Schmidt, Tell

Joachim B. Schmidts rasanter Roman "Tell" (2022) ist ein Beispiel dafür, wie Autorinnen und Autoren der Gegenwart alte Mythen aufgreifen, sich zu eigen machen und für die heutige Leserschaft neu begreifbar machen. Gerade auch lese- und bildungsferne Jugendliche können durch den spannenden Text angesprochen werden, der "[a]us fünf Akten [...] Stoff für eine Netflix-Serie" (SWR2 Lesenswert) macht und damit eine anregende Lernchance für den gymnasialen Oberstufenunterricht bietet.

Buchners Lektüre Unterrichtsmaterial (BLU) beschäftigt sich nicht nur mit dem Roman "Tell", sondern auch mit seinen literarischen Vorlagen und somit mit der Frage, wie jeder Text auf seine jeweilige Zeit reagiert. Gerade die originelle Darstellung des Protagonisten verblüfft und zeigt ebenso wie weitere veränderten Figuren oder das multiperspektivische Erzählen, dass im 21. Jahrhundert Fragen nach Schuld oder Freiheit anders beantwortet werden (müssen) als Schiller oder Frisch dies getan haben, und dass der Heldenbegriff vergangener Zeiten nicht mehr trägt.

Schülerinnen und Schüler erwerben, üben und vertiefen hier vielfältige abiturrelevante Kompetenzen. So wird beispielsweise durch den Vergleich mit Schillers Drama "Wilhelm Tell" das Themenfeld der Klassik je nach Einsatz von BLU entweder eingeführt, vertieft oder wiederholt. Klassische Interpretationskompetenzen werden z. B. in Bezug auf die Figurencharakterisierung und -konstellation, die Erzählte Welt und das Aufstellen von Deutungshypothesen aufgegriffen. Außerdem wird der Frage nachgegangen, was überhaupt ein Mythos ist, wie dieser bei "Tell" umgesetzt wird und wie ein solcher für ein heutiges Publikum vermittelt wird. Abschließend setzen sich die Lernenden mit verschiedenen Rezensionsformaten auseinander und kommen so zu einer eigenständigen literarischen Wertung.