Solo mit Kissen
Roman. Aus d. Engl. v. Kirsten Nutto
Auch Ururgroßmütter waren nicht von gestern. - Diese Lektion lernt eine junge Frau von heute und findet mit Hilfe dieser Erkenntnis ihr eigenes Lebensziel.
Die Malerin Albertine lebt in New York, ist Anfang dreißig und höchst frustriert: Als Künstlerin...
Die Malerin Albertine lebt in New York, ist Anfang dreißig und höchst frustriert: Als Künstlerin...
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Buch
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Solo mit Kissen “
Auch Ururgroßmütter waren nicht von gestern. - Diese Lektion lernt eine junge Frau von heute und findet mit Hilfe dieser Erkenntnis ihr eigenes Lebensziel.
Die Malerin Albertine lebt in New York, ist Anfang dreißig und höchst frustriert: Als Künstlerin ist ihr bisher kein rechter Erfolg beschieden und ihren Lebensunterhaltung verdient sie mit Gelegenheitsjobs mehr schlecht als recht.
Außerdem ist beziehungsmäßig schon lange Ebbe angesagt. Doch dann entdeckt sie eines Tages hundert Jahre alte Briefe ihrer Ururgroßmutter Agnes, in denen diese von ihrem Einsatz für die Rechte der Frauen vor hundert Jahren erzählt.
Unter dem Einfluss dieser Briefe ist Albertine endlich in der Lage, ihr eigenes Leben und die Männer realistisch einzuschätzen - und plötzlich rückt auch ein Happy End in greifbare Nähe.
Die Malerin Albertine lebt in New York, ist Anfang dreißig und höchst frustriert: Als Künstlerin ist ihr bisher kein rechter Erfolg beschieden und ihren Lebensunterhaltung verdient sie mit Gelegenheitsjobs mehr schlecht als recht.
Außerdem ist beziehungsmäßig schon lange Ebbe angesagt. Doch dann entdeckt sie eines Tages hundert Jahre alte Briefe ihrer Ururgroßmutter Agnes, in denen diese von ihrem Einsatz für die Rechte der Frauen vor hundert Jahren erzählt.
Unter dem Einfluss dieser Briefe ist Albertine endlich in der Lage, ihr eigenes Leben und die Männer realistisch einzuschätzen - und plötzlich rückt auch ein Happy End in greifbare Nähe.
Lese-Probe zu „Solo mit Kissen “
17. August 1999Wenn ein Geist schon beschließt, einen heimzusuchen, dann sollte man doch meinen, dass er es etwas professioneller angeht. Zum Beispiel vorher ein paar Handbücher liest, sich ein wenig mit der typisch viktorianischen, melodramatischen Literatur beschäftigt, sich ein akzeptables Geisterkostüm zulegt und Ähnliches. Doch stattdessen schneite sie einfach in mein Leben, ohne Vorankündigung, und von da an ging es bergab. Was ich damit meine? Nun ja, sie machte rätselhafte Anspielungen, hatte einen schlechten Einfluss auf mich und mischte sich in alles ein. Ich will mich ja nicht beklagen, aber ich hätte es wissen müssen - nur weil sie tot war, hieß das noch lange nicht, dass sie richtig tot war.
Anfangs habe ich ihn auch gar nicht so wirklich wahrgenommen. Nun, er sah schließlich nicht aus wie einer der üblichen Verdächtigen. Ich erinnere mich noch gut an den Dienstag, als sie beide auftauchten - ich glaube, der richtige Ausdruck dafür wäre "an jenen verhängnisvollen Dienstag" -, und ich fühlte mich grässlich. Ich war so schlecht drauf und pampig, dass Nosmo sagte: "Du gehst besser mal raus, Albertine", und mich aus der Wohnung warf.
Ich begab mich ins Café Babylon in der MacDougal Street. Seit Tagen war es in New York schwül und drückend, und allgemeine Trägheit war die Folge. Draußen waren 35 Grad C, und die Ventilatoren im Café funktionierten nicht richtig. Mein Kaffee blieb unnatürlich heiß, und die Zeit dehnte sich wie zäher Schleim. Ich sah auf und musterte mein Gesicht in dem Spiegel an der Wand. Es war düster und vermittelte den Eindruck eines heraufziehenden Unwetters. Das überraschte mich nicht, hatte ich doch in jenem August das Gefühl, als hätte mein Leben einen endgültigen Tiefpunkt erreicht. Es musste dringend etwas geschehen. Meine Arbeit stank mir, meine Mitbewohner stanken mir, und ich hatte seit hundertsiebenundachtzig Tagen keinen Sex mehr gehabt.
So saß ich also da, triefte vor mich hin, trank Kaffee und bedachte die anderen
... mehr
Gäste wahllos mit finsteren Blicken. Die Hitze hatte ebenso unangenehme Auswirkungen auf den Rest Manhattans. Alles war gereizt und fluchte, die Mordrate hatte sich verdreifacht, und in den Müllsäcken machten sich die Ratten breit, so dass sie sich Ekel erregend bewegten. Die Reichen hatten bereits in weiser Voraussicht die Stadt verlassen und waren an den Strand gefahren. Zurückgeblieben war ein brodelnder Sumpf aus Armen, Verrückten und Exzentrikern. Ich hatte das Gefühl, in alle drei Kategorien zu passen.
Vor allem zu den Exzentrikern. In jenem letzten Jahr hatte ich bemerkt, dass mein Verhalten immer merkwürdiger und absonderlicher wurde, aber ich glaube, es ging nicht nur mir so, ich war lediglich Teil eines nationalen, wenn nicht sogar weltweiten Trends. Schließlich war ich nicht die Einzige, die ziellos in exzentrischem Aufzug durch die Stadt wanderte und nach Erlösung oder zumindest einer göttlichen Offenbarung suchte. In jenem Sommer knallte jeder durch. Ein Mann mit Plakaten auf Brust und Rücken ging am Fenster des Café Babylon vorbei, bohrte in der Nase und redete mit sich selbst. "Das Ende der Welt ist nahe" stand auf der Vorderseite seines Plakats, und "In der Hölle ist es heiß" lautete die informative Schrift auf der Rückseite. Solche TYPEn, die an jeder Straßenecke Reden über Tod und Verdammnis schwangen, waren ein vertrauter Anblick geworden, und die Hitze führte dazu, dass sie sich in den letzten Monaten dieses verfluchten Jahres neunundneunzig vermehrten wie die Fliegen. Gott, wie mich dieser Jahrtausendwechsel anödete. Ich fand die ganze Sache tödlich langweilig, ja fast lähmend. Aber ich glaubte auch fest daran, dass die Welt mit langen Schritten auf ihr Verderben zueilte. Der Plakatträger irrte meiner Ansicht nach nur in einem. Er glaubte, die Apokalypse käme in Form eines kurzen, schmerzhaften Schnitts am Neujahrsabend, aber in Wirklichkeit hatte sie schon längst begonnen, schleichend, und Fäulnis und Verwesung waren allgegenwärtig. Das Leben war bereits die Hölle, und es war definitiv heiß.
Ich musste an Sandwiches denken und bestellte mir den Café Babylon Spezial - geröstete rote Paprika mit geschmolzenem Manchego-Käse auf Weizengrießbrot, dazu Salat der Saison. Umfächelt von den Deckenventilatoren, ließ ich meinen Bauch sich ungeniert in dem Raum zwischen Stuhl und Marmortisch entfalten. Ich sah aus wie eine Schlange, die einen Basketball verschluckt hatte. Ich betrachtete eine Welle meinen Bauch und betastete ihn in typischer Muttermanier, ob irgendwelche Tritte zu spüren waren, dann holte ich als weiteres Requisit mein Buch aus der Tasche. Die Kellnerin, die kaum mehr als einen BH trug, brachte das Essen. Ich bestellte bei ihr ein Bier, ein Rolling Rock.
"Sind Sie sicher, dass Sie nicht lieber unsere selbst gemachte rosa Limonade wollen?". fragte sie und sah dabei zuerst auf die Wölbung unter meinem Empire-Stil-Minikleid, dann zu dem Schild an der Wand, auf dem stand: "Das Gesundheitsministerium warnt: Alkoholgenuss in der Schwangerschaft kann zu Missbildungen des Kindes führen." "Ganz sicher. Bringen Sie mir das Bier", antwortete ich.
Gereizt trotzte ich der glühenden Hitze, wechselte an einen Tisch draußen auf dem Gehsteig und wühlte in meiner Hermés-Imitat-Tasche. Ich fand eine Packung Camel lights, die man inzwischen so selten sah, dass allein schon der Anblick der Schachtel nostalgische Gefühle aufkommen ließ. Da Rauchen in geschlossenen Räumen in der gesamten Neuen Welt, der Heimat des Tabaks, verboten worden war, betrachtete ich es als meine Pflicht, ein Exempel zu statuieren, indem ich bei jeder sich bietenden Gelegenheit so viel wie möglich rauchte. Ich zündete eine Zigarette an und warf einen Blick durch das Fenster, um den angewiderten Gesichtsausdruck der Kellnerin zu beobachten. Zwei vorher recht flippige Frauen am Nachbartisch sahen mich plötzlich mit dem missbilligenden Blick ihrer Mütter an, begannen zu flüstern und musterten meinen Bauch, der in eine Rauchwolke eingehüllt war. Meine Laune besserte sich. Alles lief ganz nach Plan. Das Bier wurde vor mir auf den Tisch geknallt, zusammen mit einem von Lippenstift verschmierten Glas. Ich ignorierte das Glas, trank direkt aus der Flasche und wandte mich wieder meinem Taschenbuch mit dem Titel Die Geburt und dein Baby - Ein praktischer, aber realistischer Ratgeber für werdende Eltern zu. Ich schlug im Index unter Medikamenten und Alkohol nach. Dort hieß es: "Alkohol gelangt in hohen Konzentrationen in den fötalen Blutstrom. Jeden Drink, den eine schwangere Frau zu sich nimmt, teilt sie mit ihrem Baby." Ich grinste und dachte: Warum alleine trinken?
Es war faszinierend, wie ein dicker Bauch in jedem einen scheinheiligen Experten zum Vorschein brachte. Völlig Fremde maßten sich an, mir Ratschläge zu erteilen, mich anzufassen und mir sehr persönliche Fragen zu stellen. Glücklicherweise liebte ich es damals, mich zu einem öffentlichen Ereignis zu machen und mit unzähligen Leuten über das Wunder der Geburt zu diskutieren. Für mich waren Zustimmung und Ablehnung gleichermaßen interessante Reaktionen, und ich speicherte sie alle für eine künftige Verwendung. Ich bestellte noch ein Bier, und die Kellnerin bedachte mich mit einem vernichtenden Blick.
Die Gäste des Cafés waren immer noch dieselben, doch die Sonne stand nun bereits westlich von der MacDougal Street und versteckte sich hinter niedrig hängenden gelblichen Wolken. Obwohl ich damals nie eine Uhr trug - nun ja, es gab keinen Grund, es zu tun -, wusste ich, dass es Zeit zum Gehen war, als die ersten Aktentaschen vorbeizumarschieren begannen. Ich ließ ein ganz aus Nickel und Cent bestehendes Trinkgeld auf dem Tisch zurück, imitierte den schwerfälligen Gang einer nicht mehr ganz jungen Erstgebärenden im Endstadium der Schwangerschaft und wunderte mich wieder einmal über den dinosaurierhaften Klang des Buchtitels. August war ein schlechter Monat für jemanden, der aussah wie ein Zeppelin, und ich spürte, wie mein Blut zu kochen begann. Ich machte Zwischenstation in der koreanischen Reinigung King Kong Wash 'n' Fold, um meine Wäsche abzuholen, und die zusätzliche Ausgabe von fünfzehn Pfund brachte mein Blut noch mehr in Wallung, während ich mich nach Hause schleppte. Auf dem Broadway spürte ich abwechselnd mitfühlende und schuldbewusste Schwingungen von schwitzenden Leuten ausgehen, wenn sie sahen, wie ich mich mit meinen Paketen abkämpfte. Aber leider muss ich zugeben, dass kein einziger New Yorker einer erschöpften, schwangeren Frau seine Hilfe anbot. Selbst die Schnorrer und Bettler hielten sich von mir fern.
Dann schnüffelte etwas an meinen Füßen. Ich spähte um den Bauch-Tüten-Berg herum und entdeckte eine gescheckte Promenadenmischung mit einem niedlichen schwarzen Fleck rings um ein Auge. Neben dem Hund stand ein Mann in den Dreißigern mit einer passenden Augenklappe im Piratenstil. Was ist das denn?, dachte ich. Der Captain-Hook-Fanklub!, oder was? Der Typ war nicht gerade hässlich, aber mit der Augenklappe sah er ziemlich unheimlich aus. Ich hätte ihm besser mehr Aufmerksamkeit geschenkt, denn er sollte später die männliche Hauptrolle in dieser Geschichte spielen. Zugegeben, nicht gerade eine tragende Rolle, aber nichtsdestotrotz eine wichtige.
"Sieht ziemlich schwer aus. Soll ich dir helfen?", fragte der große Unbekannte (was sonst konnte er sein?) und streckte seine Arme aus. Ich erinnere mich noch, wie komischerweise meine Kehle wie zuschnürt war, als er mich mit seinem einen Auge ansah. Er roch auch gut - eher nach frischem Schweiß als nach Rasierwasser. Ich hasse Rasierwasser. Jedenfalls lächelte ich ihn zurückhaltend an und schüttelte den Kopf, um ihn auf Abstand zu halten. Ich hatte Angst, er könne verrückt sein - ich jedenfalls war es damals mit Sicherheit. Es bestand auch die Möglichkeit, dass er ein Perverser war, mit einer Vorliebe für akribisch zusammengelegte Unterwäsche. "Ich schaff das schon. Bin fast da, danke", wehrte ich ab.
Der Mann und sein Hund nahmen die Zurückweisung gelassen hin und stellten sich wieder neben die Straßenlaterne vor dem Haus, in dem ich wohnte - Broadway 666 -, um zu warten. Der Mann zündete sich eine Zigarette an, und der Hund setzte sich auf seine Hinterbeine und ließ die Zunge aus dem Maul hängen. Ein Blick aus drei Augen folgte mir, als ich auf den Öffner an der Panzerglastür drückte. Nachdem ich sicher hineingelangt war, lief ich leichtfüßig mit der Wäschereitüte auf der Schulter in den Fahrstuhl, der mich ratternd in den zehnten Stock beförderte. Die Miete war für eine Wohnung in der Innenstadt erstaunlich niedrig, was bewies, wie abergläubisch die meisten New Yorker insgeheim doch waren. Die Nummer 666 war eigentlich ein Gottesgeschenk, denn jeder konnte sich diese Adresse merken.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Verlag Droemer Knaur
Vor allem zu den Exzentrikern. In jenem letzten Jahr hatte ich bemerkt, dass mein Verhalten immer merkwürdiger und absonderlicher wurde, aber ich glaube, es ging nicht nur mir so, ich war lediglich Teil eines nationalen, wenn nicht sogar weltweiten Trends. Schließlich war ich nicht die Einzige, die ziellos in exzentrischem Aufzug durch die Stadt wanderte und nach Erlösung oder zumindest einer göttlichen Offenbarung suchte. In jenem Sommer knallte jeder durch. Ein Mann mit Plakaten auf Brust und Rücken ging am Fenster des Café Babylon vorbei, bohrte in der Nase und redete mit sich selbst. "Das Ende der Welt ist nahe" stand auf der Vorderseite seines Plakats, und "In der Hölle ist es heiß" lautete die informative Schrift auf der Rückseite. Solche TYPEn, die an jeder Straßenecke Reden über Tod und Verdammnis schwangen, waren ein vertrauter Anblick geworden, und die Hitze führte dazu, dass sie sich in den letzten Monaten dieses verfluchten Jahres neunundneunzig vermehrten wie die Fliegen. Gott, wie mich dieser Jahrtausendwechsel anödete. Ich fand die ganze Sache tödlich langweilig, ja fast lähmend. Aber ich glaubte auch fest daran, dass die Welt mit langen Schritten auf ihr Verderben zueilte. Der Plakatträger irrte meiner Ansicht nach nur in einem. Er glaubte, die Apokalypse käme in Form eines kurzen, schmerzhaften Schnitts am Neujahrsabend, aber in Wirklichkeit hatte sie schon längst begonnen, schleichend, und Fäulnis und Verwesung waren allgegenwärtig. Das Leben war bereits die Hölle, und es war definitiv heiß.
Ich musste an Sandwiches denken und bestellte mir den Café Babylon Spezial - geröstete rote Paprika mit geschmolzenem Manchego-Käse auf Weizengrießbrot, dazu Salat der Saison. Umfächelt von den Deckenventilatoren, ließ ich meinen Bauch sich ungeniert in dem Raum zwischen Stuhl und Marmortisch entfalten. Ich sah aus wie eine Schlange, die einen Basketball verschluckt hatte. Ich betrachtete eine Welle meinen Bauch und betastete ihn in typischer Muttermanier, ob irgendwelche Tritte zu spüren waren, dann holte ich als weiteres Requisit mein Buch aus der Tasche. Die Kellnerin, die kaum mehr als einen BH trug, brachte das Essen. Ich bestellte bei ihr ein Bier, ein Rolling Rock.
"Sind Sie sicher, dass Sie nicht lieber unsere selbst gemachte rosa Limonade wollen?". fragte sie und sah dabei zuerst auf die Wölbung unter meinem Empire-Stil-Minikleid, dann zu dem Schild an der Wand, auf dem stand: "Das Gesundheitsministerium warnt: Alkoholgenuss in der Schwangerschaft kann zu Missbildungen des Kindes führen." "Ganz sicher. Bringen Sie mir das Bier", antwortete ich.
Gereizt trotzte ich der glühenden Hitze, wechselte an einen Tisch draußen auf dem Gehsteig und wühlte in meiner Hermés-Imitat-Tasche. Ich fand eine Packung Camel lights, die man inzwischen so selten sah, dass allein schon der Anblick der Schachtel nostalgische Gefühle aufkommen ließ. Da Rauchen in geschlossenen Räumen in der gesamten Neuen Welt, der Heimat des Tabaks, verboten worden war, betrachtete ich es als meine Pflicht, ein Exempel zu statuieren, indem ich bei jeder sich bietenden Gelegenheit so viel wie möglich rauchte. Ich zündete eine Zigarette an und warf einen Blick durch das Fenster, um den angewiderten Gesichtsausdruck der Kellnerin zu beobachten. Zwei vorher recht flippige Frauen am Nachbartisch sahen mich plötzlich mit dem missbilligenden Blick ihrer Mütter an, begannen zu flüstern und musterten meinen Bauch, der in eine Rauchwolke eingehüllt war. Meine Laune besserte sich. Alles lief ganz nach Plan. Das Bier wurde vor mir auf den Tisch geknallt, zusammen mit einem von Lippenstift verschmierten Glas. Ich ignorierte das Glas, trank direkt aus der Flasche und wandte mich wieder meinem Taschenbuch mit dem Titel Die Geburt und dein Baby - Ein praktischer, aber realistischer Ratgeber für werdende Eltern zu. Ich schlug im Index unter Medikamenten und Alkohol nach. Dort hieß es: "Alkohol gelangt in hohen Konzentrationen in den fötalen Blutstrom. Jeden Drink, den eine schwangere Frau zu sich nimmt, teilt sie mit ihrem Baby." Ich grinste und dachte: Warum alleine trinken?
Es war faszinierend, wie ein dicker Bauch in jedem einen scheinheiligen Experten zum Vorschein brachte. Völlig Fremde maßten sich an, mir Ratschläge zu erteilen, mich anzufassen und mir sehr persönliche Fragen zu stellen. Glücklicherweise liebte ich es damals, mich zu einem öffentlichen Ereignis zu machen und mit unzähligen Leuten über das Wunder der Geburt zu diskutieren. Für mich waren Zustimmung und Ablehnung gleichermaßen interessante Reaktionen, und ich speicherte sie alle für eine künftige Verwendung. Ich bestellte noch ein Bier, und die Kellnerin bedachte mich mit einem vernichtenden Blick.
Die Gäste des Cafés waren immer noch dieselben, doch die Sonne stand nun bereits westlich von der MacDougal Street und versteckte sich hinter niedrig hängenden gelblichen Wolken. Obwohl ich damals nie eine Uhr trug - nun ja, es gab keinen Grund, es zu tun -, wusste ich, dass es Zeit zum Gehen war, als die ersten Aktentaschen vorbeizumarschieren begannen. Ich ließ ein ganz aus Nickel und Cent bestehendes Trinkgeld auf dem Tisch zurück, imitierte den schwerfälligen Gang einer nicht mehr ganz jungen Erstgebärenden im Endstadium der Schwangerschaft und wunderte mich wieder einmal über den dinosaurierhaften Klang des Buchtitels. August war ein schlechter Monat für jemanden, der aussah wie ein Zeppelin, und ich spürte, wie mein Blut zu kochen begann. Ich machte Zwischenstation in der koreanischen Reinigung King Kong Wash 'n' Fold, um meine Wäsche abzuholen, und die zusätzliche Ausgabe von fünfzehn Pfund brachte mein Blut noch mehr in Wallung, während ich mich nach Hause schleppte. Auf dem Broadway spürte ich abwechselnd mitfühlende und schuldbewusste Schwingungen von schwitzenden Leuten ausgehen, wenn sie sahen, wie ich mich mit meinen Paketen abkämpfte. Aber leider muss ich zugeben, dass kein einziger New Yorker einer erschöpften, schwangeren Frau seine Hilfe anbot. Selbst die Schnorrer und Bettler hielten sich von mir fern.
Dann schnüffelte etwas an meinen Füßen. Ich spähte um den Bauch-Tüten-Berg herum und entdeckte eine gescheckte Promenadenmischung mit einem niedlichen schwarzen Fleck rings um ein Auge. Neben dem Hund stand ein Mann in den Dreißigern mit einer passenden Augenklappe im Piratenstil. Was ist das denn?, dachte ich. Der Captain-Hook-Fanklub!, oder was? Der Typ war nicht gerade hässlich, aber mit der Augenklappe sah er ziemlich unheimlich aus. Ich hätte ihm besser mehr Aufmerksamkeit geschenkt, denn er sollte später die männliche Hauptrolle in dieser Geschichte spielen. Zugegeben, nicht gerade eine tragende Rolle, aber nichtsdestotrotz eine wichtige.
"Sieht ziemlich schwer aus. Soll ich dir helfen?", fragte der große Unbekannte (was sonst konnte er sein?) und streckte seine Arme aus. Ich erinnere mich noch, wie komischerweise meine Kehle wie zuschnürt war, als er mich mit seinem einen Auge ansah. Er roch auch gut - eher nach frischem Schweiß als nach Rasierwasser. Ich hasse Rasierwasser. Jedenfalls lächelte ich ihn zurückhaltend an und schüttelte den Kopf, um ihn auf Abstand zu halten. Ich hatte Angst, er könne verrückt sein - ich jedenfalls war es damals mit Sicherheit. Es bestand auch die Möglichkeit, dass er ein Perverser war, mit einer Vorliebe für akribisch zusammengelegte Unterwäsche. "Ich schaff das schon. Bin fast da, danke", wehrte ich ab.
Der Mann und sein Hund nahmen die Zurückweisung gelassen hin und stellten sich wieder neben die Straßenlaterne vor dem Haus, in dem ich wohnte - Broadway 666 -, um zu warten. Der Mann zündete sich eine Zigarette an, und der Hund setzte sich auf seine Hinterbeine und ließ die Zunge aus dem Maul hängen. Ein Blick aus drei Augen folgte mir, als ich auf den Öffner an der Panzerglastür drückte. Nachdem ich sicher hineingelangt war, lief ich leichtfüßig mit der Wäschereitüte auf der Schulter in den Fahrstuhl, der mich ratternd in den zehnten Stock beförderte. Die Miete war für eine Wohnung in der Innenstadt erstaunlich niedrig, was bewies, wie abergläubisch die meisten New Yorker insgeheim doch waren. Die Nummer 666 war eigentlich ein Gottesgeschenk, denn jeder konnte sich diese Adresse merken.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Verlag Droemer Knaur
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Bibliographische Angaben
- Autor: Kate Muir
- 2000, 352 Seiten, Maße: 14 x 21,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: DROEMER KNAUR
- ISBN-10: 3426195054
- ISBN-13: 9783426195055
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