Vom Glück nur ein Schatten
Die authentische Lebensgeschichte der Eltern des Ex-Regierungssprechers Uwe-Karsten Heye.
Die authentische Lebensgeschichte der Eltern des Ex-Regierungssprechers Uwe-Karsten Heye.
Dieses Buch handelt von vernichteten Träumen. Es sind die Träume von Ursel und Wolfgang, den Eltern des Autors, die der Krieg auseinander riss. Der Vater, ausgebildeter Opernsänger, wurde zur Wehrmacht eingezogen, die Mutter arbeitete als Referentin für Truppenbetreuung in Danzig. Als das Ende des Krieges sich abzeichnete, flüchtete Ursel Heye mit ihren Kindern und Eltern vor der Roten Armee nach Westen.
Nach Kriegsende machte sich das Ehepaar auf die Suche nacheinander, doch die Auskünfte des Suchdienstes des Roten Kreuzes zerstörten alle Hoffnungen auf ein glückliches Ende: Wolfgang erhielt die Nachricht, die Namen seiner Angehörigen hätte man auf der Passagierliste der nach einem sowjetischen Torpedoangriff gesunkenen "Gustloff" gefunden - also sei seine Familie vermutlich ertrunken - und Ursel wurde mitgeteilt, ihr Mann sei in Stalingrad vermisst. Von da an ging beider Leben endgültig in verschiedene Richtungen, bis es zwanzig Jahre später zu einer unverhofften Begegnung kam, zu spät jedoch, um noch einmal an eine gemeinsame Geschichte anknüpfen zu können. Längst hatten die kurze Zeit ihrer Liebe und die Verklärung ihres schnell vergangenen Glücks den Zugang zueinander verbaut. Kriegs- und Nachkriegsjahre hatten sie verändert.
Nur eine kurze gemeinsame Zeit war ihnen vergönnt gewesen, aber es waren "vier Jahre, die ein ganzes Leben aufwiegen", wie die Mutter einmal schrieb. Ein kleines Album belegt eine unendlich wehmütige Zärtlichkeit füreinander. Heye beschreibt ein deutsches Schicksal, das vor Augen führt, was Krieg bedeutet und wie viel Städte, Menschen und Träume er vernichtet.
1945, im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs, ergossen sich unvorstellbare Flüchtlingsströme aus dem Osten in die zerstörten Städte westlich der Oder. Die Vertriebenen hatten ihr Leben gerettet, Hab und Gut aber zurückgelassen, Familien waren auseinander gerissen, Ehen zerstört. Das Elend, das die Männer zu verantworten hatten, wurde von
Vom Glück nur einSchatten von Uwe-Karsten Heye
LESEPROBE
VORWORT
Dieses Buch handelt vom Krieg und dem Leben einer Generation, dieeingepfercht war zwischen zwei Kriegen, dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg.Viele Lebensentwürfe in dieser Zeit blieben ein unerfüllter Traum. Millionen Menschenging es so im Deutschland des 20. Jahrhunderts. Wenn ich aus diesen zahllosenSchicksalen das meiner Eltern in den Jahren vor und nach dem Zweiten Weltkriegherausgreife aus dem Erinnerungsgepäck dieser Zeit, dann vornehmlich in derAbsicht, wenigstens eine Teilantwort auf die Frage zu erhalten, wie dieser fürmich nach wie vor unheimliche Zivilisationsbruch der Hitlerzeit geschehenkonnte und ob es schuldhafte Anteile gab, die auch meine Eltern mit zuverantworten hatten. Gleichzeitigerhoffe ich mir, jüngeren Lesern einen Hinweis zu geben, was passieren kann,wenn die Entwicklung einer Gesellschaft oder, genauer, die öffentlichenAngelegenheiten aus der eigenen individuellen Mitverantwortung entlassen undHasardeuren der Politik zum gefälligen Gebrauch überlassen werden. Wie vielesind damals viel zu spät aufgewacht, und wie vielen wurde erst in denSchützengräben und auf den Schlachtfeldern in den Weiten Russlands klar, dasssie sich Verbrechern ausgeliefert hatten. Befreit eine solche späte Einsichtvon der Mitschuld am gemeinsamen Untergang? Vielfach bin ich auf Vermutungen angewiesen, wie sich meine Elternin dieser Zeit verhalten haben. Es spricht einiges dafür, dass sie dieVerachtung für Andersdenkende nicht teilten, auch nicht den gezielten Hass aufdiejenigen, die jüdischen Glaubens waren. Um das zu ergründen, habe ich mirviele Gespräche mit meiner Mutter in Erinnerung rufen können. Aber auch sie hattenur ein passives Nein gegen die staatlich verordnete Unmenschlichkeit zubieten. Und mein Vater? Ich habe ihn kaum kennen gelernt. Es war wohl keinpolitisch motivierter Ausbruch aus dem Konformismus seiner Generation, diebegeistert die Kriegsfanfaren hörte, der ihn bewegte, von der Wehrmacht zudesertieren. Er war ein Künstler, wenig geeignet für das Soldatische, einfachunfähig, das Leben zu leben, das ihm da befohlen worden war. Das Leben, das er gerngelebt hätte, fand für ihn nicht statt. Immerhin ein Nein.
Und es zeigte sich, dass der Krieg mit der Unterschrift unter dieKapitulationsurkunde längst nicht vorbei war. Das Nachbeben währte lange undbestimmte den weiteren Lebensweg meiner Eltern. Auch das ist typisch fürMillionen andere Schicksale in dieser Zeit. So dramatisch und am Ende glücklos dasLeben für viele aus der Generation meiner Eltern auch war, im Vergleich zu denLeiden der Opfer dieses kollektiven politischen Versagens der Deutschen hattensie das gute Ende erwischt. Was die Zeitgeschichte dieser betrogenen Generationabverlangte, lässt sich fast prototypisch am Schicksal meiner Eltern, inSonderheit meiner Mutter, nachvollziehen; dieses Buch will davon erzählen. Esentstand teilweise in New York, wo mir immer wieder inzwischen hochbetagte überlebendeOpfer jener zwölf Jahre zwischen 1933 und 1945 begegnen, die hier einensicheren Hafen gefunden haben. In meinen Gesprächen wird mir immer wieder klar,wie tief der Riss durch die Geschichte geht, den der Nationalsozialismusverursacht hat.
»Alles, was sie wissen müssen, wird sich vor ihren Augenabspielen, und sie werden nichts sehen«, lässt Christa Wolff ihre Kassandrasagen. Nichts gesehen zu haben, das war eine der stereotypen Antworten,die meine Generation von der im Übrigen schweigenden und verschweigenden Elterngenerationauf unsere Fragen nach dem zu hören bekam, was als Zivilisationsbruch inDeutschland stattgefunden hat. Die Bearbeitung dieser jüngeren Geschichte istnicht beendet. Umso weniger, als erneut Wiedergänger der Nazis auf derBildfläche unseres Landes erscheinen. Diese neuen Nazis, die in Aufmärschen undauf unerträglichen Hass-Seiten im Internet das Gift versprühen, das dieses Landschon einmal in den Abgrund geraten ließ, haben mich erneut zu der Erkenntnisgebracht, dass die Auseinandersetzung für eine humane, weltoffene Gesellschaft undgegen die schrecklichen Vereinfacher noch nicht gewonnen ist. Auch darum diesesBuch. Es ist auch jenen jungen Frauen und Männern gewidmet, die sich inInitiativen und in ihrem Alltag dieser Auseinandersetzung verschrieben haben.
Ich selbst hatte Gelegenheit, im Jahr 2000 die Initiative »Gesichtzeigen« zu gründen. Als ich den Verein zusammen mit Paul Spiegel und MichelFriedman vom Zentralrat der Juden in Deutschland aus der Taufe hob, war mirdurchaus klar, dass diese Arbeit nur wirksam werden kann, wenn Menschen dieserIdee Leben einhauchen würden. Wer heute in die Geschäftsstelle von »Gesichtzeigen« in Berlin eintritt, wird ihnen begegnen. Drei junge Frauen, Sophia,Rebecca und Valerie, arbeiten dort mit unerschöpflicher Energie, oft verstärktvon jungen Leuten, die dem Verein einige Wochen ihrer Arbeitszeit schenken. Siewollen hinsehen, damit Kassandra nicht Recht behält. Und sie tun es mittausenden anderen, die in Städten und Dörfern gegen Rassismus undAntisemitismus aufstehen. Sie sorgen mit dafür, dass die Zivilgesellschaftwiderständig bleibt.
Dieses Buch ist ein kleines Mosaik aus der Alltagswelt der zurückliegendenrund 80 Jahre. Ich hoffe, es kann etwas verdeutlichen: Krieg wird nicht nur aufden Schlachtfeldern erlitten, er greift tief in den Alltag der Menschen ein undlässt sie nicht los, selbst wenn der Frieden längst zurückgekehrt scheint. Kriegbetrügt die Menschen um ein selbstbestimmtes Leben. Diese Sicht ist inGeschichtsbüchern selten nachzulesen. Deshalb versteht sich dieser Text als einStück erzählter Geschichte, das nicht von Kriegshelden und Schlachten erzählt,sondern von der Armseligkeit des Lebens im und nach dem Krieg.
© Blessing Verlag
Interview mit Uwe-Karsten Heye
Uwe-KarstenHeye hat schon für zahlreiche Zeitungen und Fernsehsender gearbeitet. Erwar Pressesprecher von WillyBrandt und Gerhard Schröder. Seit Juli 2003 ist der Generalkonsul derBundesrepublik in New York. Doch in seinem neuen Buch „ Vom Glücknur ein Schatten“ erzählt er die Geschichte seiner Familie.
Warumhaben Sie erst jetzt die Geschichte Ihrer Familie veröffentlicht?
Die Entscheidung darüber liegt jetzt etwa zwei Jahrezurück. Damals war ich erschrocken über eine Unzahl vonantisemitischen Vorfällen, die ja auch Anlass waren für dieGründung von „Gesicht zeigen“. Die Arbeit in dieserInitiative, deren Vorsitzender ich weiterhin bin, hat mir gezeigt, dass es einabnehmendes Wissen gibt, über die schrecklichen 12 Jahre desNationalsozialismus in Deutschland. Daher das Buch, von dem ich hoffe, dass esvon vielen jungen Leuten gelesen wird. Es erzählt auch von einerGeneration, die erschreckend unpolitisch war und darüber, wohin einesolche Einstellung führen kann.
Wasglauben Sie, wäre anders gelaufen, wenn sich Ihre Eltern direkt nachKriegsende wieder getroffen hätten?
Darübervermag ich nicht zu spekulieren.
Warenoder sind Sie manchmal wütend über den Umstand, dass die Liebezwischen Ihrer Mutter und Ihrem Vater durch falsche Informationen zerstörtwurde und Ihnen so der Vater genommen wurde? Wie gehen Sie damit um?
Wütendmacht mich eher, dass es überhaupt so weit kommen konnte, dass MillionenMenschen um ein selbst bestimmtes Leben betrogen wurden. Und noch zorniger,dass ein Unrechtsstaat entstehen konnte, in dessen Sog und Untergang so vielzerstört wurde und so viele Wunden geschlagen wurden.
Wie wardas erste Treffen mit Ihrem Vater?
Inwiefernstimmte der Vater, der dann vor Ihnen stand, mit dem Bild, das sie von ihmhatten überein? Haben Sie sich danach wieder gesehen?
Das Buchist eine Reise durch fast 80 Jahre deutscher Geschichte im vorigen Jahrhundert.Das Leben meiner Eltern ist nur ein, wenn auch wichtiger Teil dessen, was icherzähle. Ein Zufall brachte uns zusammen. Es waren Totgeglaubte, die sichda trafen. Krieg und Nachkrieg hatten die Fundamente zerstört, diefür einen Neuanfang nötig gewesen wären. So gingen wir wiederauseinander, jeder in sein Leben.
TrotzUNO, NATO, EU: Überall brodeln die Krisenherde. Wird genügend zurVermeidung von Kriegen getan? Was könnte man besser machen?
Eswäre Hochstapelei, wenn ich den Eindruck erwecken würde, darauf dieschlüssige Antwort zu haben. Aber es würde schon helfen, wenn derreiche Norden des blauen Planeten Erde, also Europa und Nordamerika, wenigeregoistisch auf den eigenen Vorteil bedacht wäre. Derzeit bevölkernetwa sechs Milliarden Menschen die Erde, in wenigen Jahrzehnten werden es achtMilliarden sein. 97 Prozent davon werden in den Entwicklungsländerngeboren. Aber nur Schweden wird es in Europa schaffen, das geforderte einProzent des Bruttosozialprodukts für Entwicklungshilfe zur Verfügungzu stellen. Der Rest in Europa ist weit davon entfernt. Geben wir aber denjungen Menschen in den Entwicklungsländern keine ausreichendeLebensperspektive, werden wir den Terrorismus nicht austrocknen, sondern ihmnur weitere Nahrung geben.
Die Fragen stellte Avan Sidiq / lorenzspringermedien
- Autor: Uwe-Karsten Heye
- 2004, 191 Seiten, 12 Schwarz-Weiß-Abbildungen, 12 Abbildungen, Maße: 14,2 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Blessing
- ISBN-10: 3896672614
- ISBN-13: 9783896672612
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