben Bewegung eine Kaffeetasse durch die kleine Brücke. »Kümmere dich um die Ausrüstung! Wir haben noch hunderttausend Dollar im Wasser. Und es ist nicht dein Geld. Also an die Arbeit!«
González fluchte weiter, als Raúl den Raum bereits verlassen hatte. Dann sah er durch die Fenster auf die See und beobachtete, wie sich eine weitere Welle von der Steuerbordseite her über das Deck brach. Er drehte bei, damit das Einholen der Ausrüstung vereinfacht wurde. Seit drei Tagen kreuzten sie in diesem Gebiet und sondierten den Meeresboden. González hatte zwei Jahre damit verbracht, die letzte Fahrt der Maria Celeste von Puerto Bello über Havanna bis hierher zu rekonstruieren, wo sie im März 1612 mit ihrer Ladung von über zweihundert Tonnen Silber gesunken war. In den letzten sechs Monaten hatte er diese Suche vorbereitet und sein übrig gebliebenes Vermögen in das Schiff und die Geräte investiert.
Die Mannschaft hatte er in Havanna angeheuert, eine Truppe wetterfester Männer, die ihn mit ihren technischen und handwerklichen Fähigkeiten überzeugt hatten. Es waren keine gebildeten Leute, sondern Seeleute und Arbeiter. Wer sich bei der Schatzsuche zu viele Gedanken über das Wenn und Aber machte und nicht richtig zupacken konnte, war hier fehl am Platz. González war nicht so dumm zu glauben, dass er sich deswegen nicht trotzdem um alles selbst kümmern musste. Niemand an Bord hatte so viel Erfahrung wie er, und niemand opferte hier sein Herzblut, so wie er. Eine plötzliche Woge ließ das Schiff aufbocken, und er stolperte nach vorn.
Es war noch keine Hurrikansaison, und die letzten Daten, die sie von der Wetterstation in Nassau erhalten hatten, deuteten auch nicht darauf hin, dass sich etwas zusammenbraute. Dennoch waren Wetterphänomene in diesem Gebiet keine Seltenheit, und González hatte das einkalkuliert. Er verließ die Brücke und trat an Deck. Regen peitschte ihm ins Gesicht, und für einen Moment nahm ihm der Sturm den Atem. Er war zwar kräftig gebaut, aber er machte sich keine Illusionen darüber, dass ein ordentlicher Sturm auch ihn von den Beinen reißen konnte. Also hielt er sich an der Reling fest, während er leicht gebückt zum Heck des Trawlers ging, um nach dem Rechten zu sehen. Er traf auf Raúl und weitere drei Männer, die an einer Winde des Bockkrans hantierten. Hiermit hatte man früher die Schleppnetze eingeholt, aber nun war das Schiff für ihre Anforderungen umgerüstet worden, und sie nutzten den Kran für ihre Unterwasserausrüstung.
Die Männer waren hektisch und bemerkten ihn erst, als er zwischen sie trat. Und nun sah er auch, was los war. Ein weiterer Arbeiter klemmte mit der Hand in der Winde und schrie gegen den Wind an. Das Regenwasser, das unablässig von der Armatur herablief, war dunkelrot gefärbt. Die anderen bemühten sich, seine Finger aus der Anlage zu befreien, während Raúl auf der elektronischen Steuereinheit der Winde herumdrückte. González stieß ihn beiseite, sodass der Bootsmann rückwärts auf das Deck schlug. Dann ergriff er das Steuermodul. Nichts leuchtete, die Knöpfe reagierten nicht. Kein Strom! Der eingeklemmte Mann brüllte verzweifelt und trat um sich. González ergriff sein Handgelenk und sah, dass drei Finger seiner Hand zwischen den Zahnrädern eingeklemmt waren. Die Knochen mussten bereits zu Brei zermalmt worden sein, anders hätten die Finger niemals hineingepasst. Sie wurden nur noch durch das Fleisch zusammengehalten.
»O Gott!«, schrie der Arbeiter. »Meine Hand!«
González umfasste den Oberkörper des Mannes, als eine neuerliche Welle über das Schiff brach und sie mit Meerwasser überschüttete.
»Raúl!«, schrie er. »Sie dreht sich! Bring das Schiff wieder quer zu den Wellen!«
Der Bootsmann hastete zur Brücke zurück, während González erneut festen Stand suchte. Mit einem kräftigen Ruck zog er den Arbeiter nach hinten und riss die Überreste seiner Hand aus den Zahnrädern. Mit einem Aufschrei stolperte der Mann zur Seite, krümmte sich und ging in die Knie. »Aufstehen, sofort!«, herrschte González ihn an, beugte sich über ihn und hievte ihn hoch.
»Los, steht nicht rum, ihr hirnlosen Affen!«, schrie er die anderen Männer an. »Muss ich alles alleine machen?! Bringt ihn unter Deck und verbindet ihn! Pedro, du bleibst hier.«
Zwei der Männer ergriffen den Verletzten und stützten sich gegenseitig auf dem Weg zurück, während González sich an der Winde zu schaffen machte.
»Halte die Kabel, los!«, rief er dem Arbeiter zu und legte einen Hebel um, mit dem er von Elektronik- auf Handbetrieb umstellte. Pedro griff nach den Kabeln, die vom Kran aus in das aufgewühlte Wasser führten. Ein Ruck fuhr durch seine Hände, als sich die Zahnräder lösten und die Wellen an den schweren Geräten am anderen Ende der Kabel rissen.
Er fasste nach und stemmte sich gegen eine Stahlschiene am Boden. Dann rastete endlich das Handrad ein, und González begann, die Maschinen hereinzukurbeln. Die Juanita lag nun nicht mehr parallel zum Seegang und wurde nicht mehr seitlich von den Wellen überspült, aber nun stampfte sie wie der stählerne Kolben einer gewaltigen, von Meereskraft angetriebenen Maschine. Über die Slip, die niedergelassene Rampe am Heck des Schiffs, brachen immer wieder Wassermassen über das Deck, die beim Abfließen einen gefährlichen Sog verursachten.
Das Unwetter nahm zu, Gischt und Regen waren nicht mehr zu unterscheiden. González gelang es nicht, sein Gesicht vor dem Sturm zu schützen, der von allen Seiten an ihm zerrte. Das Atmen fiel ihm schwer, längst war er vollständig durchnässt. Er presste die Augen zu Schlitzen zusammen und kurbelte unerbittlich weiter. Endlich zeigte sich das weiß und gelb lackierte Sonar am Ende der Kabel. González drehte die Kurbel mit beiden Händen weiter. Nur langsam kam das Gerät näher und bewegte sich auf die Slip zu.
Die stählerne Rampe war für die Aufnahme des empfindlichen Geräts mit einer Gummiisolierung versehen worden, aber die Wellen drohten das Sonar gegen das Schiff zu schleudern, wenn es nicht im richtigen Augenblick mit einem einzigen Schwung eingeholt und gesichert wurde.
»Schnapp das Sonar!«, rief er Pedro zu. »Und pass auf!«
Der Arbeiter ging einen Schritt auf die Slip zu, als die Juanita erneut aufbockte. Als sie sich hob, schien Pedro einen Moment lang den Boden unter den Füßen zu verlieren, dann schlug das Schiff zurück auf das Wasser, und augenblicklich schossen Hunderte Liter Ozean über die Rampe zwischen seinen Beinen hindurch und fegten sie ihm unter dem Leib weg.
»Pedro!«, rief González. Der Arbeiter schlug nach allen Seiten um sich, suchte verzweifelt nach Halt, als das Wasser über die Slip zurückfloss und ihn mit sich riss. González rastete die Winde ein und stürzte auf den Mann zu, doch er erreichte ihn nicht mehr.
Mit einem kaum hörbaren Schrei versank Pedro in den tobenden Wellen. Einen unwirklichen Moment lang zerriss der Wind die Schaumkronen, als sei nichts geschehen. Dann tauchten Pedros Kopf und Teile seines Oberkörpers auf. Er hatte irgendwie die noch im Wasser hängenden Kabel zu fassen bekommen und hielt sich nun an der Apparatur fest.
Er bemühte sich, Luft zu holen, doch immer neue Wellen schlugen über ihm zusammen. González fluchte, eilte zum Bockkran zurück und kurbelte weiter in der Hoffnung, dass er den Mann auf diese Weise gemeinsam mit dem Sonar an Bord ziehen könnte. Doch das Gewicht hatte sich vervielfacht, und trotz seiner Kraft brachte er das Kabel nur mit quälender Langsamkeit ein. Nur für eine Sekunde senkte er seinen Blick, um sich mit den Armen auf das Rad zu stemmen. Als er wieder aufsah, weiteten sich seine Augen vor Schreck.
Hinter der Slip türmte sich eine Welle auf, die die Juanita mannshoch überragte. Geistesgegenwärtig umfasste González den Kran mit beiden Armen und krallte sich mit aller Macht fest, als die Wassermassen auch schon über das Heck brandeten. Sie krachten über das Deck, gegen den Kran und schlugen ihm mit solcher Wucht gegen seinen Körper, dass ihm die Beine zur Seite gerissen wurden. Er rutschte nach unten. Nur mit seinen Armen am Kran hängend war er dem Sog ausgeliefert. Sein Unterköper baumelte und schlingerte über das Deck, seine Beine schlugen hilflos gegen Metallträger. Ein losgerissenes Brett schoss nur eine Handbreit an seinem Kopf vorbei und stieß gegen seine Rippen.
González krümmte sich vor Schmerz, aber er ließ nicht los. Er behielt Mund und Augen geschlossen und hoffte auf ein Ende. Dann endlich war das Wasser angelaufen. Aber das Schiff bäumte sich weiter auf. Mühsam zog er sich wieder am Kran hoch, hielt ihn weiter mit beiden Armen umfasst und sah zum Heck. Die Kabel peitschten durch den Wind, alles, was an ihnen gehangen hatte, war abgerissen. Er brüllte vor Wut, doch der Wind verschluckte seinen Schrei. Dann begann etwas zu leuchten.
Ein Schiff näherte sich! Er blickte gegen den stürmenden Regen hinaus auf den aufgewühlten Ozean. Aber das Licht kam von keinem Schiff. Es war das Meer selbst, das zu leuchten begann.
Büro der FOX International Channels, Los Angeles
»Noch heute strömen täglich Hunderte von Besuchern in die Kirche von Santa Maria delle Grazie und bestaunen das Gemälde im Speisesaal. Nur wenige von Ihnen ahnen, welche Geheimnisse hier verborgen liegen. Welches davon aber tatsächlich die Intention des Künstlers war, werden wir wohl niemals erfahren. Mein Name ist Kathleen Denver. Begleiten Sie mich auch das nächste Mal durch die Geheimnisse unserer Vergangenheit und eine neue Folge von Dare to Know.«
Rob schaltete die Aufnahme aus und wandte sich wieder Kathleen zu.
»Kannst du mir sagen, was das sollte?« Kathleen lehnte sich zurück und verzog den Mund. Sie hatte Robs herablassende Art noch nie leiden können. Sie kannten sich schon seit fünf Jahren, und da sie beide Profis waren, kamen sie zurecht, auch wenn die Stimmung nicht immer die beste war. Er hatte sie damals zu FOX geholt, weil ihn ihre journalistischen Fähigkeiten ebenso überzeugt hatten wie ihr Auftreten vor der Kamera.
Seit er jedoch ins Management aufgestiegen war, hielt er sich immer häufiger für den Programmchef höchstpersönlich, obwohl sie hier vom Tagesgeschehen weit entfernt waren. Rob war nur für einen kleinen Teil der Formate verantwortlich, die sie für den History Channel von FOX einkauften. Allerdings gehörte Kathleens Sendung »Wage zu wissen« dazu, und aus diesem Grund hatte er sie zu einem Termin hergebeten.
»Ich weiß nicht, was du meinst«, gab sie zurück. »Der Spruch am Ende: > ...werden wir wohl niemals erfahren< ... Wie oft haben wir schon darüber gesprochen? Die Sendung soll keine Rätsel verkaufen, wir wollen unsere Zuschauer informieren! Information ist die Beseitigung jeder Unsicherheit beim Zuschauer. Informieren heißt nicht: sie verwirren. Hier soll es um Fakten gehen, um Wissen. Die Sendung heißt >Wage zu wissen< und nicht >Wage zu raten<. Das ist nicht >PSI Factor<, okay?«
»Himmel, Rob, nun bleib auf dem Boden! Du weißt genauso gut wie ich, dass wir auch nicht einfach Behauptungen aufstellen können! Wer erzählt mir denn immer, der History Channel hätte einen Ruf zu verlieren?«
»Um den Ruf geht es, meine Liebe.« Rob tippte eine Abfrage in seinen Computer und drehte im Anschluss den Flachbildschirm, sodass sie von beiden Seiten des Schreibtischs daraufsehen konnten. »Mit einer Geschichte über das Abendmahl von Leonardo da Vinci können wir heute keine Maus mehr hinter dem Ofen hervorholen. Das hätte vor drei oder vier Jahren laufen müssen. Oder hier: Die Blutlinie von Jesus Christus, noch so ein Staubfänger. Und was haben wir sonst noch: Das Grabtuch von Turin, Freimaurer in Washington, Opus Dei ... Was gibt's sonst noch Neues? Ach ja, die Wikinger haben Amerika entdeckt, und die Geschichte der Sintflut stammt vom Gilgomasch-Epos ab ...«
»Gilgamesch«, warf Kathleen halbherzig ein. »Dann eben Gilgamesch, ist doch auch völlig egal. Die Sache ist die: Warum interessiert mich kein einziges dieser Themen? Na, eine Idee?«
Kathleen verdrehte die Augen. Sie hasste es, wenn er sich so aufführte.
»Ich werde es dir sagen«, fuhr Rob fort. »Es interessiert nicht, weil es schon tausendmal gelaufen ist, deswegen! Und das geht nicht nur mir so!«
Wieder tippte er etwas ein, und die Anzeige auf dem Bildschirm zeigte ein mehrfarbiges Säulendiagramm.
»Deine Quote ist schon wieder um zwei Prozent gesunken, du bist im freien Fall. Und dafür bist du mir ehrlich gesagt zu teuer.«
Na klar, daher weht der Wind, dachte sie und nickte innerlich. Dabei war er es gewesen, mit dem sie Anfang des letzten Jahres die Themenplanung durchgesprochen hatte. Aber natürlich war es völlig sinnlos, darüber mit ihm zu diskutieren. Die Mühe, recht zu behalten, würde nirgendwohin führen. Letzten Endes bezahlte er ihre Arbeit, und dass die Quote sank, daran war auch nicht zu rütteln. Im Grunde war es ihr egal, da sie nur an der Ausstrahlung und nicht an den Einschaltquoten verdiente, aber Rob wollte den Preis für die nächsten Projekte drücken. Sie hatte das erwartet und war vorbereitet.
»Ich werde dir auch keine neuen Folgen mehr anbieten«, antwortete sie. Rob horchte auf.
»Wie meinst du das? Willst du aufhören?«
»Du hast doch noch zwei«, sagte sie. »Dann kommt die Sommerpause, und bis dahin ...«
Sie ließ den Satz unbeendet. »Ja ...?«
»Bis dahin habe ich etwas anderes.«
»Etwas anderes? Willst du an einen anderen Sender verkaufen?« Sie lächelte.
Es gefiel ihr, ihn nervös zu machen. Rob zeigte es nicht deutlich, aber sie kannte ihn gut genug. Er konnte nicht auf sie verzichten, jedenfalls nicht so schnell und nicht in ihrem Preissegment. Doch sie hatte auch gar nicht vor, ihn hängen zu lassen. Er war ein verlässlicher Abnehmer.
»Nein, das nicht«, sagte sie schließlich, »aber ich arbeite an einem neuen Konzept. Bis zum Sommer habe ich die ersten Folgen fertig.«
»Ein neues Konzept, aha. Fragt sich, wer dir das abnehmen soll.«
»Du, wer sonst?« Kathleen lächelte ihn an und wusste, welchen Effekt das auf ihn hatte. Vor zwei Jahren waren sie sich auf einer Weihnachtsfeier nähergekommen, und Rob, der fast zehn Jahre jünger war als sie, hatte ihr gestanden, dass er seit geraumer Zeit ein Auge auf sie geworfen hatte. Das kam aus keiner weinseligen Laune heraus, tatsächlich hatte sie das auch schon länger vermutet, und am Ende des Abends waren sie in seinem Apartment und in seinem Bett gelandet.
Für sie war es nicht mehr als ein Abenteuer gewesen, und am Morgen danach hatte sie ihm behutsam, aber bestimmt erklärt, dass sie es bei dieser Nacht belassen sollten. Er hatte die Kröte tapfer geschluckt, und seitdem konnten sie tatsächlich weiterhin gut zusammenarbeiten. Aber sie waren beide Single geblieben, und sie wusste, dass er sich noch immer Hoffnungen machte.
In Augenblicken wie dem heutigen nutzte sie seine Schwäche gerne aus.
»Ich?«, gab er zurück und lächelte ebenfalls.
»Aber ja«, antwortete sie sanft. »Oder dachtest du, ich würde nicht ständig an dich denken?« »Vermutlich hauptsächlich an mein Geld.«
»Rob, also wirklich! Denkst du etwa so von mir?«
»Kathleen, meine Liebe, du weißt, dass ich selbst dir keine Katze im Sack abkaufe.«
»Du meinst, ich müsste dir ein bisschen mehr bieten?«
»Ich weiß ganz gut, was du zu bieten hast ...«
Er machte dabei einen vielsagenden Gesichtsausdruck, und sie erwiderte ihn offenherzig.
»Aber ich weiß auch«, fuhr er fort, »dass du nur eine Sendung meinst.«
»Nur eine Sendung?«, gab sie mit gespielter Entrüstung zurück. »Wenn das so ist, dann muss ich sie ja vielleicht doch CBS anbieten.«
Rob lachte auf. »Ist ja schon gut. Also zeig her!«
Sie grinste und reichte ihm eine Mappe über den Tisch. Er schlug die Unterlagen auf und studierte sie einen Augenblick.
»Eine neue Entdeckung?«, fragte er, ohne den Blick zu heben. »Weiß jemand davon?«
Kathleen stand auf und beugte sich über den Schreibtisch.
»Nein«, sagte sie. »Ich habe es von einem Informanten. Es ist absolut aktuell, die Presse weiß noch nichts davon. Bis der Boulevard Staub aufwirbelt, habe ich schon eine ganze Reportage zusammengestellt! Dann haben wir die Nase wieder vorn!«
Rob sah auf. »Und wie kommt es, dass das Ganze so günstig sein soll?«
»Ich dachte mir, wir ändern den Deal. Du beteiligst dich an den Spesen, und die Senderechte halbieren wir.«
Sie deutete auf eine andere Seite der Unterlagen. »Dafür will ich eine gestaffelte Prämie, die sich an den Einschaltquoten orientiert.«
Rob gab einige Zahlen in den Rechner ein.
»Nach dem Stand der letzten Folge machst du damit Verlust.«
»Ich weiß«, gab sie zurück. »Aber diese neue Reihe wird einschlagen wie eine Bombe.«
»Du scheinst dir sehr sicher zu sein.«
»Ja, absolut!« Rob sah sie eine Weile an. Dann nickte er.
»Ist gut, einverstanden. Ich gebe es an die Rechtsabteilung weiter, die können die Details prüfen.«
Er reichte ihre eine Hand über den Tisch. Sie ergriff seine Hand, zog ihn ein Stück vor und küsste ihn auf die Wange. »Danke, Rob, du bist ein Schatz!« Dann verließ sie das Büro, erfreut, ihr Ziel erreicht zu haben, und ließ den seufzenden Mann zurück.
1. Auflage © der Originalausgabe 2009 by Limes Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Andreas Wilhelm
Andreas Wilhelm wurde 1971 in Solingen geboren und wuchs in Südafrika, der Schweiz, Nigeria und Portugal auf. Nach dem Abitur zog er nach Hamburg, wo er bald die Konzeptionsabteilung einer großen deutschen Multimedia-Agentur leitete. Nach mehreren erfolgreichen Sachbüchern für Kinder und Jugendliche ist "Projekt: Babylon" sein Debüt als Romanautor. Andreas Wilhelm lebt mit seiner Frau und Kindern bei Hamburg.
Bibliographische Angaben
- Autor: Andreas Wilhelm
- 2010, 448 Seiten, Maße: 11,4 x 18,3 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442374545
- ISBN-13: 9783442374540
Rezension zu „Projekt: Atlantis “
Wilhelm beweist, dass deutsche Literatur wieder ein Exportschlager werden kann. PHANTASTIK
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