Nebel der Vergangenheit / The Vampire Diaries. Stefan´s Diaries Bd.4
Die Blutsbrüder sind zurück
Faszinierend, fesselnd, leidenschaftlich: Stefans Tagebuch enthüllt erstmals, was wirklich geschah - und wie eine unsterbliche Hassliebe ihren Anfang fand ...
London 1888: Der Duft von Blut...
Faszinierend, fesselnd, leidenschaftlich: Stefans Tagebuch enthüllt erstmals, was wirklich geschah - und wie eine unsterbliche Hassliebe ihren Anfang fand ...
London 1888: Der Duft von Blut...
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Produktinformationen zu „Nebel der Vergangenheit / The Vampire Diaries. Stefan´s Diaries Bd.4 “
Die Blutsbrüder sind zurück
Faszinierend, fesselnd, leidenschaftlich: Stefans Tagebuch enthüllt erstmals, was wirklich geschah - und wie eine unsterbliche Hassliebe ihren Anfang fand ...
London 1888: Der Duft von Blut liegt in der Luft - und die Dunkelheit entlässt Stefan nicht aus ihrem Bann. Gerade als er auf dem beschaulichen englischen Land zur Ruhe kommen will, geschehen eine Reihe von schrecklichen Morden: Der mysteriöse Jack the Ripper zieht eine Blutspur des Grauens durch die Stadt! Stefan stellt Nachforschungen an und macht eine verstörende Entdeckung: Alles weist darauf hin, dass ein Vampir hinter den Taten steckt. Noch dazu einer, den er sehr gut kennt ...
Faszinierend, fesselnd, leidenschaftlich: Stefans Tagebuch enthüllt erstmals, was wirklich geschah - und wie eine unsterbliche Hassliebe ihren Anfang fand ...
London 1888: Der Duft von Blut liegt in der Luft - und die Dunkelheit entlässt Stefan nicht aus ihrem Bann. Gerade als er auf dem beschaulichen englischen Land zur Ruhe kommen will, geschehen eine Reihe von schrecklichen Morden: Der mysteriöse Jack the Ripper zieht eine Blutspur des Grauens durch die Stadt! Stefan stellt Nachforschungen an und macht eine verstörende Entdeckung: Alles weist darauf hin, dass ein Vampir hinter den Taten steckt. Noch dazu einer, den er sehr gut kennt ...
Klappentext zu „Nebel der Vergangenheit / The Vampire Diaries. Stefan´s Diaries Bd.4 “
Die Blutsbrüder sind zurückFaszinierend, fesselnd, leidenschaftlich: Stefans Tagebuch enthüllt erstmals, was wirklich geschah - und wie eine unsterbliche Hassliebe ihren Anfang fand ...
London 1888: Der Duft von Blut liegt in der Luft - und die Dunkelheit entlässt Stefan nicht aus ihrem Bann. Gerade als er auf dem beschaulichen englischen Land zur Ruhe kommen will, geschehen eine Reihe von schrecklichen Morden: Der mysteriöse Jack the Ripper zieht eine Blutspur des Grauens durch die Stadt! Stefan stellt Nachforschungen an und macht eine verstörende Entdeckung: Alles weist darauf hin, dass ein Vampir hinter den Taten steckt. Noch dazu einer, den er sehr gut kennt ...
Lese-Probe zu „Nebel der Vergangenheit / The Vampire Diaries. Stefan´s Diaries Bd.4 “
The Vampire Diaries - Stefan's Diaries von Lisa J. Smith Prolog
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August 1888 Wie viel sich doch in einem Jahr verändern kann. Das ist eine der Phrasen, die ich in verschiedenen Gesprächen aufgeschnappt habe. Sie kommt mir immer wieder in den Sinn, weil sie mich an mein früheres Leben erinnert. Früher einmal war ein Jahr von großer Bedeutung. In einem Jahr war alles möglich: die Liebe seines Lebens kennenzulernen, Vater zu werden, zu sterben. Ein Jahr war wie ein Trittstein auf dem Pfad des Lebens - einem Pfad, den ich nicht länger beschreite.
Das alles bedeutete ein Jahr für mich, bis vor zwanzig Jahren meine ganze Welt auf den Kopf gestellt wurde.
Seit einem Jahr bin ich nun in England, in einem Land, das so sehr durchdrungen ist von seiner Geschichte, dass mir dort die Aussicht auf die Ewigkeit weniger überwältigend erschien. Aber auch in dieser neuen Umgebung bin ich derselbe geblieben. Ich sehe immer noch genauso aus, wie an dem Tag, an dem ich zum Vampir wurde, und dieselben Gedanken - an Katherine, an Damon, an den Tod und die Zerstörung, die ich niemals wieder werde gutmachen können - verfolgen mich noch immer bis in meine Träume. Die Zeit ist in ihrem schnellen Lauf nicht etwa langsamer geworden oder gar stehen geblieben - nur ich bin der geblieben, der ich war, ein Dämon, der sich verzweifelt nach Erlösung sehnt.
Wenn ich ein Mensch wäre, hätte ich jetzt die Mitte meines Lebens erreicht. Ich hätte eine Frau, Kinder, vielleicht sogar einen Sohn, den ich darauf vorbereiten würde, das Familiengeschäft zu übernehmen.
Bevor das Familiengeschäft der Salvatores Mord wurde.
Es ist ein Vermächtnis, das zu korrigieren ich mich die vergangenen zwanzig Jahre bemüht habe - in der Hoffnung, dass eine Ewigkeit voll guter Taten die Fehler, die ich begangen habe, das Blut, das ich vergossen habe, irgendwie wettmachen könnten.
Und in mancherlei Hinsicht ist es tatsächlich so gekommen; England war gut für mich. Ich bin jetzt ein ehrlicher Mann - jedenfalls so ehrlich, wie ein Mann sein kann, dessen Vergangenheit so belastend ist wie meine.
Ich fühle mich nicht länger schuldig, weil ich das Blut der Tiere im Wald trinke. Ich bin schließlich ein Vampir. Aber ich bin kein Ungeheuer. Nicht mehr.
Auch wenn mir die Zeit nicht dasselbe bedeutet wie den Menschen und mich ein Jahreswechsel kaum mit solch atemloser Erwartung erfüllt wie die Lebenden, so hoffe ich doch, dass ich mit jedem Jahr mehr Abstand von meiner zerstörten Jugend gewinne, ohne mir neue Schuld auf mein Gewissen zu laden. Wenn mir das gelänge, hätte ich endlich die Veränderung meiner selbst erreicht - und meine Erlösung.
Kapitel Eins
Sonnenstrahlen tanzten auf den roh behauenen Balken der geräumigen Küche von Abbott Manor, wo ich als Verwalter angestellt war. Ich seufzte zufrieden, während ich durch die dicken Fensterscheiben auf die grüne, hügelige Landschaft schaute, die das Haus umgab. Obwohl Mrs Duckworth, die aufopferungsvolle Haushälterin der Abbotts, alles tadellos in Ordnung hielt, konnte ich feine Pollen in den hellen Strahlen schweben sehen. Das erinnerte mich an unser häusliches Gut Veritas, wo die Pollen der Magnolien durchs offene Fenster geweht waren und die Zimmer rasch mit einer feinen Schicht von Blütenstaub überzogen hatten.
»Könnten Sie mir bitte ein Messer reichen, Stefan?«, fragte Daisy, eins der jungen Hausmädchen, während sie kokett mit den Wimpern klimperte. Daisy stammte aus dem Ort und wurde von Mrs Duckworth gelegentlich als Küchenhilfe beschäftigt. Klein, mit lockigem, braunem Haar und Sommersprossen auf ihrer Stupsnase erinnerte sie mich an Amelia Hawke, eine Freundin aus Kindertagen in Mystic Falls. Amelia hatte jetzt höchstwahrscheinlich selbst Kinder in Daisys Alter, überlegte ich.
»Natürlich, liebe Daisy«, sagte ich mit meinem übertriebenen Südstaaten-Akzent und machte eine tiefe Verbeugung vor ihr. Daisy zog mich immer damit auf, wie amerikanisch ich doch klänge, und ich genoss unsere unbeschwerten Wortgefechte. Sie waren spielerisch und unschuldig und erinnerten mich daran, dass sich nicht in jedem Wort ein Hintergedanke verbergen musste.
Ich nahm ein Messer aus einer Schublade und reichte es ihr, während sie eine Gurke aus einer großen Holz- schale zog und auf den Tisch legte. Vor lauter Konzentration biss sie sich auf die Unterlippe.
»Au!« Daisy heulte auf, ließ die Gurke Gurke sein und fuhr sich über die Lippen. Sie drehte sich zu mir um und Blut sickerte aus der Wunde.
Ich spürte, wie meine Reißzähne gegen das Zahnfleisch drückten. Ich schluckte und trat zurück, um die Verwandlung aufzuhalten, solange ich noch die Chance dazu hatte.
»Stefan, hilf mir!«, flehte Daisy.
Ich taumelte weiter rückwärts, als mir der Geruch von Blut in die Nase stieg und sofort meine Gedanken zu beherrschen drohte. Ich stellte mir vor, wie süß die Flüssigkeit auf meiner Zunge schmecken würde.
Hastig griff ich nach einer Serviette und hielt sie ihr hin. Dann presste ich die Augen fest zusammen, aber wenn das überhaupt etwas bewirkte, dann verstärkte es den metallischen Geruch des Blutes nur noch.
»Hier!«, sagte ich grob und schüttelte die Serviette aus. Aber sie ergriff sie nicht, daher öffnete ich die Augen wieder. Daisy stand da, mit ausgestrecktem Arm, aber irgendetwas an ihr war anders als zuvor. Ich blinzelte. Es war keine Einbildung. Ihr nussbraunes Haar hatte sich in eine glänzende, kupferrote Mähne verwandelt und ihre vollen Wangen waren schlanker geworden, in einem kantigeren Gesicht, in dem sich lediglich noch ein paar blasse Sommersprossen auf dem Nasenrücken befanden.
Irgendwie war Daisy verschwunden und jemand anderes hatte ihre Stelle eingenommen.
»Callie?«, krächzte ich und klammerte mich an dem Holztisch fest. Callie Gallagher - feurig, impulsiv, über alles treu und von Damon getötet - stand direkt vor mir. Meine Gedanken überschlugen sich. Was, wenn sie gar nicht wirklich gestorben war? Konnte sie irgendwie nach England entkommen sein, um neu anzufangen? Ich wusste, es ergab keinen Sinn, aber andererseits hatte ich sie direkt vor mir, so liebreizend wie nur je.
»Stefan ...«, flüsterte sie und neigte mir ihr Gesicht entgegen.
»Callie!« Ich lächelte, während meine Reißzähne sich zurückzogen. Mein Herz schlug schneller, ein Nachhall der menschlichen Gefühle, die ich dank Callies Hilfe nicht vergessen hatte. Eilig beugte ich mich zu ihr vor, strich mit der Hand über ihre Schulter und erlaubte mir, ihren Duft einzuatmen. Aber sobald ich wieder blinzelte, um mich an ihrem Anblick sattzusehen, veränderte sich alles an ihr. Ihre Lippen schienen plötzlich zu weit geöffnet zu sein, ihre Zähne zu weiß, ihre Augen zu blutunterlaufen. Ein Hauch von Limone und Ingwer umgab sie.
Entsetzt riss ich die Augen auf. Das Blut gefror mir fast in den Adern.
Konnte es sein ...
Es war Katherine. Katherine. Die erste Frau, von der ich jemals geglaubt hatte, in sie verliebt zu sein. Der Vampir, der mein Herz gestohlen hatte, nur um meine Seele zu stehlen. »Lass mich in Ruhe!«, rief ich heiser und wich so schnell zurück, dass ich über ein Tischbein stolperte und nach Halt suchte. Ich wusste, dass ich von ihr weg musste. Sie war böse. Sie hatte mich vernichtet. Und doch sah sie so verführerisch aus. Ein verschmitzter Ausdruck huschte über ihr Gesicht.
»Hallo, Stefan«, sagte sie sanft und kam auf mich zu. »Hab ich dir Angst gemacht? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen!«
»Du bist tot«, zischte ich und konnte es immer noch nicht glauben, dass ich sie wahrhaftig vor mir hatte.
Sie lachte. Ein Lachen so warm und wohlig wie ein Whiskey an einem kalten Winterabend.
»War ich das nicht immer? Es ist schön, dich zu sehen. Du siehst gut aus. Wenn auch vielleicht ein wenig zu blass«, tadelte Katherine.
»Wie bist du hierher gekommen?«, brachte ich schließlich heraus. Sie war verbrannt worden, in einer Kirche in Virginia, auf der anderen Seite des atlantischen Ozeans. Und doch stand sie eindeutig einen halben Meter von mir entfernt in der Küche der Abbotts.
»Ich musste dich sehen«, sagte Katherine und biss sich mit ihren makellos weißen Zähnen auf die Unterlippe. »Es tut mir schrecklich leid, Stefan. Ich habe das Gefühl, dass so viele Missverständnisse zwischen uns stehen. Du hast niemals meinen wahren Charakter kennengelernt. Glaubst du, du könntest mir je verzeihen? «, fragte sie.
Trotz meines Hasses auf sie nickte ich unwillkürlich. Ich wusste, dass ich fliehen musste, aber ich konnte den Blick nicht von ihren großen Augen abwenden. Dabei stand ich nicht etwa unter einem Bann. Es war schlimmer. Was mich antrieb, war Liebe. Zaghaft streckte ich die Hand aus und ließ meine Finger über ihre Haut streichen. Sie war glatt, und sofort wurde ich von dem Verlangen verzehrt, sie unaufhörlich zu berühren.
»Süßer Stefan«, gurrte Katherine, während sie sich zu mir vorbeugte. Ihre zarten Lippen streiften meine Wange. Ich trat einen Schritt vor und gab mich ihrem Duft nach Limone und Ingwer hin. Mein Verlangen, zwanzig Jahre lang unterdrückt, war entfesselt. Die Vergangenheit scherte mich nicht. Es scherte mich nicht, was sie mir oder meinem Bruder angetan hatte. Ich wollte sie. Meine Lippen fanden ihre, ich küsste sie hungrig und seufzte vor Glück und Liebe.
Sie zog sich zurück, und ich hob den Blick zu ihrem Gesicht. Ihre Augen traten aus den Höhlen und ihre Reißzähne glitzerten in der Sonne.
»Katherine!«, keuchte ich. Aber es gab kein Entrinnen. Mit eisig kalten Händen umfasste sie meinen Hals und zog mich an sich, und dann spürte ich einen sengenden Schmerz an der Kehle. Ich versuchte, mich umzudrehen, aber der Schmerz drang tiefer in meinen Körper, bis er die Tiefen meiner Seele erreichte ...
Alles um mich herum wurde dunkel.
Und dann hörte ich ein kräftiges, beharrliches Klopfen.
»Katherine?« Verwirrt tastete ich um mich und merkte, dass ich schweißgebadet war. Ich blinzelte. Über mir erkannte ich das schräge Dach meines strohgedeckten Cottages. Sonnenlicht fiel durch die Ritzen in der Decke.
Das Klopfen dauerte an.
Ich sprang aus meinem Bett und schlüpfte rasch in Hemd und Hosen. »Herein!«, rief ich.
Die Tür schwang auf und Mrs Duckworth trat eilig ein. Ihr rundes, rotes Gesicht wirkte besorgt. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte sie.
»Mir geht es gut. Nur ein Traum«, antwortete ich, während ich unbehaglich von einem Fuß auf den anderen trat. War es wirklich nur ein Traum gewesen? Ich hatte schon seit einer Ewigkeit nicht mehr an sie gedacht, aber in meinem Traum war Katherine mir so real erschienen, so lebendig.
»Sie hatten einen Albtraum, und was für einen«, sagte Mrs Duckworth wissend und verschränkte die Arme vor ihrer breiten, matronenhaften Brust. »Ich konnte Sie draußen vor der Tür schreien hören. Sie haben mich furchtbar erschreckt und ich dachte schon, Sie würden von einem Fuchs aus dem Wald angegriffen. Mrs Medlock von der Evans Farm sagte, einer hätte neulich einige ihrer Hühner gerissen. Am helllichten Tag!«
»Ein Albtraum ...«, wiederholte ich, während ich mich an den hölzernen Pfosten meines Bettes festhielt. Die Sonne ging langsam unter, und der Wald draußen vor meinem Fenster war in bernsteinfarbenes Licht getaucht.
»Ja«, erwiderte Mrs Duckworth geduldig. Sie trug eine gestärkte weiße Schürze über ihrem blau-weiß gestreiften Kleid, und ihr graues Haar war zu einem strengen Knoten zurückgebunden. Seit über zwanzig Jahren stand sie in Diensten des Gutshauses und überwachte alles, was dort vor sich ging, mit mütterlicher Sorge. George Abbott scherzte immer, dass in Wahrheit sie das Sagen habe und nicht er. Ihr Anblick beruhigte mich; er bestätigte mir, dass sich das alles nur in meinem Traum ereignet hatte und ich hier in Sicherheit war. »Ich hoffe nur, dass die Herrin Sie nicht gehört hat. Wir wollen doch nicht, dass sie denkt, bei sich würde es spuken.«
»Nicht bei sich«, erwiderte ich ungeduldig, hob meine Decke auf und warf sie zurück aufs Bett. Mir gefielen weder Mrs Duckworth' Andeutungen noch die Tatsache, dass sie es niemals schaffte, auch nur einen einzigen grammatikalisch korrekten Satz zu bilden. »Sie meinen, dass es bei ihr, auf ihrem Anwesen, in diesem Cottage spukt. Was nicht der Fall ist«, fügte ich hastig hinzu.
»Nein, ich meine, dass es bei Sie spukt«, sagte Mrs Duckworth weise. »Irgendetwas setzt Ihnen zu. Lässt Sie keine Ruhe.«
Ich blickte auf die rauen, unebenen Dielenbretter hinunter. Es stimmte. Obwohl ich von zuhause geflohen war, quälten mich noch immer Visionen aus meiner Vergangenheit. Manchmal, wenn ich von Damon und mir als Kindern träumte, wie wir um die Wette durch die Wälder von Virginia ritten, waren die Traumlandschaften sogar angenehm. Bei anderen Gelegenheiten jedoch erinnerten sie mich daran, dass es mir bestimmt war, für alle Ewigkeit auf der Erde zu leben und zugleich mit einem Fuß in der Hölle zu stehen.
»Egal«, meinte Mrs Duckworth, rieb sich energisch die Hände und klatschte dann. »Ich wollte Sie zum Abendessen holen. Die Jungs fragen ständig nach Ihnen «, erklärte sie mit einem liebevollen Lächeln. Sie meinte Luke und Oliver, die beiden noch recht jungen Söhne der Abbotts.
»Natürlich«, sagte ich. Ich liebte die Abendmahlzeiten, vor allem an einem Sonntag wie diesem. Sie waren stets ungezwungen und laut, geprägt von dem gutmütigen Gezänk zwischen Luke und Oliver und den köstlichen Speisen. Ihr Vater, George, spielte mit der vier Jahre alten Emma, der Kleinsten, auf dem Knie Hoppehoppe- Reiter, während Gertrude, die Frau Mama, ihre Kinderschar mit stolzem Lächeln beobachtete. Ich saß immer am Ende des Tischs, dankbar dafür, dass auch ich dazugehören durfte. Es handelte sich um eine ganz normale Familie, die fröhlich einen ganz normalen Sonntag beschloss. Und für mich gab es nichts - nicht die feinsten Villen in San Francisco oder die glitzernden, champagnertrunkenen Bälle von New York -, was sich damit irgendwie vergleichen ließ.
Als ich im vergangenen Herbst nach Abbott Manor gekommen war, hatte ich nur das Hemd an meinem Leib besessen und ein Pferd, das ich bei einem Glücksspiel in einer Hafenbar bei Southampton gewonnen hatte. Eine schwarze Schönheit, die mich an Mezanotte erinnerte, mein Pferd auf Gut Veritas in Virginia. Ich hatte die Stute Segreto getauft, italienisch für Geheimnis, und wir erkundeten einen Monat lang die Landschaft, bevor wir nach Ivinghoe kamen, eine kleine Stadt, die ungefähr fünfzig Meilen von London entfernt liegt. Auf der Suche nach jemandem, der Segreto vielleicht kaufen würde, schickte man mich zu George Abbott, der mir, nachdem er sich meine sorgfältig ausgedachte Leidensgeschichte angehört hatte, sowohl Geld für das Pferd als auch eine Stellung als Verwalter anbot.
»Sie sollten sich besser beeilen«, unterbrach Mrs Duckworth meine Erinnerungen. Dann stolzierte sie aus meinem Cottage und zog die Tür mit einem Knall hinter sich zu.
Ich warf einen hastigen Blick in den Spiegel, der über meiner schlichten Kommode hing. Dann strich ich mein braunes Haar zurück und leckte mit der Zunge über mein Zahnfleisch. Meine Reißzähne tauchten nur noch sehr selten auf, zumindest solange ich wach war. Ich hatte mir sogar angewöhnt, meine Beute mit Pfeil und Bogen zu jagen und das Blut dann in ein Glas zu gießen und es zu trinken, während ich mich am Kamin entspannte. Ich erinnerte mich daran, wie meine Freundin Lexi mich immer wieder davon überzeugen wollte, warmes Ziegenblut zu trinken, damals, als ich noch ein junger Vampir gewesen war und in New Orleans verheerende Schäden angerichtet hatte. Zu dieser Zeit hatte ich mich dagegen gewehrt und gedacht, Ziegenblut sei eine Beleidigung des wahren Geschmacks von Blut - voll, süß, menschlich.
Wenn sie mich jetzt nur sehen könnte, dachte ich sehnsüchtig. Manchmal wünschte ich mir, sie wäre hier, vor allem in den langen, dunklen Nächten. Es wäre schön gewesen, jemanden zum Reden zu haben, und Lexi war eine echte Freundin gewesen. Aber wir hatten uns getrennt, als wir Großbritannien erreichten. Sie hatte beschlossen, auf den Kontinent zu reisen, während ich bleiben wollte, um zu sehen, was das Land zu bieten hatte. Und es war gut so. Obwohl wir in aller Freundschaft auseinander gegangen waren, hatte ich schon bemerkt, dass meine melancholische Ader sie ungeduldig machte. Ich konnte ihr das nicht einmal vorwerfen. Manchmal verlor ich mit mir selbst die Geduld und wünschte, einfach weiterziehen zu können. Ich wünschte, ich könnte mit Daisy flirten, ohne Angst, dass meine Reißzähne erschienen. Ich wünschte, ich hätte mit George über mein früheres Leben in Amerika sprechen können, ohne Angst, dass mir herausrutschte, dass ich schon während des Bürgerkriegs gelebt hatte. Und mehr als alles andere wünschte ich, ich könnte Damon aus meinem Gedächtnis löschen. Genau das war es, was ich brauchte, um nach vorne zu schauen: Ich musste für mich sein und auf eigenen Füßen stehen. Bis dann irgendein Albtraum mich in mein Elend zurückschickte.
Aber nur wenn ich es zuließ. Ich hatte gelernt, dass Erinnerungen einfach nur Erinnerungen waren. Sie hatten keine Macht, mir wehzutun, es sei denn, ich ließ es zu. Ich hatte gelernt, dass ich Menschen vertrauen konnte. Und spät in der Nacht, wenn mein Körper von Dachsblut gewärmt war und ich dem vielstimmigen Konzert des Waldes lauschte, war ich beinahe glücklich.
Es gab hier wenig Aufregung und Abenteuer. Was es gab - und dafür war ich dankbar -, war Routine. Die Arbeit glich der in meiner Jugend in Virginia, damals, als Vater mich dazu ausgebildet hatte, Gut Veritas zu übernehmen. Ich kaufte Vieh, überwachte die Pferde und reparierte alles, was in Ordnung gebracht werden musste. Ich wusste, dass George meine Arbeit schätzte, und morgen wollten wir sogar nach London fahren, um über die Finanzen des Guts zu sprechen, ein wahres Zeichen seines Vertrauens in mich. Tatsächlich schien mich die ganze Familie Abbott zu mögen, und ich war überrascht, wie sehr ich selbst sie mochte. Ich wusste, dass ich in einigen Jahren würde weiterziehen müssen, bevor sie bemerkten, dass ich nicht ebenso alterte wie sie. Aber die Zeit, die mir blieb, konnte ich trotzdem genießen.
Hastig zog ich eine Jacke aus Merinowolle über, eins der vielen Kleidungsstücke, die George mir in der kurzen Zeit, seit ich bei den Abbotts war, geschenkt hatte. Tatsächlich sagte er häufig, dass er mich wie einen Sohn betrachte, ein Gefühl, das mich gleichzeitig wärmte und erheiterte. Wenn er wüsste, dass er in Wirklichkeit sogar einige Jahre jünger war als ich! Aber er nahm seine Rolle als Vaterfigur ernst, und obwohl er meinen richtigen Vater niemals ersetzen konnte, war mir diese Geste sehr willkommen.
Ohne die Tür zu meinem Cottage abzuschließen, ging ich den Hügel zum Haus hinauf und pfiff irgendeine namenlose Melodie vor mich hin. Erst als ich zum Refrain kam, wurde mir bewusst, um welche es sich handelte - »God save the South«, eins von Damons Lieblingsliedern.
Ich verzog mein Gesicht zu einer Grimasse und rannte praktisch die letzten Schritte zur Hintertür des Herrenhauses. Auch nach zwanzig Jahren überfiel mich jede Erinnerung an Damon noch so heftig und abrupt wie ein Donnerschlag an einem trockenen, heißen Sommertag. Ich erinnerte mich an ihn - an seine grübelnden, braunen Augen, an sein schiefes Lächeln und seinen von Sarkasmus gefärbten Südstaaten-Akzent - so lebhaft, als hätte ich ihn erst vor zehn Minuten gesehen. Wo er jetzt wohl sein mochte?
Er konnte sogar tot sein. Der Gedanke sprang mich wie aus dem Nichts an. Unbehaglich schüttelte ich ihn ab.
Als ich das Haus endlich erreicht hatte, öffnete ich die Tür und trat ein. Die Abbotts hielten sie niemals verschlossen. Es war auch nicht notwendig. Das nächste Haus lag fünf Meilen entfernt an der Straße, und von da aus zur Stadt waren es dann noch einmal zwei Meilen. Die Stadt selbst bestand nur aus einem Pub, einem Postamt, einem Gemischtwarenladen und dem Bahnhof. Es gab in ganz England keinen sichereren Ort.
»Stefan, mein Junge!«, rief George eifrig und kam aus dem Wohnzimmer ins Foyer. George, bereits ein wenig angeheitert von seinem Sherry vor dem Abendessen, hatte rosige Wangen und wirkte noch rundlicher als in der vergangenen Woche.
»Hallo, Sir!«, begrüßte ich ihn voller Freude. Er war nur gut einen Meter fünfzig groß und schien mit seiner Körperfülle seine kleine Statur wettmachen zu wollen. Manchmal machte ich mir wirklich Sorgen um die Pferde, wenn es George in den Sinn kam, einen Ausritt in den Wald zu unternehmen.
Aber obwohl die anderen Bediensteten hinter seinem Rücken gelegentlich über seine Leibesfülle und seine Vorliebe für Alkohol spotteten, verkörperte er für mich nur Freundlichkeit und Güte. Er hatte mich aufgenommen, als ich nichts gehabt hatte, und er hatte mir nicht nur ein Dach über dem Kopf gegeben, sondern auch die Hoffnung, dass ich wieder so etwas wie Freundschaft unter den Menschen finden würde.
»Einen Schluck Sherry?«, fragte George und riss mich aus meinem Tagtraum.
Übersicht: Michaela Link
© 2013 für die deutschsprachige Ausgabe cbt Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
August 1888 Wie viel sich doch in einem Jahr verändern kann. Das ist eine der Phrasen, die ich in verschiedenen Gesprächen aufgeschnappt habe. Sie kommt mir immer wieder in den Sinn, weil sie mich an mein früheres Leben erinnert. Früher einmal war ein Jahr von großer Bedeutung. In einem Jahr war alles möglich: die Liebe seines Lebens kennenzulernen, Vater zu werden, zu sterben. Ein Jahr war wie ein Trittstein auf dem Pfad des Lebens - einem Pfad, den ich nicht länger beschreite.
Das alles bedeutete ein Jahr für mich, bis vor zwanzig Jahren meine ganze Welt auf den Kopf gestellt wurde.
Seit einem Jahr bin ich nun in England, in einem Land, das so sehr durchdrungen ist von seiner Geschichte, dass mir dort die Aussicht auf die Ewigkeit weniger überwältigend erschien. Aber auch in dieser neuen Umgebung bin ich derselbe geblieben. Ich sehe immer noch genauso aus, wie an dem Tag, an dem ich zum Vampir wurde, und dieselben Gedanken - an Katherine, an Damon, an den Tod und die Zerstörung, die ich niemals wieder werde gutmachen können - verfolgen mich noch immer bis in meine Träume. Die Zeit ist in ihrem schnellen Lauf nicht etwa langsamer geworden oder gar stehen geblieben - nur ich bin der geblieben, der ich war, ein Dämon, der sich verzweifelt nach Erlösung sehnt.
Wenn ich ein Mensch wäre, hätte ich jetzt die Mitte meines Lebens erreicht. Ich hätte eine Frau, Kinder, vielleicht sogar einen Sohn, den ich darauf vorbereiten würde, das Familiengeschäft zu übernehmen.
Bevor das Familiengeschäft der Salvatores Mord wurde.
Es ist ein Vermächtnis, das zu korrigieren ich mich die vergangenen zwanzig Jahre bemüht habe - in der Hoffnung, dass eine Ewigkeit voll guter Taten die Fehler, die ich begangen habe, das Blut, das ich vergossen habe, irgendwie wettmachen könnten.
Und in mancherlei Hinsicht ist es tatsächlich so gekommen; England war gut für mich. Ich bin jetzt ein ehrlicher Mann - jedenfalls so ehrlich, wie ein Mann sein kann, dessen Vergangenheit so belastend ist wie meine.
Ich fühle mich nicht länger schuldig, weil ich das Blut der Tiere im Wald trinke. Ich bin schließlich ein Vampir. Aber ich bin kein Ungeheuer. Nicht mehr.
Auch wenn mir die Zeit nicht dasselbe bedeutet wie den Menschen und mich ein Jahreswechsel kaum mit solch atemloser Erwartung erfüllt wie die Lebenden, so hoffe ich doch, dass ich mit jedem Jahr mehr Abstand von meiner zerstörten Jugend gewinne, ohne mir neue Schuld auf mein Gewissen zu laden. Wenn mir das gelänge, hätte ich endlich die Veränderung meiner selbst erreicht - und meine Erlösung.
Kapitel Eins
Sonnenstrahlen tanzten auf den roh behauenen Balken der geräumigen Küche von Abbott Manor, wo ich als Verwalter angestellt war. Ich seufzte zufrieden, während ich durch die dicken Fensterscheiben auf die grüne, hügelige Landschaft schaute, die das Haus umgab. Obwohl Mrs Duckworth, die aufopferungsvolle Haushälterin der Abbotts, alles tadellos in Ordnung hielt, konnte ich feine Pollen in den hellen Strahlen schweben sehen. Das erinnerte mich an unser häusliches Gut Veritas, wo die Pollen der Magnolien durchs offene Fenster geweht waren und die Zimmer rasch mit einer feinen Schicht von Blütenstaub überzogen hatten.
»Könnten Sie mir bitte ein Messer reichen, Stefan?«, fragte Daisy, eins der jungen Hausmädchen, während sie kokett mit den Wimpern klimperte. Daisy stammte aus dem Ort und wurde von Mrs Duckworth gelegentlich als Küchenhilfe beschäftigt. Klein, mit lockigem, braunem Haar und Sommersprossen auf ihrer Stupsnase erinnerte sie mich an Amelia Hawke, eine Freundin aus Kindertagen in Mystic Falls. Amelia hatte jetzt höchstwahrscheinlich selbst Kinder in Daisys Alter, überlegte ich.
»Natürlich, liebe Daisy«, sagte ich mit meinem übertriebenen Südstaaten-Akzent und machte eine tiefe Verbeugung vor ihr. Daisy zog mich immer damit auf, wie amerikanisch ich doch klänge, und ich genoss unsere unbeschwerten Wortgefechte. Sie waren spielerisch und unschuldig und erinnerten mich daran, dass sich nicht in jedem Wort ein Hintergedanke verbergen musste.
Ich nahm ein Messer aus einer Schublade und reichte es ihr, während sie eine Gurke aus einer großen Holz- schale zog und auf den Tisch legte. Vor lauter Konzentration biss sie sich auf die Unterlippe.
»Au!« Daisy heulte auf, ließ die Gurke Gurke sein und fuhr sich über die Lippen. Sie drehte sich zu mir um und Blut sickerte aus der Wunde.
Ich spürte, wie meine Reißzähne gegen das Zahnfleisch drückten. Ich schluckte und trat zurück, um die Verwandlung aufzuhalten, solange ich noch die Chance dazu hatte.
»Stefan, hilf mir!«, flehte Daisy.
Ich taumelte weiter rückwärts, als mir der Geruch von Blut in die Nase stieg und sofort meine Gedanken zu beherrschen drohte. Ich stellte mir vor, wie süß die Flüssigkeit auf meiner Zunge schmecken würde.
Hastig griff ich nach einer Serviette und hielt sie ihr hin. Dann presste ich die Augen fest zusammen, aber wenn das überhaupt etwas bewirkte, dann verstärkte es den metallischen Geruch des Blutes nur noch.
»Hier!«, sagte ich grob und schüttelte die Serviette aus. Aber sie ergriff sie nicht, daher öffnete ich die Augen wieder. Daisy stand da, mit ausgestrecktem Arm, aber irgendetwas an ihr war anders als zuvor. Ich blinzelte. Es war keine Einbildung. Ihr nussbraunes Haar hatte sich in eine glänzende, kupferrote Mähne verwandelt und ihre vollen Wangen waren schlanker geworden, in einem kantigeren Gesicht, in dem sich lediglich noch ein paar blasse Sommersprossen auf dem Nasenrücken befanden.
Irgendwie war Daisy verschwunden und jemand anderes hatte ihre Stelle eingenommen.
»Callie?«, krächzte ich und klammerte mich an dem Holztisch fest. Callie Gallagher - feurig, impulsiv, über alles treu und von Damon getötet - stand direkt vor mir. Meine Gedanken überschlugen sich. Was, wenn sie gar nicht wirklich gestorben war? Konnte sie irgendwie nach England entkommen sein, um neu anzufangen? Ich wusste, es ergab keinen Sinn, aber andererseits hatte ich sie direkt vor mir, so liebreizend wie nur je.
»Stefan ...«, flüsterte sie und neigte mir ihr Gesicht entgegen.
»Callie!« Ich lächelte, während meine Reißzähne sich zurückzogen. Mein Herz schlug schneller, ein Nachhall der menschlichen Gefühle, die ich dank Callies Hilfe nicht vergessen hatte. Eilig beugte ich mich zu ihr vor, strich mit der Hand über ihre Schulter und erlaubte mir, ihren Duft einzuatmen. Aber sobald ich wieder blinzelte, um mich an ihrem Anblick sattzusehen, veränderte sich alles an ihr. Ihre Lippen schienen plötzlich zu weit geöffnet zu sein, ihre Zähne zu weiß, ihre Augen zu blutunterlaufen. Ein Hauch von Limone und Ingwer umgab sie.
Entsetzt riss ich die Augen auf. Das Blut gefror mir fast in den Adern.
Konnte es sein ...
Es war Katherine. Katherine. Die erste Frau, von der ich jemals geglaubt hatte, in sie verliebt zu sein. Der Vampir, der mein Herz gestohlen hatte, nur um meine Seele zu stehlen. »Lass mich in Ruhe!«, rief ich heiser und wich so schnell zurück, dass ich über ein Tischbein stolperte und nach Halt suchte. Ich wusste, dass ich von ihr weg musste. Sie war böse. Sie hatte mich vernichtet. Und doch sah sie so verführerisch aus. Ein verschmitzter Ausdruck huschte über ihr Gesicht.
»Hallo, Stefan«, sagte sie sanft und kam auf mich zu. »Hab ich dir Angst gemacht? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen!«
»Du bist tot«, zischte ich und konnte es immer noch nicht glauben, dass ich sie wahrhaftig vor mir hatte.
Sie lachte. Ein Lachen so warm und wohlig wie ein Whiskey an einem kalten Winterabend.
»War ich das nicht immer? Es ist schön, dich zu sehen. Du siehst gut aus. Wenn auch vielleicht ein wenig zu blass«, tadelte Katherine.
»Wie bist du hierher gekommen?«, brachte ich schließlich heraus. Sie war verbrannt worden, in einer Kirche in Virginia, auf der anderen Seite des atlantischen Ozeans. Und doch stand sie eindeutig einen halben Meter von mir entfernt in der Küche der Abbotts.
»Ich musste dich sehen«, sagte Katherine und biss sich mit ihren makellos weißen Zähnen auf die Unterlippe. »Es tut mir schrecklich leid, Stefan. Ich habe das Gefühl, dass so viele Missverständnisse zwischen uns stehen. Du hast niemals meinen wahren Charakter kennengelernt. Glaubst du, du könntest mir je verzeihen? «, fragte sie.
Trotz meines Hasses auf sie nickte ich unwillkürlich. Ich wusste, dass ich fliehen musste, aber ich konnte den Blick nicht von ihren großen Augen abwenden. Dabei stand ich nicht etwa unter einem Bann. Es war schlimmer. Was mich antrieb, war Liebe. Zaghaft streckte ich die Hand aus und ließ meine Finger über ihre Haut streichen. Sie war glatt, und sofort wurde ich von dem Verlangen verzehrt, sie unaufhörlich zu berühren.
»Süßer Stefan«, gurrte Katherine, während sie sich zu mir vorbeugte. Ihre zarten Lippen streiften meine Wange. Ich trat einen Schritt vor und gab mich ihrem Duft nach Limone und Ingwer hin. Mein Verlangen, zwanzig Jahre lang unterdrückt, war entfesselt. Die Vergangenheit scherte mich nicht. Es scherte mich nicht, was sie mir oder meinem Bruder angetan hatte. Ich wollte sie. Meine Lippen fanden ihre, ich küsste sie hungrig und seufzte vor Glück und Liebe.
Sie zog sich zurück, und ich hob den Blick zu ihrem Gesicht. Ihre Augen traten aus den Höhlen und ihre Reißzähne glitzerten in der Sonne.
»Katherine!«, keuchte ich. Aber es gab kein Entrinnen. Mit eisig kalten Händen umfasste sie meinen Hals und zog mich an sich, und dann spürte ich einen sengenden Schmerz an der Kehle. Ich versuchte, mich umzudrehen, aber der Schmerz drang tiefer in meinen Körper, bis er die Tiefen meiner Seele erreichte ...
Alles um mich herum wurde dunkel.
Und dann hörte ich ein kräftiges, beharrliches Klopfen.
»Katherine?« Verwirrt tastete ich um mich und merkte, dass ich schweißgebadet war. Ich blinzelte. Über mir erkannte ich das schräge Dach meines strohgedeckten Cottages. Sonnenlicht fiel durch die Ritzen in der Decke.
Das Klopfen dauerte an.
Ich sprang aus meinem Bett und schlüpfte rasch in Hemd und Hosen. »Herein!«, rief ich.
Die Tür schwang auf und Mrs Duckworth trat eilig ein. Ihr rundes, rotes Gesicht wirkte besorgt. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte sie.
»Mir geht es gut. Nur ein Traum«, antwortete ich, während ich unbehaglich von einem Fuß auf den anderen trat. War es wirklich nur ein Traum gewesen? Ich hatte schon seit einer Ewigkeit nicht mehr an sie gedacht, aber in meinem Traum war Katherine mir so real erschienen, so lebendig.
»Sie hatten einen Albtraum, und was für einen«, sagte Mrs Duckworth wissend und verschränkte die Arme vor ihrer breiten, matronenhaften Brust. »Ich konnte Sie draußen vor der Tür schreien hören. Sie haben mich furchtbar erschreckt und ich dachte schon, Sie würden von einem Fuchs aus dem Wald angegriffen. Mrs Medlock von der Evans Farm sagte, einer hätte neulich einige ihrer Hühner gerissen. Am helllichten Tag!«
»Ein Albtraum ...«, wiederholte ich, während ich mich an den hölzernen Pfosten meines Bettes festhielt. Die Sonne ging langsam unter, und der Wald draußen vor meinem Fenster war in bernsteinfarbenes Licht getaucht.
»Ja«, erwiderte Mrs Duckworth geduldig. Sie trug eine gestärkte weiße Schürze über ihrem blau-weiß gestreiften Kleid, und ihr graues Haar war zu einem strengen Knoten zurückgebunden. Seit über zwanzig Jahren stand sie in Diensten des Gutshauses und überwachte alles, was dort vor sich ging, mit mütterlicher Sorge. George Abbott scherzte immer, dass in Wahrheit sie das Sagen habe und nicht er. Ihr Anblick beruhigte mich; er bestätigte mir, dass sich das alles nur in meinem Traum ereignet hatte und ich hier in Sicherheit war. »Ich hoffe nur, dass die Herrin Sie nicht gehört hat. Wir wollen doch nicht, dass sie denkt, bei sich würde es spuken.«
»Nicht bei sich«, erwiderte ich ungeduldig, hob meine Decke auf und warf sie zurück aufs Bett. Mir gefielen weder Mrs Duckworth' Andeutungen noch die Tatsache, dass sie es niemals schaffte, auch nur einen einzigen grammatikalisch korrekten Satz zu bilden. »Sie meinen, dass es bei ihr, auf ihrem Anwesen, in diesem Cottage spukt. Was nicht der Fall ist«, fügte ich hastig hinzu.
»Nein, ich meine, dass es bei Sie spukt«, sagte Mrs Duckworth weise. »Irgendetwas setzt Ihnen zu. Lässt Sie keine Ruhe.«
Ich blickte auf die rauen, unebenen Dielenbretter hinunter. Es stimmte. Obwohl ich von zuhause geflohen war, quälten mich noch immer Visionen aus meiner Vergangenheit. Manchmal, wenn ich von Damon und mir als Kindern träumte, wie wir um die Wette durch die Wälder von Virginia ritten, waren die Traumlandschaften sogar angenehm. Bei anderen Gelegenheiten jedoch erinnerten sie mich daran, dass es mir bestimmt war, für alle Ewigkeit auf der Erde zu leben und zugleich mit einem Fuß in der Hölle zu stehen.
»Egal«, meinte Mrs Duckworth, rieb sich energisch die Hände und klatschte dann. »Ich wollte Sie zum Abendessen holen. Die Jungs fragen ständig nach Ihnen «, erklärte sie mit einem liebevollen Lächeln. Sie meinte Luke und Oliver, die beiden noch recht jungen Söhne der Abbotts.
»Natürlich«, sagte ich. Ich liebte die Abendmahlzeiten, vor allem an einem Sonntag wie diesem. Sie waren stets ungezwungen und laut, geprägt von dem gutmütigen Gezänk zwischen Luke und Oliver und den köstlichen Speisen. Ihr Vater, George, spielte mit der vier Jahre alten Emma, der Kleinsten, auf dem Knie Hoppehoppe- Reiter, während Gertrude, die Frau Mama, ihre Kinderschar mit stolzem Lächeln beobachtete. Ich saß immer am Ende des Tischs, dankbar dafür, dass auch ich dazugehören durfte. Es handelte sich um eine ganz normale Familie, die fröhlich einen ganz normalen Sonntag beschloss. Und für mich gab es nichts - nicht die feinsten Villen in San Francisco oder die glitzernden, champagnertrunkenen Bälle von New York -, was sich damit irgendwie vergleichen ließ.
Als ich im vergangenen Herbst nach Abbott Manor gekommen war, hatte ich nur das Hemd an meinem Leib besessen und ein Pferd, das ich bei einem Glücksspiel in einer Hafenbar bei Southampton gewonnen hatte. Eine schwarze Schönheit, die mich an Mezanotte erinnerte, mein Pferd auf Gut Veritas in Virginia. Ich hatte die Stute Segreto getauft, italienisch für Geheimnis, und wir erkundeten einen Monat lang die Landschaft, bevor wir nach Ivinghoe kamen, eine kleine Stadt, die ungefähr fünfzig Meilen von London entfernt liegt. Auf der Suche nach jemandem, der Segreto vielleicht kaufen würde, schickte man mich zu George Abbott, der mir, nachdem er sich meine sorgfältig ausgedachte Leidensgeschichte angehört hatte, sowohl Geld für das Pferd als auch eine Stellung als Verwalter anbot.
»Sie sollten sich besser beeilen«, unterbrach Mrs Duckworth meine Erinnerungen. Dann stolzierte sie aus meinem Cottage und zog die Tür mit einem Knall hinter sich zu.
Ich warf einen hastigen Blick in den Spiegel, der über meiner schlichten Kommode hing. Dann strich ich mein braunes Haar zurück und leckte mit der Zunge über mein Zahnfleisch. Meine Reißzähne tauchten nur noch sehr selten auf, zumindest solange ich wach war. Ich hatte mir sogar angewöhnt, meine Beute mit Pfeil und Bogen zu jagen und das Blut dann in ein Glas zu gießen und es zu trinken, während ich mich am Kamin entspannte. Ich erinnerte mich daran, wie meine Freundin Lexi mich immer wieder davon überzeugen wollte, warmes Ziegenblut zu trinken, damals, als ich noch ein junger Vampir gewesen war und in New Orleans verheerende Schäden angerichtet hatte. Zu dieser Zeit hatte ich mich dagegen gewehrt und gedacht, Ziegenblut sei eine Beleidigung des wahren Geschmacks von Blut - voll, süß, menschlich.
Wenn sie mich jetzt nur sehen könnte, dachte ich sehnsüchtig. Manchmal wünschte ich mir, sie wäre hier, vor allem in den langen, dunklen Nächten. Es wäre schön gewesen, jemanden zum Reden zu haben, und Lexi war eine echte Freundin gewesen. Aber wir hatten uns getrennt, als wir Großbritannien erreichten. Sie hatte beschlossen, auf den Kontinent zu reisen, während ich bleiben wollte, um zu sehen, was das Land zu bieten hatte. Und es war gut so. Obwohl wir in aller Freundschaft auseinander gegangen waren, hatte ich schon bemerkt, dass meine melancholische Ader sie ungeduldig machte. Ich konnte ihr das nicht einmal vorwerfen. Manchmal verlor ich mit mir selbst die Geduld und wünschte, einfach weiterziehen zu können. Ich wünschte, ich könnte mit Daisy flirten, ohne Angst, dass meine Reißzähne erschienen. Ich wünschte, ich hätte mit George über mein früheres Leben in Amerika sprechen können, ohne Angst, dass mir herausrutschte, dass ich schon während des Bürgerkriegs gelebt hatte. Und mehr als alles andere wünschte ich, ich könnte Damon aus meinem Gedächtnis löschen. Genau das war es, was ich brauchte, um nach vorne zu schauen: Ich musste für mich sein und auf eigenen Füßen stehen. Bis dann irgendein Albtraum mich in mein Elend zurückschickte.
Aber nur wenn ich es zuließ. Ich hatte gelernt, dass Erinnerungen einfach nur Erinnerungen waren. Sie hatten keine Macht, mir wehzutun, es sei denn, ich ließ es zu. Ich hatte gelernt, dass ich Menschen vertrauen konnte. Und spät in der Nacht, wenn mein Körper von Dachsblut gewärmt war und ich dem vielstimmigen Konzert des Waldes lauschte, war ich beinahe glücklich.
Es gab hier wenig Aufregung und Abenteuer. Was es gab - und dafür war ich dankbar -, war Routine. Die Arbeit glich der in meiner Jugend in Virginia, damals, als Vater mich dazu ausgebildet hatte, Gut Veritas zu übernehmen. Ich kaufte Vieh, überwachte die Pferde und reparierte alles, was in Ordnung gebracht werden musste. Ich wusste, dass George meine Arbeit schätzte, und morgen wollten wir sogar nach London fahren, um über die Finanzen des Guts zu sprechen, ein wahres Zeichen seines Vertrauens in mich. Tatsächlich schien mich die ganze Familie Abbott zu mögen, und ich war überrascht, wie sehr ich selbst sie mochte. Ich wusste, dass ich in einigen Jahren würde weiterziehen müssen, bevor sie bemerkten, dass ich nicht ebenso alterte wie sie. Aber die Zeit, die mir blieb, konnte ich trotzdem genießen.
Hastig zog ich eine Jacke aus Merinowolle über, eins der vielen Kleidungsstücke, die George mir in der kurzen Zeit, seit ich bei den Abbotts war, geschenkt hatte. Tatsächlich sagte er häufig, dass er mich wie einen Sohn betrachte, ein Gefühl, das mich gleichzeitig wärmte und erheiterte. Wenn er wüsste, dass er in Wirklichkeit sogar einige Jahre jünger war als ich! Aber er nahm seine Rolle als Vaterfigur ernst, und obwohl er meinen richtigen Vater niemals ersetzen konnte, war mir diese Geste sehr willkommen.
Ohne die Tür zu meinem Cottage abzuschließen, ging ich den Hügel zum Haus hinauf und pfiff irgendeine namenlose Melodie vor mich hin. Erst als ich zum Refrain kam, wurde mir bewusst, um welche es sich handelte - »God save the South«, eins von Damons Lieblingsliedern.
Ich verzog mein Gesicht zu einer Grimasse und rannte praktisch die letzten Schritte zur Hintertür des Herrenhauses. Auch nach zwanzig Jahren überfiel mich jede Erinnerung an Damon noch so heftig und abrupt wie ein Donnerschlag an einem trockenen, heißen Sommertag. Ich erinnerte mich an ihn - an seine grübelnden, braunen Augen, an sein schiefes Lächeln und seinen von Sarkasmus gefärbten Südstaaten-Akzent - so lebhaft, als hätte ich ihn erst vor zehn Minuten gesehen. Wo er jetzt wohl sein mochte?
Er konnte sogar tot sein. Der Gedanke sprang mich wie aus dem Nichts an. Unbehaglich schüttelte ich ihn ab.
Als ich das Haus endlich erreicht hatte, öffnete ich die Tür und trat ein. Die Abbotts hielten sie niemals verschlossen. Es war auch nicht notwendig. Das nächste Haus lag fünf Meilen entfernt an der Straße, und von da aus zur Stadt waren es dann noch einmal zwei Meilen. Die Stadt selbst bestand nur aus einem Pub, einem Postamt, einem Gemischtwarenladen und dem Bahnhof. Es gab in ganz England keinen sichereren Ort.
»Stefan, mein Junge!«, rief George eifrig und kam aus dem Wohnzimmer ins Foyer. George, bereits ein wenig angeheitert von seinem Sherry vor dem Abendessen, hatte rosige Wangen und wirkte noch rundlicher als in der vergangenen Woche.
»Hallo, Sir!«, begrüßte ich ihn voller Freude. Er war nur gut einen Meter fünfzig groß und schien mit seiner Körperfülle seine kleine Statur wettmachen zu wollen. Manchmal machte ich mir wirklich Sorgen um die Pferde, wenn es George in den Sinn kam, einen Ausritt in den Wald zu unternehmen.
Aber obwohl die anderen Bediensteten hinter seinem Rücken gelegentlich über seine Leibesfülle und seine Vorliebe für Alkohol spotteten, verkörperte er für mich nur Freundlichkeit und Güte. Er hatte mich aufgenommen, als ich nichts gehabt hatte, und er hatte mir nicht nur ein Dach über dem Kopf gegeben, sondern auch die Hoffnung, dass ich wieder so etwas wie Freundschaft unter den Menschen finden würde.
»Einen Schluck Sherry?«, fragte George und riss mich aus meinem Tagtraum.
Übersicht: Michaela Link
© 2013 für die deutschsprachige Ausgabe cbt Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
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Autoren-Porträt von Lisa J. Smith
Lisa J. Smith hat schon früh mit dem Schreiben begonnen. Ihren ersten Roman veröffentlichte sie bereits während ihres Studiums. Sie lebt im Norden Kaliforniens.
Bibliographische Angaben
- Autor: Lisa J. Smith
- Altersempfehlung: 13 - 16 Jahre
- 2013, 288 Seiten, Maße: 12,5 x 18,3 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Mitarbeit: Williamson, Kevin; Plec, Julie; Übersetzung: Link, Michaela
- Übersetzer: Michaela Link
- Verlag: cbt
- ISBN-10: 3570380327
- ISBN-13: 9783570380321
- Erscheinungsdatum: 11.02.2013
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