Troia - Wie es wirklich aussah
Wie es wirklich aussah
Erstmals ist es gelungen, das sagenumwobene Troia mittels modernster Computersimulation wieder auferstehen zu lassen: Die authentisch rekonstruierten Bilder dieses Bandes entführen in eine Stadt zwischen Mythos und Realität. Wie kaum eine andere zog sie...
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Produktinformationen zu „Troia - Wie es wirklich aussah “
Erstmals ist es gelungen, das sagenumwobene Troia mittels modernster Computersimulation wieder auferstehen zu lassen: Die authentisch rekonstruierten Bilder dieses Bandes entführen in eine Stadt zwischen Mythos und Realität. Wie kaum eine andere zog sie Generationen von Forschern in ihren Bann. Fotos der heutigen Ruinen werden den entsprechenden Computerbildern gegenübergestellt. Dazu erzählen die Autoren die Geschichte der unterschiedlichen Epochen. Eine fesselnde Zeitreise in die Vergangenheit.
Lese-Probe zu „Troia - Wie es wirklich aussah “
Birgit Brandau / Hartmut Schickert / Peter JablonkaTROIA
Wie es wirklich ausssah
Einleitung
"Lassen wir doch einmal unsere Phantasie spielen! Dazu ist der Historiker ja ständig gezwungen." Als der große französische Geschichtsforscher Georges Duby 1984 diese Worte schrieb, war das nicht nur ein ehrliches Bekenntnis, wie seine Zunft arbeitet.
Es war eine Absage an das bisherige Dogma der Historiker, man solle "aufschreiben, wie es eigentlich gewesen" ist. So hatte es der Deutsche Leopold von Ranke anderthalb Jahrhunderte zuvor formuliert.
Aufgabe des Historikers ist es, so Duby, "Überreste zusammenzutragen, von den Menschen der Vergangenheit hinterlassene Spuren, sie sorgfältig zu untersuchen und eine entsprechende Erklärung zu finden. Doch diese Spuren sind kaum wahrnehmbar, zusammenhanglos, vor allem dann, wenn sie von Armen oder aus dem Alltagsleben stammen. Dazu noch äußerst selten, wenn sie bis in sehr ferne Zeiten zurückweisen wie die, von denen hier die Rede ist."
Kann man da einfach "aufschreiben, wie es eigentlich gewesen" ist? Der Historiker - und erst recht der Archäologe, auf den diese Sätze noch mehr zutreffen - muß die spärlichen Überreste in einen Zusammenhang bringen, wenn sie Sinn ergeben sollen. Und dieser Zusammenhang entsteht zunächst in seinem Kopf, als vorläufiges Raster, als Arbeitshypothese. Diese wird mit jedem neuen Fund revidiert und verändert, ist ständigem Wandel unterworfen, während die Arbeit fortschreitet und immer neue Bruchstücke eingefügt werden, bis am Ende alles so schlüssig ist, daß dieser immer wieder verworfene und neu rekonstruierte Zusammenhang als "gesichert" gelten darf und schließlich ein Fachaufsatz daraus entsteht, den abgesehen von Kollegen und Studenten keiner liest.
Daher war Dubys berühmte Aufforderung, sich eine Vorstellung vom großen Ganzen zu machen, zugleich auch ein Appell an seine Zunft. Er formulierte damit ein Programm, das er selbst und viele andere Wissenschaftler und Publizisten
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sich zu eigen gemacht haben: sich nicht nur selbst den großen Zusammenhang vorzustellen, sondern dieses Gesamtbild auch dem interessierten Publikum darzubieten.
Nichts lieber als das. Zumal seit wenigen Jahren dafür in Form von Hochleistungscomputern und 3-D-Grafikprogrammen Hilfsmittel zur Verfügung stehen, von denen 1984 noch niemand zu träumen gewagt hätte. Wissenschaftler und Studenten des Troia-Projekts der Universität Tübingen, das unter der Leitung von Manfred Korfmann seit 1988 in Troia ausgräbt, haben mit Hilfe dieser modernen Technik in Tausenden von Grafiken das alte Troia sozusagen elektronisch wiederauferstehen lassen. Ihre Rekonstruktionen bilden den Kern dieses Buches.
Wobei sie keineswegs einfach ihre Phantasie spielen ließen, sondern - wie Duby das auch meinte - auf der Basis der gesammelten wissenschaftlichen Erkenntnisse alle bekannten Einzelteile des Puzzles nutzten und die Leerstellen dazwischen ebenso skrupulös wie plausibel ergänzten (s. Kap. "3000 Jahre danach"). Dieses Buch müßte daher eigentlich heißen: "Troia - Wie es nach bestem Wissen und Gewissen der dort arbeitenden Wissenschaftler höchstwahrscheinlich aussah" - aber das wäre, wie wohl jeder zugeben wird, doch ein bißchen zu lang für den begrenzten Raum auf dem Umschlag gewesen. Und vor allem so staubtrocken, wie die Geschichte von Troia mit Sicherheit nicht war.
Was die Leser erwartet, sind also nicht allein nackte Fakten (dafür stehen die Fotos der realen Ruinen und Funde), aber auch nicht phantasievolle Hirngespinste einiger Computergrafiker; sie erwartet sozusagen eine auf harter wissenschaftlicher Basis nach allen Regeln der Kunst erstellte "Hochrechnung", wie das im Lauf seiner Geschichte immer wieder neu erbaute Troia ausgesehen hat.
Dazu erzählen wir in knapper Form die Geschichte dieses berühmtesten Ausgrabungsorts der Welt, ebenfalls so gut und so plausibel es auf der Grundlage der bekannten Fakten möglich ist. Auch das geht nicht, ohne Leerstellen mit Hypothesen auszufüllen, aber wir haben es gleichfalls nach bestem Wissen und Gewissen getan.
Widerspruch ist uns sicher. Kritik im Detail wird es in Fülle geben, auch Grundsatzkritik von seiten derer, die sich unwohl fühlen, wenn sie den geschützten Hafen der harten Fakten verlassen sollen. Aber das ist im Fall von Troia nichts Neues.
Denn kaum hatte Homer die Geschichte vom Troianischen Krieg aufgeschrieben, ging der Gelehrtenstreit um Troia schon los. Bereits in der Antike behaupteten Demetrios von Skepsis und Hestiaia von Alexandria Troas (eine der wenigen damaligen Wissenschaftlerinnen), das homerische Troia habe nicht an der Stelle der griechisch-römischen Stadt Ilion gelegen, sondern "30 Stadien" (ca. 5,5 Kilometer) entfernt beim "Dorf der Ilier". Allerdings gibt es dort keinerlei Reste alter Ansiedlungen, und schon die meisten anderen antiken Autoren widersprachen den beiden entschieden.
Auch Heinrich Schliemann und alle Troia-Ausgräber nach ihm haben diese Geschichte in das Reich der Fabel verwiesen. Da sowohl Hestiaia als auch Demetrios aus Städten stammten, die damals mit Ilion konkurrierten, hatte Schliemann sicher recht, als er den beiden "Neid und Mißgunst" als Motive unterstellte.
Heinrich Schliemann selbst hatte ebenfalls mit mancherlei Anfechtungen zu kämpfen, da zunächst die meisten Gelehrten seiner Zeit Troia nicht an der heute bekannten Stelle, sondern weiter südlich beim Dorf Pinarbasi vermuteten. Den Vogel abstruser Anfeindungen schoß allerdings der Amateurarchäologe und Artilleriehauptmann a.D. Ernst Bötticher ab, der in Vorträgen und Publikationen behauptete, Schliemann und sein Mitarbeiter Wilhelm Dörpfeld hätten ihre Grabungsergebnisse bewußt falsch dargestellt - in Wirklichkeit sei Troia keine Stadt, sondern eine Feuernekropole gewesen, also so etwas wie ein gigantisches Beinhaus mit integriertem Krematorium. Daraufhin lud Schliemann Bötticher - aber auch bedeutende Gelehrte - zu zwei Konferenzen nach Troia ein, damit sie sich "an Ort und Stelle von der Sachlage überzeugen" konnten. Dabei wurden förmliche Protokolle aufgesetzt, die Schliemann und Dörpfeld völlig recht gaben - was Hauptmann Bötticher allerdings wenig beeindruckte: Er setzte seine Kampagne gegen den, wie er meinte, "trojanischen Humbug" unbeirrt fort.
Auch das laufende Troia-Projekt hatte von Anfang an Gegner, die vieles besser wissen wollten. So behauptete der Geologe Eberhard Zangger, Troia sei mit dem mythischen Atlantis identisch. Atlantis war laut Platon eine Insel (Troia ist keine), es versank im Atlantik (Troia gibt es nach wie vor - deutlich über dem Meeresspiegel der Ägäis), es lag von Griechenland aus gesehen im Westen (Troia liegt im Osten), aber das kann man auch als kleinliche Faktenhuberei abtun ...
Während Zangger also Troia deutlich größer haben wollte, versuchte der Tübinger Althistoriker Frank Kolb, die Stadt klein zu reden, ihr jegliche Bedeutung jenseits der umliegenden Äcker abzusprechen und seinen Tübinger Kollegen Manfred Korfmann, den Grabungsleiter, als wissenschaftlichen Scharlatan hinzustellen, der "abenteuerlichste Fantasiegebilde" entwickelt hätte. Dabei bediente er sich nicht nur öffentlicher Beschimpfungen, wie sie unter Akademikern sonst unüblich sind, und aus dem Zusammenhang gerissener, zurechtgebogener Zitate, sondern auch eines Taschenspielertricks: Er stellte dem Grundriß Troias die Pläne anderer zeitgenössischer Städte gegenüber, um zu zeigen, wie winzig Troia gewesen sei, verwendete dabei aber völlig unterschiedliche Maßstäbe, so daß die anderen Städte im Vergleich zu Troia zwei- bis viermal so groß wiedergegeben wurden.
Da das Ganze ins Nachrichten-Sommerloch des Jahres 2001 fiel, wurde die "Debatte", die eigentlich eine einseitige und unfaire Attacke gewesen war, in den Medien sensationslüstern immer mehr breitgetreten (die Schlagzeile "Neuer Troianischer Krieg" fiel auch dem letzten Hospitanten ein), bis sich regelrechte wissenschaftliche "Lager" pro und contra Korfmann gebildet hatten. Eberhard Schaich, Rektor der Universität Tübingen und um deren Ruf besorgt, zog daher die Notbremse und lud im Februar 2002 zu einem von ihm persönlich begleiteten "Troia-Symposium" an seine Hochschule ein, um den Streit so beizulegen, wie es sich unter Wissenschaftlern gehört.
Für alle interessierten Zuhörer wurde es eine frustrierende Veranstaltung. Ein ganzes Wochenende lang drehte sich die Debatte im Grund nur um erkenntnistheoretische Prinzipienreitereien und philologische Grabenkämpfe: Wann ist eine Stadt eine Stadt? Wie viele Mauern muß ein Archäologe ausgegraben haben, um sagen zu dürfen, er habe ein Haus gefunden? Wie viele Beweise müssen für eine Hypothese erbracht werden, damit sie als "gesichert" gelten darf? Wie plausibel muß ein Modell sein, damit es ein Modell ist und nicht nur eine Spekulation?
Es half wenig, die Fronten blieben verhärtet, jede Seite sah sich als Gewinner. Medien und Öffentlichkeit verloren das Interesse.
Endgültig beendeten diesen Streit dann vier britische Archäologen und Altertumswissenschaftler, die nicht im Verdacht stehen, in deutsche akademische Ränkespiele und Eifersüchteleien verstrickt zu sein. In einem Aufsatz in der hochangesehenen Fachzeitschrift Anatolian Studies analysierten sie die Argumente der Korfmann-Gegner Stück für Stück und kamen einstimmig zu dem Ergebnis, daß "alle gegen Professor Korfmann vorgebrachten Kritikpunkte ungerechtfertigt sind".
Das Schlußwort zur Debatte sprach dann kein anderer als Eberhard Schaich, der im selben Sommer Troia besucht hatte und - jetzt von seiner Neutralitätspflicht als Symposium-Gastgeber erlöst - am 26. Oktober 2002 auf einer Troia-Veranstaltung sagte: "Wer sich mit eigenen Augen vor Ort ein Bild macht, wird nicht mehr daran zweifeln, daß Troia eine große, mächtige Stadt war."
Dem können wir, die Autoren dieses Buches, uns nur anschließen. Zwei von uns begleiten die neuen Ausgrabungen in Troia journalistisch und publizistisch seit mehr als zehn Jahren, und zwar durchaus nicht unkritisch, und haben die Stätte viele Male besucht; der dritte arbeitet als Archäologe seit Beginn der neuen Grabungen 1988 Sommer für Sommer dort. Wir wissen, wie exakt die in manchen Jahren bis zu 95 Wissenschaftler aus 14 Ländern in Troia forschen, wie minuziös sie ihre Ergebnisse dokumentieren, wie skrupulös sie ihre Arbeitshypothesen untereinander diskutieren. Gemeinsam mit ihnen haben wir uns mehr als ein Bild davon gemacht, wie die große, mächtige Stadt einst aussah, und wir wollen andere daran teilhaben lassen.
Wir laden unsere Leserinnen und Leser ein, uns auf einen Rundgang durch Troia zu begleiten, durch seine vielen Schichten und Epochen, dabei die Geschichte des Orts nachzulesen und sich selbst ein Bild zu machen: Betrachten Sie das historische Troia so, wie es die Archäologen vor Ort nach vielen Jahren der Forschung mit ihren inneren Augen sehen.
Nichts lieber als das. Zumal seit wenigen Jahren dafür in Form von Hochleistungscomputern und 3-D-Grafikprogrammen Hilfsmittel zur Verfügung stehen, von denen 1984 noch niemand zu träumen gewagt hätte. Wissenschaftler und Studenten des Troia-Projekts der Universität Tübingen, das unter der Leitung von Manfred Korfmann seit 1988 in Troia ausgräbt, haben mit Hilfe dieser modernen Technik in Tausenden von Grafiken das alte Troia sozusagen elektronisch wiederauferstehen lassen. Ihre Rekonstruktionen bilden den Kern dieses Buches.
Wobei sie keineswegs einfach ihre Phantasie spielen ließen, sondern - wie Duby das auch meinte - auf der Basis der gesammelten wissenschaftlichen Erkenntnisse alle bekannten Einzelteile des Puzzles nutzten und die Leerstellen dazwischen ebenso skrupulös wie plausibel ergänzten (s. Kap. "3000 Jahre danach"). Dieses Buch müßte daher eigentlich heißen: "Troia - Wie es nach bestem Wissen und Gewissen der dort arbeitenden Wissenschaftler höchstwahrscheinlich aussah" - aber das wäre, wie wohl jeder zugeben wird, doch ein bißchen zu lang für den begrenzten Raum auf dem Umschlag gewesen. Und vor allem so staubtrocken, wie die Geschichte von Troia mit Sicherheit nicht war.
Was die Leser erwartet, sind also nicht allein nackte Fakten (dafür stehen die Fotos der realen Ruinen und Funde), aber auch nicht phantasievolle Hirngespinste einiger Computergrafiker; sie erwartet sozusagen eine auf harter wissenschaftlicher Basis nach allen Regeln der Kunst erstellte "Hochrechnung", wie das im Lauf seiner Geschichte immer wieder neu erbaute Troia ausgesehen hat.
Dazu erzählen wir in knapper Form die Geschichte dieses berühmtesten Ausgrabungsorts der Welt, ebenfalls so gut und so plausibel es auf der Grundlage der bekannten Fakten möglich ist. Auch das geht nicht, ohne Leerstellen mit Hypothesen auszufüllen, aber wir haben es gleichfalls nach bestem Wissen und Gewissen getan.
Widerspruch ist uns sicher. Kritik im Detail wird es in Fülle geben, auch Grundsatzkritik von seiten derer, die sich unwohl fühlen, wenn sie den geschützten Hafen der harten Fakten verlassen sollen. Aber das ist im Fall von Troia nichts Neues.
Denn kaum hatte Homer die Geschichte vom Troianischen Krieg aufgeschrieben, ging der Gelehrtenstreit um Troia schon los. Bereits in der Antike behaupteten Demetrios von Skepsis und Hestiaia von Alexandria Troas (eine der wenigen damaligen Wissenschaftlerinnen), das homerische Troia habe nicht an der Stelle der griechisch-römischen Stadt Ilion gelegen, sondern "30 Stadien" (ca. 5,5 Kilometer) entfernt beim "Dorf der Ilier". Allerdings gibt es dort keinerlei Reste alter Ansiedlungen, und schon die meisten anderen antiken Autoren widersprachen den beiden entschieden.
Auch Heinrich Schliemann und alle Troia-Ausgräber nach ihm haben diese Geschichte in das Reich der Fabel verwiesen. Da sowohl Hestiaia als auch Demetrios aus Städten stammten, die damals mit Ilion konkurrierten, hatte Schliemann sicher recht, als er den beiden "Neid und Mißgunst" als Motive unterstellte.
Heinrich Schliemann selbst hatte ebenfalls mit mancherlei Anfechtungen zu kämpfen, da zunächst die meisten Gelehrten seiner Zeit Troia nicht an der heute bekannten Stelle, sondern weiter südlich beim Dorf Pinarbasi vermuteten. Den Vogel abstruser Anfeindungen schoß allerdings der Amateurarchäologe und Artilleriehauptmann a.D. Ernst Bötticher ab, der in Vorträgen und Publikationen behauptete, Schliemann und sein Mitarbeiter Wilhelm Dörpfeld hätten ihre Grabungsergebnisse bewußt falsch dargestellt - in Wirklichkeit sei Troia keine Stadt, sondern eine Feuernekropole gewesen, also so etwas wie ein gigantisches Beinhaus mit integriertem Krematorium. Daraufhin lud Schliemann Bötticher - aber auch bedeutende Gelehrte - zu zwei Konferenzen nach Troia ein, damit sie sich "an Ort und Stelle von der Sachlage überzeugen" konnten. Dabei wurden förmliche Protokolle aufgesetzt, die Schliemann und Dörpfeld völlig recht gaben - was Hauptmann Bötticher allerdings wenig beeindruckte: Er setzte seine Kampagne gegen den, wie er meinte, "trojanischen Humbug" unbeirrt fort.
Auch das laufende Troia-Projekt hatte von Anfang an Gegner, die vieles besser wissen wollten. So behauptete der Geologe Eberhard Zangger, Troia sei mit dem mythischen Atlantis identisch. Atlantis war laut Platon eine Insel (Troia ist keine), es versank im Atlantik (Troia gibt es nach wie vor - deutlich über dem Meeresspiegel der Ägäis), es lag von Griechenland aus gesehen im Westen (Troia liegt im Osten), aber das kann man auch als kleinliche Faktenhuberei abtun ...
Während Zangger also Troia deutlich größer haben wollte, versuchte der Tübinger Althistoriker Frank Kolb, die Stadt klein zu reden, ihr jegliche Bedeutung jenseits der umliegenden Äcker abzusprechen und seinen Tübinger Kollegen Manfred Korfmann, den Grabungsleiter, als wissenschaftlichen Scharlatan hinzustellen, der "abenteuerlichste Fantasiegebilde" entwickelt hätte. Dabei bediente er sich nicht nur öffentlicher Beschimpfungen, wie sie unter Akademikern sonst unüblich sind, und aus dem Zusammenhang gerissener, zurechtgebogener Zitate, sondern auch eines Taschenspielertricks: Er stellte dem Grundriß Troias die Pläne anderer zeitgenössischer Städte gegenüber, um zu zeigen, wie winzig Troia gewesen sei, verwendete dabei aber völlig unterschiedliche Maßstäbe, so daß die anderen Städte im Vergleich zu Troia zwei- bis viermal so groß wiedergegeben wurden.
Da das Ganze ins Nachrichten-Sommerloch des Jahres 2001 fiel, wurde die "Debatte", die eigentlich eine einseitige und unfaire Attacke gewesen war, in den Medien sensationslüstern immer mehr breitgetreten (die Schlagzeile "Neuer Troianischer Krieg" fiel auch dem letzten Hospitanten ein), bis sich regelrechte wissenschaftliche "Lager" pro und contra Korfmann gebildet hatten. Eberhard Schaich, Rektor der Universität Tübingen und um deren Ruf besorgt, zog daher die Notbremse und lud im Februar 2002 zu einem von ihm persönlich begleiteten "Troia-Symposium" an seine Hochschule ein, um den Streit so beizulegen, wie es sich unter Wissenschaftlern gehört.
Für alle interessierten Zuhörer wurde es eine frustrierende Veranstaltung. Ein ganzes Wochenende lang drehte sich die Debatte im Grund nur um erkenntnistheoretische Prinzipienreitereien und philologische Grabenkämpfe: Wann ist eine Stadt eine Stadt? Wie viele Mauern muß ein Archäologe ausgegraben haben, um sagen zu dürfen, er habe ein Haus gefunden? Wie viele Beweise müssen für eine Hypothese erbracht werden, damit sie als "gesichert" gelten darf? Wie plausibel muß ein Modell sein, damit es ein Modell ist und nicht nur eine Spekulation?
Es half wenig, die Fronten blieben verhärtet, jede Seite sah sich als Gewinner. Medien und Öffentlichkeit verloren das Interesse.
Endgültig beendeten diesen Streit dann vier britische Archäologen und Altertumswissenschaftler, die nicht im Verdacht stehen, in deutsche akademische Ränkespiele und Eifersüchteleien verstrickt zu sein. In einem Aufsatz in der hochangesehenen Fachzeitschrift Anatolian Studies analysierten sie die Argumente der Korfmann-Gegner Stück für Stück und kamen einstimmig zu dem Ergebnis, daß "alle gegen Professor Korfmann vorgebrachten Kritikpunkte ungerechtfertigt sind".
Das Schlußwort zur Debatte sprach dann kein anderer als Eberhard Schaich, der im selben Sommer Troia besucht hatte und - jetzt von seiner Neutralitätspflicht als Symposium-Gastgeber erlöst - am 26. Oktober 2002 auf einer Troia-Veranstaltung sagte: "Wer sich mit eigenen Augen vor Ort ein Bild macht, wird nicht mehr daran zweifeln, daß Troia eine große, mächtige Stadt war."
Dem können wir, die Autoren dieses Buches, uns nur anschließen. Zwei von uns begleiten die neuen Ausgrabungen in Troia journalistisch und publizistisch seit mehr als zehn Jahren, und zwar durchaus nicht unkritisch, und haben die Stätte viele Male besucht; der dritte arbeitet als Archäologe seit Beginn der neuen Grabungen 1988 Sommer für Sommer dort. Wir wissen, wie exakt die in manchen Jahren bis zu 95 Wissenschaftler aus 14 Ländern in Troia forschen, wie minuziös sie ihre Ergebnisse dokumentieren, wie skrupulös sie ihre Arbeitshypothesen untereinander diskutieren. Gemeinsam mit ihnen haben wir uns mehr als ein Bild davon gemacht, wie die große, mächtige Stadt einst aussah, und wir wollen andere daran teilhaben lassen.
Wir laden unsere Leserinnen und Leser ein, uns auf einen Rundgang durch Troia zu begleiten, durch seine vielen Schichten und Epochen, dabei die Geschichte des Orts nachzulesen und sich selbst ein Bild zu machen: Betrachten Sie das historische Troia so, wie es die Archäologen vor Ort nach vielen Jahren der Forschung mit ihren inneren Augen sehen.
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Autoren-Porträt von Birgit Brandau, Hartmut Schickert, Peter Jablonka
Birgit Brandau, geboren 1951, lebt als freie Wissenschaftspublizistin in Stuttgart. Sie schreibt u.a. in "Focus", "Damals" und "Rheinischer Merkur". Sie veröffentlichte zuletzt den Hethiter-Roman: "Der Sieger von Kadesch".Hartmut Schickert, geboren 1950, arbeitete als Sachbuchlektor für namhafte deutschsprachige Verlage und lebt heute als Publizist und Producer in Stuttgart.
Bibliographische Angaben
- Autoren: Birgit Brandau , Hartmut Schickert , Peter Jablonka
- 2004, 176 Seiten, 70 farbige Abbildungen, Maße: 14,8 x 22,8 cm, Leinen, Deutsch
- Verlag: Piper
- ISBN-10: 349204610X
- ISBN-13: 9783492046107
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