Totenmahl
"ŽTotenmahl` ist einfach perfekt: Linda Fairstein macht keinen falschen Schritt und lässt in ihren Dialogen zwischen Alex Cooper und Mike Chapman nur so die Funken fliegen!" - Sandra Brown
"Totenmahl" ist Fairsteins stärkster und erschütterndster Roman. Sie ist eine der wenigen Autorinnen, die wirklich wissen, worüber sie schreiben!" - James Patterson
"Eine der besten Krimiautorinnen, die ich kenne!" - Patricia Cornwell
Totenmahl von Linda Fairstein
LESEPROBE
»Was meinstdu? Haben wir einen Fall?«, fragte Mercer Wallace. »Die Antwort steckt in demPappkarton, den du da herumschleppst. « Ich öffnete die Tür zum Büro desLieutenants im Sonderdezernat für Sexualverbrechen. Eine junge Frau lag mit demOberkörper auf dem Schreibtisch und hatte den Kopf auf die verschränkten Armegelegt. Als ich ihre Schulter berührte, hob sie den Kopf und strich sich ihrelangen kastanienbraunen Haare aus dem Gesicht. »Ich bin Alex Cooper. Von derBezirksstaatsanwaltschaft. Sind Sie Jean?« Ich versuchte, mir nicht anmerken zulassen, wie wichtig das war, was wir in den nächsten Stunden erledigen mussten.»Ja, Jean Eaken.« »Hat Ihnen Detective Wallace erklärt, um was es geht?« »Erhat gesagt, dass Sie die Staatsanwältin sind, die mit den Ermittlungenbeauftragt ist. Dass ich Ihnen noch einmal alles im Detail erzählen und danneinen Anruf machen soll, dessen Wortlaut Sie mir aufschreiben würden. Ist Caranoch da?«, fragte Jean. »Sie ist ein paar Türen weiter«, sagte Mercer. »Es wäreaber besser, wenn Sie nicht miteinander sprechen, bevor wir das hier erledigthaben. Danach bringen wir Sie in Ihr Hotel, wo Sie sich ein bisschen ausruhenkönnen.« Ich leitete seit über zehn Jahren die Abteilung für Sexualverbrechen beider Bezirksstaatsanwaltschaft von Manhattan, und Mercer hatte mich gerufen,damit ich aus meinem juristischen Repertoire etwas beisteuern könnte, um denVerhaftungsprozess zu beschleunigen und Jean Eakens Erfolgsaussichten vorGericht zu erhöhen. Er hatte mir erzählt, dass die vierundzwanzigjährigekanadische Studentin den Verdächtigen vor vier Monaten auf einer Konferenz fürJugendpsychologie an der Universität von Toronto kennen gelernt hatte, an dersie zusammen mit ihrer Freundin Cara teilgenommen hatte. Jean unterdrückte einGähnen, als ich ihr die erste Frage stellte. Es war kurz vor Mitternacht. »AlsSie Selim im Januar kennen lernten, wie viel Zeit haben Sie da miteinanderverbracht? « »Ich saß bei ein paar Vorträgen neben ihm. Wir haben uns in denPausen unterhalten. Am letzten Tag hat er mich und Cara während der Happy Hourzu einem Glas Wein eingeladen. Er hat uns erzählt, dass er Arzt ist und inManhattan wohnt. Das war alles.« »Hat er Sie nach New York eingeladen?« »Nichtdirekt. Ich habe ihm gesagt, dass wir noch nie dort waren, aber für daskommende Frühjahr eine Reise geplant hätten. Er war sehr freundlich, sehr nett.Cara fragte ihn, ob er uns ein günstiges Hotel empfehlen könnte, daraufhin bot eruns an, bei ihm zu übernachten.« »Haben Sie mit ihm darüber gesprochen, wie erSie unterbringen würde?« »Ja, natürlich. Selim sagte, dass er entweder beiseiner Freundin übernachten oder auf dem Futon im Wohnzimmer schlafen würde. Erbot uns sein Schlafzimmer an. Er gab mir seine Visitenkarte mit seinerBüronummer, Ms Cooper. Er ist Arzt - Assistenzarzt in der Psychiatrie. Esschien uns beiden total zuverlässig zu sein.« »Das hat er auch beabsichtigt.«Ich wollte ihr das Gefühl vermitteln, dass sie keinen Grund hatte, an ihremUrteilsvermögen zu zweifeln. »Hatten Sie danach noch Kontakt zu ihm?« Jeanzuckte die Achseln. »Nur ein paar E-Mails. Nichts Privates. Ich bedankte michnoch einmal und fragte, ob sein Angebot wirklich ernst gemeint war. Vor einemMonat habe ich ihm dann noch eine Mail geschickt, um unsere Reisedaten mit ihmabzuklären.« Mercer nickte mir über Jeans Kopf hinweg zu. Er führte eine Listeder noch zu erledigenden Aufgaben, und dieser fügte er jetzt eine Notiz hinzu,bei Gericht Einsicht in die E-Mail-Korrespondenz der beiden zu beantragen. Wirhatten schon so oft zusammengearbeitet, dass wir in unserer Arbeitsweise aufeinandereingespielt waren, besonders wenn es sich um das Dokumentieren erhärtenderBeweise in der oft absonderlichen Welt der Sexualverbrechen handelte. »HabenSie miteinander telefoniert?« »Nur einmal, vor einer Woche. Ich hatte ihm aufBand gesprochen, wann unser Bus am Port-Authority-Bahnhof ankommen würde. Ichwollte nur wissen, ob ihm die Uhrzeit recht wäre. Er rief mich noch am gleichenAbend zurück, und wir haben uns ein bisschen unterhalten.« »Können Sie sichnoch an den Wortlaut erinnern?« In jeder Geschworenenrunde gab es Skeptiker,die stets von einem verbalen Vorspiel ausgingen, wenn eine attraktive jungeFrau bereit war, bei einem Fremden zu übernachten. Ich musste darüber Bescheidwissen, bevor ich mit Mercer die nächsten Schritte einleitete. »Selim fragtemich, ob wir schon Pläne für unseren New- York-Besuch geschmiedet hätten, undwas wir uns ansehen wollten. Fragen dieser Art.« »Hat er etwas gesagt -irgendetwas -, das Ihnen das Gefühl gab, er sei privat oder sexuell an Ihneninteressiert?« Ihre Antwort kam schnell und bestimmt. »Nein.« Sie sah mich mitgroßen Augen an, wie um meine Reaktion abzuschätzen. »Keine unangemessenenBemerkungen?« Sie überlegte kurz. »Er fragte mich, warum mein Freund nichtmitkommt. Ich sagte ihm, dass ich keinen hätte. Ach ja. Dann wollte er nochwissen, ob ich gerne Marihuana rauche, weil er uns welches besorgen könnte.« Mercerschüttelte den Kopf. Das hörte er zum ersten Mal. Es war vielleicht nichtunbedingt von Bedeutung, erinnerte uns aber daran, dass wir auf der Suche nachder Wahrheit nach allen möglichen Dingen fragen mussten, mochten sie unserenZeuginnen auch noch so irrelevant erscheinen. »Was haben Sie geantwortet?« »Dassich kein Gras mag, dass mir davon schlecht wird.« »Sind Sie davon ausgegangen,etwas gemeinsam mit ihm zu unternehmen, Jean?« »Überhaupt nicht. Dr. Sengor -Selim - sagte, er wäre den ganzen Tag im Krankenhaus und abends meistens beiseiner Freundin. Ich hielt ihn einfach für einen netten Mann, der uns bei sichübernachten lässt.« Im Verlauf meiner Karriere als Staatsanwältin hatte ich es meistensmit Frauen zu tun, deren nette Bekanntschaften etwas anderes im Sinn hatten.Für den Geschmack von Cops, Staatsanwälten und auch Geschworenen in Manhattan warendie jungen Leute westlich des Hudson River und nördlich der Bronx oft etwas zuvertrauensselig. »Also hat er sich Ihnen in keiner Weise genähert?« Jean rangsich ein Lächeln ab. »Nicht bevor ich in der ersten Nacht ins Bett gehenwollte.« »Was ist da passiert?« »Als wir bei ihm ankamen, war es schon nachneun Uhr abends. Wir machten es uns gemütlich und plauderten noch ungefähr eineStunde. Über alles Mögliche. Über Psychologie und wie anstrengend das Studiumist und unsere ersten Eindrücke von der Stadt. Als Cara ins Badezimmer gegangenwar, um zu duschen, setzte sich Selim neben mich auf die Couch und wollte michbefummeln.« »Erzählen Sie Alex genau, wie er dabei vorgegangen ist«, batMercer, der ihr diese Fakten heute schon einmal entlockt hatte. Jean war einegut gebaute junge Frau, mit ihren über ein Meter siebzig fast so groß wie ich,aber viel üppiger. »Ich war müde von der langen Busfahrt und legte meinen Kopfauf ein Kissen. Selim versuchte mich zu küssen - auf den Mund - und fummeltemit der Hand an meinem Busen herum.« »Wie haben Sie sich verhalten?« »Ich habeihn weggedrückt und bin aufgestanden. Dann habe ich ihn um ein Telefonbuchgebeten, um ein Hotel für uns zu suchen.« »Wie hat er darauf reagiert?« »Es tatihm schrecklich Leid, und er bat mich vielmals um Entschuldigung. Er sagte,dass er meine Körpersprache fehlinterpretiert hätte. Er flehte mich an, Caranichts davon zu erzählen, und meinte, in seiner Heimat -« »In seiner Heimat?«,fragte ich. »Selim kommt aus der Türkei. Er sagte, wenn das dort jemand seinerSchwester antäte, würde man denjenigen auf dem Stadtplatz an den Prangerstellen.« Zweifellos würde man ihm auch eine Hand und sein bestes Teilabhacken. »Also sind Sie geblieben?« »Von da an verhielt er sich wie einperfekter Gentleman. Ich dachte, er wollte mich nur testen. Das ist mir schonöfter passiert. Wahrscheinlich glaubte ich deshalb, die Situation im Griff zuhaben.« »Und Cara?« Jean errötete. »Das müssen Sie sie selbst fragen.« (...)
© Blanvalet Verlag
Übersetzung: Manuela Thurner
- Autor: Linda Fairstein
- 2006, 415 Seiten, Maße: 11,5 x 18,3 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Manuela Thurner
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442364973
- ISBN-13: 9783442364978
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