Verwandle deine Angst
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Verwandle deine Angst von Anselm Grün
LESEPROBE
Über das Phänomen der Angst gibt eszahlreiche psychologische Bücher. Schon das ist ein Zeichen dafür, dass dieses Themaheute viele Menschen bewegt. Es ist das Thema, das immer wieder, und injüngster Zeit verstärkt, auch in Gesprächen auftaucht, die ich führe. Als ichanfing, mich selbst intensiver mit der Angst und ihrer Verwandlung zubeschäftigen, fiel mir erst auf, wie häufig meine Gesprächspartner aus sichheraus davon und von ihren Versuchen erzählten, damit umzugehen. Das Themabegegnet mir immer wieder in den verschiedensten Situationen. Menschen sprechenvon ihrer Angst vor der Zukunft, von drohender Arbeitslosigkeit und davon, dasssie dann die finanziellen Belastungen des Haushalts nicht mehr bewältigenkönnen. Sie kommen aber auch unabhängig von der momentan schwierigenwirtschaftlichen Lage, der gegenüber sie sich ohnmächtig empfinden, immerwieder auf das Thema zu sprechen - ob von Krankheit die Rede ist oder vomÄlterwerden, ob es um die Angst, verlassen zu werden geht oder um die Angst vorVerletzung und Ablehnung, um die Angst, im Leben zu scheitern und es nicht zuschaffen oder um die Angst vor dem Sterben. Wir leben heute in einerGesellschaft, die so wohlhabend ist wie nie zuvor in der Geschichte, die überfrüher undenkbare technische Möglichkeiten verfügt und in der es gegen alle möglichenRisiken Versicherungen gibt. Und doch spüren viele Menschen heute in ihremLeben Unsicherheit, sie fühlen sich von angstauslösendenFaktoren geradezu umzingelt. Angst istnatürlich nichts Neues, sondern etwas, was die Menschen seit jeher beschäftigthat. Und doch scheint unsere Zeit und unsere Gesellschaft heute in besondererWeise von diesem Lebensgefühl geprägt zu sein, so sehr, dass der Psychologe WolfgangSchmidbauer sogar von der "Generation Angst" gesprochen hat. Das hat sicherauch viele Gründe, die nicht nur aktuell bedingt sind. Nach dem Krieg haben vieledie Ängste, die sie in Luftschutzbunkern erlebt hatten und die auf der Fluchtihre ständigen Begleiter waren, einfach verdrängt. Sie wollten von der Angstnichts mehr wissen, haben sie gleichsam abgelegt, um sich den Problemen des Überlebenszu widmen. Man könnte auch sagen: Sie sind vor ihrer Angst davongelaufen, indemsie in die Aktivität flüchteten. Doch heute werden viele verlasseneKriegskinder von den alten Ängsten eingeholt. Die Verdrängung hatte sie dazugeführt, einfach zu funktionieren und die eigenen Gefühle zu übergehen. Heutedrängen diese Emotionen mit Macht an die Oberfläche. Mit der Angst steigtzugleich die Sehnsucht auf, das eigene Leben anzuschauen, darüber zu sprechenund sich damit auszusöhnen.
Das deutsche Wort "Angst" kommt vonEnge. Dort, wo es eng wird, bekomme ich Angst. Ich möchte am liebsten fliehen. Doch es geht nicht nur um die äußere Enge. Inder Angst wird auch das Herz eng. Der Atem wird eingeengt und geht nur nochflach. Man bekommt keine Luft mehr und hat Angst, zu ersticken. So ein flacherAtem fördert nicht nur die Angst, sondern auch die Depression. Bei einem flachenAtem verlieren wir unsere Kraft. Wir können der Angst nichts mehr entgegensetzen. Panik ist gesteigerte Angst. Das Wort "Panik" kommt vom griechischen Wald-und Hirtengott Pan. In der Gestalt eines Bockes tauchte er aus dem Nichts aufund jagte den Menschen einen gewaltigen Schrecken ein. Dabei war er oft nichtsichtbar. Daher steht "Panik" für einen plötzlichen und undeutbaren Schrecken, deruns erfasst und gegen den wir uns nicht wehren können. Wenn Menschen von Pan in Schrecken versetztwerden, dann flüchten sie wie aufgescheuchte Tiere. Die Griechen nannten solchegrundlose Furcht "panikos = von Pan herrührend". Wir sprechen von panischer Angst und panischemEntsetzen. Sie ergreift uns, ohne dasswir etwas gesehen oder erlebt hätten, das Angstauslösen könnte. Sie steigt in uns auf und versetzt uns in Schrecken. Dannversuchen wir zu fliehen. Menschen, diean Phobien leiden, etwa an Platz- oder Raumangst, werden oft von dieserpanischen Angst erfasst. Oft aber überfällt sie uns aus heiterem Himmel. Wirkönnen uns oft nicht erklären, warum wir in Panik geraten. Wir erleben dieseAngst wie ein plötzliches Erscheinen eines furchterregendenSchreckenstieres, das uns in die Flucht schlägt. Viele sprechen davon, siewürden an Panikattacken leiden. Sie erleben die Panik wie einen feindlichenAngriff, dem sie sich plötzlich ausgesetzt fühlen.
Psychologen und Philosophen sindsich darüber einig, dass Angst nicht nur etwas Schlechtes ist. Angst ist fürden Menschen notwendig. "Sie ist ein Alarmsystem, das uns vor Bedrohungen warnt," sagt der Psychologe Heinrich von Stietencron. Die Angst zeigt mir immer, dass ich michbedroht fühle. Und sie regt mich an, mich gegen die Bedrohungen zu schützen.Angst kann Kräfte in mir mobilisieren, damit ich wachsamer und achtsamer aufGefahren reagiere. Die Bedrohungen, auf die die Angst in uns reagiert, könnenvon außen und von innen kommen. Die Angst bezieht sich dabei nie nur auf ein"Wovor", sondern immer auch auf ein "Worum". Worum habe ich Angst? Habe ich um Menschen Angst, die mir lieb sind?Oder habe ich um mich selbst Angst, um mein Leben, meine Gesundheit, mein Heil?In unserer Angst steckt also letztlich Hoffnung auf Leben. Letztlich ist Angst"Ausdruck von Begrenztheit und Vergänglichkeit, aber zugleich Ausdruck auch vonHoffnung und Verlangen", sagt der Philosoph Ulrich Hommes. Er verweist aufFranz Kafka, dessen Werk wesentlich um die Angst kreist. Kafka hat in der Angstletztlich die Sehnsucht nach Leben und Liebe gesehen. In einem Brief an seineVerlobte schreibt er einmal: "Allerdings ist diese Angst vielleicht nicht nurAngst, sondern auch Sehnsucht nach etwas, was mehr ist als allesAngsterregende." Hier ist etwas ganz Wichtiges gesehen. Daher geht es in diesem Buch auch nichtdarum, zu zeigen, wie wir alle Ängste überwinden zu können. Es geht vielmehr darum,dass wir lernen, mit der Angst zu leben. Sobald ich mich aussöhne mit meinerAngst, wandelt sie sich. Sie ist weiterhin da. Aber sie hat mich nicht mehr imGriff. Angst gehört wesentlich zum Menschen. Ohne Angst hätten wir kein Gespürfür das rechte Maß. Wir würden uns ständig überfordern. Die Angst zeigt mirmeine Grenzen auf. Und normalerweise soll ich meine Angst ernst nehmen. Siezeigt mir, dass ich hier nicht weiter gehen soll, da ich sonst Gefahr laufe, ineinen Abgrund hinabzustürzen.
Die Angst weist uns auf unsereGrenzen hin. Doch in uns ist auch eine Tendenz, grenzenlos zu sein. EugenDrewermann sieht in seiner tiefenpsychologischen Auslegung derSchöpfungsgeschichte die Urversuchung von Adam und Eva darin, sein zu wollenwie Gott, ohne die Begrenzung durch unseren Leib und unsere Psyche zuakzeptieren. Auch der Psychologe Willi Butollo siehtdie Angst im Zusammenhang mit dem Thema Grenze und Grenzenlosigkeit: "An dieGrenzen der eigenen Macht zu stoßen, erzeugt für das denkende Ich enorme Angst,existentielle Angst. Wenn der Mensch an die Grenzen seiner Macht erinnert wird,dann ist das für den Teil in ihm, der sich selbst als grenzenlos, gottgleichsehen möchte, eine existentielle Bedrohung." (Butollo186) Die Angst hat also die positive Funktion, mich immer wieder an meine Grenzenund meine Menschlichkeit zu erinnern. Ohne Angst verlieren wir das Gespür fürunsere Menschlichkeit. Wir übernehmen uns. So hat die Angst die Funktion,unsere Fassaden und Masken zu zerstören und uns menschlicher und zugleichentwicklungsfähiger zu machen (vgl. auch Herrad Schenk,Psychologie heute, August 2005, 27). Aberes gibt Ängste, die mich am Leben hindern. In mir kann Angst aufsteigen, ohnedass ich vor einem Abgrund stehe. Irgendetwasin mir wird eng. Ich kann es oft nicht verstehen. Die Angst lähmt mich. Ich kann nicht weiter.Sie bedroht mich. Alles in mir zieht sich zusammen. Ich weiß nicht mehr, wieich reagieren soll. Solche Ängste können zerstörerisch sein. Sie schließen michwie in einem Gefängnis ein, aus dem ich nicht ausbrechen kann. Mein Lebenreduziert sich immer mehr. Die Angst verhindert ein Leben in Fülle, wie es unsJesus versprochen hat (Joh 10,10). Von solcher Angst möchteich frei werden. Der normale Weg, sich von der Angst zu befreien, bestehtdarin, sie anzuschauen und mit ihr ins Gespräch zu kommen. Dann kann icherkennen, was die Angst mir sagen will: Ob sie mich auf meine Grenzen hinweistoder aber auch auf neurotische Muster, die sich in mich eingegraben haben undmich am Leben hindern. Wenn die Angstgrößer ist als die reelle Gefährdung, dann weist sie immer auf neurotischeStörungen hin. Solche neurotischen Ängste behandelt die Therapie. Doch indiesem Buch soll es nicht um die klassische Therapie gehen, sondern um spirituelleWege, mit der Angst umzugehen. Im Zentrum stehen soll, was ich dieAngsttherapie Jesu nennen will. Als ich die Bibel zu dem Thema Angst befragte,kamen mir wichtige Einsichten, die auch für jede psychologische Therapiecharakteristisch sind. Doch zugleich zeigte sich mir immer klarer:
Die biblischen Texte haben eineeigene Kraft, die Angst zu verwandeln. Sie überspringen die Angst nicht,sondern lassen sie zu. Aber sie laden uns ein, sie anzuschauen und sieauszuhalten und sie in die Begegnung mit Gott einzubringen. Die Art, mit der Jesus angsterfüllte Menschenbehandelt, wie er sie berührt und wie er sie anspricht und mit ihnen über ihreAngst und den Weg der Verwandlung spricht, zeigt uns Jesu Weisheit und seinGespür, sich auf jeden Einzelnen behutsam und achtsam einzulassen.
© Verlag Herder
- Autor: Anselm Grün
- 2006, 2. Aufl., 159 Seiten, Maße: 14,6 x 21,4 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Herder, Freiburg
- ISBN-10: 3451289806
- ISBN-13: 9783451289804
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