Staub / Kay Scarpetta Bd.13
Kay Scarpetta kehrt nach Richmond, Virginia, zurück - fünf Jahre, nachdem sie dort als Gerichtsmedizinerin entlassen wurde. Doch die Begegnung mit ihrem alten Leben steht unter keinem guten Stern. Ihr Nachfolger bittet um Mithilfe bei einem mysteriösen...
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Kay Scarpetta kehrt nach Richmond, Virginia, zurück - fünf Jahre, nachdem sie dort als Gerichtsmedizinerin entlassen wurde. Doch die Begegnung mit ihrem alten Leben steht unter keinem guten Stern. Ihr Nachfolger bittet um Mithilfe bei einem mysteriösen Fall: Ein vierzehnjähriges Mädchen ist ohne erkennbare Todesursache gestorben. Als Scarpetta die Leiche obduziert, entdeckt sie alarmierende Spuren - und eine Fährte, die schließlich in ihre eigene Vergangenheit führt.
Patricia Cornwell, geboren 1956 in Miami, arbeitete als Polizeireporterin und bei der Gerichtsmedizin, bevor sie mit ihren Kay-Scarpetta-Romanen berühmt wurde. Ihre Bücher wurden mit allen renommierten Krimipreisen ausgezeichnet und erobern regelmäßig die Bestsellerlisten.
"Patricia Cornwell versetzt uns mit ihrer Kultfigur Kay Scarpetta in Entsetzen und hypnotische Spannung." -- Cosmopolitan
"Es ist diese ungemein scharfsinnige, gut dosierte Mischung aus detaillierter Arbeitsplatzbeschreibung und einem kriminellen Geschehen, das zwar langsam erst, dann aber ordentlich und in Bann ziehend in Schwung kommt und für eine lange Lesenacht sorgt, die erst auf der letzten Seite endet." -- Neue Osnabrücker Zeitung
Staubvon Patricia Cornwell
LESEPROBE
Die gelben Bulldozer und Bagger legen einenalten Gebäudekomplex, der mehr Tote gesehen hat als die meisten Schlachtfelderder Moderne, in Schutt und Asche. Kay Scarpettabremst ihren gemieteten Geländewagen ab, bis er fast steht. Erschüttertbetrachtet sie das Werk der Zerstörung und sieht zu, wie die senffarbenenBaumaschinen ihre Vergangenheit zu Staub verfallen lassen.
Jemand hätte es mir sagen sollen, sagtsie.
Eigentlich wollte sie an diesem grauenDezembermorgen nur ganz unschuldig in Erinnerungen schwelgen und an ihrer altenArbeitsstätte vorbeifahren. Sie ahnt nicht, dass das Haus gerade abgerissenwird. Das hätte ihr wirklich jemand erzählen können. Einfach nur derHöflichkeit halber hätte man es erwähnen müssen: »Ach, übrigens, das Gebäude,in dem du gearbeitet hast, als du noch jung und voller Hoffnungen und Träumewarst und an die Liebe geglaubt hast, das alte Gebäude, das du immer noch vermisstund für das du so viel empfindest, wird gerade abgerissen.«
Ein Bulldozer stürmt mitangriffslustig gereckter Schaufel voran. Seine lautstarke, maschinengetriebeneZerstörungswut scheint eine Warnung, ein Alarmsignal zu sein. Ich hätte besserhinhören sollen, denkt sie, während sie den rissigen, zerborstenen Betonbetrachtet. Der Fassade ihrer alten Wirkungsstätte fehlt schon das halbe Gesicht.Sie wäre gut beraten gewesen, auf ihre Gefühle zu hören, als man sie gebetenhat, nach Richmond zurückzukehren.
»Ich habe einen Fall, bei dem Sie mirvielleicht helfen können«, meinte Dr. Joel Marcus, der derzeitige Chefpathologedes Staates Virginia, der Mann also, der ScarpettasPlatz eingenommen hat. Erst gestern Nachmittag hat er sie angerufen.
»Natürlich, Dr. Marcus«, sprach sieins Telefon, während sie in der Küche ihres Hauses in Südflorida auf und abging. »Was kann ich für Sie tun?«
»Eine Vierzehnjährige wurde tot inihrem Bett aufgefunden. Das war vor zwei Wochen um die Mittagszeit. Sie warkrank, hatte die Grippe.«
Scarpetta hätte ihn fragen sollen, warum er sie angerufen hat.
Warum ausgerechnet sie? Aber sie hatihre Gefühle ignoriert.
»Also war sie nicht in der Schule?«, erkundigte sie sich. »Genau.«
»War sie allein?«Den Hörer unters Kinn geklemmt, rührte sie in einer Mischung aus Bourbon, Honig und Olivenöl herum. »Ja.«
»Wer hat sie gefunden, und was ist dieTodesursache?« Sie goss die Marinade in einenGefrierbeutel aus Plastik, in dem sich ein mageres Sirloin-Steakbefand.
»Ihre Mutter. Die Todesursache stehtnoch nicht fest«, erwiderte er. »Nichts Verdächtiges, nur dass sie, wenn mandanach geht, was wir gefunden oder besser nicht gefunden haben, eigentlichnoch leben müsste.«
Scarpetta legte den Plastikbeutel mit dem Fleisch und der Marinadein den Kühlschrank, zog die Kartoffelschublade auf und schloss sie wieder, weilsie es sich anders überlegt und beschlossen hatte, keine Kartoffeln zu kochen,sondern lieber Vollkornbrot zu backen. Sie konnte nicht still stehen,geschweige denn sitzen, war nervös und tat alles, um sich das nicht anmerkenzu lassen. Warum rief er ausgerechnet sie an? Sie hätte ihn danach fragensollen.
»Wer wohnt noch in ihrem Haushalt?«, erkundigte sich Scarpetta.
»Ich würde die Einzelheiten lieberpersönlich mit Ihnen besprechen«, erwiderte Dr. Marcus. »Der Fall ist rechtheikel.«
Beinahe hätte Scarpettaerwidert, dass sie gerade im Begriff sei, zu einem zweiwöchigen Urlaub nach Aspen in Colorado aufzubrechen, aber sie bekam die Wortenicht heraus, weil sie nicht mehr stimmten. Obwohl sie es schon seit Monatengeplant hatte, würde sie nicht nach Aspen fahren. DieReise war abgesagt. Sie brachte es nicht über sich zu lügen, verschanzte sichstattdessen hinter ihrem Beruf und flüchtete sich in die Ausrede, sie könnenicht nach Richmond kommen, weil sie gerade mitten ineinem schwierigen Fall stecke, einem komplizierten Fall, Tod durch Erhängen,die Familie des Toten weigere sich, an Selbstmord zu glauben.
»Was ist bei Erhängen denn das Problem?«, fragte Dr. Marcus. »Rassistischer Hintergrund?«
»Er ist auf einen Baum gestiegen, hatsich ein Seil um den Hals gelegt und die Hände mit Handschellen auf dem Rückengefesselt, für den Fall, dass er es sich doch noch anders überlegen könnte«,entgegnete sie und öffnete eine Schranktür in ihrer hellen, freundlichwirkenden Küche. »Als er vom Ast gestiegen und gefallen ist, ist sein zweiterHalswirbel gebrochen. Das Seil hat ihm die Kopfhaut zurückgeschoben, sodass esaussah, als runzle er die Stirn und litte Schmerzen. Und jetzt versuchen Siemal, das und die Handschellen seiner Familie in Mississippi zu erklären, undzwar im allertiefsten Mississippi, wo Army-Klamotten normal sind und schwuleMänner nicht.«
»Ich war noch nie in Mississippi«,antwortete Dr. Marcus gleichgültig, als wollte er damit ausdrücken, dass ihnweder der Erhängte noch sonst irgendeine Tragödie, die keine direkten Auswirkungenauf sein Leben hatte, interessierte.
»Ich würde Ihnen ja gern helfen«,meinte Scarpetta, während sie eine nochunangebrochene Flasche naturtrübes Olivenöl öffnete, obwohl das nicht unbedingtjetzt hätte sein müssen. »Aber es ist vermutlich keine gute Idee, wenn ich michin einen Ihrer Fälle einmische.«
Sie war wütend, gestand es sich abernicht ein, als sie in ihrer großen, gut ausgestatteten Küche mit den Gerätenaus Edelstahl, den Arbeitsflächen aus poliertem Granit und den großen, hellenFenstern, die einen Blick auf den Intracoastal Waterway boten, umherging. Sie ärgerte sich wegen Aspen, wollte es sich jedoch nicht eingestehen. Und obwohlsie wütend war, wollte sie Dr. Marcus nicht durch einen Wink mit dem Zaunpfahldarauf hinweisen, dass er nun die Vorzüge ebendesPostens genoss, den man ihr weggenommen hatte. Das war auch der Grund, warumsie Virginia verlassen hatte, und sie hatte eigentlich nicht vor, je dorthinzurückzukehren. Aber sein langes Schweigen ließ ihr keine Wahl, als weiterzusprechen und ihm zu erklären, dass sie nicht inaller Freundschaft aus Richmond fortgegangensei, was er doch sicher wisse.
»Kay, das ist doch schon lange her«,erwiderte er. Sie hatte sich für die professionelle und respektvolle Anrede Dr.Marcus entschieden, und nun nannte er sie einfach Kay. Es erschreckte sieselbst, dass sie das als beleidigend empfand. Aber dann sagte sie sich, dass ernur eine freundschaftliche und persönliche Atmosphäre schaffen wollte, währendsie überempfindlich und übertrieben reagierte. Sie fragte sich, ob sie nurneidisch auf ihn war und sich wünschte, dass er scheiterte, und schalt sich imnächsten Moment wegen ihrer eigenen Kleinlichkeit. Es war doch nurverständlich, dass er sie Kay und nicht Dr. Scarpettanannte, hielt sie sich vor Augen, obwohl ihr Gefühl das Gegenteil sagte.
»Wir haben inzwischen eine andereGouverneurin«, fuhr er fort. »Vermutlich weiß sie gar nicht, wer Sie sind.«
Nun deutete er an, Scarpettasei so unwichtig und unbedeutend, dass sie der Gouverneurin sicherlich keinBegriff wäre. Dr. Marcus hatte sie schon wieder beleidigt. Unsinn, rief siesich sofort zur Ordnung.
»Bei unserer neuen Gouverneurin drehtsich alles um unser augenblickliches Haushaltsdefizit und um die vielenpotenziellen terroristischen Angriffsziele, die wir hier in Virginia bieten ...«
Scarpetta konnte sich selbst ihre negative Haltung gegenüberihrem Nachfolger nicht verzeihen. Schließlich bat er sie nur um Hilfe in einemschwierigen Fall. Warum hätte er sich nicht an sie wenden sollen? Schließlichkam es nicht selten vor, dass Manager, die von einem Großkonzern gefeuertwurden, später als Experten und Berater gefragt waren. Außerdem würde sie ja,wie sie sich vor Augen hielt, ohnehin nicht nach Aspenfahren.
»... Atomkraftwerke, unzähligeMilitärstützpunkte, die FBIAkademie, ein nichtunbedingt geheimes CIA-Ausbildungslager, die Bundesbank. Also werden Sie keineProbleme mit der Gouverneurin kriegen, Kay. Dazu ist sie viel zu ehrgeizig.Außerdem steht sie mit einem Bein eigentlich schon in Washington und kümmertsich nicht darum, was sich in meinem Büro tut«, fuhr Dr. Marcus in seinemweichen Südstaatenakzent fort und versuchte Scarpettadie Befürchtung auszureden, dass es Kontroversen auslösen oder Aufmerksamkeiterregen könnte, wenn sie, fünf Jahre nachdem sie aus der Stadt gejagt wordenwar, wieder hier einzog. Allerdings überzeugte er sie nicht wirklich, weil ihreGedanken nun in Aspen und bei Bentonwaren. Benton war dort oben in Colorado, und siesteckte hier in Florida, allein. Deshalb hatte sie nun plötzlich auch jedeMenge Zeit totzuschlagen und konnte genauso gut auch einen neuen Fall annehmen.
Scarpetta biegt langsam um die Ecke des Häuserblocks, der ineiner Phase, die ihr inzwischen endgültig abgeschlossen erscheint, ihrLebensmittelpunkt gewesen ist. Staubwolken steigen auf, als Maschinen sich wieriesige gelbe Insekten auf den Kadaver ihres früheren Arbeitsplatzes stürzen.Metallklingen und Schaufeln klappern und wummern gegen Beton und Erdreich.Lastwagen und Maschinen, die Erde bewegen, rollen und rucken hin und her.Reifen zermalmen und Stahlgürtel zerren.
»Tja«, sagt Scarpetta.»Ich bin froh über die Gelegenheit, das sehen zu können. Aber trotzdem hätte esmir jemand erzählen sollen.«
Pete Marino, ihr Beifahrer, beobachtetschweigend, wie das gedrungene, schäbige Gebäude am Rand des Bankenviertelsabgerissen wird.
»Und ich freue mich, dass du es auchsiehst, Captain«, fügt sie hinzu, obwohl er gar kein Captain mehr ist. Wenn sie ihn Captainnennt, was nicht oft passiert, will sie besonders nett zu ihm sein.
»Genau, was der Arzt mir verschriebenhat«, murmelt er in dem sarkastischen Tonfall, der in seinen meisten Äußerungenmitschwingt wie das Schlüssel-C auf dem Klavier. »Unddu hast Recht. Jemand hätte es dir erzählen sollen, und dieser Jemand ist derschwanzlose Kerl, der jetzt auf deinem Stuhl sitzt.
© Goldmann Verlag
Übersetzung: Karin Dufner
Autoren-Porträt von Patricia Cornwell
"Werde Teil dessen, was Du erschaffst. Versuche nicht, eszu kontrollieren. Lass zu, dass die Dinge Dir etwas beibringen, anstatt sieimmer nur selbst zu lenken. Das ist meine Philosophie als Autorin. Ich habeschon vor langer Zeit festgestellt, dass man über sich selbst hinaus wächst,wenn man loslassen kann."
Patricia Cornwell wurde 1956 inMiami, Florida, als mittleres von drei Kindern geboren. Sie war gerade fünfJahre alt, als sich ihre Eltern trennten und sie mit ihrer Mutter und ihrenGeschwistern nach North Carolina zog. Auf dem College, wo sie bereits für dieSchülerzeitung schrieb, lernte sie ihren späteren Ehemann, Dr. Charles Cornwell, kennen. Nach ihrem Abschluss arbeitete Patricia Cornwell als Journalistin für die Tageszeitung CharlotteObserver. Parallel dazu begann sie, Kriminalgeschichten zu schreiben, undwar zudem als Computerspezialistin in der forensischen Medizin tätig. Ihreersten Romane, die während dieser Zeit entstanden, schickte sie erfolglos anzahlreiche Verlagshäuser. Der entscheidende Hinweis, der ihr später zumDurchbruch als Autorin verhalf, kam von Sara Ann Freed.Die Mitarbeiterin eines Verlages, an den Cornwell ihrManuskript geschickt hatte, riet ihr, die Pathologin Dr. Kay Scarpetta als zentrale Figur auszubauen und deren Arbeit inden Vordergrund zu stellen. Diesen Ratschlag befolgend, gelang es Cornwell 1990, ihren ersten Kriminalroman "Postmortem" zu veröffentlichen, für den sie im selben Jahrvöllig unerwartet gleich mit mehreren nationalen und internationalen Preisenausgezeichnet wurde. Seitdem gehört Patricia Cornwellzu den erfolgreichsten Autorinnen dieses Genres.
Neben ihrer Tätigkeit als Autorin setzt sich Cornwell auch für den schriftstellerischen Nachwuchs einund unterstützt besonders begabte Studenten mit einem Stipendium. 1999 war sieaußerdem Mitbegründerin des Virginia Institute of ForensicScience and Medicine, einer Einrichtung, in derPathologen und Wissenschaftler ausgebildet werden.
- Autor: Patricia Cornwell
- 2007, 476 Seiten, Maße: 11,5 x 18,3 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Dufner, Karin
- Übersetzer: Karin Dufner
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442454379
- ISBN-13: 9783442454372
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