Tanz, Püppchen, tanz
In das scheinbar perfekte Leben der Anwältin Amanda bricht eines Tages ein Fall, der alles verändert: Ihre eigene Mutter hat aus heiterem Himmel einen Mann erschossen und schweigt seitdem beharrlich. Amanda versucht, das Geheimnis ihrer Mutter...
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In das scheinbar perfekte Leben der Anwältin Amanda bricht eines Tages ein Fall, der alles verändert: Ihre eigene Mutter hat aus heiterem Himmel einen Mann erschossen und schweigt seitdem beharrlich. Amanda versucht, das Geheimnis ihrer Mutter herauszufinden.
Doch schon bald merkt sie, dass ein dunkler Schatten aus ihrer Kindheit sie einholt.
Sie liefert den Stoff, aus dem unsere Alpträume sind: Joy Fielding. Die Spitzen-Autorin landete mit jedem ihrer Bücher Bestseller.
''Joy Fielding ist eine meisterhafte Kennerin der Abgründe, die in menschlichen Beziehungen lauern.''
Publishers Weekly
Tanz, Püppchen,tanz vonJoy Fielding
LESEPROBE
Was Amanda Travis mag: die Farbe Schwarz; Spinning-Kurse in derMittagspause im Fitness-Center in der Clematis Street in Downtown Palm Beach;ihr ganz in Weiß gehaltenes Apartment mit Meerblick in Jupiter; willfährigeGeschworene; und Männer, deren Frauen sie nicht verstehen.
Was sie nicht mag: die Farbe Rosa; wenn die Temperatur hinterihrer durchgehenden Fensterfront unter achtzehn Grad fällt; Mandanten, dieihren Rat nicht befolgen; die Farbe Grau; beim Betreten eines Lokals ihrenAusweis vorzeigen zu müssen; Spitznamen jedweder Art und Bedeutung.
Und was sie auch nicht mag: Bissspuren.
Vor allem Bissspuren, die selbst nach mehreren Tagen noch so tiefund deutlich ausgeprägt sind wie eine leuchtend violette Tätowierung vor einemHintergrund aus senffarbenen Blutergüssen; Bissspuren, die sie von den Fotosauf ihrem Verteidigertisch förmlich anlächeln.
Amanda schüttelt das blonde schulterlange Haar aus ihrem schmalenGesicht, schiebt das anstößige Foto unter einen Block mit gelbem, liniertemPapier, nimmt einen Stift und gibt vor, etwas Wichtiges zu notieren, währendsie in Wahrheit schreibt Zahnpasta nicht vergessen. Diese Geste richtet sich andie Geschworenen für den Fall, dass einer von ihnen hinguckt. Was eherunwahrscheinlich ist. Heute Morgen hat sie bereits einen von ihnen, einen Mannmittleren Alters mit roten Haaren und schütterer Ronald-Reagan-Frisur, dabeiertappt, wie er eingedöst ist. Sie seufzt, lässt den Bleistift fallen, lehntsich auf ihrem Stuhl zurück und schürzt ihre Lippen zu einem missbilligendenSchmollen. Nur angedeutet, gerade genug, um den Geschworenen zu zeigen, was sievon der Zeugenaussage hält. Und sie würde sie gern glauben machen, dass dasnicht viel ist.
»Er hat rumgeschrien wegen irgendwas«, sagt die junge Frau imZeugenstand und zupft mit einer Hand abwesend an ihrem Haar. Sie blickt zumTisch der Verteidigung, zieht an ihren platinblonden Locken, bis der dunkleHaaransatz sichtbar wird, und wickelt sie um ihre falschen, eckigenFingernägel. »Er hat immer wegen irgendwas rumgeschrien.«
Amanda nimmt den Bleistift wieder in ihre rechte Hand und setztStouffer s Tiefkühl-Makkaroni mit Käse auf ihre improvisierte Einkaufsliste.Und Orangensaft, fällt ihr noch ein, was sie mit übertriebenem Schnörkelnotiert, als ob sie gerade eine entscheidende juristische Einsicht gehabthätte. Dadurch verrutscht das Foto unter dem Block, sodass ihr derfotografische Abdruck der Zähne ihres Mandaten auf der Haut der Zeugin erneutentgegenstarrt.
Es sind diese Bissspuren, die ihr alles vermasseln werden.
Vielleicht könnte sie es schaffen, die Fakten zu frisieren, dieIndizien zu vernebeln und die Geschworenen mit irrelevanten Details und nichtimmer begründeten Zweifeln zu verwirren, aber um diese grausamen Bilder führteinfach kein Weg herum. Sie werden das Schicksal ihres Mandanten besiegeln undihre eigene perfekte Bilanz beschädigen. Wie ein Fleck auf ansonsten makelloserHaut werden sie von beinahe einem Jahr voller herausragender Auftrittezugunsten der Armen, Unglücklichen und erdrückend Schuldigen ablenken.
Überhaupt dieser verfluchte Derek Clemens. Musste er so verdammtdurchschaubar sein?
Amanda beugt sich vor und tätschelt die Hand des neben ihrsitzenden Mannes. Eine weitere Geste für die Geschworenen, obwohl sie sichfragt, ob irgendjemand sich davon täuschen lässt. Diese Leute gucken garantiertauch genug Fernsehen, um die diversen Tricks ihrer Zunft zu kennen: diegeheuchelte Empörung, die mitleidigen Blicke, das ungläubige Kopfschütteln. Siezieht ihre Hand zurück und reibt die Stelle, wo sie die Haut ihres Mandantenberührt hat, unter dem Tisch mehrfach an ihrem schwarzen Leinenrock ab. Idiot,denkt sie, während sie aufmunternd lächelt. Nicht mal ein QuäntchenSelbstkontrolle war drin. Du musstest sie auch noch beißen.
Der Angeklagte lächelt zurück, zum Glück mit geschlossenem Mund.Die Geschworenen werden demnächst noch mehr als genug von Derek Clemens Zähnenzu sehen bekommen.
Mit seinen achtundzwanzig Jahren und der drahtigen Statur voneinsfünfundsiebzig ist Derek Clemens genauso alt und groß wie die Frau, dieausgewählt worden ist, ihn zu vertreten. Selbst ihr Haar ist von dem gleichenzarten Blond, ihre Augenfarbe eine Variation desselben kühlen Blaus, wobei ihreAugen dunkler und undurchsichtiger sind als seine, die blasser wirken und insPastellige tendieren. Unter anderen, angenehmeren Umständen hätte man AmandaTravis und Derek Clemens für Geschwister halten können, vielleicht sogar fürZwillinge.
Amanda schüttelt den unschönen Gedanken ab, wie immer frohdarüber, ein Einzelkind zu sein. Sie dreht sich auf ihrem Stuhl um und blicktezu der langen Fensterfront auf der Rückseite des Gerichtssaals. Draußen ist esein typischer Februartag in Südflorida - der Himmel türkisfarben, die Luftwarm, der Strand eine Versuchung. Sie unterdrückt den Impuls, aufzustehen, denKopf an die getönten Scheiben zu lehnen und über den Intercoastal Waterwayhinweg auf den Ozean zu blicken. Nur in Palm Beach konnte es der Meerblick auseinem Gerichtssaal mit der Aussicht aus dem Penthouse eines Top-Hotelsaufnehmen.
Perverserweise sitzt Amanda lieber hier im Gerichtssaal 5C desPalm Beach County Court House neben irgendeinem asozialen Abschaum, der derKörperverletzung sowie der massiven Bedrohung und sexuellen Nötigung seiner beiihm lebenden Freundin beschuldigt wird, als neben einem zu leicht bekleideten,überfütterten Schneevogel auf dem kühlen Sand in der Sonne zu liegen. Ein paarMinuten auf dem Rücken, die nackten Füße von der Brandung umspült, reichenAmanda Travis meistens, bis sie sich wieder nach dem heißen Pflaster desBürgersteigs sehnt. (...)
© Goldmann Verlag
Übersetzung: Kristian Lutze
- Autor: Joy Fielding
- 444 Seiten, Maße: 13,5 x 21,5 cm, Klappenbroschur
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828986110
- ISBN-13: 9783828986114
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