Kuss mit lustig / Stephanie Plum Bd.14
Ein Stephanie-Plum-Roman
Bei Stephanie Plum ist wieder mal die Hölle los: Sie soll Babysitter für den Sohn einer Klientin spielen, doch der entpuppt sich als hyperaktiver Teenager. Als würde das nicht reichen, muss sie noch eine Popdiva beschützen und sich um einen Stalker kümmern.
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Produktinformationen zu „Kuss mit lustig / Stephanie Plum Bd.14 “
Bei Stephanie Plum ist wieder mal die Hölle los: Sie soll Babysitter für den Sohn einer Klientin spielen, doch der entpuppt sich als hyperaktiver Teenager. Als würde das nicht reichen, muss sie noch eine Popdiva beschützen und sich um einen Stalker kümmern.
Klappentext zu „Kuss mit lustig / Stephanie Plum Bd.14 “
Stephanie Plum soll für den Sohn einer Klientin den Babysitter spielen. Doch der "Kleine" entpuppt sich als Spraydosen schwingender Teenager. Grandma Mazur ist begeistert, aber da ist sie die Einzige. Wo steckt seine Mutter Loretta, deren Bruder an allem schuld ist? Seit er aus der Haft entlassen wurde, sind einige Leute hinter dem Ex-Bankräuber her. Und als wäre das nicht schon Chaos genug, muss Stephanie auch noch eine Popdiva beschützen, sich um einen Stalker mit Visionen kümmern und um ihre Kollegin Lula, die ihre Hochzeitspläne ohne den Bräutigam gemacht hat.
Lese-Probe zu „Kuss mit lustig / Stephanie Plum Bd.14 “
Kuss mit lustig von Janet Evanovich1
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In meiner Küche gibt es immer einen Vorrat an Crackern und Käse, an Brathühnchen und frischen Landeiern, und immer stehen Kaffeebohnen zum Mahlen bereit. So weit der fromme Wunsch. Die Wirklichkeit sieht anders aus. In der Teddybärchen-Plätzchendose bewahre ich meine Smith & Wesson auf, im Mikrowellenherd meine Oreo-Kekse, im Regal über dem Küchentresen stehen ein Glas Erdnussbutter und das Hamsterfutter, im Kühlschrank Bier und Oliven. Für den Notfall habe ich sonst immer noch eine Geburtstagstorte in derTiefkühltruhe, aber auch von der ist nichts mehr da.
Ich wäre liebend gerne eine richtige Haushaltsfee. Ehrlich! Doch von der Geburtstagstorte würde so oder so nie etwas übrig bleiben. Ich meine, zum Essen kauft man sie schließlich! Nur: Was weg ist, ist weg, und ohne Kuchen-Notration steht man manchmal ganz blöd da. Das Gleiche gilt für die Cracker, den Käse, die Eier und die Brathühnchen, die von meiner Mutter waren. Kaffeebohnen im Regal, das ist auch schon eine Ewigkeit her. Ich besitze ja nicht einmal eine Kaffeemühle. Natürlich könnte ich zwei Geburtstagstorten auf einmal kaufen, aber ich befürchte, dass ich sie dann auch beide auf einmal essen würde.
Ich heiße Stephanie Plum, und zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass auch Brot und Milch auf meinem Einkaufszettel stehen und dass ich keine ansteckenden Krankheiten habe. Ich bin ziemlich genau 1,70 Meter groß. Mein Haar ist brünett, schulterlang und gelockt. Meine Augen sind blau. Meine Zähne regelmäßig. Meine Maniküre war vor drei Tagen noch einigermaßen top, und meine Figur ist o.k. Ich arbeite als Kautionsdetektivin für meinen Vetter Vinnie, und als ich heute in Loretta Rizzis Küche stand, stellte ich fest: Erstens hat mich Loretta beim Wettbewerb um die renovierungsbedürftigste Küche um Längen geschlagen. Und zweitens bin ich gegen sie im Club der tickenden Zeitbomben eine Karteileiche.
Es war acht Uhr morgens. Loretta trug ein knöchellanges rosa Nachthemd und hielt sich eine Pistole an die Schläfe.
»Ich erschieße mich«, drohte sie. »Dir kann das ja wurscht sein, du kriegst dein Geld so oder so, ob ich tot bin oder lebendig.«
»Theoretisch ja«, sagte ich. »Aber bei Toten gibt es immer Stress. Allein der ganze Papierkram!«
Viele Leute, für die Vinnie die Kaution stellt, kommen aus Chambersburg, dem Viertel in Trenton, New Jersey, in dem ich wohne. Loretta Rizzi gehörte auch dazu. Mit Loretta bin ich zusammen zur Schule gegangen. Sie ist ein Jahr älter als ich, aber sie verließ die Highschool vor der letzten Klasse, weil sie schwanger war. Jetzt sollte ihr der Prozess wegen bewaffneten Raubüberfalls gemacht werden, und sie war drauf und dran, sich das Gehirn aus dem Schädel zu pusten.
Vinnie hatte eine Kaution für sie hinterlegt, aber Loretta war anschließend nicht zu ihrem Termin vor Gericht erschienen, deswegen wurde ich losgeschickt, um sie ins Gericht zu schleifen. Zum Glück erwischte ich sie gerade in einem unpassenden Moment und verhinderte so ihren Selbstmord.
»Ich wollte nur was zu trinken«, sagte Loretta.
»Na gut, die meisten Leute gehen dafür in eine Kneipe. Du hast gleich einen Spirituosenladen überfallen.«
»Ich hatte kein Geld, es war heiß, und ich brauchte unbedingt einen Tom Collins. «Eine Träne rollte ihr über die Wange. »In letzter Zeit habe ich immer so einen Durst.«
Loretta ist einen halben Kopf kleiner als ich. Sie hat schwarze Locken und eine kräftige Figur. Ihre Muckis holt sie sich beim Servierbrettstemmen auf Feuerwehrfesten. Seit der Schule hat sie sich kaum verändert. Ein paar Krähenfüße um die Augen, ein strengerer Zug um den Mund, das ist auch schon alles. Sie ist italienischer Abstammung und mit halb Burg verwandt, einschließlich Joe Morelli, meiner offenen Zweierbeziehung.
»Es ist deine erste Straftat, und du hast niemanden getötet. Wahrscheinlich kommst du vor Gericht mit einem blauen Auge davon«, beruhigte ich Loretta.
»Ich hatte meine Tage«, sagte sie. »Ich konnte nicht mehr klar denken.«
Loretta wohnt zur Miete in einem Reihenhaus am Rand von Burg. Zwei Schlafzimmer, ein Bad, eine blank geputzte Puppenstubenküche und ein Wohnzimmer, vollgestellt mit Möbeln vom Sperrmüll. Gar nicht so einfach, als alleinstehende Mutter ohne Schulabschluss über die Runden zu kommen.
Die Hintertür sprang auf, und meine Assistentin Lula steckte den Kopf durch den Spalt. »Was ist los? Ich habe keinen Bock mehr, draußen im Auto zu warten. Hast du nicht gesagt, du willst die Frau nur schnell eben festnehmen, und danach gäbe es Frühstück?« Lula ist eine ehemalige Prostituierte, jetzt macht sie bei uns die Büroablage und ist außerdem meine Chauffeurin. Lula ist schwarz, trägt XXL und quetscht sich gerne in hautenge Klamotten. Ihr Lieblingsteil sind Leggings aus Elastan mit Tigerfellmuster. Die Natur hat Lula reich beschenkt.
»Loretta hat gerade eine Morgenkrise«, sagte ich.
Lula musterte Loretta. »Das sehe ich selbst. Sie hat ja noch ihr Nachthemd an.«
»Fällt dir sonst noch was auf?«, fragte ich Lula.
»Meinst du ihren Smith & Wesson-Lockenwickler?« »Ich will nicht ins Gefängnis«, jammerte Loretta.
»So schlimm ist das gar nicht«, tröstete Lula sie. »Wenn du ins Zuchthaus kommst, hast du sogar zahnärztliche Versorgung gratis.«
»Ich bin eine Schande für diese Welt«, sagte Loretta.
Lula verlagerte ihr Gewicht von einem Manolo-Superhighheel auf den anderen. »Wenn du abdrückst, wird aus der Schande ein Schandfleck. Und wer soll die Schweinerei in deiner Küche wieder wegmachen? Außerdem hast du dann ein Loch im Kopf, und deine Mutter kann dich nicht im offenen Sarg aufbahren.«
»Ich habe eine Lebensversicherung abgeschlossen«, sagte Loretta. »Wenn ich mich umbringe, kriegt mein Sohn Mario das Geld. Das reicht aus, bis er selbst Arbeit gefunden hat. Aber wenn ich ins Gefängnis komme, steht er alleine da und ohne Geld.«
»Lebensversicherungen zahlen nicht bei Selbstmord«, sagte Lula.
»Oh Scheiße! Ist das wahr?«, wollte Loretta von mir wissen.
»Ja. Aber ich verstehe sowieso nicht, warum du dir Sorgen machst. Du hast so eine große Familie, da wird sich schon jemand finden, der sich um Mario kümmert.«
»Alles nicht so einfach. Meine Mutter ist in der Reha-Klinik, nach dem Schlaganfall. Die kann ihn nicht zu sich holen. Und mein Bruder Dom kann ihn auch nicht aufnehmen. Der ist vor drei Tagen aus dem Gefängnis entlassen worden, auf Bewährung.«
»Was ist mit deiner Schwester?«
»Die hat ihre eigenen Kinder am Hals. Ihr Mann ist ein Stück Scheiße, er hat sie wegen einer vorpubertären Erotiktänzerin verlassen.«
»Irgendein Babysitter wird sich doch finden«, sagte Lula.
»Alle haben genug mit sich selbst zu tun. Und ich will ja Mario auch nicht einfach irgendwem überlassen. Er ist sehr sensibel... und künstlerisch veranlagt.«
Ich zählte die Jahre zurück, ihr Sohn war wahrscheinlich gerade Teenager geworden. Loretta hatte nie geheiratet, und wenn ich mich recht erinnere, hat sie den Vater auch nie verraten.
»Du könntest ihn doch zu dir nehmen«, sagte Loretta zu mir.
»Was? Ich? Nein. Niemals. Auf keinen Fall. Kommt nicht in Frage.«
»Nur so lange, bis ich auf Kaution wieder raus bin.« »Wenn du jetzt gleich mitkommst zum Gericht, kann Vinnie deine Kaution sofort bezahlen.«
»Ja, gut, aber wenn irgendwas schiefgeht, muss jemand Mario von der Schule abholen.«
»Was sollte denn schiefgehen?«
»Was weiß ich. Eine Mutter macht sich eben immer Sorgen. Versprich mir, dass du ihn abholst, wenn ich bis dahin noch nicht wieder entlassen sein sollte. Er kommt um halb drei aus der Schule.«
»Keine Angst, sie macht das schon«, sagte Lula zu Loretta. »Und jetzt legen Sie brav die Waffe beiseite und ziehen sich was an, damit wir das hier hinter uns bringen können. Ich brauche unbedingt einen Kaffee. Und so ein schönes, fetttriefendes Speck-Eier-Frühstückssandwich. Ich muss ordentlich meine Arterien verstopfen, weil sonst zirkuliert mein Blut zu schnell, und davon wird mir schwindlig.«
Lula rekelte sich auf dem Kunstledersofa, das an die Wand des Kautionsbüros gequetscht war, und Connie Rosolli, Vinnies Büroleiterin, saß wie immer an ihrem Schreibtisch. Connie und ihr Schreibtisch waren strategisch so platziert, dass sie eine Sperre zuVinnies abgeschlossenem Privatgemach bildeten. Sie sollten Zuhälter, Zocker und sonstige zwielichtige Gestalten, die was von Vinnie wollten, daran hindern, gleich bis in sein Büro durchzumarschieren und ihn zu erwürgen.
»Sie ist noch nicht wieder auf freiem Fuß?«, fragte ich Connie. »Was soll das heißen?« Meine Stimme schraubte sich eine Oktave höher, wie man es sonst nur von Minnie Mouse kennt.
»Sie hat kein Geld, um die Kaution abzusichern. Und auch keine anderen Vermögenswerte.«
»Das gibt es doch gar nicht. Jeder Mensch hat Vermögenswerte. Was ist mit ihrer Mutter? Ihrem Bruder? Sie hat im Umkreis von zehn Kilometern Hunderte Vettern und Kusinen.«
»Sie ist schon dabei herumzufragen. Aber im Moment hat sie nichts zu bieten. Nada. Also wartet Vinnie erst noch mal ab.«
»Es ist fast halb zwei«, stellte Lula fest. »Du musst dich langsam auf die Socken machen, Lorettas Jungen abholen, wie du versprochen hast.«
Connie wandte den Kopf in meine Richtung und schob ihre Augenlider hoch bis zum Haaransatz. »Hast du ihr wirklich versprochen, dich um Mario zu kümmern?«
»Ich habe ihr gesagt, ich würde ihn abholen, falls sie nicht rechtzeitig wieder freikommt. Woher sollte ich wissen, dass es Probleme mit der Kaution geben könnte?«
»Oh Mann«, sagte Connie. »Versuch nur dein Glück mit dem Jungen.«
»Was ist denn mit ihm? Loretta sagte, er sei sensibel und künstlerisch veranlagt.«
»Ob er sensibel ist, weiß ich nicht, seine Kunst jedenfalls beschränkt sich auf Graffiti. Er hat halb Trenton verunstaltet. Er darf schon nicht mal mehr im Schulbus mitfahren, deswegen muss Loretta ihn selbst von der Schule abholen.«
Ich hängte mir meine Tasche um die Schulter. »Ich soll ihn nur nach Hause fahren, mehr haben wir nicht vereinbart.«
»Irgendwas ist da im Unklaren geblieben«, sagte Lula. »Ich meine, du hättest ihr versprochen, dich auch um ihn zu kümmern. In einem leeren Haus darfst du ihn sowieso nicht absetzen. Sonst hast du noch den Kinderschutzbund am Hals.«
»So ein Mist. Was soll ich denn bloß mit ihm machen?«
Lula und Connie zuckten die Achseln und machten eine unschuldige Miene. Woher sollen wir das wissen?
»Vielleicht kann ich ja Lorettas Kautionsvereinbarung unterschreiben«, schlug ich Connie vor.
»Damit kommst du bestimmt nicht durch«, sagte Connie. »Du bist die Einzige, die ich kenne, die noch wenigerVermögenswerte hat als Loretta.«
»Schönen Dank auch!« Verärgert rauschte ich aus dem Büro und stemmte mich in meine neueste Scheißkarre, ein Nissan Sentra, früher mal silbermetallic, heute eine einzige Rostbeule. Räder groß wie Donuts, auf der Motorhaube ein Airbrush-Tiger, im Heckfenster Tony Stewart als Wackelkopfpuppe. Ich mag Tony Stewart sehr, aber im Rückspiegel ständig seine Birne schlackern zu sehen bringt es auch nicht gerade. Leider war die Figur mit Zweikomponentenkleber auf der Ablage befestigt, und wenn ich sie aus meinem Leben verstoßen wollte, hätte ich das Auto gleich mit abwracken müssen.
Loretta hatte mir ein Foto von Mario mitgegeben und mir erklärt, wie ich zur Schule komme. Ich gondelte los. Mario war leicht zu erkennen. Er sah aus wie Morelli, als Morelli so alt war wie er. Schwarze Locken, schmächtige Gestalt. Ähnlichkeiten auch im Gesicht, obwohl Morelli immer schon eine Filmstarschönheit war, aber da reichte Mario nicht ganz heran. Vielleicht war ich auch nur abgelenkt durch die vielen Piercings, Silberringe in Augenbrauen, Ohren und Nase. Er trug schwarzweiße Converse-Sneakers, Stovepipe -Jeans mit Kettengürtel, schwarzes T-Shirt mit japanischen Schriftzeichen, schwarze Denim -Jacke.
Morelli war ein Frühreifer gewesen, schnell erwachsen geworden, auf die harte Tour. Sein Vater war ein mieser Trinker, und Morelli hatte schon als kleiner Junge gelernt, seine Fäuste zu gebrauchen. So boxte er sich durchs Leben. Manchmal gebrauchte er seine Hände auch dazu, um Mädchen zu verführen und sie auszuziehen. Als Morelli und ich zum ersten Mal Doktor spielten, war ich fünf, er sieben. In Abständen wiederholten wir das Spiel, und seit einiger Zeit sind wir anscheinend ein Paar. Heute ist er Polizist, und trotz aller Widrigkeiten hat er die Wut, mit der er aufgewachsen ist, größtenteils abgelegt. Er hat ein hübsches Hüttchen von seiner Tante Rose geerbt und ist so häuslich geworden, dass er sich einen Hund und einen Rührstab angeschafft hat. Für einen Schnellkochtopf, für zwanghaftes Klodeckelschließen und Topfpflanzen in der Küche reicht die Häuslichkeit jedoch noch nicht.
...
Übersetzung: Thomas Stegers
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2010
by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
In meiner Küche gibt es immer einen Vorrat an Crackern und Käse, an Brathühnchen und frischen Landeiern, und immer stehen Kaffeebohnen zum Mahlen bereit. So weit der fromme Wunsch. Die Wirklichkeit sieht anders aus. In der Teddybärchen-Plätzchendose bewahre ich meine Smith & Wesson auf, im Mikrowellenherd meine Oreo-Kekse, im Regal über dem Küchentresen stehen ein Glas Erdnussbutter und das Hamsterfutter, im Kühlschrank Bier und Oliven. Für den Notfall habe ich sonst immer noch eine Geburtstagstorte in derTiefkühltruhe, aber auch von der ist nichts mehr da.
Ich wäre liebend gerne eine richtige Haushaltsfee. Ehrlich! Doch von der Geburtstagstorte würde so oder so nie etwas übrig bleiben. Ich meine, zum Essen kauft man sie schließlich! Nur: Was weg ist, ist weg, und ohne Kuchen-Notration steht man manchmal ganz blöd da. Das Gleiche gilt für die Cracker, den Käse, die Eier und die Brathühnchen, die von meiner Mutter waren. Kaffeebohnen im Regal, das ist auch schon eine Ewigkeit her. Ich besitze ja nicht einmal eine Kaffeemühle. Natürlich könnte ich zwei Geburtstagstorten auf einmal kaufen, aber ich befürchte, dass ich sie dann auch beide auf einmal essen würde.
Ich heiße Stephanie Plum, und zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass auch Brot und Milch auf meinem Einkaufszettel stehen und dass ich keine ansteckenden Krankheiten habe. Ich bin ziemlich genau 1,70 Meter groß. Mein Haar ist brünett, schulterlang und gelockt. Meine Augen sind blau. Meine Zähne regelmäßig. Meine Maniküre war vor drei Tagen noch einigermaßen top, und meine Figur ist o.k. Ich arbeite als Kautionsdetektivin für meinen Vetter Vinnie, und als ich heute in Loretta Rizzis Küche stand, stellte ich fest: Erstens hat mich Loretta beim Wettbewerb um die renovierungsbedürftigste Küche um Längen geschlagen. Und zweitens bin ich gegen sie im Club der tickenden Zeitbomben eine Karteileiche.
Es war acht Uhr morgens. Loretta trug ein knöchellanges rosa Nachthemd und hielt sich eine Pistole an die Schläfe.
»Ich erschieße mich«, drohte sie. »Dir kann das ja wurscht sein, du kriegst dein Geld so oder so, ob ich tot bin oder lebendig.«
»Theoretisch ja«, sagte ich. »Aber bei Toten gibt es immer Stress. Allein der ganze Papierkram!«
Viele Leute, für die Vinnie die Kaution stellt, kommen aus Chambersburg, dem Viertel in Trenton, New Jersey, in dem ich wohne. Loretta Rizzi gehörte auch dazu. Mit Loretta bin ich zusammen zur Schule gegangen. Sie ist ein Jahr älter als ich, aber sie verließ die Highschool vor der letzten Klasse, weil sie schwanger war. Jetzt sollte ihr der Prozess wegen bewaffneten Raubüberfalls gemacht werden, und sie war drauf und dran, sich das Gehirn aus dem Schädel zu pusten.
Vinnie hatte eine Kaution für sie hinterlegt, aber Loretta war anschließend nicht zu ihrem Termin vor Gericht erschienen, deswegen wurde ich losgeschickt, um sie ins Gericht zu schleifen. Zum Glück erwischte ich sie gerade in einem unpassenden Moment und verhinderte so ihren Selbstmord.
»Ich wollte nur was zu trinken«, sagte Loretta.
»Na gut, die meisten Leute gehen dafür in eine Kneipe. Du hast gleich einen Spirituosenladen überfallen.«
»Ich hatte kein Geld, es war heiß, und ich brauchte unbedingt einen Tom Collins. «Eine Träne rollte ihr über die Wange. »In letzter Zeit habe ich immer so einen Durst.«
Loretta ist einen halben Kopf kleiner als ich. Sie hat schwarze Locken und eine kräftige Figur. Ihre Muckis holt sie sich beim Servierbrettstemmen auf Feuerwehrfesten. Seit der Schule hat sie sich kaum verändert. Ein paar Krähenfüße um die Augen, ein strengerer Zug um den Mund, das ist auch schon alles. Sie ist italienischer Abstammung und mit halb Burg verwandt, einschließlich Joe Morelli, meiner offenen Zweierbeziehung.
»Es ist deine erste Straftat, und du hast niemanden getötet. Wahrscheinlich kommst du vor Gericht mit einem blauen Auge davon«, beruhigte ich Loretta.
»Ich hatte meine Tage«, sagte sie. »Ich konnte nicht mehr klar denken.«
Loretta wohnt zur Miete in einem Reihenhaus am Rand von Burg. Zwei Schlafzimmer, ein Bad, eine blank geputzte Puppenstubenküche und ein Wohnzimmer, vollgestellt mit Möbeln vom Sperrmüll. Gar nicht so einfach, als alleinstehende Mutter ohne Schulabschluss über die Runden zu kommen.
Die Hintertür sprang auf, und meine Assistentin Lula steckte den Kopf durch den Spalt. »Was ist los? Ich habe keinen Bock mehr, draußen im Auto zu warten. Hast du nicht gesagt, du willst die Frau nur schnell eben festnehmen, und danach gäbe es Frühstück?« Lula ist eine ehemalige Prostituierte, jetzt macht sie bei uns die Büroablage und ist außerdem meine Chauffeurin. Lula ist schwarz, trägt XXL und quetscht sich gerne in hautenge Klamotten. Ihr Lieblingsteil sind Leggings aus Elastan mit Tigerfellmuster. Die Natur hat Lula reich beschenkt.
»Loretta hat gerade eine Morgenkrise«, sagte ich.
Lula musterte Loretta. »Das sehe ich selbst. Sie hat ja noch ihr Nachthemd an.«
»Fällt dir sonst noch was auf?«, fragte ich Lula.
»Meinst du ihren Smith & Wesson-Lockenwickler?« »Ich will nicht ins Gefängnis«, jammerte Loretta.
»So schlimm ist das gar nicht«, tröstete Lula sie. »Wenn du ins Zuchthaus kommst, hast du sogar zahnärztliche Versorgung gratis.«
»Ich bin eine Schande für diese Welt«, sagte Loretta.
Lula verlagerte ihr Gewicht von einem Manolo-Superhighheel auf den anderen. »Wenn du abdrückst, wird aus der Schande ein Schandfleck. Und wer soll die Schweinerei in deiner Küche wieder wegmachen? Außerdem hast du dann ein Loch im Kopf, und deine Mutter kann dich nicht im offenen Sarg aufbahren.«
»Ich habe eine Lebensversicherung abgeschlossen«, sagte Loretta. »Wenn ich mich umbringe, kriegt mein Sohn Mario das Geld. Das reicht aus, bis er selbst Arbeit gefunden hat. Aber wenn ich ins Gefängnis komme, steht er alleine da und ohne Geld.«
»Lebensversicherungen zahlen nicht bei Selbstmord«, sagte Lula.
»Oh Scheiße! Ist das wahr?«, wollte Loretta von mir wissen.
»Ja. Aber ich verstehe sowieso nicht, warum du dir Sorgen machst. Du hast so eine große Familie, da wird sich schon jemand finden, der sich um Mario kümmert.«
»Alles nicht so einfach. Meine Mutter ist in der Reha-Klinik, nach dem Schlaganfall. Die kann ihn nicht zu sich holen. Und mein Bruder Dom kann ihn auch nicht aufnehmen. Der ist vor drei Tagen aus dem Gefängnis entlassen worden, auf Bewährung.«
»Was ist mit deiner Schwester?«
»Die hat ihre eigenen Kinder am Hals. Ihr Mann ist ein Stück Scheiße, er hat sie wegen einer vorpubertären Erotiktänzerin verlassen.«
»Irgendein Babysitter wird sich doch finden«, sagte Lula.
»Alle haben genug mit sich selbst zu tun. Und ich will ja Mario auch nicht einfach irgendwem überlassen. Er ist sehr sensibel... und künstlerisch veranlagt.«
Ich zählte die Jahre zurück, ihr Sohn war wahrscheinlich gerade Teenager geworden. Loretta hatte nie geheiratet, und wenn ich mich recht erinnere, hat sie den Vater auch nie verraten.
»Du könntest ihn doch zu dir nehmen«, sagte Loretta zu mir.
»Was? Ich? Nein. Niemals. Auf keinen Fall. Kommt nicht in Frage.«
»Nur so lange, bis ich auf Kaution wieder raus bin.« »Wenn du jetzt gleich mitkommst zum Gericht, kann Vinnie deine Kaution sofort bezahlen.«
»Ja, gut, aber wenn irgendwas schiefgeht, muss jemand Mario von der Schule abholen.«
»Was sollte denn schiefgehen?«
»Was weiß ich. Eine Mutter macht sich eben immer Sorgen. Versprich mir, dass du ihn abholst, wenn ich bis dahin noch nicht wieder entlassen sein sollte. Er kommt um halb drei aus der Schule.«
»Keine Angst, sie macht das schon«, sagte Lula zu Loretta. »Und jetzt legen Sie brav die Waffe beiseite und ziehen sich was an, damit wir das hier hinter uns bringen können. Ich brauche unbedingt einen Kaffee. Und so ein schönes, fetttriefendes Speck-Eier-Frühstückssandwich. Ich muss ordentlich meine Arterien verstopfen, weil sonst zirkuliert mein Blut zu schnell, und davon wird mir schwindlig.«
Lula rekelte sich auf dem Kunstledersofa, das an die Wand des Kautionsbüros gequetscht war, und Connie Rosolli, Vinnies Büroleiterin, saß wie immer an ihrem Schreibtisch. Connie und ihr Schreibtisch waren strategisch so platziert, dass sie eine Sperre zuVinnies abgeschlossenem Privatgemach bildeten. Sie sollten Zuhälter, Zocker und sonstige zwielichtige Gestalten, die was von Vinnie wollten, daran hindern, gleich bis in sein Büro durchzumarschieren und ihn zu erwürgen.
»Sie ist noch nicht wieder auf freiem Fuß?«, fragte ich Connie. »Was soll das heißen?« Meine Stimme schraubte sich eine Oktave höher, wie man es sonst nur von Minnie Mouse kennt.
»Sie hat kein Geld, um die Kaution abzusichern. Und auch keine anderen Vermögenswerte.«
»Das gibt es doch gar nicht. Jeder Mensch hat Vermögenswerte. Was ist mit ihrer Mutter? Ihrem Bruder? Sie hat im Umkreis von zehn Kilometern Hunderte Vettern und Kusinen.«
»Sie ist schon dabei herumzufragen. Aber im Moment hat sie nichts zu bieten. Nada. Also wartet Vinnie erst noch mal ab.«
»Es ist fast halb zwei«, stellte Lula fest. »Du musst dich langsam auf die Socken machen, Lorettas Jungen abholen, wie du versprochen hast.«
Connie wandte den Kopf in meine Richtung und schob ihre Augenlider hoch bis zum Haaransatz. »Hast du ihr wirklich versprochen, dich um Mario zu kümmern?«
»Ich habe ihr gesagt, ich würde ihn abholen, falls sie nicht rechtzeitig wieder freikommt. Woher sollte ich wissen, dass es Probleme mit der Kaution geben könnte?«
»Oh Mann«, sagte Connie. »Versuch nur dein Glück mit dem Jungen.«
»Was ist denn mit ihm? Loretta sagte, er sei sensibel und künstlerisch veranlagt.«
»Ob er sensibel ist, weiß ich nicht, seine Kunst jedenfalls beschränkt sich auf Graffiti. Er hat halb Trenton verunstaltet. Er darf schon nicht mal mehr im Schulbus mitfahren, deswegen muss Loretta ihn selbst von der Schule abholen.«
Ich hängte mir meine Tasche um die Schulter. »Ich soll ihn nur nach Hause fahren, mehr haben wir nicht vereinbart.«
»Irgendwas ist da im Unklaren geblieben«, sagte Lula. »Ich meine, du hättest ihr versprochen, dich auch um ihn zu kümmern. In einem leeren Haus darfst du ihn sowieso nicht absetzen. Sonst hast du noch den Kinderschutzbund am Hals.«
»So ein Mist. Was soll ich denn bloß mit ihm machen?«
Lula und Connie zuckten die Achseln und machten eine unschuldige Miene. Woher sollen wir das wissen?
»Vielleicht kann ich ja Lorettas Kautionsvereinbarung unterschreiben«, schlug ich Connie vor.
»Damit kommst du bestimmt nicht durch«, sagte Connie. »Du bist die Einzige, die ich kenne, die noch wenigerVermögenswerte hat als Loretta.«
»Schönen Dank auch!« Verärgert rauschte ich aus dem Büro und stemmte mich in meine neueste Scheißkarre, ein Nissan Sentra, früher mal silbermetallic, heute eine einzige Rostbeule. Räder groß wie Donuts, auf der Motorhaube ein Airbrush-Tiger, im Heckfenster Tony Stewart als Wackelkopfpuppe. Ich mag Tony Stewart sehr, aber im Rückspiegel ständig seine Birne schlackern zu sehen bringt es auch nicht gerade. Leider war die Figur mit Zweikomponentenkleber auf der Ablage befestigt, und wenn ich sie aus meinem Leben verstoßen wollte, hätte ich das Auto gleich mit abwracken müssen.
Loretta hatte mir ein Foto von Mario mitgegeben und mir erklärt, wie ich zur Schule komme. Ich gondelte los. Mario war leicht zu erkennen. Er sah aus wie Morelli, als Morelli so alt war wie er. Schwarze Locken, schmächtige Gestalt. Ähnlichkeiten auch im Gesicht, obwohl Morelli immer schon eine Filmstarschönheit war, aber da reichte Mario nicht ganz heran. Vielleicht war ich auch nur abgelenkt durch die vielen Piercings, Silberringe in Augenbrauen, Ohren und Nase. Er trug schwarzweiße Converse-Sneakers, Stovepipe -Jeans mit Kettengürtel, schwarzes T-Shirt mit japanischen Schriftzeichen, schwarze Denim -Jacke.
Morelli war ein Frühreifer gewesen, schnell erwachsen geworden, auf die harte Tour. Sein Vater war ein mieser Trinker, und Morelli hatte schon als kleiner Junge gelernt, seine Fäuste zu gebrauchen. So boxte er sich durchs Leben. Manchmal gebrauchte er seine Hände auch dazu, um Mädchen zu verführen und sie auszuziehen. Als Morelli und ich zum ersten Mal Doktor spielten, war ich fünf, er sieben. In Abständen wiederholten wir das Spiel, und seit einiger Zeit sind wir anscheinend ein Paar. Heute ist er Polizist, und trotz aller Widrigkeiten hat er die Wut, mit der er aufgewachsen ist, größtenteils abgelegt. Er hat ein hübsches Hüttchen von seiner Tante Rose geerbt und ist so häuslich geworden, dass er sich einen Hund und einen Rührstab angeschafft hat. Für einen Schnellkochtopf, für zwanghaftes Klodeckelschließen und Topfpflanzen in der Küche reicht die Häuslichkeit jedoch noch nicht.
...
Übersetzung: Thomas Stegers
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2010
by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Janet Evanovich
Janet Evanovich, die mit jedem ihrer Romane in den USA einen Nummer-1-Bestseller landet, stammt aus South River, New Jersey, und lebt heute in New Hampshire. Die Autorin wurde von der Crime Writers Association mit dem 'Last Laugh Award' und dem 'Silver Dagger' ausgezeichnet und erhielt bereits zweimal den Krimipreis des Verbands der unabhängigen Buchhändler in den USA.
Bibliographische Angaben
- Autor: Janet Evanovich
- 2012, 315 Seiten, Maße: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Stegers, Thomas
- Übersetzer: Thomas Stegers
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442473683
- ISBN-13: 9783442473687
Rezension zu „Kuss mit lustig / Stephanie Plum Bd.14 “
"Beste Betthupferl-Lektüre!" Lisa
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