Jane Rizzoli Band 3: Todsünde
Der Mord an einer Frau, die kürzlich erst entbunden haben muss, bringt Detective Jane Rizzoli und Pathologin Maura Isles auf die Spur eines grausigen Geheimnisses. Ein entsetzlicher Fund bestätigt ihre Befürchtungen. Und dann gibt es einen weiteren Mord....
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Der Mord an einer Frau, die kürzlich erst entbunden haben muss, bringt Detective Jane Rizzoli und Pathologin Maura Isles auf die Spur eines grausigen Geheimnisses. Ein entsetzlicher Fund bestätigt ihre Befürchtungen. Und dann gibt es einen weiteren Mord. Die Ermittlerinnen sind plötzlich verstrickt in ein Netz aus Neid, Zorn und Habgier.
Nach "Die Chirurgin" und "Der Meister" hier der neue Bestseller von Tess Gerritsen!
"Eine Weltklasse-Autorin!"
ZDF
"Ein Grusel-Gänsehaut-Buch: hochspannend bis zum Ende. Endlich schreibt mal jemand von etwas, was er kennt." -- Gert Scobel, 3sat
"Der Roman ist - wie eigentlich alle Krimis von Tess Gerritsen - ein wahnsinnig spannendes Buch, das den Leser bis zur letzten Seite nicht mehr los lässt. Schonungslos, witzig und unheimlich, ist 'Todsünde' die ideale Lektüre für den Urlaub." -- WDR 4
Todsünde von Tess Gerritsen
LESEPROBE
Der Mann weigerte sichstrikt, ihn auch nur einen Meter weiter zu fahren.
Kurz nachdem sie die verlassene Octagon-Fabrik passiert hatten, war dieTeerstraße in einen halb zugewucherten Feldweg übergegangen. Jetzt, ein oderzwei Kilometer weiter, klagte der Fahrer, dass das Gestrüpp ihm den Lackzerkratze und der Wagen in den Schlammlöchern, die sich nach den jüngstenRegenfällen gebildet hatten, stecken zu bleiben drohe. Und dann? Dann würdensie hier festsitzen, hundertfünfzig Kilometer von Hyderabad entfernt. HowardRedfield ließ die lange Litanei der Einwände über sich ergehen und wusste doch,dass das alles nur Vorwände waren, die von dem wahren Grund für die Weigerungdes Fahrers ablenken sollten. Niemand gibt gerne zu, dass er Angst hat.
Redfield hatte keine andere Wahl. Er würde zu Fuß weitergehen müssen.
Er beugte sich vor, um dem Fahrer ins Ohr zu sprechen, und ranzigerSchweißgeruch stieg ihm in die Nase. Aus dem mit klappernden Holzperlenbehängten Rückspiegel starrten die dunklen Augen des Fahrers ihn an.
»Sie warten doch hier auf mich, nicht wahr?«, fragte Redfield. »Bleiben Sieeinfach auf der Straße stehen.«
»Wie lange?«
»Eine Stunde vielleicht. So lange, wie es eben dauert.«
»Ich sage Ihnen doch, da gibt es nichts zu sehen. Es ist niemand mehr dort.«
»Warten Sie einfach hier, okay? Warten Sie. Ich zahle Ihnen das Doppelte, wennwir wieder in der Stadt sind.«
Redfield schnappte sich seinen Rucksack, stieg aus und tauchte augenblicklichin ein Meer von Feuchtigkeit ein. Er hatte keinen Rucksack mehr getragen, seiter als junger, mittelloser Collegestudent durch Europa getrampt war, und er kamsich ein wenig komisch vor, als er sich ihn nun, als einundfünfzigjährigerMann, über die hängenden Schultern streifte. Aber er würde den Teufel tun, indieser Waschküche von einem Land auch nur einen Schritt ohne seineGrundausstattung zu machen - eine Flasche mit abgekochtem Trinkwasser,Insektenschutzmittel, Sonnencreme und Durchfallmedizin. Und seine Kamera - diekonnte er unmöglich zurücklassen.
Schwitzend stand er in der Nachmittagssonne, blickte zum Himmel und dachte: Nagroßartig - die Sonne geht bald unter, und in der Dämmerung kommen die Moskitosaus ihren Löchern. Hier ist euer Abendessen, ihr kleinen Mistviecher.
Er marschierte los. Der Weg war von hohem Gras überwuchert; er stolperte übereine Furche und sank mit seinen Trekkingschuhen knöcheltief im Matsch ein.Offenbar war hier schon seit Monaten kein Fahrzeug mehr entlanggekommen, unddie Natur hatte sich ihr Territorium rasch zurückerobert. Redfield bliebstehen, rang keuchend nach Luft, schlug nach Insekten. Als er sich umdrehte,war von dem Wagen nichts mehr zu sehen. Das beunruhigte ihn. Konnte er sichdarauf verlassen, dass der Fahrer auf ihn warten würde? Der Mann hatte ihn nurwiderstrebend so weit gefahren, und mit jedem Kilometer, den sie auf der immerholpriger werdenden Straße zurückgelegt hatten, war er nervöser geworden. Dadraußen seien böse Menschen, hatte der Fahrer gesagt; schreckliche Dinge seienin dieser Gegend passiert. Sie könnten beide verschwinden, und wer würde sichdann die Mühe machen, nach ihnen zu suchen?
Redfield kämpfte sich weiter vor.
Die feuchte Luft schien immer dichter zu werden. Er konnte das Wasser in derFlasche schwappen hören, und schon jetzt quälte ihn der Durst, doch er wolltekeine Pause machen. Es würde nur noch eine gute Stunde hell sein, und er hattekeine Zeit zu verlieren. Im Gras summten die Insekten, über ihm in den Kronender Bäume schrien Vögel - das nahm er jedenfalls an, auch wenn die Geräuschenichts mit irgendwelchen Vogelstimmen gemein hatten, die er kannte. Alles andiesem Land kam ihm fremd und unwirklich vor, und in einer albtraumhaftenTrance setzte er einen Fuß vor den anderen, während der Schweiß ihm die Brusthinabrann. Mit jedem Schritt schien sein Atem schneller zu gehen. Laut Kartekonnten es nicht mehr als zweieinhalb Kilometer sein, doch der Marsch schiensich endlos hinzuziehen, und das Insektenschutzmittel, mit dem er sich erneuteingerieben hatte, schien die Moskitos nicht abzuschrecken. Ihr nervösesGesumme tönte ihm in den Ohren, und bald war sein Gesicht von juckendenQuaddeln überzogen.
Erneut stolperte er in eine tiefe Furche und landete auf den Knien im hohenGras. Da hockte er nun und spuckte einen Mund voll Grünzeug aus, entmutigt underschöpft, am Ende seiner Kräfte. Er beschloss, dass es an der Zeit war,umzukehren. Die Segel zu streichen und nach Cincinnati zurückzufliegen. Es warnun mal weniger gefährlich, ein Feigling zu sein - und wesentlich bequemer.
Er seufzte und wollte sich eben mit der Hand am Boden abstützen, um sichaufzurichten, als er plötzlich erstarrte, den Blick auf die Erde gerichtet.Dort, zwischen den Grashalmen, glitzerte es metallisch. Es war nur ein billigerBlechknopf, aber in diesem Moment erschien er ihm wie ein Zeichen, einTalisman. Er steckte ihn in die Hosentasche, rappelte sich auf und ging weiter.
Nach nur wenigen hundert Schritten weitete sich die Straße plötzlich zu einervon hohen Bäumen umstandenen Lichtung. Am anderen Ende erblickte er eineinzelnes Gebäude, einen niedrigen Bau aus Hohlblocksteinen mit rostigemBlechdach. Trockene Zweige trieben raschelnd in dem leichten Wind, der durchdas Gras strich.
Das ist es, dachte er. Hier ist es passiert.
Sein Atem schien plötzlich zu laut. Mit pochendem Herzen streifte er seinenRucksack ab, zog den Reißverschluss auf und nahm seine Kamera heraus. Du musstalles dokumentieren, dachte er. Octagon wird versuchen, dich als Lügnerhinzustellen. Sie werden alles daransetzen, deine Aussagen in Zweifel zuziehen, und deshalb musst du dir deine Verteidigung zurechtlegen. Du musstbeweisen können, dass du die Wahrheit sagst.
Er trat auf die Lichtung hinaus und ging auf einen Haufen schwarzer Zweige zu.Als er die Äste mit der Schuhspitze anstieß, stieg ihm der beißende Geruchverkohlten Holzes in die Nase. Er wich zurück, und ein eiskalter Schauerüberlief ihn.
Es waren die Überreste eines Scheiterhaufens.
Mit verschwitzen Fingern nahm er die Schutzkappe vom Objektiv und begann zufotografieren. Das Auge an den Sucher gedrückt, schoss er ein Foto nach demanderen. Eine niedergebrannte Hütte. Eine Kindersandale im Gras. Ein bunterStofffetzen, herausgerissen aus einem Sari. Wohin er blickte, sah er insAngesicht des Todes.
Er schwenkte nach rechts. Eine grüne Wand glitt vor seinem Objektiv vorüber.Gerade wollte er das nächste Foto schießen, als sein Finger auf dem Auslösermitten in der Bewegung erstarrte.
Eine Gestalt huschte am äußersten Rand des Bildausschnitts vorüber.
Er ließ die Kamera sinken und hob den Kopf, starrte zum Waldrand hinüber. Doches war nichts mehr zu sehen, nur die Äste, die sich im Wind wiegten.
Da - hatte sich da nicht am Rand seines Gesichtsfelds etwas bewegt? Nur füreinen Sekundenbruchteil hatte er eine dunkle Gestalt zwischen den Bäumenerblickt. War es ein Affe gewesen? Er musste weiterfotografieren. DasTageslicht schwand rapide.
Er ging an einem gemauerten Brunnen vorbei auf das Gebäude mit dem Blechdachzu. Das hohe Gras streifte seine Hosenbeine, während seine Blicke nach linksund rechts schossen. Als er näher kam, erkannte er, dass die Mauern desGebäudes von Rauch geschwärzt waren. Vor dem Eingang lag ein Haufen Asche mitverkohlten Aststücken darin. Noch ein Scheiterhaufen.
Er machte einen Bogen darum und warf einen Blick durch die offene Tür.
Zuerst konnte er in dem Dämmerlicht kaum etwas erkennen. Die Nacht brach schonherein, und drinnen war es noch dunkler, eine Palette von Schwarz- undGrautönen. Er verharrte einen Moment regungslos, während seine Augen sich andie Dunkelheit gewöhnten. Mit wachsendem Erstaunen registrierte er das Glitzernvon frischem Wasser in einem irdenen Krug. Den Duft von Gewürzen. Wie war dasmöglich?
Hinter ihm knackte ein Zweig.
Er wirbelte herum.
Auf der Lichtung stand eine einsame Gestalt. Das Rauschen in den Bäumen ringsumhatte sich gelegt, und selbst die Vögel waren verstummt. Die Gestalt kam mitmerkwürdig ungelenken Bewegungen auf Redfield zu und blieb wenige Schritte vorihm stehen.
Die Kamera fiel ihm aus den Händen. Er wich entsetzt zurück, den Blick auf dieGestalt geheftet.
Es war eine Frau. Und sie hatte kein Gesicht.
1
Man nannte sie die »Königin der Toten«.
Zwar wagte es niemand, den Spitznamen in ihrer Gegenwart auszusprechen, doch abund zu hörte sie, wie sich die Leute ihn hinter ihrem Rücken zuflüsterten, wennsie zwischen Tatort, Leichenschauhaus und Gerichtssaal ihrem düsteren Geschäftnachging. Bisweilen konnte sie einen Unterton von finsterem Sarkasmus aus denKommentaren heraushören: Ach, sieh da, die Herrin der Unterwelt holt wiedereine arme Seele in ihr Reich! Manchmal schwang auch ein nervöses Tremolo in dengeflüsterten Bemerkungen mit, wie in dem Getuschel der Frommen, wenn eingottloser Fremder vorübergeht. Es war die Unruhe derer, die nicht begreifenkonnten, warum sie freiwillig in den Fußstapfen der Toten wandelte. Macht ihrdas vielleicht Spaß?, fragten sie sich. Übt die Berührung von erkaltetemFleisch, der Geruch der Verwesung einen solchen Reiz auf sie aus, dass siedafür den Lebenden den Rücken kehrt? Sie finden das einfach nicht normal - siewerfen ihr verstörte Blicke zu und registrieren Details, die sie nur in ihrerÜberzeugung bestärken, dass sie ein ziemlich schräger Vogel ist. Dieelfenbeinfarbene Haut, das rabenschwarze Haar mit dem schlichtenKleopatra-Schnitt; die grellrot geschminkten Lippen, wie eine blutige Wunde.Wer außer ihr trägt denn zu einer Leichenuntersuchung Lippenstift? Aber vorallem ist es ihre unerschütterliche Ruhe, die diese Beobachter beunruhigt, diekühle, hoheitsvolle Miene, mit der sie einen grausigen Anblick aufnimmt, beidem sich ihnen selbst der Magen umdreht. Im Gegensatz zu ihnen wendet sie sichnicht angewidert ab. Im Gegenteil, sie beugt sich herab, geht ganz nahe heran,tastet - und schnuppert.
Und später schwingt sie dann unter den grellen Lampen ihres Autopsiesaals dasSkalpell.
So wie jetzt. Ruhig führte sie die Klinge durch die gekühlte Haut, durch dasgelblich glänzende subkutane Fett. Ein Mann, der eine Vorliebe für Hamburgerund Pommes frites gehabt hatte, dachte sie, als sie zu einer gewöhnlichenGartenschere griff, um die Rippen zu durchtrennen und den dreieckigen Schilddes Brustbeins anzuheben, wie man die Tür eines Tresors öffnet, um an die darinverborgenen Juwelen heranzukommen.
Das Herz lag in seinem schwammigen Bett aus Lungengewebe. Neunundfünfzig Jahrelang hatte es das Blut durch die Adern von Mr. Samuel Knight gepumpt. Es war mitihm gewachsen, mit ihm gealtert, hatte sich verändert in dem Maße, wie ausseinem einst jugendlich-muskulösen Körper allmählich diese Ansammlung vonFettpolstern geworden war. Jede Pumpe versagt irgendwann den Dienst, so auchdas Herz in Mr. Knights Brust. Er hatte in seinem Hotelzimmer in Boston vor demFernseher gesessen, ein Glas Whisky aus der Minibar neben sich auf demNachttisch, als es seinen letzten Schlag getan hatte.
Sie stellte keine Spekulationen darüber an, welches seine letzten Gedanken gewesenwaren, oder ob er vielleicht Schmerzen oder Angst empfunden hatte. Auch wennsie seinen Körper in allen intimen Einzelheiten erkundete, auch wenn sie seineHaut aufschlitzte und sein Herz in den Händen hielt, blieb Mr. Samuel Knightfür sie ein Fremder - stumm und anspruchslos, bereit, ihr seine sämtlichenGeheimnisse zu offenbaren. Die Toten sind geduldig. Sie beklagen sich nicht,sie drohen und sie schmeicheln nicht.
Die Toten verletzen uns nicht; das tun nur die Lebenden.
Mit ruhigen, effizienten Bewegungen schnitt sie nun die Thoraxorgane heraus undlegte das Herz vorsichtig in eine Schale. Draußen fiel der erste Schnee desDezembers, kleine weiße Flocken, die mit leisem Knistern an die Fensterscheibenprasselten und sich auf den Asphalt senkten. Doch hier im Labor waren dieeinzigen Geräusche das Plätschern des Wassers und das Surren des Ventilators.Mauras Assistent Yoshima glitt lautlos durch den Raum; es war beinaheunheimlich, wie er ihren Anweisungen zuvorkam und immer dann an ihrer Seite auftauchte,wenn sie ihn brauchte. Sie arbeiteten erst anderthalb Jahre zusammen, und dochfunktionierten sie schon wie ein einziger Organismus, verbunden durch dieTelepathie zweier logisch denkender Gehirne. Sie musste ihn nicht bitten, dieLampe neu auszurichten - es war bereits passiert: Der Lichtstrahl fiel auf dasbluttriefende Herz, und die Schere hielt er auch schon in der Hand, sie musstesie nur noch entgegennehmen.
Die dunkel gefleckte Wand der rechten Herzkammer und die weißliche Narbe an derSpitze des Organs erzählten ihr die traurige Geschichte dieses Herzens. Durcheinen Myokardinfarkt, der sich vor Monaten oder gar Jahren ereignet hatte, warbereits ein Teil der linken Ventrikelwand zerstört worden. Und irgendwanninnerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden war es dann zu einem neuerlichenInfarkt gekommen. Eine Thrombose hatte die rechte Koronararterie verstopft unddamit die Blutversorgung des rechten Kammermuskels unterbunden.
Sie resezierte Gewebe für die Histologie, doch sie wusste bereits, was sieunter dem Mikroskop finden würde. Blutgerinnsel und nekrotisiertes Gewebe. DieInvasion der weißen Blutkörperchen, die wie eine Armee zur Verteidigungherbeiströmten. Vielleicht hatte Mr. Samuel Knight die Beschwerden in seinerBrust schlicht für Sodbrennen gehalten. Ein allzu üppiges Mittagessen - hättemich wohl doch bei den Zwiebeln ein bisschen zurückhalten sollen. Nun, einBeutel Maaloxan würde sicher Abhilfe schaffen. Oder womöglich hatte es nochbedrohlichere Anzeichen gegeben, die er aber geflissentlich ignoriert hatte:das Druckgefühl auf der Brust, die Kurzatmigkeit. Gewiss war es ihm nicht inden Sinn gekommen, dass er einen Herzinfarkt hatte.
Dass er tags darauf seinen massiven Herzrhythmusstörungen erliegen würde.
Jetzt lag das Herz aufgeschnitten auf dem Sektionsbrett. Ihr Blick fiel auf denseiner Organe beraubten Brustkorb. So endet also deine Dienstreise nach Boston,dachte sie. Ein Fall ohne große Überraschungen. Keine Anzeichen für einengewaltsamen Tod - wenn man von der schleichenden Gewalt absieht, die du deinemeigenen Körper zugefügt hast, Mr. Samuel Knight.
Die Sprechanlage knackte. »Dr. Isles?« Es war Louise, ihre Sekretärin.
»Ja?«
»Detective Rizzoli ist am Apparat und will Sie sprechen. Können Sie den Anrufannehmen?«
»Ja, ich gehe dran.«
Maura streifte die Latexhandschuhe ab und ging zum Wandtelefon. Yoshima, der amWaschbecken gestanden und Instrumente gespült hatte, drehte den Wasserhahn zu.Er wandte sich zu ihr um und beobachtete sie mit seinen ruhigen Tigeraugen.Yoshima wusste genau, was ein Anruf von Rizzoli bedeutete.
Als Maura schließlich auflegte, fing sie seinen fragenden Blick auf.
»Heute geht es früh los«, meinte sie. Dann zog sie ihren Kittel aus und machtesich auf, um ein neues Opfer in ihr Reich zu holen.
Der morgendliche Schneefall war mittlerweile in eine tückische Mischung ausSchnee und Eisregen übergegangen, und von den Räumfahrzeugen der Stadt war weitund breit nichts zu sehen. Vorsichtig lenkte sie den Wagen den Jamaica Riverwayentlang. Zischend pflügten die Reifen durch den tiefen Schneematsch, und dieScheibenwischer kratzten über die vereiste Windschutzscheibe. Es war der ersteSchnee dieses Winters, und die Autofahrer hatten sich noch nicht auf dieveränderten Bedingungen eingestellt. Einige Pechvögel waren bereits von derStraße abgekommen, und einmal passierte sie einen Streifenwagen, der mitflackerndem Blaulicht am Straßenrand stand. Ein Polizist und der Fahrer einesAbschleppwagens waren ausgestiegen und blickten in den Straßengraben, wo einverunglücktes Auto auf der Seite lag.
Die Räder ihres Lexus begannen nach links auszubrechen, und für einen Momentsah es so aus, als steuerte sie direkt auf den Gegenverkehr zu. In Panik stiegsie auf die Bremse und spürte, wie das elektronische Stabilitätsprogramm desWagens in Aktion trat. Mit wild pochendem Herzen lenkte sie ihr Fahrzeug aufihre eigene Spur zurück. Verdammter Mist, dachte sie. Ich ziehe wieder nachKalifornien. Sie verlangsamte die Fahrt zu einem ängstlichen Schleichen, ohnesich daran zu stören, dass die Leute hinter ihr zu hupen begannen und sie denganzen Verkehr aufhielt. Na los, überholt mich doch, ihr Idioten. Ich habeschon zu viele Fahrer von eurer Sorte auf den Sektionstisch gekriegt.
Bald hatte sie Jamaica Plain erreicht, ein Stadtviertel im Bostoner Westen mitalten Villen und Herrenhäusern, ausgedehnten Grünflächen, ruhigen Parkanlagenund Spazierwegen am Fluss. Im Sommer bot diese grüne Oase Zuflucht vor dem Lärmund der unerträglichen Hitze der Bostoner City, doch an einem Tag wie diesem,wenn der Himmel verhangen war und ein eisiger Wind über die öden Grasflächenfegte, überwog der Eindruck von Trostlosigkeit und Leere.
© Limes Verlag
Übersetzung: AndreasJäger
- Autor: Tess Gerritsen
- 2006, 411 Seiten, Maße: 11,5 x 18,3 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Jäger, Andreas
- Übersetzer: Andreas Jäger
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442364590
- ISBN-13: 9783442364596
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