Flammen der Begierde / The Immortals After Dark Bd.8
Roman. Deutsche Erstausgabe
Der Krieger Garreth MacRieve liebt leidenschaftlich die Walküre Lucia und hat geschworen, sie mit seinem Leben zu beschützen. Doch Lucia hat ein dunkles Geheimnis, das nicht nur sie, sondern bald schon Garreth in Gefahr bringen...
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Produktinformationen zu „Flammen der Begierde / The Immortals After Dark Bd.8 “
Der Krieger Garreth MacRieve liebt leidenschaftlich die Walküre Lucia und hat geschworen, sie mit seinem Leben zu beschützen. Doch Lucia hat ein dunkles Geheimnis, das nicht nur sie, sondern bald schon Garreth in Gefahr bringen kann.
"Ein Roman voller Magie und Sinnlichkeit."
WILD ON BOOKS
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Klappentext zu „Flammen der Begierde / The Immortals After Dark Bd.8 “
Garreth MacRieve ist ein Prinz der Lykae, ein kampferprobter Krieger aus den schottischen Highlands. Er ist in tiefer Leidenschaft zu der Walküre Lucia entflammt und hat geschworen, sie mit seinem Leben zu beschützen. Doch die schöne Jägerin wird von ihrer Vergangenheit verfolgt und glaubt, Garreths Gefühle nicht erwidern zu können. Sie hegt ein dunkles Geheimnis, das nicht nur sie selbst in große Gefahr bringen könnte, sondern auch den Mann, den sie liebt.
Lese-Probe zu „Flammen der Begierde / The Immortals After Dark Bd.8 “
Flammen der Begierde von Kresley Cole3
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Ich kann ihn atmen hören, jetzt eher gedämpft. Lucia wusste, dass der Kobold sich unter die Erde verkrochen hatte und um sein Leben rannte. Sie hatte ihn bis hierher verfolgt, indem sie mit Leichtigkeit die Zeichen gelesen hatte, die jede Beute hinterlässt.
Aus diesem Winkel auf dem Baum konnte sie direkt in die Erde hineinschießen, und ihr Pfeil würde bis in den Tunnel darunter vordringen. Ihr besonderer Pfeil - schlank und aerodynamisch würde er sein Ziel erreichen und dann drei rasiermesserscharfe Widerhaken freisetzen, sobald er auf Widerstand stieß.
Schon bald würde sie der komplett durchgeknallten Nïx zwei bestätigte Tötungen melden können. So wie Lucia es immer tat. Und was dann? Dann wird dieser Tag sich wieder und immer wieder wiederholen, bis zur Akzession.
Wenn die Albträume kamen.
Jetzt erledige erst mal den Kobold und dann geh nach Hause.
Doch aus irgendeinem Grund dachte sie an breite Schultern und hagere Wangen und erinnerte sich daran, wie dieser Lykae sie angesehen hatte, kurz bevor er zu Boden gerissen worden war. Er hatte sie angestarrt, während sich seine breite Brust unter keuchenden Atemzügen gehoben und gesenkt hatte und ihm der Schweiß über den muskulösen Oberkörper gelaufen war. Bis er dann von ein paar der gewaltigsten Dämonen umgerannt worden war, die sie je gesehen hatte.
Sein offensichtliches Interesse hatte sie aus der Fassung gebracht. Genau genommen hatten sich aller Augen auf sie gerichtet, und das kam nicht allzu oft vor, da sich Lucia für gewöhnlich in der Gesellschaft der frechen, strahlenden, atemberaubenden Regin der Ränkevollen befand, die stets im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand.
Für den Fall, dass irgendjemand, dieser Mann eingeschlossen - der seine schmutzige Pfote mit Sicherheit nicht nach ihr ausgestreckt hatte -, neugierig geworden und ihr gefolgt sein sollte, hatte sie jedenfalls ihre Spuren verwischt.
Lucia schüttelte heftig den Kopf und holte tief Luft, um sich wieder auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Sobald sie ausgeatmet hatte, verhielt sie sich vollkommen bewegungslos und spähte an dem Pfeil entlang. Die uralten Inschriften auf ihrem Bogen schienen zu glühen.
Dann ließ sie die Sehne los. Mit einem dumpfen Geräusch durchbohrte der Pfeil den Boden und bohrte sich tief hinein, bis zu dem Fleck, an dem der Kobold wühlte. Ein erstickter Schrei war zu hören.
Ziel getroffen. Selbst unter der Erde hatte sie ihn erwischt. Was nicht überraschend war, denn sie hatte seit Jahrhunderten nicht ein einziges Mal danebengeschossen. Skadis Essenz wirkte Wunder, im wahrsten Sinne des Wortes.
Lucia schwang sich den Bogen wieder über den Leib und sprang hinunter, um ihrer unsterblichen Beute mit einer raschen Enthauptung endgültig den Garaus zu machen. Es ist schwer, so gut zu sein, dachte sie, während sie zur Stelle schlenderte. Und noch schwerer, sich bescheiden zu geben. Sie seufzte. Jeder muss sein Kreuz tragen, und das ist das meine.
Der Skadianische Kodex umfasste drei Grundsätze: Ehrlichkeit, Keuschheit und Demut. Mit der Ehrlichkeit hatte sie - meistens - keine Probleme, genauso wenig wie mit der Keuschheit, aber was das mit der Demut sollte, das kapierte sie einfach nicht.
Als sie sich näherte, huschte die Kreatur durch den Tunnel unter ihren Füßen, sodass der Pfeilschaft einen wilden Tanz in dem schlammigen Boden aufführte, der sie belustigte.
Das war ihre größte Freude: die Jagd. Wenn sie so wie heute unterwegs war, fühlte sie sich weniger wie eine Hochstaplerin voller schändlicher Geheimnisse. In diesen Augenblicken fühlte sie sich nicht, als ob ihr ihre Sünden auf der Stirn geschrieben stünden, sodass alle Welt sie sehen konnte. Und sie vergaß für kurze Zeit, was in der nahenden Akzession über sie hereinbrechen würde.
Sie schüttelte diesen Gedanken ab, kauerte sich hin, um ihre Beute aus der Erde zu holen, und zerrte sie in einem Hagel von Matsch und Wurzeln beim Fußknöchel heraus. Der Kobold, nach wie vor in seiner engelsgleichen Gestalt, zappelte wild hin und her. Ihr Pfeil ragte aus seinem Hals.
Sie ließ ihn zu Boden fallen und zog ihren Pfeil heraus, wobei die Widerhaken den Hals der Kreatur halb abrissen. Sogleich transformierte sich das Wesen, wurde zum Reptil, mit schlangenartigen Augen und schuppiger Haut. Als es mit seinen jetzt deutlich längeren Zähnen nach ihr schnappte, packte sie den Pfeil an beiden Enden und drückte den Schaft über das, was vom Hals des Kobolds übrig war.
Als ihr das Blut über die Arme spritzte, grinste sie. Sie genoss ihren Job als Gesetzeshüterin.
Gleich nachdem Lucia das Ding enthauptet hatte, zuckten ihre Ohren erneut unruhig. Irgendetwas beobachtet mich. Sie sprang wieder auf die Füße, ihre Augen huschten hin und her. Ganz in der Nähe.
Der Mann. Sie spürte, dass er es war. Aber wie hatte er sie nur finden können?
Sie spähte in die Schatten. Beinahe hätte es ihr den Atem verschlagen, als goldene Augen zurückblickten.
»Warum bist du mir gefolgt?«, fragte sie gebieterisch. Gelegentlich diente sie als Unterhändlerin zwischen verschiedenen Faktionen, weil sie so geduldig und vernünftig war - zumindest glaubten das alle. Vielleicht wollte er sie um Hilfe bitten, um irgendein Problem zu lösen.
Jetzt kam der Mann näher, wobei er den natürlichen Pfad ignorierte und einfach auf direktem Weg auf sie zusteuerte. Offenbar hatte sie das Interesse eines Lykae erregt. Das war alles andere als eine gute Sache.
»Wie könnte ich einer hübschen Maid wie dir nicht folgen?«, fragte er mit rauer Stimme und deutlichem Akzent.
Der Regen hatte den Dreck von ihm abgewaschen, sodass seine immer noch bloße Brust und sein Oberkörper in all ihrer Perfektion und sein kantiges Gesicht gut zu sehen waren. Sein Kinn wirkte störrisch und zeigte den Ansatz eines Grübchens. Seine Haut war gebräunt, und um die goldenen Augen herum waren zarte Lachfältchen zu sehen. Regentropfen hingen in seinen Wimpern. Sein dichtes Haar klebte nass und dunkel an seinen Wangen. Sie hätte darauf wetten können, dass es in trockenem Zustand einen satten Braunton annehmen würde.
Ihre Blicke trafen sich für einige lange Sekunden, ehe er in aller Gemütsruhe ihre Gesichtszüge musterte. Die Art, wie er sie ansah, wirkte verzehrend, genießerisch, so als ob sie das schönste Geschöpf auf der ganzen Welt wäre und er gar nicht genug von ihr bekommen könnte.
Sie runzelte die Stirn, weil eine Ahnung mit einem Mal jeden einzelnen ihrer Nerven prickeln ließ.
Als sein Blick über ihren Körper wanderte, fuhr er sich mit einer zitternden Hand über den Mund. Offensichtlich gefiel ihm, was er sah.
Warum sollte es ihm auch nicht gefallen? - Nein! Du musst dich vernünftig und ernsthaft verhalten. Und handle vor allem rational.
»Wer bist du?«
»Ich bin Garreth MacRieve vom Clan der Lykae.« Als er auf sie zukam, wich sie zurück. Sie begannen, einander zu umkreisen. »Ich habe noch nie jemanden so schießen sehen wie dich.«
Das war ja mal ein ganz neuer Spruch. »Weil niemand sonst so schießen kann«, erwiderte sie sachlich.
Hatte da etwa sein Mundwinkel gezuckt? »Mit welchem Teufel hast du einen Pakt geschlossen, um so schießen zu können?«
Sie hätte beinahe geseufzt. Teufel? Mit dem hab ich etwas ganz anderes gemacht. Sie verdrängte die Erinnerungen, die in letzter Zeit immer häufiger in ihr aufstiegen.
»Vielleicht ist dein Bogen verzaubert?«
»Mein Bogen ist nicht verzaubert - nur einzigartig.« Seit über tausend Jahren leistete er ihr nun schon treue Dienste, heute noch genauso perfekt wie in der Nacht von Lucias Transformation. Das schwarze Eschenholz, in das kunstvolle Inschriften geschnitzt waren, glänzte. In einer Sprache, die schon seit Langem ausgestorben war, stand darauf geschrieben, dass Lucia eine Dienerin der Göttin Skadi war. Für immer. »Du glaubst wohl nicht, dass ich einfach nur von Natur aus über ein« - von einer Göttin geschenktes - »Talent verfüge?«
»Aye. Aber dieses Talent und dazu noch eine solche Schönheit in einer Frau vereint? Das wäre dem restlichen weiblichen Geschlecht gegenüber doch wohl nicht fair.«
Das hatte sie auch schon oft gedacht. Aber zum Glück war sie nicht daran interessiert, die Aufmerksamkeit eines Mannes auf sich zu ziehen.
»Du könntest gar nicht liebreizender sein.«
Genau genommen schon. Ihre Haare waren tropfnass. Ihre Kleidung war langweilig - praktische Shorts und ein einfaches T-Shirt. Sie trug weder Make-up noch Schmuck, aber das tat sie nie. Nicht, seit sie den Bogen trug.
»Gehörst du zu den Feyden oder den Walküren?«
Ich bin eine Bogenschützin. Eine Zölibatärin in Zivilkleidung. Ein Schatten im Hintergrund. »Rat doch mal.«
Immerhin hatte er sie nicht für eine Nymphe gehalten - ein Punkt für ihn. Unglücklicherweise ähnelten die beiden Spezies einander. Beide verfügten über feenartige Gesichtszüge, aber das waren auch schon alle Gemeinsamkeiten.
»Mit dem Bogen und den spitzen Ohren würde ich normalerweise auf eine Feyde tippen, aber du besitzt kleine Fänge und Klauen, darum fürchte ich, dass es wohl nicht ganz so einfach ist.«
»Einfach? Wovon redest du?«
Er öffnete den Mund und schloss ihn gleich wieder. Dann neigte er den Kopf zur Seite und musterte sie abwägend. Sie spürte, dass er beschlossen hatte, ihr vorzuenthalten, was auch immer er ihr gerade hatte sagen wollen. Stattdessen bemerkte er: »Verführung. Es ist allgemein bekannt, dass Walküren nur sehr schwer zu verführen sind.«
Er wollte sie verführen? Er bat nicht um eine Verabredung oder warb um sie, nein, es ging ihm einfach nur um Sex. Männer!
»Du meinst, das wäre schwierig? Wenn du dich einer von uns in deinem gegenwärtigen Zustand genähert hättest - unrasiert, blutig, halb nackt und mit Schlamm bedeckt -, wüsste ich wirklich nicht, wieso. Ganz abgesehen davon, dass du nach Maische und Destillerie stinkst. Schweig still, mein Herz.«
Er rieb sich mit der Hand übers Gesicht, offenbar ganz überrascht, dort Bartstoppeln zu fühlen. »Heute ist nicht mein bester Tag.«
»Dann solltest du zurückgehen und dich mit deinen Groupies vergnügen. Es heißt doch immer, dass es nichts Stimulierenderes gibt als eine Orgie mit den Nymphen.« Wieso nur dieser scharfe Ton? Als ob sie eifersüchtig wäre. Sie spürte Unruhe in sich aufkeimen.
»Die will ich nicht.« Er kam ihr wieder näher. »Schon bevor ich dich erblickte.« Er sah ihr tief in die Augen, als ob er durch ihre keusche, asketische Hülle hindurchschauen und erkennen könnte, wie wild sie in Wahrheit war. Als ob er wüsste, dass ihre Fassade nichts als ein wackeliges Kartenhaus war, das schon die leiseste Berührung zum Einsturz bringen konnte.
In dir lauert die Dunkelheit, Lucia, hatte Skadi sie vor einer Ewigkeit gewarnt. Sei stets vor ihr auf der Hut.
Ja, auf der Hut sein. Lucia musste nach Hause, weit weg von diesem Werwolf mit seiner grollenden Stimme. Ein Gesicht wie dieses war schon einmal ihr Verderben gewesen, ein schönes Gesicht, hinter dem sich ein Ungeheuer verborgen hatte.
Genauso wie bei dem hier.
»Die Anziehungskraft beruht nicht auf Gegenseitigkeit«, sagte sie knapp. »Also verzieh dich.«
Mit diesen Worten drehte sie sich um, um ihr Opfer zu entsorgen. Sie wollte die Überreste ins Wasser werfen, damit die Tiere etwas zum Fressen hatten. Während sie sich bückte und den Kopf des Kobolds packte, hob der Lykae den Körper hoch, wie ein Gentleman ein fallen gelassenes Taschentuch aufheben würde. So surreal. Sie schmissen die Teile ins trübe Wasser.
Ihre Aufgabe war erledigt. Sie wischte sich die Hände ab und machte sich auf den Heimweg.
Er folgte ihr.
Augenblicklich blieb sie stehen, um einen entnervten Blick gen Himmel zu werfen, ehe sie sich noch einmal an ihn wandte. »Werwolf, spar dir die Zeit und die Mühe. Was auch immer das Gegenteil eines Volltreffers ist, das bin auf jeden Fall ich.«
»Weil ich ein Lykae bin?«
Weil du ein Mann bist. »Du hattest recht - ich bin eine Walküre. Und meine Art hält deine Art für kaum besser als Tiere.«
Das stimmte. Wenn die Lykae auch keine offiziellen Feinde waren wie die Vampire, so hatten ältere Walküren in früheren Zeiten, während längst vergangener Akzessionen - Kriegen zwischen den Faktionen der Mythenwelt -, doch schon gegen sie gekämpft. Sie erzählten, dass man sie nur selten in ihrer voll ausgebildeten Werwolfgestalt zu sehen bekäme, es sei denn, ihre Gefährtinnen oder ihr Nachwuchs seien bedroht, dass aber schon die bloße Andeutung der Bestie, die ihnen innewohnte, ein entsetzlicher Anblick sei ...
Warum nur mangelte es Lucias Stimme dann an Überzeugungskraft?
»Aye, das mag schon sein, aber wofür hältst du mich?« Er kniff die Augen zusammen. »Du stimmst ihnen sicherlich nicht zu, denn sonst würdest du dich nicht mit mir paaren wollen.«
Ihr Mund öffnete sich. »Mich mit dir paaren? Ich bin in meinem Leben ja schon so manchem arroganten Kerl begegnet, aber du bist der König unter ihnen.«
Seine Miene verdüsterte sich. »Der König, meinst du? Was für eine seltsame Wortwahl.« Aber schnell war er wieder ganz der Alte. »Dann gewähre mir eine Gunst, wenn ich schon diesen Titel erringe. Sag mir deinen Namen.«
Sie seufzte schwer, sagte dann aber widerwillig: »Man nennt mich Lucia die Jägerin.«
»Lousha«, wiederholte er.
Jeder, den sie kannte, sprach ihren Namen Lu-ssi-a aus. Der Werwolf hingegen, mit seinem ausgeprägten schottischen Akzent, nannte sie Lousha. Nur mit Mühe konnte sie ein Schaudern unterdrücken.
»Also gut, Lousha die Jägerin«, er verzog die Lippen zu einem schelmischen Grinsen, »ich bin dir in die Falle gegangen.«
Ihr ganzer Körper begann zu prickeln, doch zugleich überkam sie eine düstere Vorahnung. Sie sollte nicht in dieser Weise auf ihn reagieren. Ihretwegen hatte er auf die Nymphen und eine Orgie verzichtet. Sicherlich würde er diese Nacht Sex von einer Frau erwarten. Und den konnte sie ihm nicht geben - selbst wenn sie gewollt hätte -, ohne von einer Katastrophe heimgesucht zu werden.
Wieso wanderte ihr Blick also über seinen nassen Brustkorb? Ihre Augen folgten der Spur feiner Härchen von seinem Nabel bis an den tief sitzenden Bund seiner abgetragenen Jeans, und dann noch tiefer ... Als sie die Beule dort sah, musste sie sich zwingen, nicht laut aufzustöhnen.
Als die Beule noch weiter anwuchs, wurde ihr klar, dass er ihren Körper wohl einer ähnlich intensiven Musterung unterzogen hatte. Sie blickte rasch auf und stellte fest, dass die Augen des Lykae unverwandt auf ihre Brüste gerichtet waren. Ihre Nippel drückten gegen den nassen Stoff ihres T-Shirts, und er starrte sie so intensiv an, als würde er ihr das Oberteil am liebsten ausziehen - mit purer Gedankenkraft.
Als ihre Blicke sich dann erneut trafen, flackerte es in seinen Augen blau auf - ein weiterer Hinweis darauf, warum es unklug war, sich mit ihm abzugeben.
»Jetzt lauf schon, Wolf. Oder du wirst es bereuen.«
»Das wird nicht geschehen, Walküre.«
»Wieso?« Angesichts seines entschlossenen Blickes kam ihr ein Gedanke, der so lächerlich war, dass es sich eigentlich gar nicht lohnte, ihn weiter zu verfolgen. Doch sie wurde ihn einfach nicht los. »Ich bin doch nicht etwa ... deine Gefährtin oder so was?« Das war unmöglich.
»Nay, auch wenn ich wünschte, es wäre so.«
Den Göttern sei Dank! »Dann - verschwinde!«
Als er sich stattdessen auf sie zubewegte, schnappte sie ihren Bogen, legte einen Pfeil an und spannte den Bogen, alles ohne nachzudenken. Sie zielte direkt auf sein Herz, was einen Unsterblichen wie ihn nicht töten, aber für eine ganze Weile außer Gefecht setzen würde. »Bleib, wo du bist, oder ich schieße.«
Er blieb nicht, wo er war. »Das machst du nicht. Ich will dir doch nichts tun.«
»Das ist keine leere Drohung«, sagte sie mit eisiger Stimme. Seine Miene wurde ungeduldig, so als könnte er nicht begreifen, wieso sie so misstrauisch war. »Ich werde schießen, wenn du näher kommst.«
Er kam näher. Also schoss sie ihm ins Herz - beziehungsweise auf die Stelle einige Zentimeter rechts davon, da sie in letzter Sekunde beschlossen hatte, die Richtung ein wenig zu ändern.
Der Pfeil landete in seiner massiven Brust, bohrte sich durch seine Muskeln, bis nur noch die Befiederung zu sehen war. »Verdammte Scheiße, was tust du denn, Frau?«, brüllte er, den finsteren Blick auf seine Brust gerichtet.
»Ich habe dir doch gesagt, du sollst nicht näher kommen«, erinnerte sie ihn mit gleichmütiger Stimme.
Er legte die Faust um das Pfeilende und versuchte, ihn herauszuziehen, was die Widerhaken allerdings unmöglich machten. Während er unbeholfen daran herumzerrte, fuhr er sie an: »Jetzt hilf mir schon, das Ding rauszuziehen!«
Sie blinzelte zu ihm auf. »Ich bin dafür zuständig, die Pfeile hineinzubekommen. Ich hole sie nicht heraus.«
Er schob das Kinn vor. »Bei mir schon.«
Zu ihrer Überraschung zuckte es in ihren Mundwinkeln. Was für ein wilder, verrückter Lykae! Schnell brachte sie ihre Gesichtszüge wieder unter Kontrolle. »Warum sollte ich?«
Er kam erneut auf sie zu. Offensichtlich hatte er beschlossen, den Pfeil in seiner Brust einfach zu ignorieren. »Weil wir noch vor Ende dieser Nacht das Bett teilen werden, Walküre, und dann wirst du dir ziemlich dumm vorkommen, weil du auf deinen Bettgefährten geschossen hast.«
Mit einem Seufzen ließ sie einen weiteren Pfeil fliegen. »Du meine Güte, wie dumm von mir. Was hast du gerade gesagt?«
Er kam immer noch näher. »Wenn ich erst einmal deine vollen Lippen küsse ... «
Ein weiterer Pfeil durchbohrte seine Brust.
Jetzt verunstalteten schon drei Wunden diesen wunderbaren Körper, drei Blutspuren rannen über die Erhebungen seiner steinharten Muskeln. Er biss die Zähne zusammen und sagte: »Das tut höllisch weh, Mädchen, aber es ist auch ermutigend.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Diesen Kobold hast du mit drei Pfeilen auf einmal in den Hals getroffen, aus einer Entfernung, die fünfzigmal so groß war. Ich habe jetzt ein Trio in der Brust. Mir scheint, bei ihm hast du zugeschlagen, während du mich nur kitzelst. Du willst mich nicht umbringen, und das ist ein gutes Zeichen. Vielleicht ist das ja deine Art zu flirten?«
Seine Worte brachten sie im Nu wieder auf den kalten Boden der Realität zurück. »Ich flirte nicht. Vertrau mir, das würdest du merken.« Denn dann würde in Kürze eine Katastrophe über uns hereinbrechen. Verdammt! Er kam immer noch auf sie zu.
»Wenn du tatsächlich eine Jägerin bist, wirst du einen Wolf nicht leiden lassen. Ich gehe jede Wette ein - wenn du schießt, dann um zu töten, nicht um zu quälen.«
Da hatte er nicht unrecht. Es lag nicht in ihrer Natur, ein Lebewesen zu quälen. Es sei denn, es hatte es verdient. »Na gut. Wenn ich dir helfe, die Pfeile herauszuziehen, lässt du mich dann in Ruhe?«
»Dich in Ruhe lassen? Verdammte Scheiße, dann würde ich sie lieber drinlasssen, Walküre.«
Gleich darauf schlug er mit der Faust auf das Ende des ersten Pfeils, sodass der Schaft durch seinen Körper hindurchgetrieben wurde und in seinem Rücken wieder austrat. Als er nun mit der Hand hinter sich griff, war er in der Lage, die Pfeilspitze zu packen. Er biss die Zähne fest aufeinander und zog den Pfeil quer durch seinen Brustkorb. Die Befiederung verschwand unter seiner Haut, während er den Pfeil hinten aus seinem Rücken herauszog.
Während sie diesem Schauspiel seiner Widerstandskraft sprachlos zusah, warf er den blutigen Pfeil beiseite und widmete sich dem nächsten, dem er die gleiche Behandlung angedeihen ließ. Jedes Mal spannten sich sämtliche Muskeln seines Körpers an, und sobald der Pfeil herausgezogen war, stöhnte er und entspannte sich - ein wenig zumindest. Es war beinahe, als ob er zum Höhepunkt gekommen, aber noch nicht ganz befriedigt wäre.
Ein Teil von ihr fühlte sich geschmeichelt, dass er sich lieber dieser Tortur unterzog, statt ihre Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie hätte die Enden abbrechen können, sodass er die Pfeile vorne, durch die Brust herausziehen konnte, doch stattdessen trotzte er diesem Schmerz. Nur weil er sie nicht in Ruhe lassen wollte?
Seine Stärke erstaunte sie, und seine Kraft war beeindruckend. Wieder dämmerte ihr eine vage Erkenntnis, und ihre Haut prickelte in der klammen Nachtluft.
Während er den letzten Pfeil herauszog - nur ein kurzes Zucken bezeugte seine Schmerzen -, kam er ihr noch näher, ohne dass die Entschlossenheit in seiner Miene auch nur im Mindesten ins Wanken geriet.
Sie wich einen Schritt zurück und überlegte, ob sie ihren letzten Pfeil dazu benutzen sollte, ihn aufzuhalten. Sie konnte ihn nicht töten, aber mit einem Schuss zwischen die Augen könnte sie ihn bremsen.
...
© 2012 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
Ich kann ihn atmen hören, jetzt eher gedämpft. Lucia wusste, dass der Kobold sich unter die Erde verkrochen hatte und um sein Leben rannte. Sie hatte ihn bis hierher verfolgt, indem sie mit Leichtigkeit die Zeichen gelesen hatte, die jede Beute hinterlässt.
Aus diesem Winkel auf dem Baum konnte sie direkt in die Erde hineinschießen, und ihr Pfeil würde bis in den Tunnel darunter vordringen. Ihr besonderer Pfeil - schlank und aerodynamisch würde er sein Ziel erreichen und dann drei rasiermesserscharfe Widerhaken freisetzen, sobald er auf Widerstand stieß.
Schon bald würde sie der komplett durchgeknallten Nïx zwei bestätigte Tötungen melden können. So wie Lucia es immer tat. Und was dann? Dann wird dieser Tag sich wieder und immer wieder wiederholen, bis zur Akzession.
Wenn die Albträume kamen.
Jetzt erledige erst mal den Kobold und dann geh nach Hause.
Doch aus irgendeinem Grund dachte sie an breite Schultern und hagere Wangen und erinnerte sich daran, wie dieser Lykae sie angesehen hatte, kurz bevor er zu Boden gerissen worden war. Er hatte sie angestarrt, während sich seine breite Brust unter keuchenden Atemzügen gehoben und gesenkt hatte und ihm der Schweiß über den muskulösen Oberkörper gelaufen war. Bis er dann von ein paar der gewaltigsten Dämonen umgerannt worden war, die sie je gesehen hatte.
Sein offensichtliches Interesse hatte sie aus der Fassung gebracht. Genau genommen hatten sich aller Augen auf sie gerichtet, und das kam nicht allzu oft vor, da sich Lucia für gewöhnlich in der Gesellschaft der frechen, strahlenden, atemberaubenden Regin der Ränkevollen befand, die stets im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand.
Für den Fall, dass irgendjemand, dieser Mann eingeschlossen - der seine schmutzige Pfote mit Sicherheit nicht nach ihr ausgestreckt hatte -, neugierig geworden und ihr gefolgt sein sollte, hatte sie jedenfalls ihre Spuren verwischt.
Lucia schüttelte heftig den Kopf und holte tief Luft, um sich wieder auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Sobald sie ausgeatmet hatte, verhielt sie sich vollkommen bewegungslos und spähte an dem Pfeil entlang. Die uralten Inschriften auf ihrem Bogen schienen zu glühen.
Dann ließ sie die Sehne los. Mit einem dumpfen Geräusch durchbohrte der Pfeil den Boden und bohrte sich tief hinein, bis zu dem Fleck, an dem der Kobold wühlte. Ein erstickter Schrei war zu hören.
Ziel getroffen. Selbst unter der Erde hatte sie ihn erwischt. Was nicht überraschend war, denn sie hatte seit Jahrhunderten nicht ein einziges Mal danebengeschossen. Skadis Essenz wirkte Wunder, im wahrsten Sinne des Wortes.
Lucia schwang sich den Bogen wieder über den Leib und sprang hinunter, um ihrer unsterblichen Beute mit einer raschen Enthauptung endgültig den Garaus zu machen. Es ist schwer, so gut zu sein, dachte sie, während sie zur Stelle schlenderte. Und noch schwerer, sich bescheiden zu geben. Sie seufzte. Jeder muss sein Kreuz tragen, und das ist das meine.
Der Skadianische Kodex umfasste drei Grundsätze: Ehrlichkeit, Keuschheit und Demut. Mit der Ehrlichkeit hatte sie - meistens - keine Probleme, genauso wenig wie mit der Keuschheit, aber was das mit der Demut sollte, das kapierte sie einfach nicht.
Als sie sich näherte, huschte die Kreatur durch den Tunnel unter ihren Füßen, sodass der Pfeilschaft einen wilden Tanz in dem schlammigen Boden aufführte, der sie belustigte.
Das war ihre größte Freude: die Jagd. Wenn sie so wie heute unterwegs war, fühlte sie sich weniger wie eine Hochstaplerin voller schändlicher Geheimnisse. In diesen Augenblicken fühlte sie sich nicht, als ob ihr ihre Sünden auf der Stirn geschrieben stünden, sodass alle Welt sie sehen konnte. Und sie vergaß für kurze Zeit, was in der nahenden Akzession über sie hereinbrechen würde.
Sie schüttelte diesen Gedanken ab, kauerte sich hin, um ihre Beute aus der Erde zu holen, und zerrte sie in einem Hagel von Matsch und Wurzeln beim Fußknöchel heraus. Der Kobold, nach wie vor in seiner engelsgleichen Gestalt, zappelte wild hin und her. Ihr Pfeil ragte aus seinem Hals.
Sie ließ ihn zu Boden fallen und zog ihren Pfeil heraus, wobei die Widerhaken den Hals der Kreatur halb abrissen. Sogleich transformierte sich das Wesen, wurde zum Reptil, mit schlangenartigen Augen und schuppiger Haut. Als es mit seinen jetzt deutlich längeren Zähnen nach ihr schnappte, packte sie den Pfeil an beiden Enden und drückte den Schaft über das, was vom Hals des Kobolds übrig war.
Als ihr das Blut über die Arme spritzte, grinste sie. Sie genoss ihren Job als Gesetzeshüterin.
Gleich nachdem Lucia das Ding enthauptet hatte, zuckten ihre Ohren erneut unruhig. Irgendetwas beobachtet mich. Sie sprang wieder auf die Füße, ihre Augen huschten hin und her. Ganz in der Nähe.
Der Mann. Sie spürte, dass er es war. Aber wie hatte er sie nur finden können?
Sie spähte in die Schatten. Beinahe hätte es ihr den Atem verschlagen, als goldene Augen zurückblickten.
»Warum bist du mir gefolgt?«, fragte sie gebieterisch. Gelegentlich diente sie als Unterhändlerin zwischen verschiedenen Faktionen, weil sie so geduldig und vernünftig war - zumindest glaubten das alle. Vielleicht wollte er sie um Hilfe bitten, um irgendein Problem zu lösen.
Jetzt kam der Mann näher, wobei er den natürlichen Pfad ignorierte und einfach auf direktem Weg auf sie zusteuerte. Offenbar hatte sie das Interesse eines Lykae erregt. Das war alles andere als eine gute Sache.
»Wie könnte ich einer hübschen Maid wie dir nicht folgen?«, fragte er mit rauer Stimme und deutlichem Akzent.
Der Regen hatte den Dreck von ihm abgewaschen, sodass seine immer noch bloße Brust und sein Oberkörper in all ihrer Perfektion und sein kantiges Gesicht gut zu sehen waren. Sein Kinn wirkte störrisch und zeigte den Ansatz eines Grübchens. Seine Haut war gebräunt, und um die goldenen Augen herum waren zarte Lachfältchen zu sehen. Regentropfen hingen in seinen Wimpern. Sein dichtes Haar klebte nass und dunkel an seinen Wangen. Sie hätte darauf wetten können, dass es in trockenem Zustand einen satten Braunton annehmen würde.
Ihre Blicke trafen sich für einige lange Sekunden, ehe er in aller Gemütsruhe ihre Gesichtszüge musterte. Die Art, wie er sie ansah, wirkte verzehrend, genießerisch, so als ob sie das schönste Geschöpf auf der ganzen Welt wäre und er gar nicht genug von ihr bekommen könnte.
Sie runzelte die Stirn, weil eine Ahnung mit einem Mal jeden einzelnen ihrer Nerven prickeln ließ.
Als sein Blick über ihren Körper wanderte, fuhr er sich mit einer zitternden Hand über den Mund. Offensichtlich gefiel ihm, was er sah.
Warum sollte es ihm auch nicht gefallen? - Nein! Du musst dich vernünftig und ernsthaft verhalten. Und handle vor allem rational.
»Wer bist du?«
»Ich bin Garreth MacRieve vom Clan der Lykae.« Als er auf sie zukam, wich sie zurück. Sie begannen, einander zu umkreisen. »Ich habe noch nie jemanden so schießen sehen wie dich.«
Das war ja mal ein ganz neuer Spruch. »Weil niemand sonst so schießen kann«, erwiderte sie sachlich.
Hatte da etwa sein Mundwinkel gezuckt? »Mit welchem Teufel hast du einen Pakt geschlossen, um so schießen zu können?«
Sie hätte beinahe geseufzt. Teufel? Mit dem hab ich etwas ganz anderes gemacht. Sie verdrängte die Erinnerungen, die in letzter Zeit immer häufiger in ihr aufstiegen.
»Vielleicht ist dein Bogen verzaubert?«
»Mein Bogen ist nicht verzaubert - nur einzigartig.« Seit über tausend Jahren leistete er ihr nun schon treue Dienste, heute noch genauso perfekt wie in der Nacht von Lucias Transformation. Das schwarze Eschenholz, in das kunstvolle Inschriften geschnitzt waren, glänzte. In einer Sprache, die schon seit Langem ausgestorben war, stand darauf geschrieben, dass Lucia eine Dienerin der Göttin Skadi war. Für immer. »Du glaubst wohl nicht, dass ich einfach nur von Natur aus über ein« - von einer Göttin geschenktes - »Talent verfüge?«
»Aye. Aber dieses Talent und dazu noch eine solche Schönheit in einer Frau vereint? Das wäre dem restlichen weiblichen Geschlecht gegenüber doch wohl nicht fair.«
Das hatte sie auch schon oft gedacht. Aber zum Glück war sie nicht daran interessiert, die Aufmerksamkeit eines Mannes auf sich zu ziehen.
»Du könntest gar nicht liebreizender sein.«
Genau genommen schon. Ihre Haare waren tropfnass. Ihre Kleidung war langweilig - praktische Shorts und ein einfaches T-Shirt. Sie trug weder Make-up noch Schmuck, aber das tat sie nie. Nicht, seit sie den Bogen trug.
»Gehörst du zu den Feyden oder den Walküren?«
Ich bin eine Bogenschützin. Eine Zölibatärin in Zivilkleidung. Ein Schatten im Hintergrund. »Rat doch mal.«
Immerhin hatte er sie nicht für eine Nymphe gehalten - ein Punkt für ihn. Unglücklicherweise ähnelten die beiden Spezies einander. Beide verfügten über feenartige Gesichtszüge, aber das waren auch schon alle Gemeinsamkeiten.
»Mit dem Bogen und den spitzen Ohren würde ich normalerweise auf eine Feyde tippen, aber du besitzt kleine Fänge und Klauen, darum fürchte ich, dass es wohl nicht ganz so einfach ist.«
»Einfach? Wovon redest du?«
Er öffnete den Mund und schloss ihn gleich wieder. Dann neigte er den Kopf zur Seite und musterte sie abwägend. Sie spürte, dass er beschlossen hatte, ihr vorzuenthalten, was auch immer er ihr gerade hatte sagen wollen. Stattdessen bemerkte er: »Verführung. Es ist allgemein bekannt, dass Walküren nur sehr schwer zu verführen sind.«
Er wollte sie verführen? Er bat nicht um eine Verabredung oder warb um sie, nein, es ging ihm einfach nur um Sex. Männer!
»Du meinst, das wäre schwierig? Wenn du dich einer von uns in deinem gegenwärtigen Zustand genähert hättest - unrasiert, blutig, halb nackt und mit Schlamm bedeckt -, wüsste ich wirklich nicht, wieso. Ganz abgesehen davon, dass du nach Maische und Destillerie stinkst. Schweig still, mein Herz.«
Er rieb sich mit der Hand übers Gesicht, offenbar ganz überrascht, dort Bartstoppeln zu fühlen. »Heute ist nicht mein bester Tag.«
»Dann solltest du zurückgehen und dich mit deinen Groupies vergnügen. Es heißt doch immer, dass es nichts Stimulierenderes gibt als eine Orgie mit den Nymphen.« Wieso nur dieser scharfe Ton? Als ob sie eifersüchtig wäre. Sie spürte Unruhe in sich aufkeimen.
»Die will ich nicht.« Er kam ihr wieder näher. »Schon bevor ich dich erblickte.« Er sah ihr tief in die Augen, als ob er durch ihre keusche, asketische Hülle hindurchschauen und erkennen könnte, wie wild sie in Wahrheit war. Als ob er wüsste, dass ihre Fassade nichts als ein wackeliges Kartenhaus war, das schon die leiseste Berührung zum Einsturz bringen konnte.
In dir lauert die Dunkelheit, Lucia, hatte Skadi sie vor einer Ewigkeit gewarnt. Sei stets vor ihr auf der Hut.
Ja, auf der Hut sein. Lucia musste nach Hause, weit weg von diesem Werwolf mit seiner grollenden Stimme. Ein Gesicht wie dieses war schon einmal ihr Verderben gewesen, ein schönes Gesicht, hinter dem sich ein Ungeheuer verborgen hatte.
Genauso wie bei dem hier.
»Die Anziehungskraft beruht nicht auf Gegenseitigkeit«, sagte sie knapp. »Also verzieh dich.«
Mit diesen Worten drehte sie sich um, um ihr Opfer zu entsorgen. Sie wollte die Überreste ins Wasser werfen, damit die Tiere etwas zum Fressen hatten. Während sie sich bückte und den Kopf des Kobolds packte, hob der Lykae den Körper hoch, wie ein Gentleman ein fallen gelassenes Taschentuch aufheben würde. So surreal. Sie schmissen die Teile ins trübe Wasser.
Ihre Aufgabe war erledigt. Sie wischte sich die Hände ab und machte sich auf den Heimweg.
Er folgte ihr.
Augenblicklich blieb sie stehen, um einen entnervten Blick gen Himmel zu werfen, ehe sie sich noch einmal an ihn wandte. »Werwolf, spar dir die Zeit und die Mühe. Was auch immer das Gegenteil eines Volltreffers ist, das bin auf jeden Fall ich.«
»Weil ich ein Lykae bin?«
Weil du ein Mann bist. »Du hattest recht - ich bin eine Walküre. Und meine Art hält deine Art für kaum besser als Tiere.«
Das stimmte. Wenn die Lykae auch keine offiziellen Feinde waren wie die Vampire, so hatten ältere Walküren in früheren Zeiten, während längst vergangener Akzessionen - Kriegen zwischen den Faktionen der Mythenwelt -, doch schon gegen sie gekämpft. Sie erzählten, dass man sie nur selten in ihrer voll ausgebildeten Werwolfgestalt zu sehen bekäme, es sei denn, ihre Gefährtinnen oder ihr Nachwuchs seien bedroht, dass aber schon die bloße Andeutung der Bestie, die ihnen innewohnte, ein entsetzlicher Anblick sei ...
Warum nur mangelte es Lucias Stimme dann an Überzeugungskraft?
»Aye, das mag schon sein, aber wofür hältst du mich?« Er kniff die Augen zusammen. »Du stimmst ihnen sicherlich nicht zu, denn sonst würdest du dich nicht mit mir paaren wollen.«
Ihr Mund öffnete sich. »Mich mit dir paaren? Ich bin in meinem Leben ja schon so manchem arroganten Kerl begegnet, aber du bist der König unter ihnen.«
Seine Miene verdüsterte sich. »Der König, meinst du? Was für eine seltsame Wortwahl.« Aber schnell war er wieder ganz der Alte. »Dann gewähre mir eine Gunst, wenn ich schon diesen Titel erringe. Sag mir deinen Namen.«
Sie seufzte schwer, sagte dann aber widerwillig: »Man nennt mich Lucia die Jägerin.«
»Lousha«, wiederholte er.
Jeder, den sie kannte, sprach ihren Namen Lu-ssi-a aus. Der Werwolf hingegen, mit seinem ausgeprägten schottischen Akzent, nannte sie Lousha. Nur mit Mühe konnte sie ein Schaudern unterdrücken.
»Also gut, Lousha die Jägerin«, er verzog die Lippen zu einem schelmischen Grinsen, »ich bin dir in die Falle gegangen.«
Ihr ganzer Körper begann zu prickeln, doch zugleich überkam sie eine düstere Vorahnung. Sie sollte nicht in dieser Weise auf ihn reagieren. Ihretwegen hatte er auf die Nymphen und eine Orgie verzichtet. Sicherlich würde er diese Nacht Sex von einer Frau erwarten. Und den konnte sie ihm nicht geben - selbst wenn sie gewollt hätte -, ohne von einer Katastrophe heimgesucht zu werden.
Wieso wanderte ihr Blick also über seinen nassen Brustkorb? Ihre Augen folgten der Spur feiner Härchen von seinem Nabel bis an den tief sitzenden Bund seiner abgetragenen Jeans, und dann noch tiefer ... Als sie die Beule dort sah, musste sie sich zwingen, nicht laut aufzustöhnen.
Als die Beule noch weiter anwuchs, wurde ihr klar, dass er ihren Körper wohl einer ähnlich intensiven Musterung unterzogen hatte. Sie blickte rasch auf und stellte fest, dass die Augen des Lykae unverwandt auf ihre Brüste gerichtet waren. Ihre Nippel drückten gegen den nassen Stoff ihres T-Shirts, und er starrte sie so intensiv an, als würde er ihr das Oberteil am liebsten ausziehen - mit purer Gedankenkraft.
Als ihre Blicke sich dann erneut trafen, flackerte es in seinen Augen blau auf - ein weiterer Hinweis darauf, warum es unklug war, sich mit ihm abzugeben.
»Jetzt lauf schon, Wolf. Oder du wirst es bereuen.«
»Das wird nicht geschehen, Walküre.«
»Wieso?« Angesichts seines entschlossenen Blickes kam ihr ein Gedanke, der so lächerlich war, dass es sich eigentlich gar nicht lohnte, ihn weiter zu verfolgen. Doch sie wurde ihn einfach nicht los. »Ich bin doch nicht etwa ... deine Gefährtin oder so was?« Das war unmöglich.
»Nay, auch wenn ich wünschte, es wäre so.«
Den Göttern sei Dank! »Dann - verschwinde!«
Als er sich stattdessen auf sie zubewegte, schnappte sie ihren Bogen, legte einen Pfeil an und spannte den Bogen, alles ohne nachzudenken. Sie zielte direkt auf sein Herz, was einen Unsterblichen wie ihn nicht töten, aber für eine ganze Weile außer Gefecht setzen würde. »Bleib, wo du bist, oder ich schieße.«
Er blieb nicht, wo er war. »Das machst du nicht. Ich will dir doch nichts tun.«
»Das ist keine leere Drohung«, sagte sie mit eisiger Stimme. Seine Miene wurde ungeduldig, so als könnte er nicht begreifen, wieso sie so misstrauisch war. »Ich werde schießen, wenn du näher kommst.«
Er kam näher. Also schoss sie ihm ins Herz - beziehungsweise auf die Stelle einige Zentimeter rechts davon, da sie in letzter Sekunde beschlossen hatte, die Richtung ein wenig zu ändern.
Der Pfeil landete in seiner massiven Brust, bohrte sich durch seine Muskeln, bis nur noch die Befiederung zu sehen war. »Verdammte Scheiße, was tust du denn, Frau?«, brüllte er, den finsteren Blick auf seine Brust gerichtet.
»Ich habe dir doch gesagt, du sollst nicht näher kommen«, erinnerte sie ihn mit gleichmütiger Stimme.
Er legte die Faust um das Pfeilende und versuchte, ihn herauszuziehen, was die Widerhaken allerdings unmöglich machten. Während er unbeholfen daran herumzerrte, fuhr er sie an: »Jetzt hilf mir schon, das Ding rauszuziehen!«
Sie blinzelte zu ihm auf. »Ich bin dafür zuständig, die Pfeile hineinzubekommen. Ich hole sie nicht heraus.«
Er schob das Kinn vor. »Bei mir schon.«
Zu ihrer Überraschung zuckte es in ihren Mundwinkeln. Was für ein wilder, verrückter Lykae! Schnell brachte sie ihre Gesichtszüge wieder unter Kontrolle. »Warum sollte ich?«
Er kam erneut auf sie zu. Offensichtlich hatte er beschlossen, den Pfeil in seiner Brust einfach zu ignorieren. »Weil wir noch vor Ende dieser Nacht das Bett teilen werden, Walküre, und dann wirst du dir ziemlich dumm vorkommen, weil du auf deinen Bettgefährten geschossen hast.«
Mit einem Seufzen ließ sie einen weiteren Pfeil fliegen. »Du meine Güte, wie dumm von mir. Was hast du gerade gesagt?«
Er kam immer noch näher. »Wenn ich erst einmal deine vollen Lippen küsse ... «
Ein weiterer Pfeil durchbohrte seine Brust.
Jetzt verunstalteten schon drei Wunden diesen wunderbaren Körper, drei Blutspuren rannen über die Erhebungen seiner steinharten Muskeln. Er biss die Zähne zusammen und sagte: »Das tut höllisch weh, Mädchen, aber es ist auch ermutigend.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Diesen Kobold hast du mit drei Pfeilen auf einmal in den Hals getroffen, aus einer Entfernung, die fünfzigmal so groß war. Ich habe jetzt ein Trio in der Brust. Mir scheint, bei ihm hast du zugeschlagen, während du mich nur kitzelst. Du willst mich nicht umbringen, und das ist ein gutes Zeichen. Vielleicht ist das ja deine Art zu flirten?«
Seine Worte brachten sie im Nu wieder auf den kalten Boden der Realität zurück. »Ich flirte nicht. Vertrau mir, das würdest du merken.« Denn dann würde in Kürze eine Katastrophe über uns hereinbrechen. Verdammt! Er kam immer noch auf sie zu.
»Wenn du tatsächlich eine Jägerin bist, wirst du einen Wolf nicht leiden lassen. Ich gehe jede Wette ein - wenn du schießt, dann um zu töten, nicht um zu quälen.«
Da hatte er nicht unrecht. Es lag nicht in ihrer Natur, ein Lebewesen zu quälen. Es sei denn, es hatte es verdient. »Na gut. Wenn ich dir helfe, die Pfeile herauszuziehen, lässt du mich dann in Ruhe?«
»Dich in Ruhe lassen? Verdammte Scheiße, dann würde ich sie lieber drinlasssen, Walküre.«
Gleich darauf schlug er mit der Faust auf das Ende des ersten Pfeils, sodass der Schaft durch seinen Körper hindurchgetrieben wurde und in seinem Rücken wieder austrat. Als er nun mit der Hand hinter sich griff, war er in der Lage, die Pfeilspitze zu packen. Er biss die Zähne fest aufeinander und zog den Pfeil quer durch seinen Brustkorb. Die Befiederung verschwand unter seiner Haut, während er den Pfeil hinten aus seinem Rücken herauszog.
Während sie diesem Schauspiel seiner Widerstandskraft sprachlos zusah, warf er den blutigen Pfeil beiseite und widmete sich dem nächsten, dem er die gleiche Behandlung angedeihen ließ. Jedes Mal spannten sich sämtliche Muskeln seines Körpers an, und sobald der Pfeil herausgezogen war, stöhnte er und entspannte sich - ein wenig zumindest. Es war beinahe, als ob er zum Höhepunkt gekommen, aber noch nicht ganz befriedigt wäre.
Ein Teil von ihr fühlte sich geschmeichelt, dass er sich lieber dieser Tortur unterzog, statt ihre Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie hätte die Enden abbrechen können, sodass er die Pfeile vorne, durch die Brust herausziehen konnte, doch stattdessen trotzte er diesem Schmerz. Nur weil er sie nicht in Ruhe lassen wollte?
Seine Stärke erstaunte sie, und seine Kraft war beeindruckend. Wieder dämmerte ihr eine vage Erkenntnis, und ihre Haut prickelte in der klammen Nachtluft.
Während er den letzten Pfeil herauszog - nur ein kurzes Zucken bezeugte seine Schmerzen -, kam er ihr noch näher, ohne dass die Entschlossenheit in seiner Miene auch nur im Mindesten ins Wanken geriet.
Sie wich einen Schritt zurück und überlegte, ob sie ihren letzten Pfeil dazu benutzen sollte, ihn aufzuhalten. Sie konnte ihn nicht töten, aber mit einem Schuss zwischen die Augen könnte sie ihn bremsen.
...
© 2012 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
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Autoren-Porträt von Kresley Cole
Nach einer Karriere als Athletin und Trainerin veröffentlichte Kresley Cole 2003 ihren ersten Roman und ist seither eine der erfolgreichsten Autorinnen historischer und fantastischer Liebesromane.
Bibliographische Angaben
- Autor: Kresley Cole
- Altersempfehlung: Ab 16 Jahre
- 2012, 1. Aufl. 2012, 480 Seiten, Maße: 12,4 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Bettina Oder
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802586107
- ISBN-13: 9783802586101
- Erscheinungsdatum: 03.04.2012
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