Sieben Frauen aus Tripolis
'Für den libyschen Autor Kamal Ben Hameda war das Tripolis seiner Kindheit eine Stadt der Frauen. Fasziniert lauschte der kleine Junge den Geschichten seiner Mutter und ihrer Freundinnen. Ihre Schicksale waren wie aus Tausend und einer Nacht: Voll Tragik und Gewalt, voll Sehnsucht und Geheimnis.
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Produktinformationen zu „Sieben Frauen aus Tripolis “
'Für den libyschen Autor Kamal Ben Hameda war das Tripolis seiner Kindheit eine Stadt der Frauen. Fasziniert lauschte der kleine Junge den Geschichten seiner Mutter und ihrer Freundinnen. Ihre Schicksale waren wie aus Tausend und einer Nacht: Voll Tragik und Gewalt, voll Sehnsucht und Geheimnis.
Klappentext zu „Sieben Frauen aus Tripolis “
'Für den libyschen Autor Kamal Ben Hameda war das Tripolis seiner Kindheit eine Stadt der Frauen. Fasziniert lauschte der kleine Junge den Geschichten seiner Mutter und ihrer Freundinnen. Ihre Schicksale waren wie aus Tausend und einer Nacht: Voll Tragik und Gewalt, voll Sehnsucht und Geheimnis.Tripolis: Stadt der Berberinnen, der Italie-nerinnen, Jüdinnen, Araberinnen. Stadt, die nach Zimt und rotem Tee duftet, wo kühle Patios vor der gleißenden Sonne schützen. Aus der Sicht des Ich-Erzählers war Tripolis eine Stadt der Frauen: Die Männer lebten in einer fernen Parallelwelt. Da ist Zohra, die von ihrem Mann so kurz gehalten wird, dass sie dem kleinen Jungen nicht mal ein Bonbon schenken kann, oder Hiba, die ihr Gesicht abwendet, damit niemand sieht, dass ihr Mann ihr die Zähne ausgeschlagen hat. Aber da sind auch die schöne, lebensfrohe Fella, die eine Tochter mit einem schwarzen Offizier hatte, und Nafissa, die der großen Liebe ihres Lebens nachträumt
Voller Poesie und Sinnlichkeit, und dabei mit unbestechlichem Blick schildert Kamal Ben Hameda eine Welt, die jahrhundertelang am Patriarchat festgehalten hat, an einer Kultur der Unterdrückung. Nun scheint sie erstmals aufzubrechen.
Lese-Probe zu „Sieben Frauen aus Tripolis “
Sieben Frauen aus Tripolis von Kamal Ben HamedaVorabend.
Alle waren bereits im Bilde, außer mir.
Als ich Tante Fatima vor der Haustür sah, wusste ich instinktiv, dass etwas ausgeheckt wurde.
Abends kam sie zu mir, um mir wie gewöhnlich beim Einschlafen zu helfen, indem sie mir die immer gleiche Geschichte erzählte:
Sieben Mädchen in einer Flöte. Die Ghula dreht und dreht sich herum und verschlingt eins davon
Sechs Mädchen in einer Flöte. Die Ghula dreht und dreht sich herum und verschlingt eins davon
Fünf Mädchen in einer Flöte. Die Ghula dreht und dreht sich herum und verschlingt eins davon
Vier Mädchen in einer Flöte. Die Ghula dreht und dreht sich herum und verschlingt eins davon
Drei Mädchen in einer Flöte. Die Ghula dreht und dreht sich herum und ...
Am Ende sank ich immer in ihre Arme, besänftigt, verzaubert.
Tante Fatima ' - nur sie war es, die mir die Geschichte von der Ghula erzählte, die sich im Kreis dreht und zum selben Haus zurückkehrt, in dem sich die sieben Mädchen befinden. Tante Fatima war Witwe und verbrachte den Großteil ihrer Zeit damit, ihr einziges Kind zu eskortieren, ihre Tochter Houda, von der sie sich jede Laune gefallen ließ. »Die dicke Houda!«, riefen die Kinder aus dem Viertel, während ich sie draußen hänselte, in den engen Gässchen der Medina, unter dem gleißenden Mittagslicht, und sie mir keuchend und schlurfend von Weitem hinterherlief und dabei abwechselnd schimpfte und klagte. Um sie zu trösten, versuchte ich, sie auf den Mund zu küssen, aber erschrocken entzog sie sich mir immer, aus Angst, schwanger zu werden!
Tante Fatima und Houda kamen jedes Jahr zum ersten Viertel des Mondes und kündigten damit die schicksalhafte Zeit des Fastens an oder irgendeine Familienfeier.
... mehr
Tante Fatima ließ zwischen ihren Zähnen den arabischen Kaugummi klacken, der mit Wachs
vermischt war, um ihn weicher zu machen, und versprach: »Morgen ist das Fest, dein Fest! Sieben Mädchen in einer Flöte. Die Ghula dreht und dreht sich herum und verschlingt eins davon. Sechs Mädchen in einer Flöte. Die Ghula dreht und dreht sich herum...«
»Tante Fatima ...Gibt es wirklich nur sieben?« »Hadachinou!«
»Aber...«
»Schlaf, Kleiner, schlaf!«
Morgendämmerung.
Reste von Schlaf lagen noch auf meinen Lidern, als das kahle Licht der Frühe sich langsam auf dem Teppich ausbreitete. Ich streckte mich, machte die Augen noch mal zu, um einen Moment lang das Bild zu bewahren, aber die ersten Sonnenstrahlen spielten auf meinem Gesicht, als wollten sie sich über mich lustig machen und mich aus der lustvollen Trägheit entführen.
Im Inneren des Hauses war niemand.
Ich durchquerte die Zimmer, die von Stille erfüllt waren und von Bündeln Abertausender Sonnenpartikel, die aufstiegen, in der Drehbewegung ihres scheinbaren Chaos nach oben zogen, einem geheimen, nicht vorhandenen Zentrum entgegen. Ich näherte mich einem Spiegel, um meinen Körper zu betasten; ich fuhr mit den Fingern über die Stirn, fühlte die Umrisse meines Gesichts.
Dann wagte ich es, die Läden zu öffnen, die Sonne eingehend zu betrachten, die Augen in den Augen. Im frischen Blau des Morgens, inmitten der bunten Lichtreflexe, die zu tanzen anfingen, atmete ich tief die kalte Luft des Tages ein und streckte mich erneut, wie eine Straßenkatze unter dem aufklarenden Himmel.
Das Licht bedeckte das Haus, die Mauern, den Korridor, die Küche, in der ich nach etwas suchte, was das Gefühl des Exils beseitigen konnte, dieses Gefühl, das mich zu überschwemmen begann. Ich verschlang ein Stück trockenen Kuchen und stolperte dann die Treppe hinab wie ein kaputter Ball. Der Zauber des Aufwachens wich einem Gefühl der Ohnmacht.
Nichts.
Ich saß auf der Türschwelle und überprüfte, was auf der Straße geschah. In der morgendlichen Benommenheit sah ich von Weitem die Silhouetten der Freundinnen meiner Mutter auftauchen, sie lächelten und musterten mich mit zärtlichen Blicken.
»Zeit, immer nur Zeit!«, sagte ein Passant.
Vor meinen noch traumverhangenen Augen dann der Makadam, das allgegenwärtige Licht.
Ibrahim, der Metzger des Viertels, stand vor seinem Laden mit einem verwaisten Lamm, das blökte. Mein Vater überließ es immer ihm, das Opfer auszusuchen, zu erwählen, wenn er einmal im Jahr seine Runde machte für das Aïd al-Kebir, das Opferfest.
Aber heute war doch gar nicht das Aïd!
Die gleichen perfekt ausgeführten Gesten, die gleiche Faszination in den Kinderaugen ... bis der Kopf gegrillt wird, die Füße.
Das Blut des Lamms, das weiterbrüllte, immer weiter, bis zur allerletzten Minute, wenn der Kopf unter dem Messer liegt und es die glänzende Klinge sieht ... dann hört es auf, nimmt es hin, ergibt sich und beobachtet seine Enthauptung mit bereits glasigen Augen.
Das Lamm, das man ausbluten ließ. Verbotene Speise. Sakrileg.
Während die Hexen, die Djinns, die Gottlosen und die Verrückten das Blut der Tiere tranken, um sich daran zu stärken, gab meine Mutter es voller Abscheu und Furcht der Erde zurück.
Ich wohnte dieser Zeremonie bei, mit einer Mischung aus Erstaunen, Neugier und beinahe morbidem Vergnügen. Das Schweigen des Tiers, seine Augen, die die Farbe wechselten, sein Brüllen angesichts des ohrenbetäubenden Nichts, der angehaltene Atem der im Kreis stehenden Kinder und die sprudelnde Blutfontäne.
Das Messer, von Ibrahim geschliffen, der wie ein Chirurg die Haut aufschneidet und dabei einen Schlager trällert.
Das Blut, das in langsamen Bächen floss und in einigen versiegenden Rinnsalen.
Dann wird der Kadaver den Frauen überlassen; sie reinigen die Eingeweide und Gedärme, schneiden das Fleisch in Stücke, salzen es und hängen es auf der Terrasse in die Sonne.
Der lange Vormittag zitterte vor Ungeduld.
Bilder dessen, was sich zutrug, was sich bei diesem uralten, tausendjährigen Brauch erneut wiederholte, gingen mir durch den Kopf wie ein weit zurückliegender Traum, den ich unendliche Male durchlebt hatte.
...
Übersetzung: Helmut Moysich
Tante Fatima ließ zwischen ihren Zähnen den arabischen Kaugummi klacken, der mit Wachs
vermischt war, um ihn weicher zu machen, und versprach: »Morgen ist das Fest, dein Fest! Sieben Mädchen in einer Flöte. Die Ghula dreht und dreht sich herum und verschlingt eins davon. Sechs Mädchen in einer Flöte. Die Ghula dreht und dreht sich herum...«
»Tante Fatima ...Gibt es wirklich nur sieben?« »Hadachinou!«
»Aber...«
»Schlaf, Kleiner, schlaf!«
Morgendämmerung.
Reste von Schlaf lagen noch auf meinen Lidern, als das kahle Licht der Frühe sich langsam auf dem Teppich ausbreitete. Ich streckte mich, machte die Augen noch mal zu, um einen Moment lang das Bild zu bewahren, aber die ersten Sonnenstrahlen spielten auf meinem Gesicht, als wollten sie sich über mich lustig machen und mich aus der lustvollen Trägheit entführen.
Im Inneren des Hauses war niemand.
Ich durchquerte die Zimmer, die von Stille erfüllt waren und von Bündeln Abertausender Sonnenpartikel, die aufstiegen, in der Drehbewegung ihres scheinbaren Chaos nach oben zogen, einem geheimen, nicht vorhandenen Zentrum entgegen. Ich näherte mich einem Spiegel, um meinen Körper zu betasten; ich fuhr mit den Fingern über die Stirn, fühlte die Umrisse meines Gesichts.
Dann wagte ich es, die Läden zu öffnen, die Sonne eingehend zu betrachten, die Augen in den Augen. Im frischen Blau des Morgens, inmitten der bunten Lichtreflexe, die zu tanzen anfingen, atmete ich tief die kalte Luft des Tages ein und streckte mich erneut, wie eine Straßenkatze unter dem aufklarenden Himmel.
Das Licht bedeckte das Haus, die Mauern, den Korridor, die Küche, in der ich nach etwas suchte, was das Gefühl des Exils beseitigen konnte, dieses Gefühl, das mich zu überschwemmen begann. Ich verschlang ein Stück trockenen Kuchen und stolperte dann die Treppe hinab wie ein kaputter Ball. Der Zauber des Aufwachens wich einem Gefühl der Ohnmacht.
Nichts.
Ich saß auf der Türschwelle und überprüfte, was auf der Straße geschah. In der morgendlichen Benommenheit sah ich von Weitem die Silhouetten der Freundinnen meiner Mutter auftauchen, sie lächelten und musterten mich mit zärtlichen Blicken.
»Zeit, immer nur Zeit!«, sagte ein Passant.
Vor meinen noch traumverhangenen Augen dann der Makadam, das allgegenwärtige Licht.
Ibrahim, der Metzger des Viertels, stand vor seinem Laden mit einem verwaisten Lamm, das blökte. Mein Vater überließ es immer ihm, das Opfer auszusuchen, zu erwählen, wenn er einmal im Jahr seine Runde machte für das Aïd al-Kebir, das Opferfest.
Aber heute war doch gar nicht das Aïd!
Die gleichen perfekt ausgeführten Gesten, die gleiche Faszination in den Kinderaugen ... bis der Kopf gegrillt wird, die Füße.
Das Blut des Lamms, das weiterbrüllte, immer weiter, bis zur allerletzten Minute, wenn der Kopf unter dem Messer liegt und es die glänzende Klinge sieht ... dann hört es auf, nimmt es hin, ergibt sich und beobachtet seine Enthauptung mit bereits glasigen Augen.
Das Lamm, das man ausbluten ließ. Verbotene Speise. Sakrileg.
Während die Hexen, die Djinns, die Gottlosen und die Verrückten das Blut der Tiere tranken, um sich daran zu stärken, gab meine Mutter es voller Abscheu und Furcht der Erde zurück.
Ich wohnte dieser Zeremonie bei, mit einer Mischung aus Erstaunen, Neugier und beinahe morbidem Vergnügen. Das Schweigen des Tiers, seine Augen, die die Farbe wechselten, sein Brüllen angesichts des ohrenbetäubenden Nichts, der angehaltene Atem der im Kreis stehenden Kinder und die sprudelnde Blutfontäne.
Das Messer, von Ibrahim geschliffen, der wie ein Chirurg die Haut aufschneidet und dabei einen Schlager trällert.
Das Blut, das in langsamen Bächen floss und in einigen versiegenden Rinnsalen.
Dann wird der Kadaver den Frauen überlassen; sie reinigen die Eingeweide und Gedärme, schneiden das Fleisch in Stücke, salzen es und hängen es auf der Terrasse in die Sonne.
Der lange Vormittag zitterte vor Ungeduld.
Bilder dessen, was sich zutrug, was sich bei diesem uralten, tausendjährigen Brauch erneut wiederholte, gingen mir durch den Kopf wie ein weit zurückliegender Traum, den ich unendliche Male durchlebt hatte.
...
Übersetzung: Helmut Moysich
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Autoren-Porträt von Kamal Ben Hameda
Kamal Ben Hameda, geboren 1954 in Tripolis, verließ seine Heimat schon mit Anfang zwanzig, um der intellektuellen Enge zu entkommen. Er studierte in Südfrankreich und lebt seit vielen Jahren als freier Schriftsteller und Jazzmusiker in den Niederlanden. Bisher veröffentlichte er vor allem Lyrik. Kamal Ben Hameda gilt als wichtige Stimme in der öffentlichen Diskussion um die jüngsten Ereignisse in Libyen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Kamal Ben Hameda
- 2011, 132 Seiten, Maße: 12,3 x 20 cm, Gebunden, Deutsch
- Aus d. Französ. v. Helmut Moysich
- Übersetzer: Helmut Moysich
- Verlag: Graf Verlag
- ISBN-10: 386220023X
- ISBN-13: 9783862200238
Rezension zu „Sieben Frauen aus Tripolis “
"Eine besondere Welt voll Zauber, Zimtduft, Poesie, geschildert mit einem unbestechlichen Blick.", KIELER NACHRICHTEN, 04.04.2012
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