Teufelskind
Roman
Nippon noir - provokant, abgründig, diabolisch
Aiko Matsushima ist mit den Abgründen des Lebens von Kindesbeinen an vertraut. Sie wächst in einem heruntergekommenen Bordell in Tokio heran, von ihrer Mutter fehlt jede Spur. Außer einem Paar weißer Schuhe...
Aiko Matsushima ist mit den Abgründen des Lebens von Kindesbeinen an vertraut. Sie wächst in einem heruntergekommenen Bordell in Tokio heran, von ihrer Mutter fehlt jede Spur. Außer einem Paar weißer Schuhe...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Teufelskind “
Nippon noir - provokant, abgründig, diabolisch
Aiko Matsushima ist mit den Abgründen des Lebens von Kindesbeinen an vertraut. Sie wächst in einem heruntergekommenen Bordell in Tokio heran, von ihrer Mutter fehlt jede Spur. Außer einem Paar weißer Schuhe ist dem ungeliebten Kind nichts von ihr geblieben, und so muss Aiko früh lernen, sich in einer Welt voller Kälte und Rücksichtslosigkeit zu behaupten. Auch als sie älter wird, hat sie es nicht leicht. Sie schlägt sich als Prostituierte, Zimmermädchen oder Kellnerin so eben durch, stets umgeben von Schmutz, Armut und Elend - von Menschen, die Gescheiterte sind wie sie selbst. Und unmerklich wächst etwas in ihr heran, das eines Tages mit Macht an die Oberfläche drängt: Sie, die mit dem Rücken zur Wand steht, ist nun bereit, alle Tabus zu brechen. Getrieben von mörderischem Hass, bricht sie auf zu einem beispiellosen Rachefeldzug - und dabei kennt ihr Killerinstinkt keine Gnade ...
. Provokant und schonungslos - das faszinierende Psychogramm einer jungen Frau, die ihre Seele verloren hat und zur Serienmörderin wird
Aiko Matsushima ist mit den Abgründen des Lebens von Kindesbeinen an vertraut. Sie wächst in einem heruntergekommenen Bordell in Tokio heran, von ihrer Mutter fehlt jede Spur. Außer einem Paar weißer Schuhe ist dem ungeliebten Kind nichts von ihr geblieben, und so muss Aiko früh lernen, sich in einer Welt voller Kälte und Rücksichtslosigkeit zu behaupten. Auch als sie älter wird, hat sie es nicht leicht. Sie schlägt sich als Prostituierte, Zimmermädchen oder Kellnerin so eben durch, stets umgeben von Schmutz, Armut und Elend - von Menschen, die Gescheiterte sind wie sie selbst. Und unmerklich wächst etwas in ihr heran, das eines Tages mit Macht an die Oberfläche drängt: Sie, die mit dem Rücken zur Wand steht, ist nun bereit, alle Tabus zu brechen. Getrieben von mörderischem Hass, bricht sie auf zu einem beispiellosen Rachefeldzug - und dabei kennt ihr Killerinstinkt keine Gnade ...
. Provokant und schonungslos - das faszinierende Psychogramm einer jungen Frau, die ihre Seele verloren hat und zur Serienmörderin wird
Klappentext zu „Teufelskind “
Aiko Matsushima ist mit den Abgründen des Lebens von Kindesbeinen an vertraut. Sie wächst in einem heruntergekommenen Bordell in Tokio heran, von ihrer Mutter fehlt jede Spur. Außer einem Paar weißer Schuhe ist dem ungeliebten Kind nichts von ihr geblieben, und so muss Aiko früh lernen, sich in einer Welt voller Kälte und Rücksichtslosigkeit zu behaupten. Auch als sie älter wird, hat sie es nicht leicht. Sie schlägt sich als Prostituierte, Zimmermädchen oder Kellnerin so eben durch, stets umgeben von Schmutz, Armut und Elend von Menschen, die Gescheiterte sind wie sie selbst. Und unmerklich wächst etwas in ihr heran, das eines Tages mit Macht an die Oberfläche drängt: Sie, die mit dem Rücken zur Wand steht, ist nun bereit, alle Tabus zu brechen. Getrieben von mörderischem Hass, bricht sie auf zu einem beispiellosen Rachefeldzug und dabei kennt ihr Killerinstinkt keine Gnade Provokant und schonungslos das faszinierende Psychogramm einer jungen Frau, die ihre Seele verloren hat und zur Serienmörderin wird Für alle Leser von Mo Hayder sowie für alle Fans des großen Kinofilms Monster
Lese-Probe zu „Teufelskind “
An einem Frühlingsabend schickte sich das Ehepaar Kadota an, seinen zwanzigsten Hochzeitstag auswärts zu feiern. Eigentlich hatte sich Misaè gefreut, nach so langer Zeit wieder einmal essen zu gehen, Minoru bestand jedoch auf dem Restaurant Kinka-En in Higashi-Nakano, was ihre Freude etwas trübte. Der Geruch von gebratenem Fleisch würde sich in ihrer Kleidung festsetzen. Misaè trug das Imitat eines Missoni-Strickanzugs, den sie beim Räumungsverkauf einer Boutique in Okubo ergattert hatte. Aufgrund ihrer Leibesfülle zogen sich die Maschen unvorteilhaft in die Breite. Der dauerwellengelockte Inhaber der Boutique hatte ihr jedoch mit den Worten geschmeichelt, diese rot-blau-gelb-grüne Farbkombination ließe ihren Teint strahlender erscheinen, und so war sie ganz stolz auf ihren Anzug. Misaè wäre lieber in ein Restaurant am Hakodate-Markt gegangen, um Sushi zu essen. Wenn sie daran dachte, wie die noch schön gekühlten Thunfischstückchen auf dem Fließband heranrollten, lief ihr das Wasser im Munde zusammen."Du hättest mir gleich sagen können, dass du dich schon für koreanischen Braten entschieden hast."
Minoru überhörte den leisen Vorwurf seiner Frau und begann voller Begeisterung, koreanische Gerichte aufzuzählen: "Rippenfleisch, gebratene Innereien, gesalzene Zunge mit Lauch, Kimchi, Glasnudeln mit Fleisch und Gemüse. Wenn noch Platz ist, essen wir koreanischen Pfannkuchen und zum Abschluss Reisauflauf oder Reissuppe. Oder vielleicht auch Suppe mit Kimchi, Tofu und Fleisch. Oder aber wir bestellen nur das Rippenfleisch in bester Qualität und verzichten dafür auf den Rest."
"Bestell aber bitte auch Roastbeef", setzte Misae dagegen. Minoru, der vor ihr mit federndem Schritt durch die Gassen von Nakano ging, schien es nicht zu hören. Er trug eine verwaschene, etwas zu große Jeans und einen Parka. Seine braun gefärbten Haare waren mit Gel nach hinten gekämmt. Wie ein Künstler ließ er sich einen leichten Kinnbart stehen. Obwohl schon in fortgeschrittenem Alter,
... mehr
wirkte der kleine und schmächtige Minoru noch wie Anfang dreißig. Misae beobachtete ihren Mann, der sich so offenkundig auf das Bratfleisch freute. Ein ewiges Kind. Ihr fünfundzwanzig Jahre jüngerer Mann.
Als die beiden zusammengezogen waren, hatte Misae gemeint: "Du kannst mich Mama nennen." Zuerst hatte Minoru diese Anrede nur im Flüsterton gebraucht und sie niemals in Gegenwart anderer Leute benutzt. Jetzt schmetterte er sein "Mama" laut und ungeniert heraus. Die kinderlose Misae schätzte es im Grunde nicht, in der Öffentlichkeit von ihrem Mann "Mama" gerufen zu werden. Ihr kam es dann so vor, als wolle Minoru damit seiner Umwelt den falschen Eindruck vermitteln, bei ihnen handele es sich nicht um ein Ehepaar, sondern um eine langsam in die Jahre kommende Mutter mit ihrem Sohn im besten Alter. Wenn sie unter sich waren, fand sie Minoru reizend. Nur seine Art, sich vor anderen Leuten unnötigerweise aufzuspielen, war ihr zuwider. Vielleicht nahm sie jedoch eher an dem Umstand Anstoß, dass ihr Äußeres sie mehr und mehr daran hinderte, als seine Ehefrau zu gelten? Letzteres war wahrscheinlicher. Misae fasste den Entschluss, sich verstärkt um mehr Jugendlichkeit zu bemühen.
"Oh, das Ehepaar geht aus, wie schön!" Ein älterer Mann, der auf dem Parkplatz vor der Pachinko-Halle gerade sein Fahrrad abschließen wollte, hob den Kopf und grinste. Der Mann war Chef der Baufirma, in der Minoru bis Jahresende angestellt gewesen war. Minoru richtete den Blick zu Boden und gab keine Antwort. Misae setzte dagegen ein Lächeln auf. Sobald der Chef in der Pachinko-Halle verschwunden war, machte Minoru ihr heftige Vorwürfe:
"Mama, da gibt es wirklich nichts zu lachen. Der Kerl hat immer mir die Schuld gegeben, sogar für einen schiefen Fußboden. Dabei war schon die Grundkonstruktion missraten. Für die kann ich nichts. Ich bin Zimmermann. Der wollte nur die Verantwortung auf mich abwälzen. Das hat mich wütend gemacht."
Minoru war ein schlampiger Zimmermann, und es gab oft Beanstandungen: Bodenknarzen, Risse in den Wänden, eindringender Regen, schiefe Böden. Ein Beschwerdeanruf erreichte ihn sogar einmal zu Hause: Die Golfbälle seien mit großem Getöse davongerollt. Der pachinkoverrückte Chef der Firma hatte ihm bereits vor drei Monaten gekündigt. Minoru hatte seine Stelle mittlerweile viermal gewechselt. Er war wohl doch ein schlechter Handwerker. Trotzdem bemühte er sich nicht ernsthaft um einen neuen Arbeitsplatz. Wenn Misae an die Zukunft dachte, wurde ihr angst und bange. Im Alter von weit über sechzig bekäme sie wohl kaum eine andere Stelle als die einer Putzfrau. Das hätte sich aber mit ihrem Stolz als ehemalige Karrierefrau nicht vereinbaren lassen, und so kam es dazu, dass beide sich mit Misaes Rente bescheiden mussten. Da konnte man sich einen Luxus wie Bratfleisch eigentlich nicht leisten.
"Spricht man so über seinen guten alten Chef? Wer weiß, vielleicht kann er dir helfen, eine andere Stelle zu finden."
Misaes Gesichtsausdruck verhärtete sich, ihr Ton blieb dabei aber freundlich. Eine Begabung aus ihrer Zeit als Erzieherin im Kinderheim.
"Mama!" Minoru zog einen Schmollmund. "Dieser Kerl hat sich früher über uns beide lustig gemacht. Ist ja schon peinlich, dass deine Frau älter ist als ich, hat er gesagt."
Vor Ärger schoss Misae das Blut in den Kopf. Aber ihr Wille, Minoru einen Arbeitsplatz zu besorgen, war stärker. "Könntest du nicht einfach darüber hinwegsehen und ihn um Hilfe bitten?"
"So denken nur alte Leute. Die Jugend blickt nach vorne."
"Was soll das heißen? Du bist auch nicht mehr jung - mit zweiundvierzig."
Auf diese Attacke von Misae machte Minoru ein verblüfftes Gesicht. Wie eine überraschte Ziege. Misae fand es plötzlich amüsant. Früher hatten sie in dem Kinderheim, in dem sie beschäftigt war, eine Ziege gehalten. Wie hieß die noch gleich?
"Minoru, im Sternenkinderhaus gab es doch eine Ziege. Die hatte einen Kinnbart genau wie du. Wie nannten wir die? Wir hatten ihr zusammen hinter dem Haus eine Hütte gebaut, aus den Kaninchenställen."
"Ach, weiß ich nicht mehr."
Das Thema Sternenkinderhaus bewirkte bei Minoru stets schlechte Laune. Das Kinderhaus in der Altstadt war vor sieben Jahren mit einem großen Bezirkskinderheim zusammengelegt worden, und damit war auch sein Name verschwunden. Während Misae diese Nachricht damals traurig stimmte, hatte Minoru Erleichterung verspürt.
Die in Plastik eingeschweißten Speisekarten des Restaurants Kinka-En waren von einem klebrigen Fettfilm überzogen. Ungeduldig sah sich Misae nach der Bedienung um. Es war eine kleine Kneipe mit fünf Tischen, die insgesamt nur etwa zwanzig Gäste fasste. Alle Plätze waren besetzt. Durch das ganze Lokal zog weißer Qualm. Hinter den Schwaden konnte man einen Mann mittleren Alters ausmachen, der sich auf die Theke lümmelte und gebannt auf den Fernsehschirm oben im Hängeregal starrte. Seine Gesichtszüge wiesen ihn als Koreaner aus. Auch die weibliche Bedienung lehnte an der Theke und verfolgte träge die Sendung. Sie musste fast einen Meter siebzig sein, war also sehr groß für eine Frau. Die beiden sahen sich offenbar die Sieben-Uhr-Nachrichten im Sender NHK an. Anstatt fernzusehen, könntet ihr die Speisekarten abwischen und zügig die Bestellungen aufnehmen, dachte sich Misae und wollte ihre Beschwerde schon vorbringen, als das Profil der Frau mit der auffällig platten Nase eine Erinnerung in ihr wachrief. Sie begann angestrengt nachzudenken. In letzter Zeit wurde ihre Vergesslichkeit immer schlimmer. Versuchte sie, sich einer Sache zu entsinnen, passierte es immer öfter, dass sie vergaß, woran sie sich erinnern wollte. Darüber war sie verärgert und beunruhigt zugleich. Minoru, der die Speisekarte studierte, fragte beiläufig:
"Mama, du willst bestimmt Soda mit einem Schuss Schnaps?"
"Zuerst ein Bier. Igitt, der Gestank zieht in meine schönen Kleider. Widerlich."Misae deutete auf ihre Strickjacke und brachte damit ihren Unmut gegenüber Minoru zum Ausdruck, weil er ihrem neuen Outfit so gar keine Aufmerksamkeit schenken wollte.
Als die beiden zusammengezogen waren, hatte Misae gemeint: "Du kannst mich Mama nennen." Zuerst hatte Minoru diese Anrede nur im Flüsterton gebraucht und sie niemals in Gegenwart anderer Leute benutzt. Jetzt schmetterte er sein "Mama" laut und ungeniert heraus. Die kinderlose Misae schätzte es im Grunde nicht, in der Öffentlichkeit von ihrem Mann "Mama" gerufen zu werden. Ihr kam es dann so vor, als wolle Minoru damit seiner Umwelt den falschen Eindruck vermitteln, bei ihnen handele es sich nicht um ein Ehepaar, sondern um eine langsam in die Jahre kommende Mutter mit ihrem Sohn im besten Alter. Wenn sie unter sich waren, fand sie Minoru reizend. Nur seine Art, sich vor anderen Leuten unnötigerweise aufzuspielen, war ihr zuwider. Vielleicht nahm sie jedoch eher an dem Umstand Anstoß, dass ihr Äußeres sie mehr und mehr daran hinderte, als seine Ehefrau zu gelten? Letzteres war wahrscheinlicher. Misae fasste den Entschluss, sich verstärkt um mehr Jugendlichkeit zu bemühen.
"Oh, das Ehepaar geht aus, wie schön!" Ein älterer Mann, der auf dem Parkplatz vor der Pachinko-Halle gerade sein Fahrrad abschließen wollte, hob den Kopf und grinste. Der Mann war Chef der Baufirma, in der Minoru bis Jahresende angestellt gewesen war. Minoru richtete den Blick zu Boden und gab keine Antwort. Misae setzte dagegen ein Lächeln auf. Sobald der Chef in der Pachinko-Halle verschwunden war, machte Minoru ihr heftige Vorwürfe:
"Mama, da gibt es wirklich nichts zu lachen. Der Kerl hat immer mir die Schuld gegeben, sogar für einen schiefen Fußboden. Dabei war schon die Grundkonstruktion missraten. Für die kann ich nichts. Ich bin Zimmermann. Der wollte nur die Verantwortung auf mich abwälzen. Das hat mich wütend gemacht."
Minoru war ein schlampiger Zimmermann, und es gab oft Beanstandungen: Bodenknarzen, Risse in den Wänden, eindringender Regen, schiefe Böden. Ein Beschwerdeanruf erreichte ihn sogar einmal zu Hause: Die Golfbälle seien mit großem Getöse davongerollt. Der pachinkoverrückte Chef der Firma hatte ihm bereits vor drei Monaten gekündigt. Minoru hatte seine Stelle mittlerweile viermal gewechselt. Er war wohl doch ein schlechter Handwerker. Trotzdem bemühte er sich nicht ernsthaft um einen neuen Arbeitsplatz. Wenn Misae an die Zukunft dachte, wurde ihr angst und bange. Im Alter von weit über sechzig bekäme sie wohl kaum eine andere Stelle als die einer Putzfrau. Das hätte sich aber mit ihrem Stolz als ehemalige Karrierefrau nicht vereinbaren lassen, und so kam es dazu, dass beide sich mit Misaes Rente bescheiden mussten. Da konnte man sich einen Luxus wie Bratfleisch eigentlich nicht leisten.
"Spricht man so über seinen guten alten Chef? Wer weiß, vielleicht kann er dir helfen, eine andere Stelle zu finden."
Misaes Gesichtsausdruck verhärtete sich, ihr Ton blieb dabei aber freundlich. Eine Begabung aus ihrer Zeit als Erzieherin im Kinderheim.
"Mama!" Minoru zog einen Schmollmund. "Dieser Kerl hat sich früher über uns beide lustig gemacht. Ist ja schon peinlich, dass deine Frau älter ist als ich, hat er gesagt."
Vor Ärger schoss Misae das Blut in den Kopf. Aber ihr Wille, Minoru einen Arbeitsplatz zu besorgen, war stärker. "Könntest du nicht einfach darüber hinwegsehen und ihn um Hilfe bitten?"
"So denken nur alte Leute. Die Jugend blickt nach vorne."
"Was soll das heißen? Du bist auch nicht mehr jung - mit zweiundvierzig."
Auf diese Attacke von Misae machte Minoru ein verblüfftes Gesicht. Wie eine überraschte Ziege. Misae fand es plötzlich amüsant. Früher hatten sie in dem Kinderheim, in dem sie beschäftigt war, eine Ziege gehalten. Wie hieß die noch gleich?
"Minoru, im Sternenkinderhaus gab es doch eine Ziege. Die hatte einen Kinnbart genau wie du. Wie nannten wir die? Wir hatten ihr zusammen hinter dem Haus eine Hütte gebaut, aus den Kaninchenställen."
"Ach, weiß ich nicht mehr."
Das Thema Sternenkinderhaus bewirkte bei Minoru stets schlechte Laune. Das Kinderhaus in der Altstadt war vor sieben Jahren mit einem großen Bezirkskinderheim zusammengelegt worden, und damit war auch sein Name verschwunden. Während Misae diese Nachricht damals traurig stimmte, hatte Minoru Erleichterung verspürt.
Die in Plastik eingeschweißten Speisekarten des Restaurants Kinka-En waren von einem klebrigen Fettfilm überzogen. Ungeduldig sah sich Misae nach der Bedienung um. Es war eine kleine Kneipe mit fünf Tischen, die insgesamt nur etwa zwanzig Gäste fasste. Alle Plätze waren besetzt. Durch das ganze Lokal zog weißer Qualm. Hinter den Schwaden konnte man einen Mann mittleren Alters ausmachen, der sich auf die Theke lümmelte und gebannt auf den Fernsehschirm oben im Hängeregal starrte. Seine Gesichtszüge wiesen ihn als Koreaner aus. Auch die weibliche Bedienung lehnte an der Theke und verfolgte träge die Sendung. Sie musste fast einen Meter siebzig sein, war also sehr groß für eine Frau. Die beiden sahen sich offenbar die Sieben-Uhr-Nachrichten im Sender NHK an. Anstatt fernzusehen, könntet ihr die Speisekarten abwischen und zügig die Bestellungen aufnehmen, dachte sich Misae und wollte ihre Beschwerde schon vorbringen, als das Profil der Frau mit der auffällig platten Nase eine Erinnerung in ihr wachrief. Sie begann angestrengt nachzudenken. In letzter Zeit wurde ihre Vergesslichkeit immer schlimmer. Versuchte sie, sich einer Sache zu entsinnen, passierte es immer öfter, dass sie vergaß, woran sie sich erinnern wollte. Darüber war sie verärgert und beunruhigt zugleich. Minoru, der die Speisekarte studierte, fragte beiläufig:
"Mama, du willst bestimmt Soda mit einem Schuss Schnaps?"
"Zuerst ein Bier. Igitt, der Gestank zieht in meine schönen Kleider. Widerlich."Misae deutete auf ihre Strickjacke und brachte damit ihren Unmut gegenüber Minoru zum Ausdruck, weil er ihrem neuen Outfit so gar keine Aufmerksamkeit schenken wollte.
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Autoren-Porträt von Natsuo Kirino
Natsuo Kirino wurde 1951 in Kanazawa geboren und lebt seit ihrem 14. Lebensjahr in Tokio. Sie studierte Rechtswissenschaften an der Seikei University, bevor sie sich zu einer Karriere als Schriftstellerin entschloss. Sie gehört zu den bedeutendsten Schriftstellerinnen der japanischen Gegenwartsliteratur und wurde für ihre Werke mit renommierten Preisen geehrt, darunter mit dem Naoki-Literaturpreis.
Bibliographische Angaben
- Autor: Natsuo Kirino
- 2008, 224 Seiten, Maße: 13,5 x 21,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Frank Rövekamp
- Verlag: Arkana
- ISBN-10: 3442311659
- ISBN-13: 9783442311651
Rezension zu „Teufelskind “
"Am eindrücklichsten sind dabei die Frauenfiguren gezeichnet. Die prekäre Situation der Prostituierten aus dem Bordell in Yokosuka, die jahrelang ihren Körper verkauft haben, um am Ende ihrer beruflichen Laufbahn in Armut zu versinken, ist offensichtlich. Kirino erzählt darüber hinaus allerdings auch von ganz normalen japanischen Hausfrauen, die durch die finanzielle Abhängigkeit von ihren Ehemännern in die Rolle einer Dienstmagd gezwungen werden, und von alleinerziehenden Müttern, die ihre Kinder unter der Hand zur Adoption anbieten, um mit dem Geld ihre drückenden Schulden zu begleichen. So verbirgt sich unter der grausamen Oberfläche dieses vermeintlichen Psychothrillers ein düsterer Bericht vom Rand der japanischen Gesellschaft."
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