VOR DER PAUSE HABE ICH RICHTIG ANGST

"In Berlin sorgte ein Gerichtsurteil im Mai 1996 für Aufsehen. Ein Grundschullehrer wurde zu 1 500 Mark Geldstrafe verurteilt, weil er einen Schüler, der einen anderen gewürgt hatte, mit Gewalt von diesem getrennt hatte. Zuvor war ihm schon von dem wutentbrannten Vater, der sich über die ungerechte Behandlung seines Sohnes empört hatte, das Nasenbein gebrochen worden. Zeitungsberichte über diesen Vorfall empörten nicht nur Lehrer.
Trotzdem ist es richtig, sich in Konfliktfällen auf die Seite des Opfers zu stellen und einzugreifen. Dies bestätigte nach einem Einspruch des Lehrers letztlich auch das Gericht. Das Verfahren wurde eingestellt, die Geldstrafe zurückgenommen. Es gibt jedoch auch Richtersprüche, nach denen sich Lehrer wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar machen, wenn sie nicht in Auseinandersetzungen eingreifen und Schüler somit vor Schaden bewahren. Ganz offensiv stellt sich das Berliner Schulamt in diesen Fällen hinter seine Lehrer. Es fordert sie auf, jederze iteinzugreifen. Sollte es dadurch zu Schwierigkeiten kommen, sichert es ihnen jede erdenkliche Unterstützung zu.
Nicht nur blutige oder gefährliche Angriffe verlangen ein Hinsehen und Eingreifen. Auch der Mobbing-Täter fühlt sich bestärkt in seinem Tun, wenn er ohnejede Störung andere quälen, beschimpfen oder ausgrenzen kann. Er wird in seinem Verhalten immer weniger etwas sehen, was sanktionswürdig wäre. Er kann weitermachen, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen. "Lernen mit Erfolg" nennen das die Experten. Damit heißt "Wegsehen" auch immer, zukünftige Aggressionen (mit) zu ermöglichen. Durch das Vorbild des Täters erhöht sich das Aggressionsniveau im ganzen. Die Strategie der Konfliktvermeidung entlastet den Lehrer also nur für eine bestimmte Zeit. Es wird nicht das letzte Mal sein, daß er die Augen schließen muß. Und aus dem "bißchen Stoßen, Spucken, Schlagen", über das man so leicht noch hinwegsieht, kann eine andere, gefährlichere Form von Gewalt erwachsen. Rund 60 Prozent