Umgang mit dem Arbeitsamt
Interview mit Simone Janson
Sie sind Fachautorin für Berufs- und Bildungsthemen undarbeiteten als Redakteurin für verschiedene Publikationen der Bundesanstalt fürArbeit. Welche spezielle Hilfestellung dürfen arbeitslose Menschen von Ihrem Ratgebererwarten?
Wer arbeitslos ist oder es wird,sucht schnelle, übersichtliche und leicht verständliche Informationen - geradezu den neuen Regelungen wie Hartz IV. "Umgang mit dem Arbeitsamt"hilft da sicher besser als so manche irritierende Broschüre der Arbeitsagentur,deren Verfasser die Gesetzessprache häufig einfach übernommen haben, statt siezu übersetzen. Das Buch gibt z.B. Auskunft bei Fragen wie: "Wann und wiemelde ich mich arbeitslos?", " Wie viel darf ich zum Arbeitslosengeld I oder IIhinzu verdienen?", "Wie überzeuge ich den Arbeitsberater, mir eineWeiterbildung zu bezahlen?" oder "Welche Zuschüsse kann ich bei einerExistenzgründung erwarten?". Natürlich kann ein Buch mit diesem Umfang und zudiesem Preis nicht alle Details und Sonderregelungen berücksichtigen. Aufspezielle Fragen kann ich in meinen Vorträgen und Seminaren zum Thema bessereingehen (Termine auf meiner Website http://berufundbildung.neues-portal.de).Ganz wichtig: Die Leute müssen sich klar machen, dass sie von der Arbeitsagenturkeine umfassende Beratung erwarten können. Die Mitarbeiter dort, auch wenn sieBerater heißen, vertreten ganz klar die Interessen der Arbeitsagentur undverwalten deren Gelder. Eine persönliche Hilfestellung können sie, auch ausZeitgründen, eher selten leisten. Daher sollte sich jeder, bevor er zurArbeitsagentur geht, umfassend über seine Möglichkeiten informieren - denn nurwer seine Rechte kennt, kann diese auch durchsetzen.
Was erschwert den Umgang mit dem Arbeitsamt IhrerEinschätzung nach besonders?
Wie schon angedeutet, entspricht dietatsächliche Struktur der Arbeitsagentur nicht den Erwartungen der Arbeitslosenund -suchenden. Diese Erwartungen sind illusorisch, denn: Ursprünglich wurdedie Bundesanstalt zur Verwaltung der Arbeitslosenversicherung ins Lebengerufen. Mit der Massenarbeitslosigkeit ist diese Struktur schlichtüberfordert. Die Umgestaltung zur serviceorientierten Agentur sollte hierAbhilfe schaffen. Allerdings ging es (und geht noch!) sehr langsam undbekanntlich nicht ohne diverse Skandale voran. Die Mitarbeiter derArbeitsagentur kämpfen nun einerseits mit den Veränderungen in der Agentur undder Angst um den eigenen Arbeitsplatz. Andererseits kämpfen sie mit den vielenneuen Regelungen, die sie den Arbeitslosen zwar vermitteln sollen, aber selbstnicht immer verstehen und eventuell im Einzelfall gar nicht nachvollziehenkönnen. Als Ausweg bleibt m.E. nur, dass man als "Kunde" möglichstviel selbst in die Hand nimmt und sich nicht auf die Arbeitsagentur verlässt,z.B. auch bei der Jobvermittlung (dazu gebe ich im Buch einige Anregungen).Sicher nicht bequem, aber die Gegebenheiten sind nun mal momentan so.
Das neue Jahr hat gerade erst begonnen, und schon stellenExperten fest, dass wir momentan die höchste Arbeitslosigkeit in Deutschlandseit der Wiedervereinigung haben. Worin liegen Ihrer Ansicht die Gründe dafür,dass die oft beschworene "Erholung auf dem Arbeitsmarkt" einfach nichteintreffen will?
Die Strukturen der Arbeitsagentur, um die es in meinemRatgeber geht, und der Arbeitsmarkt sind zwei paar Schuhe und sollten nicht ineinen Topf geworfen werden - zumal ich keine Arbeitsmarkt- oderWirtschaftsexpertin bin. Ich persönlich halte es für verfrüht, davon zusprechen, dass eine Erholung auf dem Arbeitsmarkt nicht eintreffen will. Nachder Meinung anderer Experten zieht die Konjunktur ja gerade wieder an, was ichaus meinen eigenen Erfahrungen, denen ich letztlich mehr vertraue alsStatistiken, nur bestätigen kann. Es zeigt sich aber immer wieder: Über dieArbeitsmarkt- und Wirtschaftslage wird viel Widersprüchliches geredet und dabeiauch übertriebene Panik geschürt. Hier trifft die Medien sicher auch einegewisse Verantwortung. Die Lage ist nicht rosig und es soll nichts beschönigtwerden, doch es wäre sinnvoll, so manche Expertenmeinung auch kritisch zuhinterfragen. Viele "Experten" verfolgen auch bestimmte Interessen.Ein Beispiel: Häufig wird Arbeitszeitverlängerung als Mittel zurProduktivitätssteigerung propagiert und das zeigt Wirkung. 2004 hatten wir inDeutschland den niedrigsten Krankenstand seit Jahrzehnten. Dagegen zeigt z.B.die Studie "Managing for mediocrity" der amerikanischenUnternehmensberatung Proudfoot Consulting, dass gerade 2004 pro Arbeitnehmer inDeutschland 74 Arbeitstage aufgrund von Managementfehlern verschwendet wurden.In Geld gerechnet ein Verlust von fast 190 Milliarden Dollar. Demnach bedeuteteine Verlängerung der Arbeitszeiten also nicht zwangsläufig mehr Produktivität.Solche Stimmen sind zur Zeit aber eher unpopulär und in den Medien kaumpräsent. Ähnlich kontrovers kann man die Frage nach der Eigenverantwortungeines jeden Einzelnen diskutieren. Gerade aus dem Blickwinkel einerSelbständigen heraus sehe ich, dass viele sich an die bestehenden Strukturenklammern und über die unabwendbaren Veränderungen klagen, statt diese aktivmitzugestalten. Um einen Aufschwung herbeizuführen, ist allerdings mehrOptimismus und Eigeninitiative dringend erforderlich. Allerdings ist es auchnotwendig, dass die Bürger, gerade die arbeitenden, eine gewisse Sicherheithaben und nicht in der ständigen Angst vor Veränderungen (Arbeitsplatzverlust,Umzug usw.) leben müssen. Hier wären Staat und Politik gefragt, stabileStrukturen für die Zukunft zu schaffen. Die entsprechende Weitsicht fehltjedoch ein wenig, z.B. wird gerade in der Bildung gespart, obwohl man gerademit einer verbesserten Ausbildungsstruktur auf die vielen gesellschaftlichenVeränderungen reagieren müsste.
Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates hat erstkürzlich die 1-Euro-Jobs kritisiert, da durch sie die Chancen für Einstellungenam ersten Arbeitsmarkt schwinden würden, da ja man Arbeitskräfte (fast) umsonsthaben könnte. Was halten Sie von dieser Option?
Zunächst einmal finde ich den Ausdruck 1-Euro-Job ungenau(ein gutes Beispiel für die o.g. Panikmache in den Medien). Im Gesetz (SGB II,§ 16, Absatz 3) ist übrigens von Arbeitsgelegenheiten die Rede. Diese müssenallerdings im öffentlichen Interesse liegen und dürfen kein Arbeitsverhältnisim Sinne des Arbeitsrechts sein, d.h. sie dürfen keine regulären Jobsverdrängen. Ähnliche Maßnahmen gibt es übrigens schon. Denken Sie anArbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder daran, dass von den KommunenSozialhilfeempfänger für unqualifiziertere Arbeiten eingesetzt werden. Neu ist,dass nun jeder verpflichtet ist, einen solchen Job anzunehmen (Stichwortzumutbare Beschäftigung), wenn er weiter Arbeitslosengeld II vom Arbeitsamtbekommen will. Neu ist auch, dass diese Regelung besser Qualifizierte betrifft.Hierzu kann man natürlich genaueres im Buch nachlesen oder bei meinen Vorträgenerfahren. Sicherlich gibt es auch immer die Arbeitgeber, die versuchen, dieStrukturen auszunutzen, auch wenn Sie eigentlich einen regulären Arbeitnehmerbezahlen könnten. Damit ist ein gewisses Risiko gegeben, dass es am erstenArbeitsmarkt weniger Jobs gibt. Man muss aber auch die andere Seite sehen, z.B.öffentliche Einrichtungen mit wenig Geld. Ist es für diese nicht besser, dieArbeit für das wenige Geld, dass sie bezahlen können, erledigen zu lassen alses gar nicht machen zu können? Reguläre Arbeitnehmer können hingegen mit einerguten Ausbildung, Motivation und Qualität überzeugen, dass es sinnvoller undproduktiver ist, sie einzustellen. Für die Arbeitslosen selbst kann dieRegelung auch Vorteile bringen. Es ist doch besser, etwas Produktives zumachen, als gar nichts. Für andere, die gar nicht arbeiten wollen, finde ichdiese Pflicht nur gerecht. Und schließlich werden sich auch einige nicht mitzwangsvermittelten, zumutbaren Jobs abfinden und auf eigene Faust eine neueStelle suchen - auch ein positiver Aspekt. Ich würde also den Teufel nicht andie Wand malen, sondern erstmal abwarten: Ich denke, dass hier letztlich dieErfahrung zeigen muss, was dabei herauskommt, und dass man sich jetzt nochkeine Meinung dazu erlauben kann. Sollte sich schließlich herausstellen, dassein Verdrängungswettbewerb zugunsten des staatlich subventioniertenLohndumpings stattfindet, wird diese Regelung ohnehin wieder abgeschafft.
Von welchen Maßnahmen - seien sie nun bereits beschlossenoder nur in der Diskussion - erwarten Sie echte Fortschritte auf demArbeitsmarkt?
Ich erwarte nur echte Fortschrittevon einem Konjunkturaufschwung, was dann langfristig auch zu einer Verbesserungder Arbeitsmarktsituation führen wird. Die Arbeitsmarktmaßnahmen bekämpfen m.E.nur die Symptome, nicht aber die Ursachen und können daher kaum nachhaltigwirken. Außerdem ist die Gesetzgebung manchmal recht widersprüchlich. Dazu einBeispiel, das auch im Buch vorkommt - die Ich-AG: Eine schöne Idee, aber wasbringt es, tausende von Arbeitslosen in die berufliche Selbständigkeit zuschicken, wenn gleichzeitig die Gesetzeslage für Kleinunternehmer nichtverbessert wird? Da wird nur an dem Problem "herumgedoktert", stattauch die Strukturen entsprechend zu ändern.
Die Fragen stellte Sandy Brunzel, Literaturtest.
- Autor: Simone Janson
- 2004, 93 Seiten, Maße: 13 x 19,4 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Eichborn
- ISBN-10: 3821858796
- ISBN-13: 9783821858791
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