Tagebücher
Band 12. 1922-1923
Auch in diesem Festungstagebuch von Oktober 1922 bis Januar 1923 ist Mühsam mit einer tristen Realität konfrontiert. Draußen ein Land, das unter den Sanktionen des Versailler Vertrags leidet und immer tiefer in die Krise rutscht, drinnen der krankmachende...
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Produktinformationen zu „Tagebücher “
Klappentext zu „Tagebücher “
Auch in diesem Festungstagebuch von Oktober 1922 bis Januar 1923 ist Mühsam mit einer tristen Realität konfrontiert. Draußen ein Land, das unter den Sanktionen des Versailler Vertrags leidet und immer tiefer in die Krise rutscht, drinnen der krankmachende Stumpfsinn des Strafregimes.Mühsams Revolutionshoffnung findet kaum noch Nahrung, sein Blick auf das politische Geschehen wird bitterer. Doch Resignation kennt er nicht. Jeder Tageseintrag ist Suche nach Orientierung, Erkundung von Handlungsmöglichkeiten, Werben um Gleichgesinnte, Entwurf einer Zukunft, in der er wieder zu seiner Rolle als Vorkämpfer der klassenlosen Gesellschaft finden kann. Erich Mühsams "Tagebücher" sind ein "einzigartiges Zeitdokument" (FAZ), die historisch-kritische Ausgabe wird von Chris Hirte und Conrad Piens herausgegeben. Sie erscheint in 15 Bänden im Verbrecher Verlag und zugleich als Online-Edition mit einem umfassenden Anmerkungsapparat unter www.muehsam-tagebuch.de. Der Anmerkungsapparat bietet das vollständige Transkript, Faksimiles, Suchfunktionen, editorische Notizen, weiterführende Lektürehinweise sowie ein Personenregiste
Mit Lesebändchen
Lese-Probe zu „Tagebücher “
Niederschönenfeld, Freitag, d. 17. März 1922.Eine Geldsendung der "Roten Hilfe" für die ledigen F. G. (für uns Verheiratete ging es an die Familien) wurde von der Verwaltung zurückgesandt, wahrscheinlich mit derselben Begründung wie vor einigen Wochen, als man mir das Geld von den Düsseldorfer Syndikalisten vorenthielt. Die Reaktion fühlt sich also immer noch obenauf und läßt uns von dem "Linkskurs", der angeblich neuerdings in Bayern eingekehrt sein soll, nichts merken, sie verschärft vielmehr ihre Methoden in Niederschönenfeld noch nach Möglichkeit. Aber es ist doch so, daß Lerchenfeld sich vom Miesbacher Anzeiger und ähnlichen Zeitschönheiten wie ein Zutreiber der Revolution beschimpfen lassen muß. Das welterschütternde Ereignis, das die bayerischen Ashantipolitiker so heftig aus der Ruhe gebracht hat, ist das, daß sich die "erweiterte Koalition", das heißt eine Wiederaufnahme der Deutschnationalen in die Regierung zerschlagen hat. Das große Wunder dieser Begebenheit liegt aber darin, daß die Demokraten in letzter Minute den Block der Ordnung und Sicherheit im Stich ließen und erklärten, mit der Mittelpartei nicht zusammenarbeiten zu können. Das erste Erstaunen über diesen mannhaften Entschluß legte sich bald. Denn was für diese Gesellschaft bestimmend war, hatte nichts mit politischer Gesinnung zu tun, geschweige mit oppositionellen Absichten. Man schob unhöfliche Reden Deutschnationaler gegen die demokratische Partei vor, aber jeder, der ein bißchen tiefer sieht, weiß, daß sich die Müller-Meiningen, Dirr und Hammerschmidt nur sehr gegen ihre Überzeugung dem Druck von Norddeutschland aus beugten, wo man ihnen wahrscheinlich mit Ausschluß aus der Partei gedroht haben wird, wenn sie das Programm, das für die neue Koalition schon fix und fertig war, unterwürfen[unterstützten?]. Dieses Programm sah in der Tat erbaulich aus und stellte in aller Eindeutigkeit eine einwandfreie Kundgebung für die vollständige Restauration im Sinne des antisemitisch-föderalistischen
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Monarchismus dar. Als Platzhalter für Rupprecht sollte der Staatspräsident seinen Posten besetzen, - und die Säuberung Bayerns von "fremdländischen Elementen" sollte mit vermehrtem Eifer betrieben werden. Die Demokraten haben also dazu Nein! gesagt, nachdem sogar die Einigung über die Personalfrage erzielt war. Als Justizminister hatte die Mittelpartei einen Beamten des Justizministeriums, also einen "Fachmann", präsentiert, Herrn Dr. Gürtner, den Referenten für das Begnadigungswesen. Kann man mehr verlangen? Politisch sei er ein "unbeschriebenes Blatt" hieß es in den Empfehlungs-Waschzetteln, aber die Milde, von der in Zukunft die bayerische Justiz beseelt sein würde, war ja schon durch das bisher von dem Mann bestellte Arbeitsfeld verbürgt. Nun, wir in Niederschönenfeld haben einen Begriff bekommen von dem System, das der Referent für das Begnadigungswesen schon bisher geübt hat. "Gnade" wird dem zuteil, der zum Verräter an der eignen Klasse wird, die Straferlasse aber, die die Gerichte selbst schon bei den Verurteilungen ausgesprochen haben, werden gestrichen, wenn jemand Charakter zeigt. Freilich kann Dr. Gürtner auch anders. Kürzlich wurde der "völkische" Herr Hitler, ein Österreicher, wegen ganz toller Gewalttaten in einer pazifistischen Versammlung zu 3 Monaten Gefängnis verurteilt. 2 seiner Gesinnungsgenossen verknackte man zugleich für die Heldentaten, die jeden Kommunisten wegen Landfriedensbruch ins Zuchthaus gebracht hätten, zu 2, bzw. 6 Monaten. Diese 3 Leute haben von Gürtners milder Denkart Beweise erhalten: nachdem die deutschnationalen Radaubrüder ein unheimliches Getöse veranstaltet hatten wegen des Rechtsbruchs, den man an ihren Führern verübt habe, sind ihnen, ehe sie die Strafe auch nur angetreten haben, schon davon auf Bewährung erlassen worden. Nun verlangen aber die tapferen Sozi sogar die Ausweisung Hitlers als lästigen Ausländer, und im Landtag wurde erklärt, daß diese Ausweisung "erwogen" werde. Unheimlicher Lärm. Die Herrschaften drohen
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Bibliographische Angaben
- Autor: Erich Mühsam
- 2017, 450 Seiten, Maße: 14,1 x 20,3 cm, Leinen, Deutsch
- Herausgegeben: Chris Hirte, Conrad Piens
- Verlag: Verbrecher Verlag
- ISBN-10: 3940426881
- ISBN-13: 9783940426888
- Erscheinungsdatum: 30.11.2017
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