Unter dem Herzen
Roman
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Lese-Probe zu „Unter dem Herzen “
"Ja, ich komme!"Reginas Stimme klang verschlafen. Das Klopfen an der Tür hatte sie im tiefsten Schlummer gestört. Sie knipste die Nachttischlampe an und warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr. Es war halb drei Uhr. Sie zog sich hastig ihren Morgenrock über, fuhr mit der Bürste kurz durch das kastanienbraune Haar und öffnete dann ihre Tür.?
"Wo brennt's, Heiner?" fragte sie freundlich.
"Verzeih, daß ich dich störe, Regina!" Die Stimme des Barons von Jessel hatte einen tiefen Klang. "Ich wollte deine Hilfe erbitten. Ilonka bekommt ihr Fohlen so schwer. Du hast so eine wunderbare Hand, das Tier zu beruhigen. Kannst du wenigstens solange mit im Stall sein, bis der Tierarzt eingetroffen ist?"
"Ich komme, sobald ich umgezogen bin", erwiderte Regina bereitwillig.
Heiner von Jessel ging langsam in die Halle hinunter und zündete sich nervös eine Zigarette an.
Ilonka war seine beste Zuchtstute, und er war sehr in Sorge um das wertvolle Lipizzanerpferd.
Als Regina nach wenigen Minuten auf der breitgeschwungenen Eichentreppe mit dem kostbaren handgeschnitzten Geländer endlich erschien, drückte er die Zigarette im Aschenbecher aus.
"Du bist ein wundervoller Kamerad, Regina", sagte er dankbar und hielt ihr das schwer Portal auf, "man kann sich wirklich in allen Notlagen auf dich verlassen."
"Lieb, daß du das sagst", erwiderte Regina, "aber es ist doch selbstverständlich, daß ich dir helfe. Ich weiß genau, wieviel dir deine Pferde bedeuten!"
Ihre Schritte klangen hohl auf der Bogenbrücke, die über den Burggraben von dem Wasserschloß Jessnitz erst in den Park und dann weiter zu den Wirtschaftsgebäuden führte. Es wehte ein kalter Wind, am Himmel jagten die Wolken. Regina fröstelte ein wenig trotz der warmen Strickjacke, die sie zu den langen Flanellhosen trug.
"Du zitterst ja!" Heiners Stimme klang besorgt. Liebevoll faßte er nach ihrem Arm. "Gleich wird es dir warm werden, im Stall bei den Pferden ist es nicht kalt."
Regina fühlte beglückt, wie
... mehr
Heiners Arm sich fest unter den ihren schob.
Wie gut, daß es dunkel ist, dachte sie dankbar, daß er nicht sehen kann, wie ich erröte.
Durch die hohen Bäume des Parkes schimmerte schwach das Licht der Lampe vor dem Pferdestall.
Im Stall roch es nach den scharfen Ausdünstungen der Pferde und nach Stroh.
Die Schimmelstute stand mit hängendem Kopf in ihrer Box und wandte nur matt den Blick, als Heiner beruhigend ein paar Worte zu ihr sagte. Ihre Flanken bebten, Schaum stand vor ihrem Maul. Der linke Hinterhuf stampfte den Boden, daß die Spreu aufspritzte.
"Komm, mein Gutes!" Regina legte zärtlich den Arm um den Pferdehals. Leise flüsterte sie dabei zärtliche Worte. Heiner und auch der alte Schipke, dem die Betreuung der Pferde oblag, stellten wieder einmal fest, daß Regina eine wundervoll beruhigende Wirkung auf ein erregtes Tier ausübte. Um halb acht Uhr in der Frühe des neuen Tages lag Ilonka zitternd und erschöpft neben einem gesunden Fohlen.
Heiner und Regina erhoben sich und klopften die Spreu von ihren Hosen.
"Ich werde weiterhin gut allein fertig, Herr Baron, gnädiges Fräulein", sagte der alte Schipke. "Jetzt hat sie ja alles hinter sich, die Alte, nun kann nichts mehr passieren."
Regina und Heiner traten hinaus.
In dem hellen Licht des angebrochenen Tages wirkten ihre Gesichter grau und übernächtigt. Aber das Lächeln, das sie einander zuwarfen, war voller Freude.
Heiner griff nach Reginas Hand und drückte sie herzlich. "Ich danke dir", sagte er schlicht. "Wie schon so oft hast du auch heute nacht wieder bewiesen, daß du für Jessnitz unentbehrlich bist."
Regina blickte auf den taufeuchten Rasen, das Lächeln um ihre Lippen war ein wenig schmerzlich.
Für Jessnitz, hatte Heiner gesagt. Warum sagte er nicht: Für mich! Warum erkannte er nicht, wie sehr sie ihn liebte, und daß sie alles, was sie tat, nur für ihn ganz allein vollbrachte?
"Du mußt mir nicht danken, Heiner", wehrte sie ab und merkte gar nicht, wie spröde ihre Stimme klang. "Was wäre wohl aus mir geworden, wenn deine gute Mutter sich damals meiner nicht angenommen hätte, als meine Eltern starben? Ich kann gar nicht genug für Jessnitz, für euch alle tun, um diese Schuld abzutragen!"
Heiner von Jessel warf ihr einen raschen Seitenblick zu. Regina hatte die Hände tief in den Taschen der Hose vergraben, ihr Haar flatterte ein wenig im Morgenwind, das feine Profil mit der edelgeformten Nase und dem schön geschwungen Mund war ihm zugekehrt.
Nun wandte sich ihm das Gesicht voll zu, und er sah in den schönen Augen einen Ausdruck, den er nicht deuten konnte. Aber nur einen Augenblick, dann blickte sie wieder ruhig und freundlich wie immer.
"Du mußt nicht immer von Dankbarkeit sprechen, Regina. Du weißt doch, wie gern wir dich alle haben, wie glücklich Mutter über ihr 'Töchterchen' ist und ich über meine Schwester!"
Wieder trat ein Ausdruck des Schmerzes in Reginas schönes, klares Gesicht. Doch Heiner bemerkte es nicht.
Sein Blick ruhte verträumt auf dem Wasserschloß Jessnitz, das nun vor ihnen lag. Die Morgensonne färbte das schwarzglänzende Dach mit einem rosigen Schimmer und spiegelte sich in den vielen Fenstern. Wie ein Märchenschloß lag es vor ihnen.
Schweigend, und jeder seinen Gedanken nachhängend, gingen sie über die Brücke, welche über den breiten Wassergraben, die das Schloß vom Park trennte, führte.
"Leg dich noch ein wenig hin, Regina", bat Heiner, "damit du deinen versäumten Schlaf nachholst!"
"Ich bin nicht müde!" wehrte Regina ab, "ich freue mich viel mehr auf ein gemütliches Frühstück mit Tante Veronika."
"Guten Morgen, Kinder!"
Veronika von Jessel hielt die rechte Wange ihrem Sohn und die linke Regina zum Kuß entgegen.
Aufmerksam hörte sie zu, was die beiden erzählten, während sie ihrem Sohn den Morgenkaffee eingoß und ihm ein Brötchen strich.
Heiner frühstückte hastig und empfahl sich dann.
Die beiden Damen blieben noch gemütlich beisammen.
"Ich muß immer wieder staunen, Regina, wie sehr du deiner lieben Mutter gleichst", lächelte die alte Baronin, das junge Mädchen betrachtend. "Sie war auch so schön wie du. Kein Wunder, daß sie so schnell geheiratet hat. Manchmal denke ich, daß es unrecht von uns ist, dich hier auf Jessnitz festzuhalten. Vielleicht fühlst du es selbst oft schmerzlich, wie einsam es bei uns ist und sehnst dich danach, dein eigenes Leben zu leben!"
Die tiefblauen Augen mit dem dunklen Kranz um die Iris, die Heiner von seiner Mutter geerbt hatte, ruhten nachdenklich auf dem schönen Mädchengesicht.
"O nein, Tante Veronika", rief Regina erschrocken, "ich ... ich bin sehr glücklich bei dir und bei ... Heiner. Ich wünsche mir gar nichts anderes, als immer bei euch leben zu dürfen."
Sie verstummte erschrocken. Erst jetzt kam ihr zum Bewußtsein, welchen Schluß ihre Änderung zuließ.
"Du liebes Kind!" Veronika von Jessel faßte nach Reginas schmaler Hand. "Mit deinen Worten machst du mich sehr glücklich! Also ist es mir gelungen, dir einen kleinen Ersatz für deine verstorbenen Eltern zu geben und dir hier auf Jessnitz eine echte Heimat zu schenken."
Sie wollte Regina mit ihren Worten helfen, denn schon längst hatte sie erkannt, daß Regina ihren Sohn liebte. Doch er, der dumme Junge, nahm es gar nicht wahr. Ihm waren nur seine Pferde wichtig und sein Land. Alles andere bemerkte er nicht. Dabei wäre sie glücklich gewesen, wenn aus Heiner und Regina ein Paar werden würde. Regina war wie geschaffen, einen so ernsten, ein wenig schwerfälligen Mann wie Heiner glücklich zu machen. Aber sie, als Mutter, hatte nicht das Recht, von Reginas Liebe zu ihrem Sohn zu sprechen. Bei Heiners verschlossener Natur, die niemandem Einblick in sein Herz gewährte, konnte sie nicht wissen, ob ihm Regina mehr als nur eine Schwester war. Sie seufzte leise vor sich hin. Diese jungen Menschen machten es einem doch manchmal recht schwer.
Ein liebevoller Blick streifte Regina, die still in ihrem Sessel saß und ihren Gedanken nachhing.
"Willst du dich wirklich nicht mehr hinlegen, Kind?" fragte Veronika noch einmal liebevoll. "Ich meine, ein paar Stunden Schlaf würden dir bestimmt guttun!"
"Wirklich nicht, Tante Veronika", erwiderte Regina, aus ihren Gedanken aufschreckend, "außerdem wolltest du mir heute wieder einmal die Schätze von Jessnitz zeigen."
"Also gut, wie du willst!"?
Die Baronin hatte nach dem alten Anton geklingelt und bat ihn, den Tisch abzudecken. Sie selbst erhob sich und faßte Regina, die sich ebenfalls erhoben hatte, leicht unter die Arme.
"Komm, dann wollen wir ein wenig in der alten Chronik von Jessnitz schmökern", lächelte sie. Gemeinsam gingen sie in die Bibliothek hinüber, deren Regale an den Wänden bis zur Decke mit alten, kostbaren Büchern angefüllt waren.?
Veronika nahm den dicken Schweinslederband, in dem die Chronik von Jessnitz aufgezeichnet war, herunter und legte ihn auf den Tisch, der in der Mitte des Raumes stand.
Regina blickte ihr über die Schulter, als sie den dickleibigen Folianten aufschlug.
...wurde die Wasserburg Jessnitz zum erstenmal urkundlich erwähnt, zur Zeit der Kreuzzüge, las sie in den steifen, verschnörkelten Buchstaben der früheren Jahrhunderte.
"Ist es nicht wundersam", meinte sie aus ihren Gedanken heraus zu Veronika, "daß man ein Geschlecht so lange zurückverfolgen kann, daß seine guten und schlechten Tage aufgezeichnet und - der Nachwelt erhalten blieben? Bitte, laß uns doch den Ring mit dem Turmalin anschauen, und erzähl mir noch einmal die Geschichte, die sich darum rankt. Mir wird dann immer ganz eigen zumute, und ich meine, das alte Geschlecht der Jessels würde vor meinem geistigen Auge vorüberziehen."
"Du bist eine kleine Romantikerin", lächelte Veronika liebevoll, "aber es ist gut, wenn man die Geschichte seiner Familie lebendig hält und sich immer wieder ins Gedächtnis zurückruft, welche Verpflichtungen sie einem auferlegt. Die Geschichte des Turmalins ist eine wenig schöne für unseren alten Namen, doch damals herrschten eben andere Sitten. Du weißt, daß es Georg von Jessel war, der den Kreuzzug mitmachte, um das Heilige Grab von den Ungläubigen zu befreien. Aus dem fernen Morgenland stammt jener Ring, der ein Geheimnis birgt. Wenn es uns auch schwerfällt, in unserer aufgeklärten Zeit noch daran zu glauben. Es heißt, daß Georg von Jessel diesen Fingerring, eine kostbare sarazenische Handarbeit...", sie unterbrach sich für einen Augenblick und blickte Regina bittend an, "hole ihn doch her, damit wir ihn vor Augen haben!"
Regina war schnell zurück und stellte das kunstvoll geschmiedete Goldkästchen auf den Tisch vor Veronika. Diese öffnete es, und vor den beiden Frauen lag, auf weißen Samt gebettet, ein etwa kirschgroßer Turmalin, der von einem Kranz edler Perlen umgeben war. Sein Grün schimmerte silbrig, wie das Grün junger Weiden, die um einen See herumstehen.
"Also Georg von Jessel", nahm Veronika ihre Erzählung wieder auf, "raubte diesen Ring einem reichen Araber, für den er eine schicksalsschwere Bedeutung hatte. Die Frau des Arabers erregte sich so sehr über diese Tat, daß sie zu Boden sank. Ihre Hand soll mit einem Wehlaut zum Herzen gefahren sein, ehe sie ihren Geist aufgab.
Merkwürdig, aber Tatsache ist es, daß seit jener Zeit alle Kinder der Jessels, die weiblichen Geschlechtes sind, unter dem Herzen ein Muttermal tragen, das die Form einer Hand hat."
Sie hob den Ring vorsichtig hoch und legte ihn vor sich auf den Tisch. Dann nahm sie ein Pergament heraus, dessen Ränder vergilbt waren und das seinen Platz unter dem Samtkissen hatte, und entfaltete es.
"Hier, lies selbst!" Sie reichte es Regina. "Dort steht es aufgeschrieben, welches Geheimnis den Ring umgibt."? Das alte, brüchige Pergament knisterte leise, während Regina las: "Durch Unrecht kam er in dies Land, Durch Leid und Not ward er bekannt! Nur wenn ihr gut und hilfreich seid, Sein Zauber schweigt - und bringt kein Leid! Verschließt ihr Armut Herz und Sinn, Dann schwindet seine Farbe hin Aus lichtem Grün wird dunkle Nacht Drum gebt auf euer Herz stets acht! Geht nicht vorbei an fremder Not Und gebt nicht Armut Hohn und Spott! Wird einmal dieser Stein erst dunkel, Und schwarze Nacht sein hell' Gefunkel, Dann ist das Leid bei euch zu Gast, Und hält hier eine lange Rast! Erst, wenn der Stein euch gibt das Zeichen, Wird's Unglück von der Schwelle weichen ..."
Regina lief es kalt über den Rücken. Ein leises Grauen erfaßte sie. Es war ihr, als trennten sie von jenen dunklen Worten nur noch wenige Tage. Trotzdem konnte niemals wahr werden, was auf jenem Zettel stand, denn die Jessels hatten eine offene Hand und ein offenes Herz für jegliche Armut. Regina legte das Pergament wieder zusammen.
"Weißt du eigentlich, Tante Veronika, ob schon jemals der Stein seine dunklen Kräfte gezeigt hat?" fragte sie leise.
"Nach der Chronik soll er vor ungefähr hundert Jahren einmal trüb geworden sein. Seit dieser Zeit liegt er unberührt in seinem kleinen Kästchen. Vorher, man sieht es auf verschiedenen Bildern im Ahnensaal, schmückten sich die Jessels mit diesem Ring."
Am Abend dieses Tages stand Regina lange am Fenster ihres Zimmers und blickte in die Nacht hinaus. Das Wasser des Schloßgrabens glänzte dunkel, fern aus dem Wald erklang der monotone Ruf eines Käuzchens, klagend und bedrückend.
Heiner, dachte sie zärtlich und erschauerte bei dem Gedanken an den geliebten Mann. Warum kannst du mich nicht lieben? Warum fühlst du nicht, wie glücklich ich dich machen wollte, würdest du es mir nur erlauben?
Heiner von Jessel beobachtete vom Hotelfenster aus den flutenden Verkehr unten auf der Straße. Dann schweifte sein Blick auf die unendliche Bläue des Wassers, dorthin, wo der Mälarsee in die Ostsee mündete. Weiter rechts konnte er die Dächer des Königlichen Schlosses sehen, die Altstadt Stockholms, auf den drei Inseln.
Alles war ihm fremd und doch von erregender Eindringlichkeit. Er wandte sich vom Fenster ab und band die Smokingschleife um. Leise pfiff er ein Liedchen vor sich hin und betrachtete dabei aufmerksam sein Spiegelbild.
Er konnte mit seinem Aussehen zufrieden sein. Das blonde Haar glänzte metallisch im Licht der kleinen Spiegellampe, das Gesicht war tiefgebräunt, die Nase gut geformt. Die tiefblauen Augen hoben sich reizvoll von der braunen Haut ab. Seine Lippen waren voll, aber nicht zu weich, das Kinn energisch und fest. Er mußte über die Musterung lächeln, die er mit sich anstellte. Wann hatte er zum letztenmal so ausgiebig in den Spiegel gesehen? Er schlüpfte in die Smokingjacke. Plötzlich war er froh, daß er zu der Tagung des Europäischen Pferdezüchterverbandes nach Stockholm gekommen war. Es würde sehr interessant werden. Er ahnte nicht, wie nahe er seinem Schicksal war. Nur noch eine kurze Spanne Zeit trennte ihn von einer Begegnung, die sein ganzes Leben ändern sollte.
Das bestellte Taxi wartete bereits vor dem Hotel.
Doktor Folke Heddensen, der Vorsitzende des schwedischen Verbandes, hatte die Teilnehmer der Tagung zu einer Party in seine Villa am Mälarsee geladen. Schon in Jessnitz hatte Heiner die Einladung erhalten.
Interessiert blickte Heiner sich um. Dort vor dem Schloß wurde gerade die Wache abgelöst. Der Wagen fuhr erst über Brücken und durch ein Gewirr von Gäßchen, dann auf der Straße am Ufer des Sees entlang. Es war zeitig am Abend, und die Wärme des Tages hielt Land und Wasser noch umfangen. Mit einem weichen Ruck hielt das Taxi vor einer weißen Villa. Heiner entlohnte den Fahrer und blieb noch einen Augenblick vor dem niedrigen Holztor stehen, das den Garten von der Straße trennte. Stimmen und Gelächter drangen zu ihm.
In der eleganten Wohnhalle nahm ihm ein schwarzgekleidetes Mädchen mit adrettem weißen Schürzchen seinen Mantel ab und führte ihn in einen großen Raum.
Folke Heddensen, ein hochgewachsener, breitschultriger Mann mit schlohweißem Haar und gütig blickenden Augen, kam mit schnellen Schritten auf den Ankömmling zu. Heiner stellte sich vor.
"Wie sehr freue ich mich, Baron, Sie einmal persönlich kennenzulernen. Einer meiner Freunde hat einen Hengst von Ihnen, ein prachtvolles Tier!"
Er faßte Heiner leicht unter dem Arm und führte ihn zu den anderen Gästen. Namen klangen auf, die in der Züchterwelt von Rang waren.
Plötzlich sagte Doktor Heddensen: "Darf ich Sie mit meiner Tochter bekanntmachen, Baron?"
Heiner wandte sich um, fast stockte ihm der Atem, als er die liebliche Erscheinung sah.
"Ich bin glücklich, Sie kennenzulernen, gnädiges Fräulein!" Seine Stimme klang heiser, er versuchte die Erregung, die ihn bei Karins Anblick überkommen hatte, zu unterdrücken, aber es gelang ihm nur schwer. Immer wieder wanderte sein Blick zu Karin. Später fügte es sich, daß sie neben ihm saß. "Sie müssen mir von Deutschland erzählen", bat sie ihn in ihrem stark akzentuierten Deutsch. "Meine Mutter war Deutsche. Wenigstens einmal wollte sie mit mir in ihre Heimat fahren, doch bevor wir diese Reise ausführen konnten, starb sie."
"Oh", murmelte Heiner, "das tut mir leid für Sie. Wenn ich daran denke, daß meiner Mama etwas zustoßen könnte, würde mir Jessnitz öde und leer erscheinen."
"Mutter ist schon seit zehn Jahren tot", erwiderte Karin leichthin. Heiner konnte daraus nicht erkennen, ob sie diesen Ton wählte, weil sie nicht weiter darüber sprechen wollte, oder aber ob sie den Tod der Mutter inzwischen überwunden hatte.
Fast gegen seinen Willen blieb er bei dem Thema.
"Damals waren Sie ja noch ein Kind!"
"Ich hatte Papa", lächelte Karin. "Papa und meinen Bruder Knut. Ich verlebte trotz allem eine wundervolle Jugend."
Ihr Blick flog zärtlich zu ihrem Vater. Dann wandte sie sich wieder an den Baron.
"Gefällt es Ihnen in Schweden?"
"Es ist zauberhaft", erwiderte Heiner und senkte seinen Blick tief in den ihren.Um seine Gedanken ganz auszusprechen, hätte er sagen müssen: Sie sind zauberhaft oder noch besser, du bist zauberhaft! Aber er wollte dieses junge Mädchen nicht mit seiner Liebe erschrecken, die wie ein Sturmwind über ihn gekommen war, und die ihn befangen machte, wie einen Schüler. Nie zuvor in seinem Leben hatte er etwas Ähnliches empfunden. Niemals hatte er geglaubt, daß es dieses Sehnen gäbe, welches einen zu einem anderen Menschen hintreibt.
Wie gut, daß es dunkel ist, dachte sie dankbar, daß er nicht sehen kann, wie ich erröte.
Durch die hohen Bäume des Parkes schimmerte schwach das Licht der Lampe vor dem Pferdestall.
Im Stall roch es nach den scharfen Ausdünstungen der Pferde und nach Stroh.
Die Schimmelstute stand mit hängendem Kopf in ihrer Box und wandte nur matt den Blick, als Heiner beruhigend ein paar Worte zu ihr sagte. Ihre Flanken bebten, Schaum stand vor ihrem Maul. Der linke Hinterhuf stampfte den Boden, daß die Spreu aufspritzte.
"Komm, mein Gutes!" Regina legte zärtlich den Arm um den Pferdehals. Leise flüsterte sie dabei zärtliche Worte. Heiner und auch der alte Schipke, dem die Betreuung der Pferde oblag, stellten wieder einmal fest, daß Regina eine wundervoll beruhigende Wirkung auf ein erregtes Tier ausübte. Um halb acht Uhr in der Frühe des neuen Tages lag Ilonka zitternd und erschöpft neben einem gesunden Fohlen.
Heiner und Regina erhoben sich und klopften die Spreu von ihren Hosen.
"Ich werde weiterhin gut allein fertig, Herr Baron, gnädiges Fräulein", sagte der alte Schipke. "Jetzt hat sie ja alles hinter sich, die Alte, nun kann nichts mehr passieren."
Regina und Heiner traten hinaus.
In dem hellen Licht des angebrochenen Tages wirkten ihre Gesichter grau und übernächtigt. Aber das Lächeln, das sie einander zuwarfen, war voller Freude.
Heiner griff nach Reginas Hand und drückte sie herzlich. "Ich danke dir", sagte er schlicht. "Wie schon so oft hast du auch heute nacht wieder bewiesen, daß du für Jessnitz unentbehrlich bist."
Regina blickte auf den taufeuchten Rasen, das Lächeln um ihre Lippen war ein wenig schmerzlich.
Für Jessnitz, hatte Heiner gesagt. Warum sagte er nicht: Für mich! Warum erkannte er nicht, wie sehr sie ihn liebte, und daß sie alles, was sie tat, nur für ihn ganz allein vollbrachte?
"Du mußt mir nicht danken, Heiner", wehrte sie ab und merkte gar nicht, wie spröde ihre Stimme klang. "Was wäre wohl aus mir geworden, wenn deine gute Mutter sich damals meiner nicht angenommen hätte, als meine Eltern starben? Ich kann gar nicht genug für Jessnitz, für euch alle tun, um diese Schuld abzutragen!"
Heiner von Jessel warf ihr einen raschen Seitenblick zu. Regina hatte die Hände tief in den Taschen der Hose vergraben, ihr Haar flatterte ein wenig im Morgenwind, das feine Profil mit der edelgeformten Nase und dem schön geschwungen Mund war ihm zugekehrt.
Nun wandte sich ihm das Gesicht voll zu, und er sah in den schönen Augen einen Ausdruck, den er nicht deuten konnte. Aber nur einen Augenblick, dann blickte sie wieder ruhig und freundlich wie immer.
"Du mußt nicht immer von Dankbarkeit sprechen, Regina. Du weißt doch, wie gern wir dich alle haben, wie glücklich Mutter über ihr 'Töchterchen' ist und ich über meine Schwester!"
Wieder trat ein Ausdruck des Schmerzes in Reginas schönes, klares Gesicht. Doch Heiner bemerkte es nicht.
Sein Blick ruhte verträumt auf dem Wasserschloß Jessnitz, das nun vor ihnen lag. Die Morgensonne färbte das schwarzglänzende Dach mit einem rosigen Schimmer und spiegelte sich in den vielen Fenstern. Wie ein Märchenschloß lag es vor ihnen.
Schweigend, und jeder seinen Gedanken nachhängend, gingen sie über die Brücke, welche über den breiten Wassergraben, die das Schloß vom Park trennte, führte.
"Leg dich noch ein wenig hin, Regina", bat Heiner, "damit du deinen versäumten Schlaf nachholst!"
"Ich bin nicht müde!" wehrte Regina ab, "ich freue mich viel mehr auf ein gemütliches Frühstück mit Tante Veronika."
"Guten Morgen, Kinder!"
Veronika von Jessel hielt die rechte Wange ihrem Sohn und die linke Regina zum Kuß entgegen.
Aufmerksam hörte sie zu, was die beiden erzählten, während sie ihrem Sohn den Morgenkaffee eingoß und ihm ein Brötchen strich.
Heiner frühstückte hastig und empfahl sich dann.
Die beiden Damen blieben noch gemütlich beisammen.
"Ich muß immer wieder staunen, Regina, wie sehr du deiner lieben Mutter gleichst", lächelte die alte Baronin, das junge Mädchen betrachtend. "Sie war auch so schön wie du. Kein Wunder, daß sie so schnell geheiratet hat. Manchmal denke ich, daß es unrecht von uns ist, dich hier auf Jessnitz festzuhalten. Vielleicht fühlst du es selbst oft schmerzlich, wie einsam es bei uns ist und sehnst dich danach, dein eigenes Leben zu leben!"
Die tiefblauen Augen mit dem dunklen Kranz um die Iris, die Heiner von seiner Mutter geerbt hatte, ruhten nachdenklich auf dem schönen Mädchengesicht.
"O nein, Tante Veronika", rief Regina erschrocken, "ich ... ich bin sehr glücklich bei dir und bei ... Heiner. Ich wünsche mir gar nichts anderes, als immer bei euch leben zu dürfen."
Sie verstummte erschrocken. Erst jetzt kam ihr zum Bewußtsein, welchen Schluß ihre Änderung zuließ.
"Du liebes Kind!" Veronika von Jessel faßte nach Reginas schmaler Hand. "Mit deinen Worten machst du mich sehr glücklich! Also ist es mir gelungen, dir einen kleinen Ersatz für deine verstorbenen Eltern zu geben und dir hier auf Jessnitz eine echte Heimat zu schenken."
Sie wollte Regina mit ihren Worten helfen, denn schon längst hatte sie erkannt, daß Regina ihren Sohn liebte. Doch er, der dumme Junge, nahm es gar nicht wahr. Ihm waren nur seine Pferde wichtig und sein Land. Alles andere bemerkte er nicht. Dabei wäre sie glücklich gewesen, wenn aus Heiner und Regina ein Paar werden würde. Regina war wie geschaffen, einen so ernsten, ein wenig schwerfälligen Mann wie Heiner glücklich zu machen. Aber sie, als Mutter, hatte nicht das Recht, von Reginas Liebe zu ihrem Sohn zu sprechen. Bei Heiners verschlossener Natur, die niemandem Einblick in sein Herz gewährte, konnte sie nicht wissen, ob ihm Regina mehr als nur eine Schwester war. Sie seufzte leise vor sich hin. Diese jungen Menschen machten es einem doch manchmal recht schwer.
Ein liebevoller Blick streifte Regina, die still in ihrem Sessel saß und ihren Gedanken nachhing.
"Willst du dich wirklich nicht mehr hinlegen, Kind?" fragte Veronika noch einmal liebevoll. "Ich meine, ein paar Stunden Schlaf würden dir bestimmt guttun!"
"Wirklich nicht, Tante Veronika", erwiderte Regina, aus ihren Gedanken aufschreckend, "außerdem wolltest du mir heute wieder einmal die Schätze von Jessnitz zeigen."
"Also gut, wie du willst!"?
Die Baronin hatte nach dem alten Anton geklingelt und bat ihn, den Tisch abzudecken. Sie selbst erhob sich und faßte Regina, die sich ebenfalls erhoben hatte, leicht unter die Arme.
"Komm, dann wollen wir ein wenig in der alten Chronik von Jessnitz schmökern", lächelte sie. Gemeinsam gingen sie in die Bibliothek hinüber, deren Regale an den Wänden bis zur Decke mit alten, kostbaren Büchern angefüllt waren.?
Veronika nahm den dicken Schweinslederband, in dem die Chronik von Jessnitz aufgezeichnet war, herunter und legte ihn auf den Tisch, der in der Mitte des Raumes stand.
Regina blickte ihr über die Schulter, als sie den dickleibigen Folianten aufschlug.
...wurde die Wasserburg Jessnitz zum erstenmal urkundlich erwähnt, zur Zeit der Kreuzzüge, las sie in den steifen, verschnörkelten Buchstaben der früheren Jahrhunderte.
"Ist es nicht wundersam", meinte sie aus ihren Gedanken heraus zu Veronika, "daß man ein Geschlecht so lange zurückverfolgen kann, daß seine guten und schlechten Tage aufgezeichnet und - der Nachwelt erhalten blieben? Bitte, laß uns doch den Ring mit dem Turmalin anschauen, und erzähl mir noch einmal die Geschichte, die sich darum rankt. Mir wird dann immer ganz eigen zumute, und ich meine, das alte Geschlecht der Jessels würde vor meinem geistigen Auge vorüberziehen."
"Du bist eine kleine Romantikerin", lächelte Veronika liebevoll, "aber es ist gut, wenn man die Geschichte seiner Familie lebendig hält und sich immer wieder ins Gedächtnis zurückruft, welche Verpflichtungen sie einem auferlegt. Die Geschichte des Turmalins ist eine wenig schöne für unseren alten Namen, doch damals herrschten eben andere Sitten. Du weißt, daß es Georg von Jessel war, der den Kreuzzug mitmachte, um das Heilige Grab von den Ungläubigen zu befreien. Aus dem fernen Morgenland stammt jener Ring, der ein Geheimnis birgt. Wenn es uns auch schwerfällt, in unserer aufgeklärten Zeit noch daran zu glauben. Es heißt, daß Georg von Jessel diesen Fingerring, eine kostbare sarazenische Handarbeit...", sie unterbrach sich für einen Augenblick und blickte Regina bittend an, "hole ihn doch her, damit wir ihn vor Augen haben!"
Regina war schnell zurück und stellte das kunstvoll geschmiedete Goldkästchen auf den Tisch vor Veronika. Diese öffnete es, und vor den beiden Frauen lag, auf weißen Samt gebettet, ein etwa kirschgroßer Turmalin, der von einem Kranz edler Perlen umgeben war. Sein Grün schimmerte silbrig, wie das Grün junger Weiden, die um einen See herumstehen.
"Also Georg von Jessel", nahm Veronika ihre Erzählung wieder auf, "raubte diesen Ring einem reichen Araber, für den er eine schicksalsschwere Bedeutung hatte. Die Frau des Arabers erregte sich so sehr über diese Tat, daß sie zu Boden sank. Ihre Hand soll mit einem Wehlaut zum Herzen gefahren sein, ehe sie ihren Geist aufgab.
Merkwürdig, aber Tatsache ist es, daß seit jener Zeit alle Kinder der Jessels, die weiblichen Geschlechtes sind, unter dem Herzen ein Muttermal tragen, das die Form einer Hand hat."
Sie hob den Ring vorsichtig hoch und legte ihn vor sich auf den Tisch. Dann nahm sie ein Pergament heraus, dessen Ränder vergilbt waren und das seinen Platz unter dem Samtkissen hatte, und entfaltete es.
"Hier, lies selbst!" Sie reichte es Regina. "Dort steht es aufgeschrieben, welches Geheimnis den Ring umgibt."? Das alte, brüchige Pergament knisterte leise, während Regina las: "Durch Unrecht kam er in dies Land, Durch Leid und Not ward er bekannt! Nur wenn ihr gut und hilfreich seid, Sein Zauber schweigt - und bringt kein Leid! Verschließt ihr Armut Herz und Sinn, Dann schwindet seine Farbe hin Aus lichtem Grün wird dunkle Nacht Drum gebt auf euer Herz stets acht! Geht nicht vorbei an fremder Not Und gebt nicht Armut Hohn und Spott! Wird einmal dieser Stein erst dunkel, Und schwarze Nacht sein hell' Gefunkel, Dann ist das Leid bei euch zu Gast, Und hält hier eine lange Rast! Erst, wenn der Stein euch gibt das Zeichen, Wird's Unglück von der Schwelle weichen ..."
Regina lief es kalt über den Rücken. Ein leises Grauen erfaßte sie. Es war ihr, als trennten sie von jenen dunklen Worten nur noch wenige Tage. Trotzdem konnte niemals wahr werden, was auf jenem Zettel stand, denn die Jessels hatten eine offene Hand und ein offenes Herz für jegliche Armut. Regina legte das Pergament wieder zusammen.
"Weißt du eigentlich, Tante Veronika, ob schon jemals der Stein seine dunklen Kräfte gezeigt hat?" fragte sie leise.
"Nach der Chronik soll er vor ungefähr hundert Jahren einmal trüb geworden sein. Seit dieser Zeit liegt er unberührt in seinem kleinen Kästchen. Vorher, man sieht es auf verschiedenen Bildern im Ahnensaal, schmückten sich die Jessels mit diesem Ring."
Am Abend dieses Tages stand Regina lange am Fenster ihres Zimmers und blickte in die Nacht hinaus. Das Wasser des Schloßgrabens glänzte dunkel, fern aus dem Wald erklang der monotone Ruf eines Käuzchens, klagend und bedrückend.
Heiner, dachte sie zärtlich und erschauerte bei dem Gedanken an den geliebten Mann. Warum kannst du mich nicht lieben? Warum fühlst du nicht, wie glücklich ich dich machen wollte, würdest du es mir nur erlauben?
Heiner von Jessel beobachtete vom Hotelfenster aus den flutenden Verkehr unten auf der Straße. Dann schweifte sein Blick auf die unendliche Bläue des Wassers, dorthin, wo der Mälarsee in die Ostsee mündete. Weiter rechts konnte er die Dächer des Königlichen Schlosses sehen, die Altstadt Stockholms, auf den drei Inseln.
Alles war ihm fremd und doch von erregender Eindringlichkeit. Er wandte sich vom Fenster ab und band die Smokingschleife um. Leise pfiff er ein Liedchen vor sich hin und betrachtete dabei aufmerksam sein Spiegelbild.
Er konnte mit seinem Aussehen zufrieden sein. Das blonde Haar glänzte metallisch im Licht der kleinen Spiegellampe, das Gesicht war tiefgebräunt, die Nase gut geformt. Die tiefblauen Augen hoben sich reizvoll von der braunen Haut ab. Seine Lippen waren voll, aber nicht zu weich, das Kinn energisch und fest. Er mußte über die Musterung lächeln, die er mit sich anstellte. Wann hatte er zum letztenmal so ausgiebig in den Spiegel gesehen? Er schlüpfte in die Smokingjacke. Plötzlich war er froh, daß er zu der Tagung des Europäischen Pferdezüchterverbandes nach Stockholm gekommen war. Es würde sehr interessant werden. Er ahnte nicht, wie nahe er seinem Schicksal war. Nur noch eine kurze Spanne Zeit trennte ihn von einer Begegnung, die sein ganzes Leben ändern sollte.
Das bestellte Taxi wartete bereits vor dem Hotel.
Doktor Folke Heddensen, der Vorsitzende des schwedischen Verbandes, hatte die Teilnehmer der Tagung zu einer Party in seine Villa am Mälarsee geladen. Schon in Jessnitz hatte Heiner die Einladung erhalten.
Interessiert blickte Heiner sich um. Dort vor dem Schloß wurde gerade die Wache abgelöst. Der Wagen fuhr erst über Brücken und durch ein Gewirr von Gäßchen, dann auf der Straße am Ufer des Sees entlang. Es war zeitig am Abend, und die Wärme des Tages hielt Land und Wasser noch umfangen. Mit einem weichen Ruck hielt das Taxi vor einer weißen Villa. Heiner entlohnte den Fahrer und blieb noch einen Augenblick vor dem niedrigen Holztor stehen, das den Garten von der Straße trennte. Stimmen und Gelächter drangen zu ihm.
In der eleganten Wohnhalle nahm ihm ein schwarzgekleidetes Mädchen mit adrettem weißen Schürzchen seinen Mantel ab und führte ihn in einen großen Raum.
Folke Heddensen, ein hochgewachsener, breitschultriger Mann mit schlohweißem Haar und gütig blickenden Augen, kam mit schnellen Schritten auf den Ankömmling zu. Heiner stellte sich vor.
"Wie sehr freue ich mich, Baron, Sie einmal persönlich kennenzulernen. Einer meiner Freunde hat einen Hengst von Ihnen, ein prachtvolles Tier!"
Er faßte Heiner leicht unter dem Arm und führte ihn zu den anderen Gästen. Namen klangen auf, die in der Züchterwelt von Rang waren.
Plötzlich sagte Doktor Heddensen: "Darf ich Sie mit meiner Tochter bekanntmachen, Baron?"
Heiner wandte sich um, fast stockte ihm der Atem, als er die liebliche Erscheinung sah.
"Ich bin glücklich, Sie kennenzulernen, gnädiges Fräulein!" Seine Stimme klang heiser, er versuchte die Erregung, die ihn bei Karins Anblick überkommen hatte, zu unterdrücken, aber es gelang ihm nur schwer. Immer wieder wanderte sein Blick zu Karin. Später fügte es sich, daß sie neben ihm saß. "Sie müssen mir von Deutschland erzählen", bat sie ihn in ihrem stark akzentuierten Deutsch. "Meine Mutter war Deutsche. Wenigstens einmal wollte sie mit mir in ihre Heimat fahren, doch bevor wir diese Reise ausführen konnten, starb sie."
"Oh", murmelte Heiner, "das tut mir leid für Sie. Wenn ich daran denke, daß meiner Mama etwas zustoßen könnte, würde mir Jessnitz öde und leer erscheinen."
"Mutter ist schon seit zehn Jahren tot", erwiderte Karin leichthin. Heiner konnte daraus nicht erkennen, ob sie diesen Ton wählte, weil sie nicht weiter darüber sprechen wollte, oder aber ob sie den Tod der Mutter inzwischen überwunden hatte.
Fast gegen seinen Willen blieb er bei dem Thema.
"Damals waren Sie ja noch ein Kind!"
"Ich hatte Papa", lächelte Karin. "Papa und meinen Bruder Knut. Ich verlebte trotz allem eine wundervolle Jugend."
Ihr Blick flog zärtlich zu ihrem Vater. Dann wandte sie sich wieder an den Baron.
"Gefällt es Ihnen in Schweden?"
"Es ist zauberhaft", erwiderte Heiner und senkte seinen Blick tief in den ihren.Um seine Gedanken ganz auszusprechen, hätte er sagen müssen: Sie sind zauberhaft oder noch besser, du bist zauberhaft! Aber er wollte dieses junge Mädchen nicht mit seiner Liebe erschrecken, die wie ein Sturmwind über ihn gekommen war, und die ihn befangen machte, wie einen Schüler. Nie zuvor in seinem Leben hatte er etwas Ähnliches empfunden. Niemals hatte er geglaubt, daß es dieses Sehnen gäbe, welches einen zu einem anderen Menschen hintreibt.
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Autoren-Porträt von Birgit Swanholm
Birgit Swanholm ist seit vielen Jahren als Autorin erfolgreich. Mit ihren romantsichen Liebenromanen erobert sie regelmig die Herzen ihrer Leserinnen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Birgit Swanholm
- 2007, 352 Seiten, Maße: 18,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453771559
- ISBN-13: 9783453771550
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