Todesreigen
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''Jeffery Deaver ist brillant!''
Minette Walters
Todesreigenvon Jeffery Deaver
LESEPROBE
Das Ferienhaus
An diesem Abend lief es schon bald in die falsche Richtung.
Ich schaute in den Rückspiegel und konnte keine Lichtererkennen, aber ich wusste, dass sie hinter uns waren und dass es nur eine Frageder Zeit war, bis ich die Blaulichter sehen würde.
Toth fing an zu reden, aber ich sagte, er solle den Mund halten,und jagte den Buick auf hundertzwanzig hoch. Die Straße war leer, kilometerweitwar nichts zu sehen außer Kiefern.
»Oh, Junge«, brummte Toth. Ich spürte, dass seine Augen aufmich gerichtet waren. Aber ich war so wütend, dass ich ihn nicht mal ansehenwollte.
Drugstores waren niemals einfach.
Weil nämlich - beobachten Sie es einfach mal! - Cops, dieihre Runden machen, häufiger an Drugstores vorbeifahren als irgendwo sonst.Wegen all dem Percodan und Valium und den anderen Medikamenten. Sie wissenschon.
Man sollte meinen, sie überwachen Lebensmittelläden. Aberdie sind ein Witz, und außerdem wird man von diesen Überwachungskamerasautomatisch gefilmt. Keine Chance. Deshalb wird niemand, der sein Geschäftversteht - ich meine: wirklich versteht -, solche Lädenüberfallen. Und Banken, vergessen Sie's! Sogar Geldautomaten. Ich meine, wie vielkann man da rausholen? Drei-, vierhundert maximal. Und hier in der Gegendspuckt einem der »Fast Cash«
Knopf gerade mal zwanzig aus. Was eigentlich schon bezeichnendist. Wozu also die Mühe?
Nein. Wir wollten Bares, und dafür kam nur ein Drugstore inFrage, auch wenn das kniffliger ist. Ardmore Drugs. Ein großer Laden in einerkleinen Stadt. Liggett Falls. Neunzig Kilometer entfernt von Albany und etwahundertfünfzig von dort, wo Toth und ich lebten, weiter westlich in den Bergen.Man sollte denken, es wäre sinnlos, in dieser Gegend einen Laden zu überfallen.Aber genau darum geht es ja: Die Leute dort brauchen ihre Medikamente und ihrHaarspray und Make-up wie überall sonst. Allerdings können sie nicht mitKreditkarten zahlen. Höchstens bei Sears oder Penney. Also zahlt man bar.
»Oh, Junge«, flüsterte Toth wieder. »Schau mal!«
Dass er so was sagte, machte mich noch wütender. Ich wollteschon losbrüllen: Was soll ich denn anschauen, du Arsch? Aber dann konnte ichsehen, was er meinte, und hielt den Mund. Direkt vor uns. Es sah aus wie kurzvor der Morgendämmerung, wenn es am Horizont hell wird. Bloß war das Licht hierrot und außerdem gleichmäßig. Es schien zu pulsieren, und mir war klar, dasssie bereits eine Straßensperre errichtet hatten. Dies war die einzigeVerbindungsstraße zwischen Liggett Falls und dem Interstate Highway. Damithätte ich rechnen müssen.
»Ich hab eine Idee«, sagte Toth. Die ich nicht hören wollte.Andererseits wollte ich nicht noch mal in eine Schießerei geraten. Und sicher nichtan der Straßensperre, wo man schon auf uns wartete.
»Was?«, bellte ich.
»Da drüben gibt es eine Stadt. Siehst du die Lichter? Ich kenneine Straße, die dorthin führt.«
Toth ist ein riesiger Kerl und wirkt ziemlich ruhig. Was allerdingstäuscht. Er gerät leicht aus der Fassung, und jetzt drehte er sich ständig nervös um undschaute auf den Rücksitz. Am liebsten hätte ich ihm eine gescheuert und ihm gesagt,er solle sich beruhigen.
»Wo istsie?«, fragte ich. »Diese Stadt?«
»Sechs,sieben Kilometer entfernt. Die Abzweigung ist nicht ausgeschildert, aber ichkenn sie.«
Wirbefanden uns im beschissenen Norden des Staates, wo alles grün ist. Aber diesesschmutzige Grün, verstehen Sie? Und alle Gebäude sind grau. Diese billigenkleinen Hütten. Und aufgebockte Pickups. Kleinstädte, in denen es nicht maleinen 7-Eleven gibt. Dafür eine Menge Hügel, die man hier Berge nennt.
Tothkurbelte das Fenster herunter, ließ kalte Luft herein und schaute zum Himmel.»Sie können uns mit diesen, äh, Satellitendingern aufspüren.«
»Wovonredest du eigentlich?«
»Weißt du,die können dich kilometerweit von oben erkennen. Ich hab's in einem Filmgesehen.«
»Und dumeinst, die Staatspolizei ist dazu in der Lage? Hast du den Verstand verloren?«
Dieser Typ,ich weiß ehrlich nicht, warum ich mit ihm arbeite. Nach dem, was im Drugstorepassiert ist, werde ich es auch nicht wieder tun.
Er zeigtemir die Abzweigung, und ich bog ab. Er sagte, die Stadt läge am Fuß desWächters. Nun, ich erinnerte mich, dass wir nachmittags auf dem Weg nachLiggett Falls daran vorbeigekommen waren. Es war ein riesiger, vielleicht sechzigMeter hoher Felsen. Der, wenn man ihn von der richtigen Stelle anschaute, wieder Kopf eines blinzelnden Menschen im Profil aussah. Er war eine große Sachefür die Indianer in dieser Gegend gewesen. Bla, bla, bla. Toth erklärte es mir, aber ichhörte nicht zu. Dieses eigenartige Gesicht war unheimlich. Ich schaute kurzhin und fuhr lieber weiter. Es gefiel mir nicht. Eigentlich bin ich nichtabergläubisch, aber manchmal gibt es eben Ausnahmen.
»Winchester«,sagte er gerade, was der Name der Stadt war. Fünf-, sechstausend Einwohner. Wirwürden ein leer stehendes Haus suchen, das Auto in der Garage verschwindenlassen und die Suchaktion aussitzen. Bis morgen - Sonntag - Nachmittag warten,wenn all die Wochenendurlauber zurück nach Boston und New York führen und wir inder Menge untertauchen könnten.
Ich konnteden Wächter jetzt vor uns erkennen, nicht direkt seine Umrisse, eher dieseSchwärze, wo keine Sterne waren. Und dann fing der Typ auf dem Rücksitz plötzlichan zu grunzen, so dass ich fast einen Herzinfarkt bekommen hätte.
»Hey! Ruheda hinten!« Ich schlug auf den Sitz, und der Typ hinten gab Ruhe.
Was für einAbend ...
Wir hattenden Drugstore eine Viertelstunde vor Ladenschluss erreicht. Genau wie es seinmuss. Dann sind die meisten Kunden und einige der Angestellten weg. Die anderensind müde, und wenn man ihnen eine Glock oder Smitty ins Gesicht drückt, tunsie so ziemlich alles, worum man sie bittet.
Außer heuteAbend.
(...)
© 2005 by Wilhelm Goldmann Verlag, München
Übersetzung: Stefan Lux
- Autor: Jeffery Deaver
- 2005, 477 Seiten, Maße: 11,5 x 18,3 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Dtsch. v. Stefan Lux
- Übersetzer: Stefan Lux
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442459427
- ISBN-13: 9783442459421
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