Train Days
Auf Güterzügen durch die Weiten Amerikas
Als Eddy Joe Cotton neunzehn war, ließ er an einem kalten Wintermorgen seinen alten Hippie-Vater in Denver, Colorado, zurück. Er wußte nicht, wo seine nächste Bleibe sein würde, nur, daß er gute Stiefel hatte und unterwegs sein wollte. Irgendwann springt...
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Produktinformationen zu „Train Days “
Als Eddy Joe Cotton neunzehn war, ließ er an einem kalten Wintermorgen seinen alten Hippie-Vater in Denver, Colorado, zurück. Er wußte nicht, wo seine nächste Bleibe sein würde, nur, daß er gute Stiefel hatte und unterwegs sein wollte. Irgendwann springt er, ein Typ wie Johnny Depp, auf einen Zug, und mit dem Fahrtwind erfasst ihn ein Sog, der ihn zehn Jahre auf Güterwaggons durch die Weiten Amerikas driften läßt. Wie die Hobos, jene Arbeiter, die zur Zeit der Eisenbahnerschließung auf Achse waren, zieht er durchs Land, verdient zwischendurch Geld oder auch nicht.
Lese-Probe zu „Train Days “
Eddy Joe Cotton Train Days
Auf Güterzügen durch die Weiten Amerikas
Warten auf einen Zug
Ich sah aus wie Rudolph, das Rentier: meine Nase war rotgefroren. Alabama (der Tramp, der mir das mit den Güterzügen beibrachte) und ich waren in Wyoming, und an den Bäumen hingen Eiszapfen. Die Gleise der Burlington Northern führten über einen Steindamm, und bis auf das Flüstern des Herbststurms, der sie gefroren hatte, war es ganz still. Hätte ich mit einem Hammer auf diese Schienen geschlagen, sie wären zersprungen wie Glas. In dieser Stille zwischen den Zügen kann man hören, wie man in den Stiefeln mit den Zehen wriggelt. Ich trug seit tausend Meilen dasselbe Paar Socken. Ein Truthahngeier war aufgestiegen und hielt nach Geistern Ausschau. Auf die Hügel, an denen die Gleise verschwanden, fiel ein nadelfeiner kalter Regen, und die verborgene Sonne schien silbern durch die rissige Wolkendecke. Ich lehnte mich auf meiner Deckenrolle zurück und schloß die Augen.
Wenn der Pfiff einer Lok ertönt, wendet sich das Glück eines Tramps. Unter seinem Wollponcho und seinem Flachmann macht sein Herz einen Hasensprung. Aus seinem Bärenschlummer geweckt, kommt ein Tramp angelaufen, seine Deckenrolle über der Schulter. Er ist ein blinder Passagier - der kleine Mann mit dem Tuch um den Hals, der Truckerkappe auf dem Kopf und dem Loch im Stiefel. Ich rannte los.
Ich holte Alabama ein. Mit einer Hand hielt er die eiserne Seitensprosse eines Güterwaggons gepackt, und seine Stiefel schlitterten über den Kies. Er stieg die Leiter hoch und schwang sich auf die Plattform. Ich packte die Leiter, und meine Finger froren daran fest. So rannte ich neben dem Zug her, bis ich die Leiter dann auch mit der anderen Hand zu packen kriegte, und in diesem Moment hob mich der Zug in die Luft - wie einen Engel. Ich stieg hoch und sprang auf die Plattform. Ich steckte meinen Kopf raus an die Luft. Der kalte Wind strich mein Haar zurück. Da war ich also, auf Achse, und Eiszapfen hingen an den
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Bäumen, genau wie Robert Johnson, der Blues-Sänger, es besungen hatte. Ich war noch nie auf einen Güterzug aufgesprungen, aber gottverdammich, wenn ich nicht genau dafür geschaffen war. Es erinnerte mich daran, wie ich mit dem Wagen meines Vaters über den Highway gebraust war - aus dem Fenster geschaut, vor mich hin geträumt, Meilensteine gezählt und Bundesstaatsgrenzen hinter mir gelassen hatte, als wären es Telefonmasten. Damals hatte ich es zum ersten Mal - "das Fieber" - White line fever, wie Fernfahrer dazu sagen. Und seither war ich ein anderer Mensch.
Schwarzer Dieselrauch stieg vom vorderen Ende des Zugs auf. Vier riesige Lokomotiven zogen da vorne die Güterwagen wie Schlittenhunde und prusteten dabei Rauch aus ihren großen Schornsteinen. Das Brüllen der Dieselmotoren klang nach Tausenden von Kolben und durchriß die Stille der Prärie. Zart fiel Schnee aufs hintere Zugende, wo schwarze Tank-, Flach-, Schüttgut- und Kühlwagen wie alte Krüppel über die Gleise ruckelten. Die einzigen anderen Geräusche -: das Zirpen einer Grille, das solitäre Schrillen eines Grashüpfers -: totenstill. Auf der Feuerstelle, die wir eben verlassen hatten, sah ich noch ein paar glimmende Zweige.
Alabama sagte, der Waggon, auf dem wir waren, werde "Kornwagen" genannt, weil darin normalerweise Getreide befördert würde. Seitlich auf dem Kornwagen, gleich über den Worten ACE CENTER FLOW (dem Markennamen dieses Güterwaggons) war mit weißer Kreide die Signatur eines Hobos aufgezeichnet: eine Palme, unter der ein mexikanischer Hobo hockte. Er trug Poncho und Sombrero. Und unter die Palme hatte der Hobo seinen Namen geschrieben: Herby. Diese Signatur sah ich in den nächsten vier Wochen auf vier Güterzügen in vier Bundesstaaten.
Nach zehn Stunden auf diesem Zug übertönten das Rattern der verbogenen Gleise und die donnernden Stöße der Kupplungen sogar meine Gedanken. Die Sonne stand im Westen und brannte mir in den Augen, und die Hose, die ich mir für die Arbeit gekauft hatte, stank allmählich nach Dung - nach guter alter Kuhscheiße. Ich zog mir den Mützenschirm tief ins Gesicht und sah zu, wie mein Schatten über die Wand des Kornwagens kroch. Wir saßen direkt über einer Achse. Wenn die Bremsen zugriffen, schmirgelten die Bremsbacken Stahl von den Rädern, und die Metallflocken funkelten im Sonnenschein. Ich zog meine Jacke um mich zusammen, legte mich auf den Boden des Waggons und sah den rostigen Lacksplittern zu, die in einer Ecke tanzten. Ich tagträumte vom unbekümmerten Leben in Amerika: Kaffee trinken in einem Spielkasino, bumsen in weißer Motel-Bettwäsche, duschen mit Seife. Ich wußte, wenn die Gebirgsausläufer die Sonne verschluckt hatten, würde es eiskalt werden, und ich konnte rein gar nichts dagegen tun.
Die Fahrt in einem Güterwaggon ist wie die Fahrt auf der Ladefläche eines Pickups über irgendeinen Holperpfad in Mexiko, wobei du, wie Cool Hand Luke, der Unbeugsame, eine Stange Camel ohne rauchst und fünfzig hartgekochte Eier ißt. Meistens fühlt es sich an, als würde man in einem stockdunklen Verlies zusammengetreten. Meine Hände waren schwarz, und wenn ich mir die Augen rieb, sah ich hinterher aus wie ein Waschbär. Aber im Grunde war mir das ziemlich egal, denn ich war zu sehr damit beschäftigt zu träumen, wie ich durch die Wälder streifen würde, wie ich in den Rocky Mountains das Gesicht in einen eiskalten Fluß tauchen und einen Pelz tragen würde - wie ein junger Kojote im Mondschein. Mir wurde warm ums Herz, wenn ich an den ganzen Dreck dachte, den ich nun essen mußte, und an all die schönen Frauen, die ich umschmeicheln mußte - nur um dann einen Kuß und eine warme Mahlzeit zu bekommen. Das alles auf meiner kleinen Tramp-Reise quer durchs Land. Ich setzte ich mich auf, lehnte mich an die Wand des Kornwagens und sah zu, wie die Sonne unterging.
Schwarzer Dieselrauch stieg vom vorderen Ende des Zugs auf. Vier riesige Lokomotiven zogen da vorne die Güterwagen wie Schlittenhunde und prusteten dabei Rauch aus ihren großen Schornsteinen. Das Brüllen der Dieselmotoren klang nach Tausenden von Kolben und durchriß die Stille der Prärie. Zart fiel Schnee aufs hintere Zugende, wo schwarze Tank-, Flach-, Schüttgut- und Kühlwagen wie alte Krüppel über die Gleise ruckelten. Die einzigen anderen Geräusche -: das Zirpen einer Grille, das solitäre Schrillen eines Grashüpfers -: totenstill. Auf der Feuerstelle, die wir eben verlassen hatten, sah ich noch ein paar glimmende Zweige.
Alabama sagte, der Waggon, auf dem wir waren, werde "Kornwagen" genannt, weil darin normalerweise Getreide befördert würde. Seitlich auf dem Kornwagen, gleich über den Worten ACE CENTER FLOW (dem Markennamen dieses Güterwaggons) war mit weißer Kreide die Signatur eines Hobos aufgezeichnet: eine Palme, unter der ein mexikanischer Hobo hockte. Er trug Poncho und Sombrero. Und unter die Palme hatte der Hobo seinen Namen geschrieben: Herby. Diese Signatur sah ich in den nächsten vier Wochen auf vier Güterzügen in vier Bundesstaaten.
Nach zehn Stunden auf diesem Zug übertönten das Rattern der verbogenen Gleise und die donnernden Stöße der Kupplungen sogar meine Gedanken. Die Sonne stand im Westen und brannte mir in den Augen, und die Hose, die ich mir für die Arbeit gekauft hatte, stank allmählich nach Dung - nach guter alter Kuhscheiße. Ich zog mir den Mützenschirm tief ins Gesicht und sah zu, wie mein Schatten über die Wand des Kornwagens kroch. Wir saßen direkt über einer Achse. Wenn die Bremsen zugriffen, schmirgelten die Bremsbacken Stahl von den Rädern, und die Metallflocken funkelten im Sonnenschein. Ich zog meine Jacke um mich zusammen, legte mich auf den Boden des Waggons und sah den rostigen Lacksplittern zu, die in einer Ecke tanzten. Ich tagträumte vom unbekümmerten Leben in Amerika: Kaffee trinken in einem Spielkasino, bumsen in weißer Motel-Bettwäsche, duschen mit Seife. Ich wußte, wenn die Gebirgsausläufer die Sonne verschluckt hatten, würde es eiskalt werden, und ich konnte rein gar nichts dagegen tun.
Die Fahrt in einem Güterwaggon ist wie die Fahrt auf der Ladefläche eines Pickups über irgendeinen Holperpfad in Mexiko, wobei du, wie Cool Hand Luke, der Unbeugsame, eine Stange Camel ohne rauchst und fünfzig hartgekochte Eier ißt. Meistens fühlt es sich an, als würde man in einem stockdunklen Verlies zusammengetreten. Meine Hände waren schwarz, und wenn ich mir die Augen rieb, sah ich hinterher aus wie ein Waschbär. Aber im Grunde war mir das ziemlich egal, denn ich war zu sehr damit beschäftigt zu träumen, wie ich durch die Wälder streifen würde, wie ich in den Rocky Mountains das Gesicht in einen eiskalten Fluß tauchen und einen Pelz tragen würde - wie ein junger Kojote im Mondschein. Mir wurde warm ums Herz, wenn ich an den ganzen Dreck dachte, den ich nun essen mußte, und an all die schönen Frauen, die ich umschmeicheln mußte - nur um dann einen Kuß und eine warme Mahlzeit zu bekommen. Das alles auf meiner kleinen Tramp-Reise quer durchs Land. Ich setzte ich mich auf, lehnte mich an die Wand des Kornwagens und sah zu, wie die Sonne unterging.
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Autoren-Porträt von Eddy J. Cotton
Eddy Joe Cotton, geboren 1970 in Denver, Colorado, war seit seinem 19. Lebensjahr auf Güterzügen quer durch Amerika unterwegs. Heute zieht er mit seiner Hobo Jug Band samt Vaudeville-Variete, genannt "The Yard Dogs Road Show", von San Francisco aus durchs Land. "Train Days" ist sein erstes Buch. Mehr zum Autor: www.eddyjoecotton.com
Bibliographische Angaben
- Autor: Eddy J. Cotton
- 2003, 315 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen, Maße: 12,4 x 21 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Malik
- ISBN-10: 3890292534
- ISBN-13: 9783890292533
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