Todesgut
"Plötzlich glaubte sie, ein Kratzen zu hören ..."
Todbringendes Erbgut, eine passionierte Wissenschaftlerin und ein irrer Serienmörder - Blanchard in Hochform!
Die Erbkrankheit, der ihr Bruder zum Opfer fiel, veranlasst Daisy Hubbard, ihr Leben der Forschung zu widmen. Doch dann ist ihre Schwester Anna verschwunden, und ein des Serienmords verdächtigter Mann will mit ihr reden. Nur die Hoffnung, Anna lebend wiederzusehen, bringt die Wissenschaftlerin dazu, sich mit dem "Teufel" einzulassen.
Die Wissenschaftlerin Daisy Hubbard hat nur ein einziges Ziel: ein Mittel gegen die tödliche Erbkrankheit zu finden, an der ihr Bruder starb. Sie steht von morgens bis abends im Labor und pflegt mehr Kontakt zu ihren Versuchsmäusen als zu ihren Mitmenschen. Kurz vor dem entscheidenden Durchbruch verschwindet ihre Schwester Anna ganz plötzlich von der Bildfläche. Die Wissenschaftlerin verlässt notgedrungen ihr Labor und folgt den Spuren Annas nach Los Angeles. Ist sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen? Der bald darauf festgenommene Gaines behauptet zu wissen, wo Anna sich aufhält.
Er besteht jedoch darauf, mit Daisy persönlich zu sprechen.
Zu ihrer Überraschung weiß er erstaunlich viel über ihreForschung. Was will dieser Mann?
Todesgut vonAlice Blanchard
LESEPROBE
Detective Jack Makowski stand in der brütendenSonne vor einer schäbigen südkalifornischen Bar mit Schindeldach und wüstengelbverputzter Fassade und fragte sich, was mit seinem neuesten Vermisstengeschehen sein mochte. Vor zwei Tagen hatte der fünfundvierzig Jahre alte ProgrammiererColby Ostrow kurz vorFeierabend seinen heruntergekommenen Laden verlassen, und seitdem war er von niemandemmehr gesehen worden. Seinen 98er Buick hatte man verschlossen hinterm Hausgefunden.
Jack war mit diesem Routinefallbeauftragt, und allmählich machte er sich Sorgen um seine Karriere. LetztesJahr war eine Großmutter von drei Enkelkindern unter ähnlichen Umständen in DeCampo Beach verschwunden, und die Akte lag immer noch unerledigt auf seinemSchreibtisch. In Kalifornien wurden jedes Jahr Tausende als vermisst gemeldet.De Campo Beach war eine Kleinstadt am Meer, ein Nest mit rund 25000 Einwohnern.Obwohl De Campo Beach nach Los Angeles eingemeindet war, fühlten sich dieEinheimischen nicht als Großstädter. In dem Städtchen nahm man noch Post für denNachbarn an und hielt gern an der Supermarktkasse ein Schwätzchen. In so einemOrt verschwand normalerweise niemand.
Er sah sein Spiegelbild im Fensterund ärgerte sich darüber, wie seine Haare in der Hitze aussahen. Sie hingen bisauf den Kragen herab und ringelten sich wie erstarrte Brandungswogen. Er strichsie mit der Hand zurück, und dann fiel ihm der Ausdruck seiner übernächtigtenAugen auf. Jack war achtunddreißig, ein mittelgroßer Mann mit blauen Augen undgrau melierten braunen Haaren, und er stellte fest, dass er immer mehr seinerMutter ähnelte - er hatte die gleiche schlaffe Wangenpartie, die gleichenvioletten Ringe unter den Augen und den gleichen Hang zum Selbstmitleid. Er kamsich vor wie das Gebäude, vor dem er stand. Nicht direkt baufällig, aber aufdein besten Weg dahin. Auf dem besten Weg.
In jüngeren Jahren war seine Muttereine schöne Frau gewesen, und Jack war eitel genug, um dankbar dafür zu sein, dasser der Familie seiner Mutter nachschlug und nicht das gnomenhafteAussehen der väterlichen Linie hatte. Dick Makowski war ein wohlhabender Manngewesen, ein Produzent erfolgreicher Krimiserien im Fernsehen, der sichinsgeheim danach sehnte, Filme wie die von Ingmar Bergman zu machen. Vor Jahrenhatte Jack einmal vor einer ganz ähnlichen Bar wie dieser gestanden, auch aneinem glühend heißen Tag, und zugeschaut, wie sein Vater Außenaufnahmen für Freddiethe Fuzz drehte. Freddiewar in den siebziger Jahren ein großer Hit gewesen. Wegen der enormen Hitzetrug der Freddie-Darsteller einen Taschenventilator mit sich herum, weil ihmsonst ständig das Make-up übers Gesicht gelaufen wäre. An jenem Tag wirkte dieStraße wie der Schauplatz eines Katastrophenfilms, denn laut Drehbuch war dorteine Bombe hochgegangen. Die Crew entzündete hektisch Feuer, streute Abfälleund Glassplitter auf die Straße und setzte eine riesige Rauchmaschine in Gang.Bei einer Einstellung fingen Freddies Haare Feuer, und alle Leute um ihn herumreagierten panisch, bis auf einen Cop, der denVerkehr regelte. Er rannte zu dein brennenden Freddiehin, erstickte das Feuer, bevor es ernsthaften Schaden anrichten konnte, gingwieder an seinen Platz und regelte weiter den Verkehr. Das Seltsame war, dassalle so taten, als sei nichts Ungewöhnliches geschehen. Die Leute am Sei nahmenden Cop und seinen heldenhaften Einsatz praktischnicht zur Kenntnis. Freddie ging es gut. Die Katastrophe war abgewendet. Wirmachen weiter! Licht! Nur ,lack war schwer beeindruckt,so sehr, dass er auf der Stelle beschloss, Cop zu werden- nicht Cop in Krimiserien, sondern ein echter Polizist.Einer von den Guten.
Jetzt öffnete er die Tür des Broken Spoke und blieb stehen, um die Atmosphäre der Bar in sichaufzunehmen. Er liebte das Gefühl der Anonymität, wenn man eine Bar betrat - ineinem Nachtclub wurde erwartet, dass man sich produzierte, aber einer Bar wares am liebsten, wenn man sich unsichtbar machte. Es dauerte eine Zeit, bis eralles registriert hatte - die Ansammlung höchst unterschiedlicher Tische undStühle, die Rock-Devotionalien, die an den Wänden verstaubten, die längstvergessene Pinata, die von den Deckenbalken hing. Erspürte, wie durstig er war. In Los Angeles herrschte akute Wasserknappheit, unddiese hohen Temperaturen waren für März ganz untypisch. Der Wassermangel war sobedrohlich geworden, dass die Stadtväter schon mit dem Gedanken spielten, eineMeerwasserentsalzungsanlage zu bauen. Vielleicht wäre es besser gewesen, siehätten von dem Geld jedem Bürger ein Bier gekauft.
Er sah den Barmann, ging zu ihmhinüber und zeigte ihm seine Dienstmarke. »Los Angeles Police Department. Wirhaben vorhin telefoniert.«
Der hoch gewachsene Mann waraschfahl. Er nickte knapp und fuhr mit seiner Arbeit fort.
»Kennen Sie den?«Jack zeigte ihm ein Foto von Colby Ostrow.
»Der kommt ziemlich oft, ja sagteder Barkeeper. Er hatte ein fliehendes Kinn und schiefe Zähne, und er kaute aufeinem Kaugummi herum. »Colby Soundso.«
»Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
»Vor zwei, drei Tagen.«
»Also Dienstag? Mittwoch?«
»Mittwoch. Ich weiß noch, ich habgedacht, dass unheimlich viel los ist für Mittwoch.«
Jack nickte. »Wann ist er gegangen?« ( )
© Hoffmann und Campe Verlag
Übersetzung: Rudolf Hermstein
Alice Blanchard wuchs in Connecticut auf und studierte in Boston Creative Writing und Film. Nach ihrem Erzählungsband The Stuntman s Daughter , der mit dem Anne Porter Prize ausgezeichnet wurde, erschien ihr Roman Die Gesichter der Wahrheit . Ihr Erstling war nicht nur ein großer internationaler Erfolg, sondern wurde ebenfalls mit etlichen Preisen bedacht und von der New York Times Book Review als eines der bemerkenswertesten Bücher des Jahres 1999 ausgezeichnet. Nach Sturmfieber (Hoffmann und Campe, 2004) ist Todesgut ihr dritter Roman. Die Autorin lebt in Los Angeles. Rudolf Hermstein, Jahrgang 1940, studierte Sprachen in Germersheim und übersetzte unter anderen Doris Lessing, H. P. Lovecraft, Frank McCourt und Robert M. Pirsig. Für Hoffmann und Campe hat er "Sturmfieber" von Alice Blanchard und "Der Dante Club" von Matthew Pearl ins Deutsche übertragen.Hermstein, Rudolf
Rudolf Hermstein, Jahrgang 1940, studierte Sprachen in Germersheim und übersetzte unter anderen Doris Lessing, H. P. Lovecraft, Frank McCourt und Robert M. Pirsig. Für Hoffmann und Campe hat er »Sturmfieber« von Alice Blanchard und »Der Dante Club« von Matthew Pearl ins Deutsche übertragen.
- Autor: Alice Blanchard
- 2006, 1, 414 Seiten, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung:Hermstein, Rudolf
- Übersetzer: Rudolf Hermstein
- Verlag: Hoffmann und Campe
- ISBN-10: 3455400094
- ISBN-13: 9783455400090
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