Verliebt
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Verliebt von David H. Lawrence
LESEPROBE
Frühlingsschatten
1
Durch denWald war es eine Meile näher. Aus alter Gewohnheit ging Sysonbis zur Schmiede und öffnete das Feldgatter. Der Schmied und sein Gesellestanden still und beobachteten den Eindringling. Aber Sysonhatte zuviel von einem Herrn an sich, als daß sie ihnanzusprechen gewagt hätten. Stumm ließen sie ihn über das kleine Feld zum Wald gehen.
Nicht derkleinste Unterschied bestand zwischen diesem Morgen und den strahlenden Frühlingsvormittagenvor sechs oder acht Jahren. Weißes und gelblichbraunes Hühnervolk scharrte umdas Gatter herum, und auf Weg und Feld lagen Federn und zusammengescharrterSchmutz. Zwischen den zwei dichten Stechpalmenbüschen in der Hecke war derheimliche Durchschlupf, wo man über ein Staket klettern mußte,um in den Wald zu gelangen; die Sprossen waren von den Stiefeln des Wildhütersabgewetzt, genau wie früher. Das Unvergängliche umfing ihn wieder.
Sysonfreute sich unbändig. Wie ein unseliger Geist war er in das Land seinerVergangenheit zurückgekehrt, und nun sah er, daßalles auf ihn wartete und unverändert war. Das Haselgebüsch spreitetenoch immer frohe kleine Hände nach unten, und wie einst wuchsen dieHasenglöckchen hier spärlich und blaß im üppigen Grasund im Schatten der Büsche.
EineZeitlang lief der Pfad dicht am Rande eines Abhangs in gemächlichen Windungen durchden Wald. Ringsumher war Eichengestrüpp, auf dem gerade das erste Gold sproßte, und Gras, das mit Waldmeister und Bingelkraut und Tuffs wilder Hyazinthen bestickt war. Zweiumgestürzte Bäume lagen noch quer über dem Weg. Sysonsprang einen steilen, holprigen Hang hinab und stieß wieder auf offenes Land,über das man hier wie aus einem großen Fenster im Wald gen Norden schaute. Erblieb stehen und blickte über die ebenen Felder oben am Hügel und auf das Dorf,das über die kahle Hochfläche verstreut war, als hätten es die vorbeifahrenden Lastwagenverloren und liegengelassen. Ein steifes, modernes graues Kirchlein war zusehen, und hier und da Würfel und Reihen roter Heimstätten; dahinter dasblinkende Förderwerk und die hochaufragende Abraumhalde.Alles lag entblößt und kahl da, ohne einen Baum! Es war ganz unverändert.
Syson drehtesich zufrieden um und wollte dem Pfad folgen, der steil hügelab ins Gehölz tauchte.Er war in seltsam gehobener Stimmung und fühlte sich zurückversetzt in einen unvergänglichenTraum. Da schrak er zusammen. Ein Wildhüter stand wenige Meter vor ihm und versperrteihm den Weg.
»Wohinwollen Sie hier, Sir?« fragte der Mann. In seinerFrage schwang ein drohend scharfer Ton mit. Sysonbetrachtete den Burschen mit unpersönlichen, aufmerksamen Blicken. Es war einjunger Mann von vier oder fünfundzwanzig Jahren, von frischer Farbe und hübsch.Seine dunkelblauen Augen starrten den Eindringling jetzt herausfordernd an. Derschwarze, sehr dichte Schnurrbart über dem kleinen, ziemlich weichen Mund warkurz gestutzt. Sonst sah der junge Mensch in jeder Beziehung männlich und gutaus. Er war etwas mehr als mittelgroß; der breite, mächtige Brustkasten und dasvöllig Ungezwungene seines geraden, stolzen Körpers erweckten den Eindruck, daß er wie ein Tier von Lebensfülle strotzte- dem dickenStrahl eines Springbrunnens vergleichbar, der in sich selbst ausgewogen ist.Den Kolben seines Gewehrs hatte er auf den Boden gestützt; er sah Syson unsicher undfragend an. Die dunklen, schnellen Blicke des Fremden, die den jungen Mann mustertenund in ihn eindrangen, ohne sich weiter um sein Amt zu scheren, beunruhigten denWildhüter und ließen ihn erröten.
»Wo ist Naylor? Haben Sie seinen Posten? « fragte Syson.
»Sie sinddoch nicht vom Herrenhaus, nicht wahr?« erkundigtesich der Wildhüter. Es konnte nicht sein, da alle fort waren.
»Nein, ichbin nicht vom Herrenhaus«, erwiderte der andere. Es schien ihn zu belustigen.
»Dann darfich vielleicht fragen, wohin Sie hatten gehen wollen«, sagte der Wildhüter gereizt.
»Wohin ichgehen will?« wiederholte Syson.»Ich gehe nach der Willey-Water- Farm.«
»Das hierist nicht der Weg.«
»Ich glaubedoch: den Pfad hinunter, am Brunnen vorbei, und dann durch das weiße Gatter.«
»Aber dasist nicht der öffentliche Weg!«
»Vielleichtnicht. Zu Naylors Zeit bin ich hier so o∫gegangen, daß ich es vergessen hatte. Wo ist erübrigens?«
»Vom Rheumaverkrüppelt«, antwortete der Wildhüter unwillig.
»Oh!« rief Syson bedauernd.
»Und wersind Sie eigentlich?« fragte der Wildhüter mit neuemInteresse.
»John Alderley Syson; ich wohnte früherhier in Cordy Lane.«
»Und Siemachten Hilda Millership den Hof?«
Sysonschlug, betroffen lächelnd, die Augen auf. Er nickte. Ein verlegenesSchweigen trat ein.
»Und Sie -wer sind Sie?« fragte Syson.»Arthur Pilbeam - Naylorist mein Onkel «, sagte der andere.
»Leben Siehier in Nuttall?«
»Ich wohnebei meinem Onkel - bei Naylors. «
»Aha!«
© DiogenesVerlag
- Autor: D. H. Lawrence
- 2007, 416 Seiten, Maße: 10,4 x 15,9 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung:diverse Übersetzer
- Verlag: Diogenes
- ISBN-10: 3257065728
- ISBN-13: 9783257065725
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