Kuss mit Soße / Stephanie Plum Bd.15
Ein Stephanie-Plum-Roman
Mord zum Frühstück, Spione zum Dessert Stephanie Plum ist in ihrem Element!
Stephanie Plum kennt das Rezept für Desaster nur zu gut: Man nehme den Mord an einem bekannten Fernsehkoch, dazu ihre exzentrische Kollegin Lula...
Stephanie Plum kennt das Rezept für Desaster nur zu gut: Man nehme den Mord an einem bekannten Fernsehkoch, dazu ihre exzentrische Kollegin Lula...
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Produktinformationen zu „Kuss mit Soße / Stephanie Plum Bd.15 “
Mord zum Frühstück, Spione zum Dessert Stephanie Plum ist in ihrem Element!
Stephanie Plum kennt das Rezept für Desaster nur zu gut: Man nehme den Mord an einem bekannten Fernsehkoch, dazu ihre exzentrische Kollegin Lula als Zeugin und eine Belohnung von einer Million Dollar für jeden Hinweis auf den Mörder. Einmal umrühren und fertig ist das Chaos! Weil sie zusätzlich zu ihrem Job als Kautionsjägerin eine Nebenbeschäftigung als Spionin in der Sicherheitsfirma ihres attraktiven Kollegen Ranger angenommen hat, benötigt Stephanie einen kühlen Kopf. Wenn sie bloß nicht diesen Riecher für Katastrophen hätte ...
Stephanie Plum kennt das Rezept für Desaster nur zu gut: Man nehme den Mord an einem bekannten Fernsehkoch, dazu ihre exzentrische Kollegin Lula als Zeugin und eine Belohnung von einer Million Dollar für jeden Hinweis auf den Mörder. Einmal umrühren und fertig ist das Chaos! Weil sie zusätzlich zu ihrem Job als Kautionsjägerin eine Nebenbeschäftigung als Spionin in der Sicherheitsfirma ihres attraktiven Kollegen Ranger angenommen hat, benötigt Stephanie einen kühlen Kopf. Wenn sie bloß nicht diesen Riecher für Katastrophen hätte ...
Klappentext zu „Kuss mit Soße / Stephanie Plum Bd.15 “
Mord zum Frühstück, Spione zum Dessert - Stephanie Plum ist in ihrem Element!Stephanie Plum kennt das Rezept für Desaster nur zu gut: Man nehme den Mord an einem bekannten Fernsehkoch, dazu ihre exzentrische Kollegin Lula als Zeugin und eine Belohnung von einer Million Dollar für jeden Hinweis auf den Mörder. Einmal umrühren und fertig ist das Chaos! Weil sie zusätzlich zu ihrem Job als Kautionsjägerin eine Nebenbeschäftigung als Spionin in der Sicherheitsfirma ihres attraktiven Kollegen Ranger angenommen hat, benötigt Stephanie einen kühlen Kopf. Wenn sie bloß nicht diesen Riecher für Katastrophen hätte ...
Lese-Probe zu „Kuss mit Soße / Stephanie Plum Bd.15 “
Kuss mit Soße von Janet Evanovich 1
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Als Kind habe ich mich vor Gemüse und vor Spinnen fürchterlich geekelt. Als Erwachsene habe ich Gemüse zwar irgendwann von meiner persönlichen Ekelliste gestrichen. Doch vor Spinnen habe ich bis heute panische Angst. Angst machen mir aber auch gemeingefährliche Irre, Vergewaltiger, Fettablagerungen, Joe Morellis Oma Bella, tollwütige Fledermäuse und Fitnessgruppen.
Ich heiße Stephanie Plum, und ich arbeite als Kautionsdetektivin für die Agentur Vincent Plum Bail Bonds. Kein toller Job, aber Fitnessgruppen kann ich mir dadurch sparen, und tollwütige Fledermäuse kommen mir auch kaum je in die Quere. Die übrigen Angstmacher verstecken sich irgendwo in den Schattenseiten meines Alltags. Aber es gibt auch Sonnenseiten in meinem Leben, dazu gehören Joe Morelli, ohne seine Oma Bella im Schlepptau, mein Kollege Ranger, ohne Kleider am Leib, meine durchgeknallte Familie, mein Hamster Rex - und Lula. Bei Lula schwanke ich etwas, mal ist sie eine tollwütige Fledermaus, mal mein Sonnenschein. Früher ist sie auf den Strich gegangen, heute macht sie die Ablage in unserem Büro und lernt Kautionsdetektivin. Lula ist eine große Persönlichkeit, die gerne kleine Größen trägt. Sie ist blond, üppig gebaut, und letzte Woche hat sie sich Pailletten auf ihre Wimpern geklebt.
Es war Montagmorgen. Connie, die Büroleiterin, und ich tranken gerade unseren Frühstückskaffee, als Lula draußen in ihrem roten Firebird vorfuhr und scharf abbremste. Wir beobachteten sie durch das Schaufenster des kleinen Ladenlokals, in dem die Kautionsagentur untergebracht ist, und verzogen beide gleichzeitig das Gesicht. Lula schien vollkommen aufgelöst. Sie torkelte auf die Straße, verschloss den Wagen mit ihrem Funkschlüssel und platzte mit weit aufgerissenen, rollenden Augen und wild gestikulierend ins Büro.
»Wahnsinn!«, sagte sie. »Ich habe alles gesehen. Es war schrecklich. Grauenhaft. Ich habe meinen Augen nicht getraut. Und alles hat sich direkt vor meiner Nase abgespielt.« Sie sah sich um. »Haben wir irgendwas zu essen da? Donuts oder so? Ich brauche ganz dringend einen Donut. Am besten eine ganze Tüte. Dazu ein Frühstückssandwich mit Schinken und Ei und Käse und ganz viel Fett. Ich habe Heißhunger auf was Fettiges!«
Aus Erfahrung wusste ich, dass es ein Riesenfehler ist, Lula in solchen Momenten zu fragen, was genau sie gesehen hatte. Trotzdem, ich konnte mich nicht zurückhalten.
»Was war denn so schrecklich?«
Connie beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch, offenbar rechnete sie mit dem Schlimmsten. Auch sie wusste, dass solche Geschichten bei Lula immer mit einem GAU endeten. Connie ist ein paar Jahre älter als ich, und während ich halb ungarischer, halb italienischer Abstammung bin, ist Connie reinrassige Italienerin. Pechschwarzes Haar, feuerrote Lippen, und ihr Body ist eine Wucht.
Lula dackelte nervös vor Connies Schreibtisch auf und ab. »Es fing schon krass an heute Morgen. Kaum Zeit für mich. Gestern Abend hatte ich ein Date. Wir sind groß ausgegangen und so, und als ich den Kerl endlich aus meinem Bett befördert hatte, da war nichts mehr mit Schönheitsschlaf und so. Also spät aufgestanden, aber dann konnte ich mich nicht entscheiden, was ich anziehen sollte. Mal ist es warm draußen, mal kalt. Ich habe überlegt, ziehe ich jetzt meine neuen arschgeilen Schuhe an oder doch lieber die, die besser für geile Arschtritte geeignet sind, das ist nämlich ein Unterschied.«
»Mensch, Lula«, sagte Connie. »Kannst du mal zur Sache kommen?«
»Die Sache ist die«, sagte Lula. »Ich war spät dran. Unterwegs im Auto will ich mir noch schnell Make-up auftragen, dabei verpasse ich eine Abfahrt, und schwupps, bin ich da gelandet, wo ich eigentlich gar nicht hinwollte. Ich also an den Straßenrand gefahren, gucken, wo ich bin, dabei rutscht der Schminkkoffer vom Beifahrersitz, und alle Utensilien verstreut auf dem Boden. Ich beuge mich runter, um die Sachen einzusammeln, und das muss wohl so ausgesehen haben, als säße keiner im Auto, weil, als ich mich wieder aufrichte, stehen da zwei so schwer behaarte Riesenlümmel direkt vor meinem süßen Firebird und trennen einem dritten Kerl den Kopf ab.«
»Wie bitte?«
»Der eine Depp schwingt ein großes Fleischerbeil, der andere Depp hält den Kerl fest, und zack ist der Kopf ab. Fällt einfach vom Rumpf und kullert auf die Straße.«
»Und was dann?«, fragte Connie.
»Dann haben sie mich gesehen«, sagte Lula. »Die waren natürlich echt erschrocken, und ich muss auch ziemlich erschrocken geguckt haben. Ich gebe also Gummi, was das Gaspedal hergibt, und haue ab.«
»Weißt du, wer die beiden waren?«
»Nein.«
»Und der dritte Mann? Kanntest du den?«
»Auch nicht. Er hatte einen Anzug an, edles Stöffchen. Und seine Krawatte war auch ziemlich schick.«
»Warst du schon bei der Polizei?«, wollte Connie wissen.
»Nein. Ich bin direkt hierhergefahren. Die Polizei hätte den armen Kerl auch nicht wieder zusammenflicken können «, sagte Lula. »Wozu also die Eile. Mein Donut ist viel dringender. Wirklich, ich habe schon Entzugserscheinungen. Ich muss jetzt sofort einen Donut essen.«
»Du musst die Polizei rufen«, klärte Connie Lula auf.
»Ich hasse die Polizei. Ich kriege Zustände, wenn ich einen Polizisten nur sehe. Außer bei Stephanies Freund Morelli. Der ist ein heißer Typ.«
Joe Morelli ist Zivilbulle in Trenton, und in dem einen Punkt gebe ich Lula recht, er ist ein heißer Typ, aber in dem anderen hat sie unrecht, es ist nicht so, als wäre er mein fester Freund. Wir haben eine Beziehung, mehr oder weniger, im Moment eher weniger. Dies Auf und Ab geht schon, solange ich denken kann. Vor zwei Wochen haben wir uns darüber gestritten, ob Erdnussbutter gesund ist oder nicht, und rasend schnell artete der Streit aus, und es ging um alles oder nichts. Seitdem haben wir uns nicht mehr gesehen.
Connie wählte sich in den Polizeifunk ein, und wir lauschten einige Minuten, ob vielleicht irgendwo in dem Krächzen auch von einer Enthauptung die Rede war.
»Wo ist das passiert?«, fragte Connie.
»In dem Dreihunderterblock in der Ramsey Street, unmittelbar vor dem Sunshine Hotel.«
Das Sunshine ist eine Kakerlakenfalle, das stundenweise Zimmer vermietet. Keiner der dort ein oder aus gehenden Gäste würde je irgendwas der Polizei melden.
»Ich habe ja schon viel erlebt«, sagte Lula, »aber das war einfach nur eklig. Das Blut hat gespritzt wie eine Ölfontäne aus einem Bohrloch. Und als der Kopf auf die Erde fiel, ich schwöre euch, da haben mich die Augen angeglotzt. Ihr habt recht, ich muss wohl doch die Polizei anrufen, aber ich spreche nur mit Morelli.« Lula fixierte mich. »Kannst du Morelli für mich anrufen?«
»Kommt gar nicht in Frage. Ich rede nicht mit ihm. Ruf ihn doch selbst an.«
»Ich kenne ihn nicht so gut wie du.«
»So gut kenne ich ihn auch nicht mehr. Ich bin fertig mit ihm. Ein Blödmann, der Typ.«
»Alle Männer sind blöd«, sagte Lula. »Das heißt aber nicht, dass sie für manche Sachen nicht doch ganz gut sind. Morelli ist ein Blödmann, aber trotzdem ein heißer Typ. Mit seinen lockigen schwarzen Haaren und dem verträumten Schlafzimmerblick könnte er glatt ein Filmstar sein oder Unterhosenmodel. Wenn er nur kein Bulle wäre. Er ist ein bisschen klein geraten, verglichen mit anderen Männern aus meiner Bekanntschaft, aber er bleibt trotzdem ein heißer Typ.«
Morelli ist über 1,80 m groß und ein einziges Muskelpaket. Aber Lula war mal vorübergehend mit einem Mann verlobt, einer Kreuzung aus einem Panzer und einem Gorilla, in ihrer Wahrnehmung musste Morelli daher zwangsläufig etwas kleiner ausfallen.
»Ich rufe ihn an«, sagte Connie. »Wozu ist Morelli schließlich Polizist? Mir egal, was für eine komplizierte Beziehung ihr habt.«
Ich war schon auf dem Sprung zur Tür. »Ich gehe dann mal. Ich habe noch was zu erledigen. Außerdem will ich Morelli jetzt nicht sehen.«
»Kommt nicht in die Tüte«, ermahnte mich Lula. »Heb deinen süßen Hintern wieder her, Liebes. Das stehen wir zusammen durch. Schon vergessen? Gemeinsam durch dick und dünn.«
»Seit wann gilt das denn?«
»Seit jetzt. Und davor hat es auch gegolten. Weißt du nicht mehr, dass ich dich damals gerettet habe? Vor der Riesenpythonschlange in dem Wohnmobil? Und das andere Mal, als wir uns in den Pine Barrens verlaufen hatten.«
»Du hast gebrüllt wie am Spieß und bist weggelaufen. Dabei hattest du dir die Schlange nur eingebildet. Es war überhaupt keine Schlange da! Und aus den Pine Barrens hat uns Ranger befreit.«
»Ja, aber wenn er uns nicht gefunden hätte, hätte ich uns aus dem Wald herausgeführt.«
»Du hast bis zu den Achseln in einem Cranberry-Moor gesteckt.«
»Ja, und Cranberrys kann ich seitdem auch nicht mehr sehen «, sagte Lula.
Zwanzig Minuten später kam Morelli ins Kautionsbüro geschlendert. Er trug Jeans und Sportschuhe, ein blaues Button-down-Hemd mit offenem Kragenknopf und einen marineblauen Blazer. Er sah sehr appetitlich aus, und er blickte ein bisschen skeptisch.
»Was gibt's?«, fragte er und sah mich dabei an.
Na gut, Morelli interessierte mich nicht mehr, jedenfalls war ich mir dessen ziemlich sicher. Trotzdem wünschte ich, ich hätte heute Morgen etwas mehr Sorgfalt auf meine Frisur und mein Make-up verwandt, damit er jetzt richtig sauer darüber wäre, was ihm mit mir so alles entging. Ich habe schulterlanges, lockiges brünettes Haar, das ich seit einiger Zeit nach hinten kämme und zu einem Pferdeschwanz zusammenbinde. Ich habe blaue Augen, die mit Eyeliner und Mascara noch viel schöner aussehen, einen einigermaßen hübschen Mund, der bis jetzt keine künstliche Aufspritzung nötig gehabt hat, und eine Stupsnase, die ich als mein bestes Stück betrachte. Für Morelli war mein bestes Stück natürlich etwas tiefer angesiedelt, ungefähr in der Mitte meines Körpers.
»Es war der Horror! Einfach schrecklich!«, sagte Lula. »Beinahe wäre ich in Ohnmacht gefallen.«
Morelli wandte seine Aufmerksamkeit Lula zu. Er sagte nichts, aber er sah sie an und zog ganz leicht die Augenbrauen in die Höhe.
»So etwas ist mir noch nicht untergekommen«, erzählte Lula. »Eben noch ein Tag wie jeder andere, und auf einmal, wusch!, und der Kerl hat keinen Kopf mehr. Das Blut schießt nur so aus ihm heraus wie ein Strahl aus einem Brunnen. Der Kopf knallt auf den Boden, und die Augen darin gucken mich groß an. Könnte sein, dass er mich sogar angelacht hat, aber sicher bin ich mir nicht.«
Morelli hakte die Daumen in die Taschen seiner Jeans und wollte schon wieder die Biege machen. »Ist das wirklich wahr?«
»Aber wie!«, sagte Lula. »Glaubst du vielleicht, ich würde mir so was aus den Fingern saugen? Ich bin traumatisiert.
Sieht man das nicht? Ich bin praktisch weiß wie Kreide. Vor Schreck! Ich glaube, meine Hände zittern sogar. Guck mal, meine Hände. Zittern die nicht?«
Morelli schielte wieder zu mir herüber. »Warst du dabei?«
»Nö.«
»Hat jemand die Polizei verständigt?«
»Nö.«
Lula war ziemlich angepisst und stemmte die Fäuste in die Seiten. »Wir haben dich doch angerufen«, sagte sie zu Morelli.
Morelli überflog mit einem Blick das Büro. »Ihr habt den abgeschlagenen Kopf nicht zufällig hierhergebracht, oder?«
»Soweit ich weiß, liegen der Kopf und alles andere immer noch vor dem Sunshine Hotel«, sagte Lula. »Aber mir gefällt deine ganze Art nicht. Ich habe den Eindruck, dass du uns gar nicht für voll nimmst.«
Morelli sah hinunter auf seine Schuhe. Versuchte er angestrengt nicht zu lachen, oder bekam er gerade einen Migräneanfall? Schwer zu sagen. Nachdem er bis fünf gezählt hatte, nahm er sein Handy aus der Tasche, rief die Polizeizentrale an und schickte einen Kollegen zum Sunshine Hotel.
»Okay, Ladys«, sagte er, nachdem er das Gespräch beendet hatte, »wir machen jetzt eine Tatortbesichtigung.«
Ich sah demonstrativ auf meine Uhr. »Ach du Schreck! Ich muss los. Hab noch einiges zu erledigen.«
»Nix da«, sagte Lula. »Ich brauche jemanden, der mich begleitet, falls ich ohnmächtig werde.«
»Er ist doch bei dir«, sagte ich und deutete mit einem Kopfnicken auf Morelli.
»Morelli ist ein feiner Kerl, aber für mich repräsentiert er nun mal die Polizei. Ich brauche jemanden, der auf meiner Seite ist, verstehst du? Ich brauche eine gute Freundin.«
»Ich bin leider verhindert«, sagte Connie. »Vinnie holt einen Kautionsflüchtling in Atlanta ab, deswegen muss ich mich um das Büro kümmern.«
Morelli sah mich an und schüttelte den Kopf, als könne er nicht glauben, was er hier zu hören bekam, als wäre ich eine einzige, unermesslich große Nervensäge. Wer weiß, vielleicht dachte er ja im Moment ganz allgemein so über Frauen.
Ich hatte vollstes Verständnis für Morellis Einstellung, denn haargenau so dachte ich im Moment über Männer.
»Na toll«, seufzte ich. »Dann mal los!«
Lula und ich folgten Morelli in meinem zehn Jahre alten Ford Escort, der früher mal blau lackiert gewesen war. Wir fuhren mit meinem Escort, nicht weil das so ein tolles Auto war, sondern weil Lula meinte, sie sei viel zu aufgewühlt, um sich in ihren Firebird zu setzen. Außerdem brauche sie nach der Tatortbesichtigung erst mal einen Bacon-Cheeseburger zur Erholung, und Morelli habe bestimmt keine Lust, extra für sie ein Drive-in anzusteuern.
Zwei Streifenwagen versperrten den Bürgersteig vor dem Sunshine Hotel, als Lula und ich eintrudelten. Ich stellte den Wagen ab, Lula und ich stiegen aus und gingen zu Morelli und einigen Polizisten in Uniform. Wir alle blickten auf den Asphalt, auf einen roten Fleck, der sich auf einer Fläche von über einem Meter Durchmesser ausgebreitet hatte. An mehreren Stellen, wahrscheinlich da, wo der Kopf auf den Boden geprallt war, franste er in kleinere Spritzer aus. Ich verspürte einen starken Brechreiz und fing unweigerlich an zu schwitzen.
»Hier ist es passiert«, sagte Lula. »Alles so, wie ich es euch geschildert habe. Eine riesige Fontäne schoss aus dem Rumpf, als sie ihm den Kopf abgehauen haben. Als würde der Old-Faithful-Geysir ausbrechen, nur kein Wasser, sondern Blut. Dann ist der Kopf auf den Bürgersteig gefallen. Sah aus wie eine Bowlingkugel mit Augen, Stielaugen, und geschielt haben sie und mich angeguckt. Ich glaube, der Kopf hat sogar gelacht, aber da kann ich mich täuschen, vielleicht waren das auch die beiden Schlächter.«
Die Streifenpolizisten verzogen das Gesicht, Morelli blieb ungerührt, und ich übergab mich. Alle retteten sich mit einem Sprung zur Seite, ich würgte noch ein paarmal, dann atmete ich tief durch.
»Entschuldigung«, sagte ich.
»Macht nichts«, sagte Morelli. »Ich könnte andauernd kotzen bei meiner Arbeit.«
Einer der Polizisten reichte mir Papiertaschentücher und eine Flasche Wasser. Lula stand ein ganzes Stück entfernt von mir.
»Jetzt, wo dein Magen leer ist, ist ja wieder jede Menge Platz frei geworden für Essen«, rief sie. »Ich könnte einen von den extraknusprigen Putenschnitzel-Burgern vertragen, die es bei Cluck-in-a-Bucket gibt. Schon davon gehört? Die sollen eine neue Geheimsauce haben.«
Geheimsaucen für'n Arsch. Ich wollte nach Hause, ins Bett und erst wieder aufstehen, wenn ein neuer Tag anbrach. Ich hatte die Schnauze voll. Gestrichen voll.
»Wir haben einige Fußspuren entdeckt, die Richtung Süden weisen«, sagte ein Polizist. »Einer der beiden Männer muss ganz schöne Quadratlatschen haben. Größe achtundvierzig. Schleifspuren gibt es auch, da, wo sie die Leiche über die Straße zum Bordstein gezogen haben. Vermutlich haben sie sie ins Auto verfrachtet und sind abgehauen.«
»Du musst mit aufs Revier und eine Aussage machen«, sagte Morelli zu Lula.
»Buah! Niemals. Gegen Polizeireviere bin ich allergisch. Die sind mir unheimlich, da kriege ich Platzangst.«
»Du bist Zeugin eines Mordes.«
»Ja, schon, aber ich poche auf mildernde Umstände. Mein Gesundheitszustand. Ich reagiere extrem empfindlich auf Polizisten.«
Morelli sah aus, als würde er am liebsten seine Pistole aus dem Halfter ziehen und sich die Kugel geben.
»Ich kaufe dir auch einen Cheeseburger und eine Portion Zwiebelringe«, sagte er.
Lula sah ihn empört an. »Glaubst du wirklich, du könntest mich mit einem schlappen Burger kaufen? Für wen hältst du mich?«
»Ich gebe noch einen Eimer Hähnchenschenkel und eine Eisbombe von Carvel dazu«, sagte Morelli. »Das ist mein letztes Angebot.«
»Abgemacht«, antwortete Lula. »Fahren wir mit deinem Auto? Ich setze mich nämlich nicht gerne in Polizeiwagen. Außerdem - ich sag's ungern, aber Stephanie riecht nicht besonders gut aus dem Mund.«
Zwanzig Minuten später stellte ich meinen Wagen auf dem Mieterparkplatz hinter meinem Haus ab. Der Kasten sitzt genau auf der Grenze zwischen dem anständigen und dem unanständigen Trenton, ein dreigeschossiger praktischer Backsteinklotz, dessen Bewohner hart schuften müssen, um über die Runden zu kommen. Bei mir reicht es häufig nicht bis zum Monatsende, was dazu führt, dass ich des Öfteren ein Abendessen bei meinen Eltern schnorre, die zehn Minuten von mir wohnen, in einem Arbeiterviertel von Trenton, Chambersburg, kurz The Burg.
Meine Wohnung liegt im ersten Stock, die Fenster gehen auf den Parkplatz raus. Einziger Mitbewohner ist Rex, mein Hamster. Ich schaffe es, mit Müh und Not einen Vorrat an Hamsterfutter anzulegen. Lebensmittel für Menschen dagegen machen sich bei mir rar. Ich besitze eine Pfanne und einen Topf. Als Küchenausstattung ist das völlig ausreichend, weil ich mich sowieso hauptsächlich von Erdnussbutter- Sandwichs ernähre: Erdnussbutter mit Banane, Erdnussbutter mit Marmelade, Erdnussbutter mit Kartoffelchips, Erdnussbutter mit Oliven und Erdnussbutter mit Marshmallows. Mir egal, was andere dazu sagen, aber ich esse nun mal gerne Erdnussbutter. Außer der Küche gibt es noch eine Essecke, ein Wohnzimmer mit Fernseher, Schlafzimmer und Badezimmer.
Ich lief vom Parkplatz nach oben in meine Wohnung, zog mich aus und sprang unter die Dusche. Erst als sich meine Haut rosarot verfärbte wie gekochter Hummer, tauchte ich wieder daraus hervor und schlang mir ein Badetuch um. Ich ging ins Schlafzimmer, und plötzlich stand ich vor Ranger, der sich in dem Klubsessel neben dem Bett lümmelte. Vor Schreck schrie ich auf und huschte zurück ins Badezimmer.
»Babe«, sagte Ranger.
Ich steckte den Kopf durch die Tür.»Was machst du denn hier?«, fragte ich ihn.
»Ich wollte dich nur sprechen.«
»Warum hast du nicht vorher angerufen? Oder wenigstens an der Tür geklingelt?«
Ranger schien zu überlegen, ob er sich zu einem Schmunzeln durchringen sollte oder nicht. Seine Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf den oberen Rand meines Badetuchs, dann wanderte sein Blick an mir entlang bis zum unteren Saum, der einige wenige Zentimeter über meine Dingsda hinausragte. Seine braunen Rehaugen weiteten sich und wurden finster, umso fester klammerte ich mich an das Tuch.
Ranger, das war der zweite wunde Punkt in meinem Leben, und jetzt, da Morelli von der Bildfläche verschwunden war, hatte er sich wohl auf Platz Nummer eins geschoben. Ranger ist gute 1,80 m groß, und er ist Latino, seine Hautfarbe mittelbraun, sein Haar dunkelbraun und raspelkurz. Er hat strahlend weiße und regelmäßige Zähne und ein Killerlächeln, das nur bei besonderen Gelegenheiten aufblitzt. Schwarz ist seine bevorzugte Farbe, jetzt trug er ein schwarzes T- Shirt und schwarze Cargo Pants. Getauft ist er auf den Namen Carlos Manoso, aber auf der Straße nennen ihn alle nur Ranger, ein Relikt aus seiner Zeit bei den Special Forces. Heute ist Ranger geschäftsführender Teilhaber einer Security- Firma, die in einem unscheinbaren Gebäude im Stadtzentrum residiert, doch gelegentlich übernimmt er noch die riskanteren Kopfgeldjägerjobs für Vinnie. Unbekleidet habe ich ihn auch schon gesehen, um nicht zu sagen nackt, und Sie können sich darauf verlassen, dass es die reine Wahrheit ist, wenn ich Ihnen verrate, dass er aus reinem Muskelfleisch besteht und einfach nur perfekt ist, in jeder Hinsicht. Und damit meine ich wirklich in jeder nur erdenklichen Hinsicht.
Ranger und ich haben drei Dinge gemeinsam. Wir sind gleichaltrig, wir sind Single, und beide waren wir schon mal verheiratet - für jeweils zehn Sekunden. Ende der Gemeinsamkeiten. Ich bin wie ein aufgeschlagenes Buch mit vielen leeren Seiten. Rangers Buch ist gespickt mit Lebenserfahrung, geschrieben in unsichtbarer Tinte. An meiner Wohnungstür sind drei Schlösser und ein Schubriegel, und ich bin mir sicher, dass ich alle zugeschlossen hatte. Irgendwie hält das Ranger nie ab. Er ist ein Mann mit geheimnisvollen Fähigkeiten.
Ranger winkte mich mit einem gekrümmten Finger zu sich heran. »Komm her.«
»Niemals.«
»Angst?«
»Vorsicht.«
»So macht es keinen Spaß«, sagte Ranger.
»Du willst Spaß haben?«
Seine Mundwinkel verzogen sich ganz leicht nach oben. »Ich kann auch anders.«
Ich musste nicht befürchten, dass er gleich über mich herfallen würde. Aber um an den Kleiderschrank heranzukommen, in dem mein knöchellanger kuscheliger rosa Bademantel hing, musste ich mich an Ranger vorbeidrücken. Und dabei befürchtete ich, in sein Kraftfeld hineingezogen zu werden, falls ich ihm zu nahe kam. Dann wäre am Ende womöglich ich diejenige, die über ihn herfiel. Das war nicht ungefährlich. Ranger hatte mir nämlich zu verstehen gegeben, dass sein emotionales Engagement Grenzen hatte. Außerdem gab es ja noch Morelli. Morelli war zwar gegenwärtig nicht angesagt, aber das war schon öfter vorgekommen, und irgendwann war er immer auf seinen Stammplatz zurückgekehrt. Eine schnelle Nummer mit Ranger würde eine Versöhnung mit Morelli wiederum erheblich schwieriger gestalten. Allerdings stand Letzteres im Moment sowieso nicht zur Debatte, weil ich generell nicht in versöhnlicher Stimmung war.
»Weswegen wolltest du mich sprechen?«, fragte ich ihn.
»In den letzten acht Wochen sind drei Kunden von mir ausgeraubt worden. Bei allen war neueste Sicherheitstechnik installiert. In allen drei Fällen wurde das System für exakt fünfzehn Minuten ausgeschaltet und dann wieder aktiviert. Meine Kunden waren zu dem Zeitpunkt nicht zu Hause. Es gibt keine Anzeichen von Gewaltanwendung.«
»In Filmen sieht man doch manchmal, wie die Bösen mit so einem kleinen Elektrogerät Codes knacken.«
»Wir sind hier nicht im Film, Babe.«
»Hat sich jemand in deinen Computer eingeloggt?«
»Nein.«
»Dann bleibt nur noch eine Erklärung. Und die ist hässlich «, sagte ich.
»Theoretisch gibt es nur wenige Leute in meinem Unternehmen, die Zugang zu den Codes haben, und ich kann mir nicht vorstellen, dass einer von denen in die Sache verwickelt ist. Was das betrifft, wird jeder, den ich einstelle, strengstens überprüft. Hinzu kommt, dass das gesamte Gebäude, mit Ausnahme der privaten Wohnräume, videoüberwacht wird.«
»Hast du die Codes geändert?«
»Ich habe sie nach jedem Einbruch geändert.«
»Wow.«
»Allerdings«, sagte Ranger. »Ein Insider knackt mein System. «
»Warum erzählst du mir das alles?«
»Ich brauche jemanden, der ein bisschen herumschnüffelt, ohne Verdacht zu erregen. Ich kann in meiner Firma niemandem mehr trauen.«
»Nicht mal Tank?«
»Nicht mal Tank.«
Tank ist, wie sein Name schon sagt, ein Panzer, groß und robust, innen und außen. Er ist Rangers Stellvertreter, und er hält Ranger den Rücken frei.
»Du hast schon mal für mich gearbeitet, Computerrecherche, und dafür möchte ich dich wieder engagieren. Bis jetzt hat Ramon die Recherchen gemacht, aber er will raus aus dem Kabuff und wieder in den Außendienst. Du würdest im Kontrollzentrum im vierten Stock arbeiten, aber hast natürlich Zugang zu allen Räumen im Haus. Jeder in der Firma kennt dich und weiß, dass du mein Baby bist. Deswegen wird keiner in deiner Anwesenheit offen reden, aber es wird auch keiner auf die Idee kommen, ich hätte dich eingestellt, um sie auszuspionieren. Sie gehen einfach davon aus, dass ich dir den Job gegeben habe, um dich in meiner Nähe zu haben.«
»Seit wann bin ich denn dein Baby? Glaubst du vielleicht, ich gehöre dir?«
»Ja, klar. Du bist die Einzige, die das in Frage stellt.«
Ich sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. »Ich gehöre niemandem. Nicht mal dir. Ein Auto kann zu deinem persönlichen Besitz gehören. Ein T-Shirt. Aber ein Mensch - niemals.«
»In meiner Firma teilen wir uns die Autos und die Hemden, nur nicht die Frauen. Hier gehörst du zu mir. Finde dich damit ab.«
Später, wenn ich allein wäre und ein bisschen darüber nachgedacht hätte, würde ich den Fehler in dieser Argumentation schon entdecken. Im Moment allerdings erschien sie mir vollkommen logisch. Seltsam.
»Und wer übernimmt meine Fälle im Kautionsbüro?«
»Ich helfe dir dabei.«
Ein exquisites Angebot, denn eigentlich war ich eine miserable Kopfgeldjägerin, und Ranger war der Beste in diesem Gewerbe. Und ich würde auf der Gehaltsliste von Rangeman stehen. Ich brauchte nur meine Finger von ihm zu lassen, und alles wäre wunderbar.
»O.k.«, sagte ich. »Wann soll ich anfangen?«
»Sofort. Hast du noch die Arbeitskleidung vom letzten Mal?«
»Zwei T-Shirts und schwarze Jeans.«
»Das reicht vorerst. Ich sage Ella Bescheid, sie soll Sachen nachbestellen.«
Ella und ihr Mann Louis sind das Hausmeisterpaar von Rangeman, mit eigener Wohnung in dem Gebäude. Sie sorgen für Sauberkeit und einen effizienten Betrieb und kümmern sich um Kleidung und Essen für die Truppe. Beide sind Anfang fünfzig, Ella hat dunkles Haar und dunkle Augen und ist ziemlich hübsch, auf eine nüchterne Art.
»Hast du noch unseren Schlüsselanhänger fürs Haus?«, fragte Ranger.
»Ja.«
Mit dem elektronischen Schlüssel kam ich in das Rangeman-Gebäude, das wie ein Hochsicherheitstrakt geschützt war. Sogar die Tür zu Rangers Privatwohnung im sechsten Stock konnte ich damit aufschließen. Die Wohnung habe ich früher schon häufiger genutzt, immer dann, wenn ich mich in Gefahr glaubte. Der Schritt war mir nie leichtgefallen, galt es doch jedes Mal abzuwägen zwischen der akuten Gefahr einerseits und der latenten Gefahr, die ein Kerl wie Ranger unweigerlich für eine Frau bedeutete.
Rangers Handy klingelte, und er sah auf das Display.
»Ich muss los«, sagte er. »Tank und Ramon erwarten dich. Ramon bringt dich auf den neuesten Stand, danach solltest du in der Lage sein, selbständig weiterzuarbeiten. Du kennst ja die Abläufe.« Sein Blick wanderte von meinem Gesicht zu meinem Badetuch und wieder zurück zu meinem Gesicht. »Verführerisch«, sagte er und ging.
ins Deutsche übertragen von Thomas Stegers
© der deutschsprachigen Ausgabe 2011 by Wilhelm Goldmannverlag, München
Als Kind habe ich mich vor Gemüse und vor Spinnen fürchterlich geekelt. Als Erwachsene habe ich Gemüse zwar irgendwann von meiner persönlichen Ekelliste gestrichen. Doch vor Spinnen habe ich bis heute panische Angst. Angst machen mir aber auch gemeingefährliche Irre, Vergewaltiger, Fettablagerungen, Joe Morellis Oma Bella, tollwütige Fledermäuse und Fitnessgruppen.
Ich heiße Stephanie Plum, und ich arbeite als Kautionsdetektivin für die Agentur Vincent Plum Bail Bonds. Kein toller Job, aber Fitnessgruppen kann ich mir dadurch sparen, und tollwütige Fledermäuse kommen mir auch kaum je in die Quere. Die übrigen Angstmacher verstecken sich irgendwo in den Schattenseiten meines Alltags. Aber es gibt auch Sonnenseiten in meinem Leben, dazu gehören Joe Morelli, ohne seine Oma Bella im Schlepptau, mein Kollege Ranger, ohne Kleider am Leib, meine durchgeknallte Familie, mein Hamster Rex - und Lula. Bei Lula schwanke ich etwas, mal ist sie eine tollwütige Fledermaus, mal mein Sonnenschein. Früher ist sie auf den Strich gegangen, heute macht sie die Ablage in unserem Büro und lernt Kautionsdetektivin. Lula ist eine große Persönlichkeit, die gerne kleine Größen trägt. Sie ist blond, üppig gebaut, und letzte Woche hat sie sich Pailletten auf ihre Wimpern geklebt.
Es war Montagmorgen. Connie, die Büroleiterin, und ich tranken gerade unseren Frühstückskaffee, als Lula draußen in ihrem roten Firebird vorfuhr und scharf abbremste. Wir beobachteten sie durch das Schaufenster des kleinen Ladenlokals, in dem die Kautionsagentur untergebracht ist, und verzogen beide gleichzeitig das Gesicht. Lula schien vollkommen aufgelöst. Sie torkelte auf die Straße, verschloss den Wagen mit ihrem Funkschlüssel und platzte mit weit aufgerissenen, rollenden Augen und wild gestikulierend ins Büro.
»Wahnsinn!«, sagte sie. »Ich habe alles gesehen. Es war schrecklich. Grauenhaft. Ich habe meinen Augen nicht getraut. Und alles hat sich direkt vor meiner Nase abgespielt.« Sie sah sich um. »Haben wir irgendwas zu essen da? Donuts oder so? Ich brauche ganz dringend einen Donut. Am besten eine ganze Tüte. Dazu ein Frühstückssandwich mit Schinken und Ei und Käse und ganz viel Fett. Ich habe Heißhunger auf was Fettiges!«
Aus Erfahrung wusste ich, dass es ein Riesenfehler ist, Lula in solchen Momenten zu fragen, was genau sie gesehen hatte. Trotzdem, ich konnte mich nicht zurückhalten.
»Was war denn so schrecklich?«
Connie beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch, offenbar rechnete sie mit dem Schlimmsten. Auch sie wusste, dass solche Geschichten bei Lula immer mit einem GAU endeten. Connie ist ein paar Jahre älter als ich, und während ich halb ungarischer, halb italienischer Abstammung bin, ist Connie reinrassige Italienerin. Pechschwarzes Haar, feuerrote Lippen, und ihr Body ist eine Wucht.
Lula dackelte nervös vor Connies Schreibtisch auf und ab. »Es fing schon krass an heute Morgen. Kaum Zeit für mich. Gestern Abend hatte ich ein Date. Wir sind groß ausgegangen und so, und als ich den Kerl endlich aus meinem Bett befördert hatte, da war nichts mehr mit Schönheitsschlaf und so. Also spät aufgestanden, aber dann konnte ich mich nicht entscheiden, was ich anziehen sollte. Mal ist es warm draußen, mal kalt. Ich habe überlegt, ziehe ich jetzt meine neuen arschgeilen Schuhe an oder doch lieber die, die besser für geile Arschtritte geeignet sind, das ist nämlich ein Unterschied.«
»Mensch, Lula«, sagte Connie. »Kannst du mal zur Sache kommen?«
»Die Sache ist die«, sagte Lula. »Ich war spät dran. Unterwegs im Auto will ich mir noch schnell Make-up auftragen, dabei verpasse ich eine Abfahrt, und schwupps, bin ich da gelandet, wo ich eigentlich gar nicht hinwollte. Ich also an den Straßenrand gefahren, gucken, wo ich bin, dabei rutscht der Schminkkoffer vom Beifahrersitz, und alle Utensilien verstreut auf dem Boden. Ich beuge mich runter, um die Sachen einzusammeln, und das muss wohl so ausgesehen haben, als säße keiner im Auto, weil, als ich mich wieder aufrichte, stehen da zwei so schwer behaarte Riesenlümmel direkt vor meinem süßen Firebird und trennen einem dritten Kerl den Kopf ab.«
»Wie bitte?«
»Der eine Depp schwingt ein großes Fleischerbeil, der andere Depp hält den Kerl fest, und zack ist der Kopf ab. Fällt einfach vom Rumpf und kullert auf die Straße.«
»Und was dann?«, fragte Connie.
»Dann haben sie mich gesehen«, sagte Lula. »Die waren natürlich echt erschrocken, und ich muss auch ziemlich erschrocken geguckt haben. Ich gebe also Gummi, was das Gaspedal hergibt, und haue ab.«
»Weißt du, wer die beiden waren?«
»Nein.«
»Und der dritte Mann? Kanntest du den?«
»Auch nicht. Er hatte einen Anzug an, edles Stöffchen. Und seine Krawatte war auch ziemlich schick.«
»Warst du schon bei der Polizei?«, wollte Connie wissen.
»Nein. Ich bin direkt hierhergefahren. Die Polizei hätte den armen Kerl auch nicht wieder zusammenflicken können «, sagte Lula. »Wozu also die Eile. Mein Donut ist viel dringender. Wirklich, ich habe schon Entzugserscheinungen. Ich muss jetzt sofort einen Donut essen.«
»Du musst die Polizei rufen«, klärte Connie Lula auf.
»Ich hasse die Polizei. Ich kriege Zustände, wenn ich einen Polizisten nur sehe. Außer bei Stephanies Freund Morelli. Der ist ein heißer Typ.«
Joe Morelli ist Zivilbulle in Trenton, und in dem einen Punkt gebe ich Lula recht, er ist ein heißer Typ, aber in dem anderen hat sie unrecht, es ist nicht so, als wäre er mein fester Freund. Wir haben eine Beziehung, mehr oder weniger, im Moment eher weniger. Dies Auf und Ab geht schon, solange ich denken kann. Vor zwei Wochen haben wir uns darüber gestritten, ob Erdnussbutter gesund ist oder nicht, und rasend schnell artete der Streit aus, und es ging um alles oder nichts. Seitdem haben wir uns nicht mehr gesehen.
Connie wählte sich in den Polizeifunk ein, und wir lauschten einige Minuten, ob vielleicht irgendwo in dem Krächzen auch von einer Enthauptung die Rede war.
»Wo ist das passiert?«, fragte Connie.
»In dem Dreihunderterblock in der Ramsey Street, unmittelbar vor dem Sunshine Hotel.«
Das Sunshine ist eine Kakerlakenfalle, das stundenweise Zimmer vermietet. Keiner der dort ein oder aus gehenden Gäste würde je irgendwas der Polizei melden.
»Ich habe ja schon viel erlebt«, sagte Lula, »aber das war einfach nur eklig. Das Blut hat gespritzt wie eine Ölfontäne aus einem Bohrloch. Und als der Kopf auf die Erde fiel, ich schwöre euch, da haben mich die Augen angeglotzt. Ihr habt recht, ich muss wohl doch die Polizei anrufen, aber ich spreche nur mit Morelli.« Lula fixierte mich. »Kannst du Morelli für mich anrufen?«
»Kommt gar nicht in Frage. Ich rede nicht mit ihm. Ruf ihn doch selbst an.«
»Ich kenne ihn nicht so gut wie du.«
»So gut kenne ich ihn auch nicht mehr. Ich bin fertig mit ihm. Ein Blödmann, der Typ.«
»Alle Männer sind blöd«, sagte Lula. »Das heißt aber nicht, dass sie für manche Sachen nicht doch ganz gut sind. Morelli ist ein Blödmann, aber trotzdem ein heißer Typ. Mit seinen lockigen schwarzen Haaren und dem verträumten Schlafzimmerblick könnte er glatt ein Filmstar sein oder Unterhosenmodel. Wenn er nur kein Bulle wäre. Er ist ein bisschen klein geraten, verglichen mit anderen Männern aus meiner Bekanntschaft, aber er bleibt trotzdem ein heißer Typ.«
Morelli ist über 1,80 m groß und ein einziges Muskelpaket. Aber Lula war mal vorübergehend mit einem Mann verlobt, einer Kreuzung aus einem Panzer und einem Gorilla, in ihrer Wahrnehmung musste Morelli daher zwangsläufig etwas kleiner ausfallen.
»Ich rufe ihn an«, sagte Connie. »Wozu ist Morelli schließlich Polizist? Mir egal, was für eine komplizierte Beziehung ihr habt.«
Ich war schon auf dem Sprung zur Tür. »Ich gehe dann mal. Ich habe noch was zu erledigen. Außerdem will ich Morelli jetzt nicht sehen.«
»Kommt nicht in die Tüte«, ermahnte mich Lula. »Heb deinen süßen Hintern wieder her, Liebes. Das stehen wir zusammen durch. Schon vergessen? Gemeinsam durch dick und dünn.«
»Seit wann gilt das denn?«
»Seit jetzt. Und davor hat es auch gegolten. Weißt du nicht mehr, dass ich dich damals gerettet habe? Vor der Riesenpythonschlange in dem Wohnmobil? Und das andere Mal, als wir uns in den Pine Barrens verlaufen hatten.«
»Du hast gebrüllt wie am Spieß und bist weggelaufen. Dabei hattest du dir die Schlange nur eingebildet. Es war überhaupt keine Schlange da! Und aus den Pine Barrens hat uns Ranger befreit.«
»Ja, aber wenn er uns nicht gefunden hätte, hätte ich uns aus dem Wald herausgeführt.«
»Du hast bis zu den Achseln in einem Cranberry-Moor gesteckt.«
»Ja, und Cranberrys kann ich seitdem auch nicht mehr sehen «, sagte Lula.
Zwanzig Minuten später kam Morelli ins Kautionsbüro geschlendert. Er trug Jeans und Sportschuhe, ein blaues Button-down-Hemd mit offenem Kragenknopf und einen marineblauen Blazer. Er sah sehr appetitlich aus, und er blickte ein bisschen skeptisch.
»Was gibt's?«, fragte er und sah mich dabei an.
Na gut, Morelli interessierte mich nicht mehr, jedenfalls war ich mir dessen ziemlich sicher. Trotzdem wünschte ich, ich hätte heute Morgen etwas mehr Sorgfalt auf meine Frisur und mein Make-up verwandt, damit er jetzt richtig sauer darüber wäre, was ihm mit mir so alles entging. Ich habe schulterlanges, lockiges brünettes Haar, das ich seit einiger Zeit nach hinten kämme und zu einem Pferdeschwanz zusammenbinde. Ich habe blaue Augen, die mit Eyeliner und Mascara noch viel schöner aussehen, einen einigermaßen hübschen Mund, der bis jetzt keine künstliche Aufspritzung nötig gehabt hat, und eine Stupsnase, die ich als mein bestes Stück betrachte. Für Morelli war mein bestes Stück natürlich etwas tiefer angesiedelt, ungefähr in der Mitte meines Körpers.
»Es war der Horror! Einfach schrecklich!«, sagte Lula. »Beinahe wäre ich in Ohnmacht gefallen.«
Morelli wandte seine Aufmerksamkeit Lula zu. Er sagte nichts, aber er sah sie an und zog ganz leicht die Augenbrauen in die Höhe.
»So etwas ist mir noch nicht untergekommen«, erzählte Lula. »Eben noch ein Tag wie jeder andere, und auf einmal, wusch!, und der Kerl hat keinen Kopf mehr. Das Blut schießt nur so aus ihm heraus wie ein Strahl aus einem Brunnen. Der Kopf knallt auf den Boden, und die Augen darin gucken mich groß an. Könnte sein, dass er mich sogar angelacht hat, aber sicher bin ich mir nicht.«
Morelli hakte die Daumen in die Taschen seiner Jeans und wollte schon wieder die Biege machen. »Ist das wirklich wahr?«
»Aber wie!«, sagte Lula. »Glaubst du vielleicht, ich würde mir so was aus den Fingern saugen? Ich bin traumatisiert.
Sieht man das nicht? Ich bin praktisch weiß wie Kreide. Vor Schreck! Ich glaube, meine Hände zittern sogar. Guck mal, meine Hände. Zittern die nicht?«
Morelli schielte wieder zu mir herüber. »Warst du dabei?«
»Nö.«
»Hat jemand die Polizei verständigt?«
»Nö.«
Lula war ziemlich angepisst und stemmte die Fäuste in die Seiten. »Wir haben dich doch angerufen«, sagte sie zu Morelli.
Morelli überflog mit einem Blick das Büro. »Ihr habt den abgeschlagenen Kopf nicht zufällig hierhergebracht, oder?«
»Soweit ich weiß, liegen der Kopf und alles andere immer noch vor dem Sunshine Hotel«, sagte Lula. »Aber mir gefällt deine ganze Art nicht. Ich habe den Eindruck, dass du uns gar nicht für voll nimmst.«
Morelli sah hinunter auf seine Schuhe. Versuchte er angestrengt nicht zu lachen, oder bekam er gerade einen Migräneanfall? Schwer zu sagen. Nachdem er bis fünf gezählt hatte, nahm er sein Handy aus der Tasche, rief die Polizeizentrale an und schickte einen Kollegen zum Sunshine Hotel.
»Okay, Ladys«, sagte er, nachdem er das Gespräch beendet hatte, »wir machen jetzt eine Tatortbesichtigung.«
Ich sah demonstrativ auf meine Uhr. »Ach du Schreck! Ich muss los. Hab noch einiges zu erledigen.«
»Nix da«, sagte Lula. »Ich brauche jemanden, der mich begleitet, falls ich ohnmächtig werde.«
»Er ist doch bei dir«, sagte ich und deutete mit einem Kopfnicken auf Morelli.
»Morelli ist ein feiner Kerl, aber für mich repräsentiert er nun mal die Polizei. Ich brauche jemanden, der auf meiner Seite ist, verstehst du? Ich brauche eine gute Freundin.«
»Ich bin leider verhindert«, sagte Connie. »Vinnie holt einen Kautionsflüchtling in Atlanta ab, deswegen muss ich mich um das Büro kümmern.«
Morelli sah mich an und schüttelte den Kopf, als könne er nicht glauben, was er hier zu hören bekam, als wäre ich eine einzige, unermesslich große Nervensäge. Wer weiß, vielleicht dachte er ja im Moment ganz allgemein so über Frauen.
Ich hatte vollstes Verständnis für Morellis Einstellung, denn haargenau so dachte ich im Moment über Männer.
»Na toll«, seufzte ich. »Dann mal los!«
Lula und ich folgten Morelli in meinem zehn Jahre alten Ford Escort, der früher mal blau lackiert gewesen war. Wir fuhren mit meinem Escort, nicht weil das so ein tolles Auto war, sondern weil Lula meinte, sie sei viel zu aufgewühlt, um sich in ihren Firebird zu setzen. Außerdem brauche sie nach der Tatortbesichtigung erst mal einen Bacon-Cheeseburger zur Erholung, und Morelli habe bestimmt keine Lust, extra für sie ein Drive-in anzusteuern.
Zwei Streifenwagen versperrten den Bürgersteig vor dem Sunshine Hotel, als Lula und ich eintrudelten. Ich stellte den Wagen ab, Lula und ich stiegen aus und gingen zu Morelli und einigen Polizisten in Uniform. Wir alle blickten auf den Asphalt, auf einen roten Fleck, der sich auf einer Fläche von über einem Meter Durchmesser ausgebreitet hatte. An mehreren Stellen, wahrscheinlich da, wo der Kopf auf den Boden geprallt war, franste er in kleinere Spritzer aus. Ich verspürte einen starken Brechreiz und fing unweigerlich an zu schwitzen.
»Hier ist es passiert«, sagte Lula. »Alles so, wie ich es euch geschildert habe. Eine riesige Fontäne schoss aus dem Rumpf, als sie ihm den Kopf abgehauen haben. Als würde der Old-Faithful-Geysir ausbrechen, nur kein Wasser, sondern Blut. Dann ist der Kopf auf den Bürgersteig gefallen. Sah aus wie eine Bowlingkugel mit Augen, Stielaugen, und geschielt haben sie und mich angeguckt. Ich glaube, der Kopf hat sogar gelacht, aber da kann ich mich täuschen, vielleicht waren das auch die beiden Schlächter.«
Die Streifenpolizisten verzogen das Gesicht, Morelli blieb ungerührt, und ich übergab mich. Alle retteten sich mit einem Sprung zur Seite, ich würgte noch ein paarmal, dann atmete ich tief durch.
»Entschuldigung«, sagte ich.
»Macht nichts«, sagte Morelli. »Ich könnte andauernd kotzen bei meiner Arbeit.«
Einer der Polizisten reichte mir Papiertaschentücher und eine Flasche Wasser. Lula stand ein ganzes Stück entfernt von mir.
»Jetzt, wo dein Magen leer ist, ist ja wieder jede Menge Platz frei geworden für Essen«, rief sie. »Ich könnte einen von den extraknusprigen Putenschnitzel-Burgern vertragen, die es bei Cluck-in-a-Bucket gibt. Schon davon gehört? Die sollen eine neue Geheimsauce haben.«
Geheimsaucen für'n Arsch. Ich wollte nach Hause, ins Bett und erst wieder aufstehen, wenn ein neuer Tag anbrach. Ich hatte die Schnauze voll. Gestrichen voll.
»Wir haben einige Fußspuren entdeckt, die Richtung Süden weisen«, sagte ein Polizist. »Einer der beiden Männer muss ganz schöne Quadratlatschen haben. Größe achtundvierzig. Schleifspuren gibt es auch, da, wo sie die Leiche über die Straße zum Bordstein gezogen haben. Vermutlich haben sie sie ins Auto verfrachtet und sind abgehauen.«
»Du musst mit aufs Revier und eine Aussage machen«, sagte Morelli zu Lula.
»Buah! Niemals. Gegen Polizeireviere bin ich allergisch. Die sind mir unheimlich, da kriege ich Platzangst.«
»Du bist Zeugin eines Mordes.«
»Ja, schon, aber ich poche auf mildernde Umstände. Mein Gesundheitszustand. Ich reagiere extrem empfindlich auf Polizisten.«
Morelli sah aus, als würde er am liebsten seine Pistole aus dem Halfter ziehen und sich die Kugel geben.
»Ich kaufe dir auch einen Cheeseburger und eine Portion Zwiebelringe«, sagte er.
Lula sah ihn empört an. »Glaubst du wirklich, du könntest mich mit einem schlappen Burger kaufen? Für wen hältst du mich?«
»Ich gebe noch einen Eimer Hähnchenschenkel und eine Eisbombe von Carvel dazu«, sagte Morelli. »Das ist mein letztes Angebot.«
»Abgemacht«, antwortete Lula. »Fahren wir mit deinem Auto? Ich setze mich nämlich nicht gerne in Polizeiwagen. Außerdem - ich sag's ungern, aber Stephanie riecht nicht besonders gut aus dem Mund.«
Zwanzig Minuten später stellte ich meinen Wagen auf dem Mieterparkplatz hinter meinem Haus ab. Der Kasten sitzt genau auf der Grenze zwischen dem anständigen und dem unanständigen Trenton, ein dreigeschossiger praktischer Backsteinklotz, dessen Bewohner hart schuften müssen, um über die Runden zu kommen. Bei mir reicht es häufig nicht bis zum Monatsende, was dazu führt, dass ich des Öfteren ein Abendessen bei meinen Eltern schnorre, die zehn Minuten von mir wohnen, in einem Arbeiterviertel von Trenton, Chambersburg, kurz The Burg.
Meine Wohnung liegt im ersten Stock, die Fenster gehen auf den Parkplatz raus. Einziger Mitbewohner ist Rex, mein Hamster. Ich schaffe es, mit Müh und Not einen Vorrat an Hamsterfutter anzulegen. Lebensmittel für Menschen dagegen machen sich bei mir rar. Ich besitze eine Pfanne und einen Topf. Als Küchenausstattung ist das völlig ausreichend, weil ich mich sowieso hauptsächlich von Erdnussbutter- Sandwichs ernähre: Erdnussbutter mit Banane, Erdnussbutter mit Marmelade, Erdnussbutter mit Kartoffelchips, Erdnussbutter mit Oliven und Erdnussbutter mit Marshmallows. Mir egal, was andere dazu sagen, aber ich esse nun mal gerne Erdnussbutter. Außer der Küche gibt es noch eine Essecke, ein Wohnzimmer mit Fernseher, Schlafzimmer und Badezimmer.
Ich lief vom Parkplatz nach oben in meine Wohnung, zog mich aus und sprang unter die Dusche. Erst als sich meine Haut rosarot verfärbte wie gekochter Hummer, tauchte ich wieder daraus hervor und schlang mir ein Badetuch um. Ich ging ins Schlafzimmer, und plötzlich stand ich vor Ranger, der sich in dem Klubsessel neben dem Bett lümmelte. Vor Schreck schrie ich auf und huschte zurück ins Badezimmer.
»Babe«, sagte Ranger.
Ich steckte den Kopf durch die Tür.»Was machst du denn hier?«, fragte ich ihn.
»Ich wollte dich nur sprechen.«
»Warum hast du nicht vorher angerufen? Oder wenigstens an der Tür geklingelt?«
Ranger schien zu überlegen, ob er sich zu einem Schmunzeln durchringen sollte oder nicht. Seine Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf den oberen Rand meines Badetuchs, dann wanderte sein Blick an mir entlang bis zum unteren Saum, der einige wenige Zentimeter über meine Dingsda hinausragte. Seine braunen Rehaugen weiteten sich und wurden finster, umso fester klammerte ich mich an das Tuch.
Ranger, das war der zweite wunde Punkt in meinem Leben, und jetzt, da Morelli von der Bildfläche verschwunden war, hatte er sich wohl auf Platz Nummer eins geschoben. Ranger ist gute 1,80 m groß, und er ist Latino, seine Hautfarbe mittelbraun, sein Haar dunkelbraun und raspelkurz. Er hat strahlend weiße und regelmäßige Zähne und ein Killerlächeln, das nur bei besonderen Gelegenheiten aufblitzt. Schwarz ist seine bevorzugte Farbe, jetzt trug er ein schwarzes T- Shirt und schwarze Cargo Pants. Getauft ist er auf den Namen Carlos Manoso, aber auf der Straße nennen ihn alle nur Ranger, ein Relikt aus seiner Zeit bei den Special Forces. Heute ist Ranger geschäftsführender Teilhaber einer Security- Firma, die in einem unscheinbaren Gebäude im Stadtzentrum residiert, doch gelegentlich übernimmt er noch die riskanteren Kopfgeldjägerjobs für Vinnie. Unbekleidet habe ich ihn auch schon gesehen, um nicht zu sagen nackt, und Sie können sich darauf verlassen, dass es die reine Wahrheit ist, wenn ich Ihnen verrate, dass er aus reinem Muskelfleisch besteht und einfach nur perfekt ist, in jeder Hinsicht. Und damit meine ich wirklich in jeder nur erdenklichen Hinsicht.
Ranger und ich haben drei Dinge gemeinsam. Wir sind gleichaltrig, wir sind Single, und beide waren wir schon mal verheiratet - für jeweils zehn Sekunden. Ende der Gemeinsamkeiten. Ich bin wie ein aufgeschlagenes Buch mit vielen leeren Seiten. Rangers Buch ist gespickt mit Lebenserfahrung, geschrieben in unsichtbarer Tinte. An meiner Wohnungstür sind drei Schlösser und ein Schubriegel, und ich bin mir sicher, dass ich alle zugeschlossen hatte. Irgendwie hält das Ranger nie ab. Er ist ein Mann mit geheimnisvollen Fähigkeiten.
Ranger winkte mich mit einem gekrümmten Finger zu sich heran. »Komm her.«
»Niemals.«
»Angst?«
»Vorsicht.«
»So macht es keinen Spaß«, sagte Ranger.
»Du willst Spaß haben?«
Seine Mundwinkel verzogen sich ganz leicht nach oben. »Ich kann auch anders.«
Ich musste nicht befürchten, dass er gleich über mich herfallen würde. Aber um an den Kleiderschrank heranzukommen, in dem mein knöchellanger kuscheliger rosa Bademantel hing, musste ich mich an Ranger vorbeidrücken. Und dabei befürchtete ich, in sein Kraftfeld hineingezogen zu werden, falls ich ihm zu nahe kam. Dann wäre am Ende womöglich ich diejenige, die über ihn herfiel. Das war nicht ungefährlich. Ranger hatte mir nämlich zu verstehen gegeben, dass sein emotionales Engagement Grenzen hatte. Außerdem gab es ja noch Morelli. Morelli war zwar gegenwärtig nicht angesagt, aber das war schon öfter vorgekommen, und irgendwann war er immer auf seinen Stammplatz zurückgekehrt. Eine schnelle Nummer mit Ranger würde eine Versöhnung mit Morelli wiederum erheblich schwieriger gestalten. Allerdings stand Letzteres im Moment sowieso nicht zur Debatte, weil ich generell nicht in versöhnlicher Stimmung war.
»Weswegen wolltest du mich sprechen?«, fragte ich ihn.
»In den letzten acht Wochen sind drei Kunden von mir ausgeraubt worden. Bei allen war neueste Sicherheitstechnik installiert. In allen drei Fällen wurde das System für exakt fünfzehn Minuten ausgeschaltet und dann wieder aktiviert. Meine Kunden waren zu dem Zeitpunkt nicht zu Hause. Es gibt keine Anzeichen von Gewaltanwendung.«
»In Filmen sieht man doch manchmal, wie die Bösen mit so einem kleinen Elektrogerät Codes knacken.«
»Wir sind hier nicht im Film, Babe.«
»Hat sich jemand in deinen Computer eingeloggt?«
»Nein.«
»Dann bleibt nur noch eine Erklärung. Und die ist hässlich «, sagte ich.
»Theoretisch gibt es nur wenige Leute in meinem Unternehmen, die Zugang zu den Codes haben, und ich kann mir nicht vorstellen, dass einer von denen in die Sache verwickelt ist. Was das betrifft, wird jeder, den ich einstelle, strengstens überprüft. Hinzu kommt, dass das gesamte Gebäude, mit Ausnahme der privaten Wohnräume, videoüberwacht wird.«
»Hast du die Codes geändert?«
»Ich habe sie nach jedem Einbruch geändert.«
»Wow.«
»Allerdings«, sagte Ranger. »Ein Insider knackt mein System. «
»Warum erzählst du mir das alles?«
»Ich brauche jemanden, der ein bisschen herumschnüffelt, ohne Verdacht zu erregen. Ich kann in meiner Firma niemandem mehr trauen.«
»Nicht mal Tank?«
»Nicht mal Tank.«
Tank ist, wie sein Name schon sagt, ein Panzer, groß und robust, innen und außen. Er ist Rangers Stellvertreter, und er hält Ranger den Rücken frei.
»Du hast schon mal für mich gearbeitet, Computerrecherche, und dafür möchte ich dich wieder engagieren. Bis jetzt hat Ramon die Recherchen gemacht, aber er will raus aus dem Kabuff und wieder in den Außendienst. Du würdest im Kontrollzentrum im vierten Stock arbeiten, aber hast natürlich Zugang zu allen Räumen im Haus. Jeder in der Firma kennt dich und weiß, dass du mein Baby bist. Deswegen wird keiner in deiner Anwesenheit offen reden, aber es wird auch keiner auf die Idee kommen, ich hätte dich eingestellt, um sie auszuspionieren. Sie gehen einfach davon aus, dass ich dir den Job gegeben habe, um dich in meiner Nähe zu haben.«
»Seit wann bin ich denn dein Baby? Glaubst du vielleicht, ich gehöre dir?«
»Ja, klar. Du bist die Einzige, die das in Frage stellt.«
Ich sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. »Ich gehöre niemandem. Nicht mal dir. Ein Auto kann zu deinem persönlichen Besitz gehören. Ein T-Shirt. Aber ein Mensch - niemals.«
»In meiner Firma teilen wir uns die Autos und die Hemden, nur nicht die Frauen. Hier gehörst du zu mir. Finde dich damit ab.«
Später, wenn ich allein wäre und ein bisschen darüber nachgedacht hätte, würde ich den Fehler in dieser Argumentation schon entdecken. Im Moment allerdings erschien sie mir vollkommen logisch. Seltsam.
»Und wer übernimmt meine Fälle im Kautionsbüro?«
»Ich helfe dir dabei.«
Ein exquisites Angebot, denn eigentlich war ich eine miserable Kopfgeldjägerin, und Ranger war der Beste in diesem Gewerbe. Und ich würde auf der Gehaltsliste von Rangeman stehen. Ich brauchte nur meine Finger von ihm zu lassen, und alles wäre wunderbar.
»O.k.«, sagte ich. »Wann soll ich anfangen?«
»Sofort. Hast du noch die Arbeitskleidung vom letzten Mal?«
»Zwei T-Shirts und schwarze Jeans.«
»Das reicht vorerst. Ich sage Ella Bescheid, sie soll Sachen nachbestellen.«
Ella und ihr Mann Louis sind das Hausmeisterpaar von Rangeman, mit eigener Wohnung in dem Gebäude. Sie sorgen für Sauberkeit und einen effizienten Betrieb und kümmern sich um Kleidung und Essen für die Truppe. Beide sind Anfang fünfzig, Ella hat dunkles Haar und dunkle Augen und ist ziemlich hübsch, auf eine nüchterne Art.
»Hast du noch unseren Schlüsselanhänger fürs Haus?«, fragte Ranger.
»Ja.«
Mit dem elektronischen Schlüssel kam ich in das Rangeman-Gebäude, das wie ein Hochsicherheitstrakt geschützt war. Sogar die Tür zu Rangers Privatwohnung im sechsten Stock konnte ich damit aufschließen. Die Wohnung habe ich früher schon häufiger genutzt, immer dann, wenn ich mich in Gefahr glaubte. Der Schritt war mir nie leichtgefallen, galt es doch jedes Mal abzuwägen zwischen der akuten Gefahr einerseits und der latenten Gefahr, die ein Kerl wie Ranger unweigerlich für eine Frau bedeutete.
Rangers Handy klingelte, und er sah auf das Display.
»Ich muss los«, sagte er. »Tank und Ramon erwarten dich. Ramon bringt dich auf den neuesten Stand, danach solltest du in der Lage sein, selbständig weiterzuarbeiten. Du kennst ja die Abläufe.« Sein Blick wanderte von meinem Gesicht zu meinem Badetuch und wieder zurück zu meinem Gesicht. »Verführerisch«, sagte er und ging.
ins Deutsche übertragen von Thomas Stegers
© der deutschsprachigen Ausgabe 2011 by Wilhelm Goldmannverlag, München
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Autoren-Porträt von Janet Evanovich
Janet Evanovich, die mit jedem ihrer Romane in den USA einen Nummer-1-Bestseller landet, stammt aus South River, New Jersey, und lebt heute in New Hampshire. Die Autorin wurde von der Crime Writers Association mit dem 'Last Laugh Award' und dem 'Silver Dagger' ausgezeichnet und erhielt bereits zweimal den Krimipreis des Verbands der unabhängigen Buchhändler in den USA.
Bibliographische Angaben
- Autor: Janet Evanovich
- 2013, 320 Seiten, Maße: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Stegers, Thomas
- Übersetzer: Thomas Stegers
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 344247499X
- ISBN-13: 9783442474998
- Erscheinungsdatum: 21.01.2013
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