Was gestern war. Begierde und Betrug
Roman
2x Romantic Crime vom Feinsten:
- Was gestern war: Gibt es eine zweite Chance für Journalistin Andrea und ihren Ex-Lover, den Machtmenschen Jeff Harmon?
- Begierde & Betrug: Intrigen in der Entertainment-Industrie
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Was gestern war. Begierde und Betrug “
2x Romantic Crime vom Feinsten:
- Was gestern war: Gibt es eine zweite Chance für Journalistin Andrea und ihren Ex-Lover, den Machtmenschen Jeff Harmon?
- Begierde & Betrug: Intrigen in der Entertainment-Industrie
Klappentext zu „Was gestern war. Begierde und Betrug “
Was gestern warDie zerstörerische Macht der Worte kennt die Journalistin Andrea Monroe nur allzu gut: An bösen Gerüchten zerbrach damals ihre Liebe mit dem aufstrebenden Politiker Jeff Harmon. Jetzt soll Andrea ihren Exlover, der auf einer Privatinsel lebt, zu einem Fernsehauftritt überreden. Und plötzlich merkt sie, wenn Jefferson Ja sagt, gibt es vielleicht ein Zurück für sie beide
Begierde und Betrug: Deutsche Erstveröffentlichung
Maren McClure und Kyle Sterling sind beide in der knallharten Entertainment-Industrie und verfeindet, seit Kyle glaubt, dass Marens Firma Videos raubkopiert. Sein Plan, ihre Firma einfach zu schlucken, schlägt fehl: Er hat die Rechnung nicht mit dem Sex-Appeal seiner sehr schönen und sehr cleveren Gegenspielerin gemacht!
Lese-Probe zu „Was gestern war. Begierde und Betrug “
Was gestern war von Lisa JacksonÜbersetzung: Heike Warth
1. KAPITEL
Die Nachmittagssonne flutete in das alte Gerichtsgebäude und tauchte einen schmalen Streifen des Marmorfußbodens in ihr warmes Licht. Vom Pazifik wehte eine feuchte Brise herüber und zerzauste Jeff Harmons dunkles Haar. Als er die Horden von Journalisten und Fernsehleuten entdeckte, zögerte er fast unmerklich, und sein Gesicht verdunkelte sich.
Gewohnheitsmäßig setzte er ein unverbindliches Lächeln auf. Nur wer ihn kannte, hätte die Zeichen der Gefahr zu deuten gewusst, dieses Glitzern in den braunen Augen, das vorgeschobene Kinn.
Im nächsten Augenblick prasselten die Fragen schon auf ihn ein, und Mikrofone wurden, drohend fast, in seine Richtung gehalten.
„Mr Harmon? Ist Ihre Scheidung jetzt rechtskräftig?"
„Ja." Ohne ein weiteres Wort bahnte Jeff sich seinen Weg durch die drängelnden Journalisten. Aber wenn er gehofft hatte, die Meute damit los zu sein, hatte er sich geirrt.
„Und wer hat das Sorgerecht für das Kind zugesprochen bekommen?", rief eine schrille Frauenstimme hinter ihm her. „Sie oder Mrs Harmon?"
Jeff holte tief Atem und drehte sich noch einmal um. „Das wird noch verhandelt." Er musste sehen, dass er hier wegkam, bevor er die Beherrschung verlor. Nur noch hundert Meter, dann war er bei seinem Wagen und in Sicherheit.
„Wollen Sie uns nicht mehr erzählen, Gouverneur?"
Jeff hatte sein Auto erreicht. „Nein, das will ich nicht", erwiderte er unfreundlich. Warum konnten sie nicht aufhören, ihn nach zwei Jahren immer noch als Gouverneur anzusprechen?
„Können Sie etwas zu dem Gerücht sagen, dass Ihre geschiedene Frau ein Alkoholproblem hat?"
„Kein Kommentar."
„Ist es wahr, dass eine Affäre, die Sie vor Ihrer Ehe hatten, der Grund für Ihre Scheidung und Mrs Harmons Alkoholproblem war?
... mehr
Treffen Sie Ihre Geliebte noch immer?" Jeff stieg in seinen Wagen. Aber der junge Mann war hartnäckig. „Sie wissen, von welcher Frau ich spreche, Gouverneur?"
Jeff versagte sich die unhöfliche Antwort, die ihm auf der Zunge lag. Er zog die Autotür zu, ließ den Motor an und fuhr mit quietschenden Reifen davon. Viel länger hätte er nicht mehr an sich halten können. Vielleicht war seine Exfrau aufgeschlossener und beantwortete die Fragen nach dieser Farce von einer Ehe bereitwilliger.
Er dachte an seine fünfjährige Tochter. Bis zum Letzten würde er für das Sorgerecht kämpfen, das schwor er sich. Denn wenn an dieser Ehe etwas erfreulich gewesen war, dann einzig und allein dieses Kind.
Der Nachmittag zog sich schier endlos hin. Je später es wurde, desto mehr krampfte Andreas Magen sich zusammen. Nachdem heute Morgen die neuesten
Einschaltquoten der Fernsehserien bekannt geworden waren, war sofort eine Mitarbeiterbesprechung angesetzt worden.
Andrea sah aus dem Fenster. Noch eine Viertelstunde. Sie schob sich die schwarzen Haare aus dem Gesicht und schlug die Zeitung auf, um sich abzulenken. Die Arbeitslosenzahlen waren wieder gestiegen. Was sonst? Dreißig Jahre war sie alt geworden, und nie hätte sie damit gerechnet, dass sie selbst einmal persönlich von der schlechten Wirtschaftslage betroffen sein würde. Aber möglicherweise gab es schon bald eine arbeitslose Drehbuchautorin mehr. Sie massierte sich den Nacken.
Dann blätterte sie weiter und trank von ihrem längst kalt gewordenen Kaffee. Dabei hätte sie sich fast verschluckt. „Scheidung im Fall Harmon ausgesprochen. Sorgerecht für Tochter noch unklar", las sie. Und darunter prangte ein Foto von Jeff Harmon.
„Oh nein", murmelte Andrea. Sie musste gegen den heftigen Impuls ankämpfen, die Zeitung zusammenzuknüllen und in den Papierkorb zu werfen. Zehn Jahre alte Gefühle wallten in ihr auf, eine Mischung aus Schmerz und Schuldbewusstsein, aus Enttäuschung, Liebe und Verlassenheit. Und wie immer, wenn sie Jeffs Bild sah, kamen all die Erinnerungen mit Macht zurück.
Wie weit weg dieser Sommer ihrer Liebe doch war.
Andrea vergaß die Zeit, als sie den Artikel über Jeffs Scheidung überflog. Ihre Kehle wurde eng, und ihre grünen Augen verschleierten sich. Wie vertraut ihr doch die Formulierungen waren - brillanter junger Anwalt ... Einheirat in wohlhabende, einflussreiche Familie ... kurze Amtszeit als Gouverneur ... umstrittene Abdankung ... skandalöse Vergangenheit ...
„Andrea?" Das war Katie Argus. „Beeil dich. Die Besprechung ist in fünf Minuten."
Andrea hob den Kopf. „Ich bin gleich so weit." Sie schlug die Zeitung zu. Würde dieser Schmerz denn nie ein Ende haben? Würde die Vergangenheit sie immer wieder einholen? Sie dachte daran, wie sie und Jeff sich im warmen Regen am Strand geliebt hatten, spürte den rauen Sand wieder unter den bloßen Füßen, hörte das schrille Schreien der Möwen, die das Rauschen der Brandung so mühelos übertönten.
Sie holte tief Atem und zwang sich, sich ihren unmittelbaren Problemen zuzuwenden.
Die Luft in dem kleinen Konferenzraum hing voller Rauchschwaden. Die Stimmung war nervös. Die anderen Mitarbeiter von Coral Productions hatten sich schon um den Tisch versammelt.
Andrea lächelte Katie, der zweiten Frau im Autorenteam, schwach zu.
„Alles in Ordnung?", fragte Katie ein wenig besorgt. „Du bist blass."
„Vermutlich die Nerven", gab Andrea zurück.
„Die sind wohl bei allen ein bisschen strapaziert", meinte Katie.
„Bei mir nicht", behauptete Jack Masters und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Aber die tiefe Falte auf seiner Stirn strafte ihn Lügen. „Ich kann schließlich nichts dafür, wenn Nicole Jamison in Die Macht des Stolzes so danebenbesetzt ist. Sie wirkt in der Rolle ungefähr so unschuldig wie Mata Hari."
„Und genauso alt", murmelte Katie.
Die Tür ging auf, und Bryce Cawthorne, früher Schauspieler und jetzt Besitzer von Coral Productions, kam herein. Ohne jede Einleitung zitierte er die Einschaltquoten der drei von Coral derzeit produzierten Serien.
„Es sieht so aus, als würden alle drei abgesetzt." Bryce rieb sich den Nacken. Er wirkte angespannt. „Wir können uns keinen einzigen Flop mehr leisten. Unsere
einzige Chance scheint jetzt eine wöchentliche Interviewserie mit Prominenten zu sein. ITV ist sehr daran interessiert."
„Und an welche Art von Interviewpartnern hast du da gedacht?", erkundigte Katie sich.
Bryce lehnte sich zurück und sah zur Decke hinauf. „Ich muss mir das alles noch genau durch den Kopf gehen lassen. Es sollten natürlich Leute sein, die Emotionen wecken. Jemand wie Sonda Wickfield, zum Beispiel."
„Die ihren Liebhaber erschossen hat?"
„Ja. Oder vielleicht diese Countrysängerin, die eine Affäre mit einem spanischen Adligen hatte." Bryce erwärmte sich langsam für das Thema.
„Also Leute, die man in den Klatschspalten findet", stellte Andrea trocken fest.
„Ich versuche dem Publikum zu geben, was es haben will, und auf dem Gebiet ist noch viel zu holen."
„Bryce hat recht", sagte Jack. „Es gibt eine Menge Prominenter, über deren Privatleben die Leute gern mehr wüssten. Ich stelle mir zum Beispiel Jeff Harmon vor." Er hob dieselbe Ausgabe der Lokalzeitung hoch, die auch Andrea auf ihrem Schreibtisch liegen hatte. „Das wäre der Knüller."
„Genau!", sagte Bryce. „Harmon ist das Paradebeispiel dafür. Was meinst du, Andrea?"
„Was?" Die Röte stieg ihr ins Gesicht. „Na ja, wahrscheinlich ist die Idee ganz gut."
„Aber sie gefällt dir offenbar trotzdem nicht." Bryce sah sie forschend an.
„Doch, doch. Es müsste nur eine wirklich interessante Persönlichkeit sein ..."
„Das ist der springende Punkt. Und ich glaube, Jeff Harmon wäre ideal. Vielleicht sollten wir mit ihm anfangen", schlug Jack vor. Er pochte mit einer etwas theatralischen Geste auf die Zeitung. „Scheidungen interessieren jeden."
Andrea holte tief Atem. „Heutzutage doch nicht mehr", widersprach sie.
„Solche Scheidungen schon. Könnt ihr euch nicht mehr an die Aufregung um Harmon und diese Studentin vor zehn Jahren erinnern?"
„Aber das ist doch Schnee von gestern!", erklärte Andrea verärgert.
Bryce seufzte. „Ich werde sehen, was ich erreiche. Wenn wir die Chance bekommen, diese Prominentenserie zu machen, werden wir es tun." Er sah seine Mitarbeiter der Reihe nach an. „Für heute sind wir fertig. Ihr könnt nach Hause gehen."
Er hielt Andrea noch zurück, während die anderen den Raum verließen. „Bedrückt dich irgendetwas, von dem ich nichts weiß?" Er sah sie besorgt an. „Kann ich dir helfen?"
„Nein." Wie hätte sie ihm von sich und Jeff erzählen können?
„Sicher?" Sie hatte ihn nicht überzeugt.
„Ich mache mir einfach Sorgen um die Firma."
Als sie hinausgingen, fiel Andrea zum ersten Mal bewusst auf, wie sehr Bryce in den letzten Jahren gealtert war.
Vor ihrem kleinen Büro blieb er stehen. „Wolltest du nicht drei Wochen Urlaub machen?"
„Ja. Aber ich kann auch hierbleiben, wenn es dir lieber ist ..."
Bryce hob die Hand. „Nein, nein. Ein Urlaub täte uns allen jetzt wahrscheinlich gut. Und wenn das mit der neuen Sendung klappt, bist du ja in jedem Fall wieder rechtzeitig hier." Er hob grüßend die Hand. „Lass es dir gut gehen. Aber lass deine Adresse da, damit ich dich im Notfall erreichen kann." Damit verließ er sie.
Andrea nahm ihre Tasche und die Zeitung. Sie wusste jetzt schon, dass sie heute Abend wieder einmal an den Sommer denken würde, den sie mit Jeff geteilt hatte, bevor sie sich schließlich so bitter getrennt hatten.
2. KAPITEL
Das Läuten des Telefons riss Andrea aus ihren Gedanken. Sie saß mit einer Tasse Tee am Fenster ihres Elternhauses und sah in den düsteren Novemberhimmel hinaus.
Sie war erst sechs Tage hier auf Vancouver Island und erwartete keine Anrufe. Ihre Eltern hatten sich erst gestern Abend aus Hawaii gemeldet.
Sie hob ab. „Hallo?"
„Hallo. Deine Stimme klingt ja ganz so, als täten dir die Ferien gut." Das war Bryce.
Andrea spürte, dass sie nervös wurde. Wenn Bryce anrief, musste es einen wichtigen Grund haben. „Was gibt es?"
„Ich habe unsere Idee mit den Prominenteninterviews verkauft - zunächst einmal fünf Sendungen, und wenn sie beim Publikum ankommen, dann werden noch einmal zehn produziert."
„Wunderbar." Andrea spielte mit der Telefonschnur. Sie ahnte, dass das noch nicht alles war. „Soll ich zurückkommen?"
„Nein." Bryce machte eine kleine Pause. Jetzt kommt es, dachte Andrea. „Einige Interviewpartner haben wir schon gefunden. Die meisten haben gleich zugesagt, bis auf die eine oder andere Ausnahme."
Andrea holte tief Atem. „Damit meinst du vermutlich Jeff Harmon."
„Wie hast du das erraten?"
„Warum hättest du sonst angerufen?", gab Andrea zurück. „Du hast in Erfahrung gebracht, dass Harmon sich hier in der Nähe aufhält."
„Nun, ja. Ich denke mir, solche Zufälle sollte man nutzen. Das Problem ist, dass wir den Mann nicht erreichen können. Ich hatte gehofft, dass es für dich vielleicht leichter ist, dich mit ihm in Verbindung zu setzen."
„Ich kann mir kaum vorstellen, dass er sehr angetan ist, wenn ich plötzlich vor seiner Tür stehe. Warum nehmen wir nicht jemand anderen? Harmon will ganz offenbar seine Ruhe."
„Genau darum geht es. Er gibt keine Interviews und schottet sich ganz ab - deshalb sind die Leute ja so wild darauf, etwas zu erfahren. Sie wollen einfach wissen, was mit ihm los ist."
„Ich soll ihn zu einem Interview überreden?", fragte Andrea benommen.
„Nein, nein. Du sollst nur dafür sorgen, dass er sich mit mir in Verbindung setzt."
Andreas Kehle war trocken geworden. „Ich werde es natürlich versuchen", sagte sie zögernd. „Aber ich bezweifle, dass ich etwas erreiche."
„Wer weiß. Es ist jedenfalls ein glücklicher Zufall, dass du gerade in seiner Nähe bist. Das ist unsere ganz große Chance."
Andrea legte den Hörer langsam auf. Wenn Bryce wüsste, dachte sie und nippte an ihrem lauwarmen Tee.
Im Grunde hatte sie nie aufgehört, Jeff zu lieben. Wie oft hatte sie Fotos von Jeff und seiner wunderschönen Frau in der Zeitung gesehen und sich gewünscht, sie
selbst wäre diese Frau an seiner Seite? Wie oft hatte sie nachts wach gelegen und sich nach ihm gesehnt? Natürlich gönnte sie ihm sein Glück, aber sie konnte das Gefühl nicht loswerden, dass sie selbst um dieses Glück betrogen worden war. Wie hatte sie seine Frau beneidet!
Über die Jahre hatte der Schmerz nachgelassen. Aber die Entscheidung, ob sie wohl stark genug war, Jeff wiederzusehen, fiel ihr sehr schwer.
Kurz entschlossen stellte sie ihre Teetasse ab und wählte die Telefonnummer, die sie nie vergessen hatte. Kein Anschluss. Eine halbe Stunde versuchte sie die telefonische Auskunft zu erreichen, kam aber nicht durch. Würde Jeff überhaupt mit ihr sprechen wollen? Oder würde er sie, wie schon einmal, zurückweisen? Und wie würde sie damit zurechtkommen?
Andrea schlüpfte in ihren Wettermantel. Sie spürte kein bisschen die Kälte und den eisigen Wind, der vom Meer kam und durch die Straßen der Stadt pfiff. Obwohl sie sich einredete, dass sie Jeff nur aufsuchte, weil Bryce sich auf sie verließ, wusste sie insgeheim doch, dass es ihr in Wahrheit nur darum ging, ihn wiederzusehen.
Sie lief zum Hafen hinunter, in der Hoffnung, einen Fischer zu finden, der sie gegen entsprechende Bezahlung zu Jeffs Privatinsel hinüberfuhr. Sie hatte Glück.
Es regnete in Strömen, und Andrea band das nasse Haar mit einem Lederband im Nacken zusammen. Es war lange her, seit sie auf der Insel gewesen war. Damals hatten die Margeriten und Rhododendronbüsche geblüht, jetzt wirkte die Insel, die vor ihr aus dem stürmischen Meer auftauchte, grau und abweisend.
Die Erinnerungen an die glücklichste Zeit ihres Lebens, die ein so abruptes Ende gefunden hatte, holten Andrea ein. Die Insel wirkte plötzlich feindlich auf sie. Was wollte sie hier eigentlich? Einen winzigen Moment lang war sie versucht, den Fischer umkehren zu lassen, aber dieser Moment ging vorüber.
Andrea überredete den Fischer, eine Stunde auf sie zu warten, um sie dann wieder aufs Festland zurückzubringen.
Sie kletterte die Holztreppe hinauf, die vom Strand über die Klippen zum Inselinneren führte. Oben drehte sie sich noch einmal um und sah auf das Meer zurück. Weiße Gischt schlug an den Strand und die Felsen. Sie hätte nicht herkommen sollen. Aber jetzt konnte sie nicht mehr zurück.
Sie hastete den windgepeitschten, nassen Weg entlang. Vor dem alten Haus mit seinen Giebeln und Türmchen und Bleiglasfenstern blieb sie noch einmal stehen. Sie zögerte noch einen winzigen Moment, dann eilte sie zu der dicken Doppeltür und klopfte kräftig dagegen.
Einschaltquoten der Fernsehserien bekannt geworden waren, war sofort eine Mitarbeiterbesprechung angesetzt worden.
Andrea sah aus dem Fenster. Noch eine Viertelstunde. Sie schob sich die schwarzen Haare aus dem Gesicht und schlug die Zeitung auf, um sich abzulenken. Die Arbeitslosenzahlen waren wieder gestiegen. Was sonst? Dreißig Jahre war sie alt geworden, und nie hätte sie damit gerechnet, dass sie selbst einmal persönlich von der schlechten Wirtschaftslage betroffen sein würde. Aber möglicherweise gab es schon bald eine arbeitslose Drehbuchautorin mehr. Sie massierte sich den Nacken.
Dann blätterte sie weiter und trank von ihrem längst kalt gewordenen Kaffee. Dabei hätte sie sich fast verschluckt. „Scheidung im Fall Harmon ausgesprochen. Sorgerecht für Tochter noch unklar", las sie. Und darunter prangte ein Foto von Jeff Harmon.
„Oh nein", murmelte Andrea. Sie musste gegen den heftigen Impuls ankämpfen, die Zeitung zusammenzuknüllen und in den Papierkorb zu werfen. Zehn Jahre alte Gefühle wallten in ihr auf, eine Mischung aus Schmerz und Schuldbewusstsein, aus Enttäuschung, Liebe und Verlassenheit. Und wie immer, wenn sie Jeffs Bild sah, kamen all die Erinnerungen mit Macht zurück.
Wie weit weg dieser Sommer ihrer Liebe doch war.
Andrea vergaß die Zeit, als sie den Artikel über Jeffs Scheidung überflog. Ihre Kehle wurde eng, und ihre grünen Augen verschleierten sich. Wie vertraut ihr doch die Formulierungen waren - brillanter junger Anwalt ... Einheirat in wohlhabende, einflussreiche Familie ... kurze Amtszeit als Gouverneur ... umstrittene Abdankung ... skandalöse Vergangenheit ...
„Andrea?" Das war Katie Argus. „Beeil dich. Die Besprechung ist in fünf Minuten."
Andrea hob den Kopf. „Ich bin gleich so weit." Sie schlug die Zeitung zu. Würde dieser Schmerz denn nie ein Ende haben? Würde die Vergangenheit sie immer wieder einholen? Sie dachte daran, wie sie und Jeff sich im warmen Regen am Strand geliebt hatten, spürte den rauen Sand wieder unter den bloßen Füßen, hörte das schrille Schreien der Möwen, die das Rauschen der Brandung so mühelos übertönten.
Sie holte tief Atem und zwang sich, sich ihren unmittelbaren Problemen zuzuwenden.
Die Luft in dem kleinen Konferenzraum hing voller Rauchschwaden. Die Stimmung war nervös. Die anderen Mitarbeiter von Coral Productions hatten sich schon um den Tisch versammelt.
Andrea lächelte Katie, der zweiten Frau im Autorenteam, schwach zu.
„Alles in Ordnung?", fragte Katie ein wenig besorgt. „Du bist blass."
„Vermutlich die Nerven", gab Andrea zurück.
„Die sind wohl bei allen ein bisschen strapaziert", meinte Katie.
„Bei mir nicht", behauptete Jack Masters und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Aber die tiefe Falte auf seiner Stirn strafte ihn Lügen. „Ich kann schließlich nichts dafür, wenn Nicole Jamison in Die Macht des Stolzes so danebenbesetzt ist. Sie wirkt in der Rolle ungefähr so unschuldig wie Mata Hari."
„Und genauso alt", murmelte Katie.
Die Tür ging auf, und Bryce Cawthorne, früher Schauspieler und jetzt Besitzer von Coral Productions, kam herein. Ohne jede Einleitung zitierte er die Einschaltquoten der drei von Coral derzeit produzierten Serien.
„Es sieht so aus, als würden alle drei abgesetzt." Bryce rieb sich den Nacken. Er wirkte angespannt. „Wir können uns keinen einzigen Flop mehr leisten. Unsere einzige Chance scheint jetzt eine wöchentliche Interviewserie mit Prominenten zu sein. ITV ist sehr daran interessiert."
„Und an welche Art von Interviewpartnern hast du da gedacht?", erkundigte Katie sich.
Bryce lehnte sich zurück und sah zur Decke hinauf. „Ich muss mir das alles noch genau durch den Kopf gehen lassen. Es sollten natürlich Leute sein, die Emotionen wecken. Jemand wie Sonda Wickfield, zum Beispiel."
„Die ihren Liebhaber erschossen hat?"
„Ja. Oder vielleicht diese Countrysängerin, die eine Affäre mit einem spanischen Adligen hatte." Bryce erwärmte sich langsam für das Thema.
„Also Leute, die man in den Klatschspalten findet", stellte Andrea trocken fest.
„Ich versuche dem Publikum zu geben, was es haben will, und auf dem Gebiet ist noch viel zu holen."
„Bryce hat recht", sagte Jack. „Es gibt eine Menge Prominenter, über deren Privatleben die Leute gern mehr wüssten. Ich stelle mir zum Beispiel Jeff Harmon vor." Er hob dieselbe Ausgabe der Lokalzeitung hoch, die auch Andrea auf ihrem Schreibtisch liegen hatte. „Das wäre der Knüller."
„Genau!", sagte Bryce. „Harmon ist das Paradebeispiel dafür. Was meinst du, Andrea?"
„Was?" Die Röte stieg ihr ins Gesicht. „Na ja, wahrscheinlich ist die Idee ganz gut."
„Aber sie gefällt dir offenbar trotzdem nicht." Bryce sah sie forschend an.
„Doch, doch. Es müsste nur eine wirklich interessante Persönlichkeit sein ..."
„Das ist der springende Punkt. Und ich glaube, Jeff Harmon wäre ideal. Vielleicht sollten wir mit ihm anfangen", schlug Jack vor. Er pochte mit einer etwas theatralischen Geste auf die Zeitung. „Scheidungen interessieren jeden."
Andrea holte tief Atem. „Heutzutage doch nicht mehr", widersprach sie.
„Solche Scheidungen schon. Könnt ihr euch nicht mehr an die Aufregung um Harmon und diese Studentin vor zehn Jahren erinnern?"
„Aber das ist doch Schnee von gestern!", erklärte Andrea verärgert.
Bryce seufzte. „Ich werde sehen, was ich erreiche. Wenn wir die Chance bekommen, diese Prominentenserie zu machen, werden wir es tun." Er sah seine Mitarbeiter der Reihe nach an. „Für heute sind wir fertig. Ihr könnt nach Hause gehen."
Er hielt Andrea noch zurück, während die anderen den Raum verließen. „Bedrückt dich irgendetwas, von dem ich nichts weiß?" Er sah sie besorgt an. „Kann ich dir helfen?"
„Nein." Wie hätte sie ihm von sich und Jeff erzählen können?
„Sicher?" Sie hatte ihn nicht überzeugt.
„Ich mache mir einfach Sorgen um die Firma."
Als sie hinausgingen, fiel Andrea zum ersten Mal bewusst auf, wie sehr Bryce in den letzten Jahren gealtert war.
Vor ihrem kleinen Büro blieb er stehen. „Wolltest du nicht drei Wochen Urlaub machen?"
„Ja. Aber ich kann auch hierbleiben, wenn es dir lieber ist ..."
Bryce hob die Hand. „Nein, nein. Ein Urlaub täte uns allen jetzt wahrscheinlich gut. Und wenn das mit der neuen Sendung klappt, bist du ja in jedem Fall wieder rechtzeitig hier." Er hob grüßend die Hand. „Lass es dir gut gehen. Aber lass deine Adresse da, damit ich dich im Notfall erreichen kann." Damit verließ er sie.
Andrea nahm ihre Tasche und die Zeitung. Sie wusste jetzt schon, dass sie heute Abend wieder einmal an den Sommer denken würde, den sie mit Jeff geteilt hatte, bevor sie sich schließlich so bitter getrennt hatten.
2. KAPITEL
Das Läuten des Telefons riss Andrea aus ihren Gedanken. Sie saß mit einer Tasse Tee am Fenster ihres Elternhauses und sah in den düsteren Novemberhimmel hinaus.
Sie war erst sechs Tage hier auf Vancouver Island und erwartete keine Anrufe. Ihre Eltern hatten sich erst gestern Abend aus Hawaii gemeldet.
Sie hob ab. „Hallo?"
„Hallo. Deine Stimme klingt ja ganz so, als täten dir die Ferien gut." Das war Bryce.
Andrea spürte, dass sie nervös wurde. Wenn Bryce anrief, musste es einen wichtigen Grund haben. „Was gibt es?"
„Ich habe unsere Idee mit den Prominenteninterviews verkauft - zunächst einmal fünf Sendungen, und wenn sie beim Publikum ankommen, dann werden noch einmal zehn produziert."
„Wunderbar." Andrea spielte mit der Telefonschnur. Sie ahnte, dass das noch nicht alles war. „Soll ich zurückkommen?"
„Nein." Bryce machte eine kleine Pause. Jetzt kommt es, dachte Andrea. „Einige Interviewpartner haben wir schon gefunden. Die meisten haben gleich zugesagt, bis auf die eine oder andere Ausnahme."
Andrea holte tief Atem. „Damit meinst du vermutlich Jeff Harmon."
„Wie hast du das erraten?"
„Warum hättest du sonst angerufen?", gab Andrea zurück. „Du hast in Erfahrung gebracht, dass Harmon sich hier in der Nähe aufhält."
„Nun, ja. Ich denke mir, solche Zufälle sollte man nutzen. Das Problem ist, dass wir den Mann nicht erreichen können. Ich hatte gehofft, dass es für dich vielleicht leichter ist, dich mit ihm in Verbindung zu setzen."
„Ich kann mir kaum vorstellen, dass er sehr angetan ist, wenn ich plötzlich vor seiner Tür stehe. Warum nehmen wir nicht jemand anderen? Harmon will ganz offenbar seine Ruhe."
„Genau darum geht es. Er gibt keine Interviews und schottet sich ganz ab - deshalb sind die Leute ja so wild darauf, etwas zu erfahren. Sie wollen einfach wissen, was mit ihm los ist."
„Ich soll ihn zu einem Interview überreden?", fragte Andrea benommen.
„Nein, nein. Du sollst nur dafür sorgen, dass er sich mit mir in Verbindung setzt."
Andreas Kehle war trocken geworden. „Ich werde es natürlich versuchen", sagte sie zögernd. „Aber ich bezweifle, dass ich etwas erreiche."
„Wer weiß. Es ist jedenfalls ein glücklicher Zufall, dass du gerade in seiner Nähe bist. Das ist unsere ganz große Chance."
Andrea legte den Hörer langsam auf. Wenn Bryce wüsste, dachte sie und nippte an ihrem lauwarmen Tee.
Im Grunde hatte sie nie aufgehört, Jeff zu lieben. Wie oft hatte sie Fotos von Jeff und seiner wunderschönen Frau in der Zeitung gesehen und sich gewünscht, sie selbst wäre diese Frau an seiner Seite? Wie oft hatte sie nachts wach gelegen und sich nach ihm gesehnt? Natürlich gönnte sie ihm sein Glück, aber sie konnte das Gefühl nicht loswerden, dass sie selbst um dieses Glück betrogen worden war. Wie hatte sie seine Frau beneidet!
Über die Jahre hatte der Schmerz nachgelassen. Aber die Entscheidung, ob sie wohl stark genug war, Jeff wiederzusehen, fiel ihr sehr schwer.
Kurz entschlossen stellte sie ihre Teetasse ab und wählte die Telefonnummer, die sie nie vergessen hatte. Kein Anschluss. Eine halbe Stunde versuchte sie die telefonische Auskunft zu erreichen, kam aber nicht durch. Würde Jeff überhaupt mit ihr sprechen wollen? Oder würde er sie, wie schon einmal, zurückweisen? Und wie würde sie damit zurechtkommen?
Andrea schlüpfte in ihren Wettermantel. Sie spürte kein bisschen die Kälte und den eisigen Wind, der vom Meer kam und durch die Straßen der Stadt pfiff. Obwohl sie sich einredete, dass sie Jeff nur aufsuchte, weil Bryce sich auf sie verließ, wusste sie insgeheim doch, dass es ihr in Wahrheit nur darum ging, ihn wiederzusehen.
Sie lief zum Hafen hinunter, in der Hoffnung, einen Fischer zu finden, der sie gegen entsprechende Bezahlung zu Jeffs Privatinsel hinüberfuhr. Sie hatte Glück.
Es regnete in Strömen, und Andrea band das nasse Haar mit einem Lederband im Nacken zusammen. Es war lange her, seit sie auf der Insel gewesen war. Damals hatten die Margeriten und Rhododendronbüsche geblüht, jetzt wirkte die Insel, die vor ihr aus dem stürmischen Meer auftauchte, grau und abweisend.
Die Erinnerungen an die glücklichste Zeit ihres Lebens, die ein so abruptes Ende gefunden hatte, holten Andrea ein. Die Insel wirkte plötzlich feindlich auf sie. Was wollte sie hier eigentlich? Einen winzigen Moment lang war sie versucht, den Fischer umkehren zu lassen, aber dieser Moment ging vorüber.
Andrea überredete den Fischer, eine Stunde auf sie zu warten, um sie dann wieder aufs Festland zurückzubringen.
Sie kletterte die Holztreppe hinauf, die vom Strand über die Klippen zum Inselinneren führte. Oben drehte sie sich noch einmal um und sah auf das Meer zurück. Weiße Gischt schlug an den Strand und die Felsen. Sie hätte nicht herkommen sollen. Aber jetzt konnte sie nicht mehr zurück.
Sie hastete den windgepeitschten, nassen Weg entlang. Vor dem alten Haus mit seinen Giebeln und Türmchen und Bleiglasfenstern blieb sie noch einmal stehen. Sie zögerte noch einen winzigen Moment, dann eilte sie zu der dicken Doppeltür und klopfte kräftig dagegen.
© MIRA Taschenbuch
Jeff versagte sich die unhöfliche Antwort, die ihm auf der Zunge lag. Er zog die Autotür zu, ließ den Motor an und fuhr mit quietschenden Reifen davon. Viel länger hätte er nicht mehr an sich halten können. Vielleicht war seine Exfrau aufgeschlossener und beantwortete die Fragen nach dieser Farce von einer Ehe bereitwilliger.
Er dachte an seine fünfjährige Tochter. Bis zum Letzten würde er für das Sorgerecht kämpfen, das schwor er sich. Denn wenn an dieser Ehe etwas erfreulich gewesen war, dann einzig und allein dieses Kind.
Der Nachmittag zog sich schier endlos hin. Je später es wurde, desto mehr krampfte Andreas Magen sich zusammen. Nachdem heute Morgen die neuesten
Einschaltquoten der Fernsehserien bekannt geworden waren, war sofort eine Mitarbeiterbesprechung angesetzt worden.
Andrea sah aus dem Fenster. Noch eine Viertelstunde. Sie schob sich die schwarzen Haare aus dem Gesicht und schlug die Zeitung auf, um sich abzulenken. Die Arbeitslosenzahlen waren wieder gestiegen. Was sonst? Dreißig Jahre war sie alt geworden, und nie hätte sie damit gerechnet, dass sie selbst einmal persönlich von der schlechten Wirtschaftslage betroffen sein würde. Aber möglicherweise gab es schon bald eine arbeitslose Drehbuchautorin mehr. Sie massierte sich den Nacken.
Dann blätterte sie weiter und trank von ihrem längst kalt gewordenen Kaffee. Dabei hätte sie sich fast verschluckt. „Scheidung im Fall Harmon ausgesprochen. Sorgerecht für Tochter noch unklar", las sie. Und darunter prangte ein Foto von Jeff Harmon.
„Oh nein", murmelte Andrea. Sie musste gegen den heftigen Impuls ankämpfen, die Zeitung zusammenzuknüllen und in den Papierkorb zu werfen. Zehn Jahre alte Gefühle wallten in ihr auf, eine Mischung aus Schmerz und Schuldbewusstsein, aus Enttäuschung, Liebe und Verlassenheit. Und wie immer, wenn sie Jeffs Bild sah, kamen all die Erinnerungen mit Macht zurück.
Wie weit weg dieser Sommer ihrer Liebe doch war.
Andrea vergaß die Zeit, als sie den Artikel über Jeffs Scheidung überflog. Ihre Kehle wurde eng, und ihre grünen Augen verschleierten sich. Wie vertraut ihr doch die Formulierungen waren - brillanter junger Anwalt ... Einheirat in wohlhabende, einflussreiche Familie ... kurze Amtszeit als Gouverneur ... umstrittene Abdankung ... skandalöse Vergangenheit ...
„Andrea?" Das war Katie Argus. „Beeil dich. Die Besprechung ist in fünf Minuten."
Andrea hob den Kopf. „Ich bin gleich so weit." Sie schlug die Zeitung zu. Würde dieser Schmerz denn nie ein Ende haben? Würde die Vergangenheit sie immer wieder einholen? Sie dachte daran, wie sie und Jeff sich im warmen Regen am Strand geliebt hatten, spürte den rauen Sand wieder unter den bloßen Füßen, hörte das schrille Schreien der Möwen, die das Rauschen der Brandung so mühelos übertönten.
Sie holte tief Atem und zwang sich, sich ihren unmittelbaren Problemen zuzuwenden.
Die Luft in dem kleinen Konferenzraum hing voller Rauchschwaden. Die Stimmung war nervös. Die anderen Mitarbeiter von Coral Productions hatten sich schon um den Tisch versammelt.
Andrea lächelte Katie, der zweiten Frau im Autorenteam, schwach zu.
„Alles in Ordnung?", fragte Katie ein wenig besorgt. „Du bist blass."
„Vermutlich die Nerven", gab Andrea zurück.
„Die sind wohl bei allen ein bisschen strapaziert", meinte Katie.
„Bei mir nicht", behauptete Jack Masters und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Aber die tiefe Falte auf seiner Stirn strafte ihn Lügen. „Ich kann schließlich nichts dafür, wenn Nicole Jamison in Die Macht des Stolzes so danebenbesetzt ist. Sie wirkt in der Rolle ungefähr so unschuldig wie Mata Hari."
„Und genauso alt", murmelte Katie.
Die Tür ging auf, und Bryce Cawthorne, früher Schauspieler und jetzt Besitzer von Coral Productions, kam herein. Ohne jede Einleitung zitierte er die Einschaltquoten der drei von Coral derzeit produzierten Serien.
„Es sieht so aus, als würden alle drei abgesetzt." Bryce rieb sich den Nacken. Er wirkte angespannt. „Wir können uns keinen einzigen Flop mehr leisten. Unsere
einzige Chance scheint jetzt eine wöchentliche Interviewserie mit Prominenten zu sein. ITV ist sehr daran interessiert."
„Und an welche Art von Interviewpartnern hast du da gedacht?", erkundigte Katie sich.
Bryce lehnte sich zurück und sah zur Decke hinauf. „Ich muss mir das alles noch genau durch den Kopf gehen lassen. Es sollten natürlich Leute sein, die Emotionen wecken. Jemand wie Sonda Wickfield, zum Beispiel."
„Die ihren Liebhaber erschossen hat?"
„Ja. Oder vielleicht diese Countrysängerin, die eine Affäre mit einem spanischen Adligen hatte." Bryce erwärmte sich langsam für das Thema.
„Also Leute, die man in den Klatschspalten findet", stellte Andrea trocken fest.
„Ich versuche dem Publikum zu geben, was es haben will, und auf dem Gebiet ist noch viel zu holen."
„Bryce hat recht", sagte Jack. „Es gibt eine Menge Prominenter, über deren Privatleben die Leute gern mehr wüssten. Ich stelle mir zum Beispiel Jeff Harmon vor." Er hob dieselbe Ausgabe der Lokalzeitung hoch, die auch Andrea auf ihrem Schreibtisch liegen hatte. „Das wäre der Knüller."
„Genau!", sagte Bryce. „Harmon ist das Paradebeispiel dafür. Was meinst du, Andrea?"
„Was?" Die Röte stieg ihr ins Gesicht. „Na ja, wahrscheinlich ist die Idee ganz gut."
„Aber sie gefällt dir offenbar trotzdem nicht." Bryce sah sie forschend an.
„Doch, doch. Es müsste nur eine wirklich interessante Persönlichkeit sein ..."
„Das ist der springende Punkt. Und ich glaube, Jeff Harmon wäre ideal. Vielleicht sollten wir mit ihm anfangen", schlug Jack vor. Er pochte mit einer etwas theatralischen Geste auf die Zeitung. „Scheidungen interessieren jeden."
Andrea holte tief Atem. „Heutzutage doch nicht mehr", widersprach sie.
„Solche Scheidungen schon. Könnt ihr euch nicht mehr an die Aufregung um Harmon und diese Studentin vor zehn Jahren erinnern?"
„Aber das ist doch Schnee von gestern!", erklärte Andrea verärgert.
Bryce seufzte. „Ich werde sehen, was ich erreiche. Wenn wir die Chance bekommen, diese Prominentenserie zu machen, werden wir es tun." Er sah seine Mitarbeiter der Reihe nach an. „Für heute sind wir fertig. Ihr könnt nach Hause gehen."
Er hielt Andrea noch zurück, während die anderen den Raum verließen. „Bedrückt dich irgendetwas, von dem ich nichts weiß?" Er sah sie besorgt an. „Kann ich dir helfen?"
„Nein." Wie hätte sie ihm von sich und Jeff erzählen können?
„Sicher?" Sie hatte ihn nicht überzeugt.
„Ich mache mir einfach Sorgen um die Firma."
Als sie hinausgingen, fiel Andrea zum ersten Mal bewusst auf, wie sehr Bryce in den letzten Jahren gealtert war.
Vor ihrem kleinen Büro blieb er stehen. „Wolltest du nicht drei Wochen Urlaub machen?"
„Ja. Aber ich kann auch hierbleiben, wenn es dir lieber ist ..."
Bryce hob die Hand. „Nein, nein. Ein Urlaub täte uns allen jetzt wahrscheinlich gut. Und wenn das mit der neuen Sendung klappt, bist du ja in jedem Fall wieder rechtzeitig hier." Er hob grüßend die Hand. „Lass es dir gut gehen. Aber lass deine Adresse da, damit ich dich im Notfall erreichen kann." Damit verließ er sie.
Andrea nahm ihre Tasche und die Zeitung. Sie wusste jetzt schon, dass sie heute Abend wieder einmal an den Sommer denken würde, den sie mit Jeff geteilt hatte, bevor sie sich schließlich so bitter getrennt hatten.
2. KAPITEL
Das Läuten des Telefons riss Andrea aus ihren Gedanken. Sie saß mit einer Tasse Tee am Fenster ihres Elternhauses und sah in den düsteren Novemberhimmel hinaus.
Sie war erst sechs Tage hier auf Vancouver Island und erwartete keine Anrufe. Ihre Eltern hatten sich erst gestern Abend aus Hawaii gemeldet.
Sie hob ab. „Hallo?"
„Hallo. Deine Stimme klingt ja ganz so, als täten dir die Ferien gut." Das war Bryce.
Andrea spürte, dass sie nervös wurde. Wenn Bryce anrief, musste es einen wichtigen Grund haben. „Was gibt es?"
„Ich habe unsere Idee mit den Prominenteninterviews verkauft - zunächst einmal fünf Sendungen, und wenn sie beim Publikum ankommen, dann werden noch einmal zehn produziert."
„Wunderbar." Andrea spielte mit der Telefonschnur. Sie ahnte, dass das noch nicht alles war. „Soll ich zurückkommen?"
„Nein." Bryce machte eine kleine Pause. Jetzt kommt es, dachte Andrea. „Einige Interviewpartner haben wir schon gefunden. Die meisten haben gleich zugesagt, bis auf die eine oder andere Ausnahme."
Andrea holte tief Atem. „Damit meinst du vermutlich Jeff Harmon."
„Wie hast du das erraten?"
„Warum hättest du sonst angerufen?", gab Andrea zurück. „Du hast in Erfahrung gebracht, dass Harmon sich hier in der Nähe aufhält."
„Nun, ja. Ich denke mir, solche Zufälle sollte man nutzen. Das Problem ist, dass wir den Mann nicht erreichen können. Ich hatte gehofft, dass es für dich vielleicht leichter ist, dich mit ihm in Verbindung zu setzen."
„Ich kann mir kaum vorstellen, dass er sehr angetan ist, wenn ich plötzlich vor seiner Tür stehe. Warum nehmen wir nicht jemand anderen? Harmon will ganz offenbar seine Ruhe."
„Genau darum geht es. Er gibt keine Interviews und schottet sich ganz ab - deshalb sind die Leute ja so wild darauf, etwas zu erfahren. Sie wollen einfach wissen, was mit ihm los ist."
„Ich soll ihn zu einem Interview überreden?", fragte Andrea benommen.
„Nein, nein. Du sollst nur dafür sorgen, dass er sich mit mir in Verbindung setzt."
Andreas Kehle war trocken geworden. „Ich werde es natürlich versuchen", sagte sie zögernd. „Aber ich bezweifle, dass ich etwas erreiche."
„Wer weiß. Es ist jedenfalls ein glücklicher Zufall, dass du gerade in seiner Nähe bist. Das ist unsere ganz große Chance."
Andrea legte den Hörer langsam auf. Wenn Bryce wüsste, dachte sie und nippte an ihrem lauwarmen Tee.
Im Grunde hatte sie nie aufgehört, Jeff zu lieben. Wie oft hatte sie Fotos von Jeff und seiner wunderschönen Frau in der Zeitung gesehen und sich gewünscht, sie
selbst wäre diese Frau an seiner Seite? Wie oft hatte sie nachts wach gelegen und sich nach ihm gesehnt? Natürlich gönnte sie ihm sein Glück, aber sie konnte das Gefühl nicht loswerden, dass sie selbst um dieses Glück betrogen worden war. Wie hatte sie seine Frau beneidet!
Über die Jahre hatte der Schmerz nachgelassen. Aber die Entscheidung, ob sie wohl stark genug war, Jeff wiederzusehen, fiel ihr sehr schwer.
Kurz entschlossen stellte sie ihre Teetasse ab und wählte die Telefonnummer, die sie nie vergessen hatte. Kein Anschluss. Eine halbe Stunde versuchte sie die telefonische Auskunft zu erreichen, kam aber nicht durch. Würde Jeff überhaupt mit ihr sprechen wollen? Oder würde er sie, wie schon einmal, zurückweisen? Und wie würde sie damit zurechtkommen?
Andrea schlüpfte in ihren Wettermantel. Sie spürte kein bisschen die Kälte und den eisigen Wind, der vom Meer kam und durch die Straßen der Stadt pfiff. Obwohl sie sich einredete, dass sie Jeff nur aufsuchte, weil Bryce sich auf sie verließ, wusste sie insgeheim doch, dass es ihr in Wahrheit nur darum ging, ihn wiederzusehen.
Sie lief zum Hafen hinunter, in der Hoffnung, einen Fischer zu finden, der sie gegen entsprechende Bezahlung zu Jeffs Privatinsel hinüberfuhr. Sie hatte Glück.
Es regnete in Strömen, und Andrea band das nasse Haar mit einem Lederband im Nacken zusammen. Es war lange her, seit sie auf der Insel gewesen war. Damals hatten die Margeriten und Rhododendronbüsche geblüht, jetzt wirkte die Insel, die vor ihr aus dem stürmischen Meer auftauchte, grau und abweisend.
Die Erinnerungen an die glücklichste Zeit ihres Lebens, die ein so abruptes Ende gefunden hatte, holten Andrea ein. Die Insel wirkte plötzlich feindlich auf sie. Was wollte sie hier eigentlich? Einen winzigen Moment lang war sie versucht, den Fischer umkehren zu lassen, aber dieser Moment ging vorüber.
Andrea überredete den Fischer, eine Stunde auf sie zu warten, um sie dann wieder aufs Festland zurückzubringen.
Sie kletterte die Holztreppe hinauf, die vom Strand über die Klippen zum Inselinneren führte. Oben drehte sie sich noch einmal um und sah auf das Meer zurück. Weiße Gischt schlug an den Strand und die Felsen. Sie hätte nicht herkommen sollen. Aber jetzt konnte sie nicht mehr zurück.
Sie hastete den windgepeitschten, nassen Weg entlang. Vor dem alten Haus mit seinen Giebeln und Türmchen und Bleiglasfenstern blieb sie noch einmal stehen. Sie zögerte noch einen winzigen Moment, dann eilte sie zu der dicken Doppeltür und klopfte kräftig dagegen.
Einschaltquoten der Fernsehserien bekannt geworden waren, war sofort eine Mitarbeiterbesprechung angesetzt worden.
Andrea sah aus dem Fenster. Noch eine Viertelstunde. Sie schob sich die schwarzen Haare aus dem Gesicht und schlug die Zeitung auf, um sich abzulenken. Die Arbeitslosenzahlen waren wieder gestiegen. Was sonst? Dreißig Jahre war sie alt geworden, und nie hätte sie damit gerechnet, dass sie selbst einmal persönlich von der schlechten Wirtschaftslage betroffen sein würde. Aber möglicherweise gab es schon bald eine arbeitslose Drehbuchautorin mehr. Sie massierte sich den Nacken.
Dann blätterte sie weiter und trank von ihrem längst kalt gewordenen Kaffee. Dabei hätte sie sich fast verschluckt. „Scheidung im Fall Harmon ausgesprochen. Sorgerecht für Tochter noch unklar", las sie. Und darunter prangte ein Foto von Jeff Harmon.
„Oh nein", murmelte Andrea. Sie musste gegen den heftigen Impuls ankämpfen, die Zeitung zusammenzuknüllen und in den Papierkorb zu werfen. Zehn Jahre alte Gefühle wallten in ihr auf, eine Mischung aus Schmerz und Schuldbewusstsein, aus Enttäuschung, Liebe und Verlassenheit. Und wie immer, wenn sie Jeffs Bild sah, kamen all die Erinnerungen mit Macht zurück.
Wie weit weg dieser Sommer ihrer Liebe doch war.
Andrea vergaß die Zeit, als sie den Artikel über Jeffs Scheidung überflog. Ihre Kehle wurde eng, und ihre grünen Augen verschleierten sich. Wie vertraut ihr doch die Formulierungen waren - brillanter junger Anwalt ... Einheirat in wohlhabende, einflussreiche Familie ... kurze Amtszeit als Gouverneur ... umstrittene Abdankung ... skandalöse Vergangenheit ...
„Andrea?" Das war Katie Argus. „Beeil dich. Die Besprechung ist in fünf Minuten."
Andrea hob den Kopf. „Ich bin gleich so weit." Sie schlug die Zeitung zu. Würde dieser Schmerz denn nie ein Ende haben? Würde die Vergangenheit sie immer wieder einholen? Sie dachte daran, wie sie und Jeff sich im warmen Regen am Strand geliebt hatten, spürte den rauen Sand wieder unter den bloßen Füßen, hörte das schrille Schreien der Möwen, die das Rauschen der Brandung so mühelos übertönten.
Sie holte tief Atem und zwang sich, sich ihren unmittelbaren Problemen zuzuwenden.
Die Luft in dem kleinen Konferenzraum hing voller Rauchschwaden. Die Stimmung war nervös. Die anderen Mitarbeiter von Coral Productions hatten sich schon um den Tisch versammelt.
Andrea lächelte Katie, der zweiten Frau im Autorenteam, schwach zu.
„Alles in Ordnung?", fragte Katie ein wenig besorgt. „Du bist blass."
„Vermutlich die Nerven", gab Andrea zurück.
„Die sind wohl bei allen ein bisschen strapaziert", meinte Katie.
„Bei mir nicht", behauptete Jack Masters und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Aber die tiefe Falte auf seiner Stirn strafte ihn Lügen. „Ich kann schließlich nichts dafür, wenn Nicole Jamison in Die Macht des Stolzes so danebenbesetzt ist. Sie wirkt in der Rolle ungefähr so unschuldig wie Mata Hari."
„Und genauso alt", murmelte Katie.
Die Tür ging auf, und Bryce Cawthorne, früher Schauspieler und jetzt Besitzer von Coral Productions, kam herein. Ohne jede Einleitung zitierte er die Einschaltquoten der drei von Coral derzeit produzierten Serien.
„Es sieht so aus, als würden alle drei abgesetzt." Bryce rieb sich den Nacken. Er wirkte angespannt. „Wir können uns keinen einzigen Flop mehr leisten. Unsere einzige Chance scheint jetzt eine wöchentliche Interviewserie mit Prominenten zu sein. ITV ist sehr daran interessiert."
„Und an welche Art von Interviewpartnern hast du da gedacht?", erkundigte Katie sich.
Bryce lehnte sich zurück und sah zur Decke hinauf. „Ich muss mir das alles noch genau durch den Kopf gehen lassen. Es sollten natürlich Leute sein, die Emotionen wecken. Jemand wie Sonda Wickfield, zum Beispiel."
„Die ihren Liebhaber erschossen hat?"
„Ja. Oder vielleicht diese Countrysängerin, die eine Affäre mit einem spanischen Adligen hatte." Bryce erwärmte sich langsam für das Thema.
„Also Leute, die man in den Klatschspalten findet", stellte Andrea trocken fest.
„Ich versuche dem Publikum zu geben, was es haben will, und auf dem Gebiet ist noch viel zu holen."
„Bryce hat recht", sagte Jack. „Es gibt eine Menge Prominenter, über deren Privatleben die Leute gern mehr wüssten. Ich stelle mir zum Beispiel Jeff Harmon vor." Er hob dieselbe Ausgabe der Lokalzeitung hoch, die auch Andrea auf ihrem Schreibtisch liegen hatte. „Das wäre der Knüller."
„Genau!", sagte Bryce. „Harmon ist das Paradebeispiel dafür. Was meinst du, Andrea?"
„Was?" Die Röte stieg ihr ins Gesicht. „Na ja, wahrscheinlich ist die Idee ganz gut."
„Aber sie gefällt dir offenbar trotzdem nicht." Bryce sah sie forschend an.
„Doch, doch. Es müsste nur eine wirklich interessante Persönlichkeit sein ..."
„Das ist der springende Punkt. Und ich glaube, Jeff Harmon wäre ideal. Vielleicht sollten wir mit ihm anfangen", schlug Jack vor. Er pochte mit einer etwas theatralischen Geste auf die Zeitung. „Scheidungen interessieren jeden."
Andrea holte tief Atem. „Heutzutage doch nicht mehr", widersprach sie.
„Solche Scheidungen schon. Könnt ihr euch nicht mehr an die Aufregung um Harmon und diese Studentin vor zehn Jahren erinnern?"
„Aber das ist doch Schnee von gestern!", erklärte Andrea verärgert.
Bryce seufzte. „Ich werde sehen, was ich erreiche. Wenn wir die Chance bekommen, diese Prominentenserie zu machen, werden wir es tun." Er sah seine Mitarbeiter der Reihe nach an. „Für heute sind wir fertig. Ihr könnt nach Hause gehen."
Er hielt Andrea noch zurück, während die anderen den Raum verließen. „Bedrückt dich irgendetwas, von dem ich nichts weiß?" Er sah sie besorgt an. „Kann ich dir helfen?"
„Nein." Wie hätte sie ihm von sich und Jeff erzählen können?
„Sicher?" Sie hatte ihn nicht überzeugt.
„Ich mache mir einfach Sorgen um die Firma."
Als sie hinausgingen, fiel Andrea zum ersten Mal bewusst auf, wie sehr Bryce in den letzten Jahren gealtert war.
Vor ihrem kleinen Büro blieb er stehen. „Wolltest du nicht drei Wochen Urlaub machen?"
„Ja. Aber ich kann auch hierbleiben, wenn es dir lieber ist ..."
Bryce hob die Hand. „Nein, nein. Ein Urlaub täte uns allen jetzt wahrscheinlich gut. Und wenn das mit der neuen Sendung klappt, bist du ja in jedem Fall wieder rechtzeitig hier." Er hob grüßend die Hand. „Lass es dir gut gehen. Aber lass deine Adresse da, damit ich dich im Notfall erreichen kann." Damit verließ er sie.
Andrea nahm ihre Tasche und die Zeitung. Sie wusste jetzt schon, dass sie heute Abend wieder einmal an den Sommer denken würde, den sie mit Jeff geteilt hatte, bevor sie sich schließlich so bitter getrennt hatten.
2. KAPITEL
Das Läuten des Telefons riss Andrea aus ihren Gedanken. Sie saß mit einer Tasse Tee am Fenster ihres Elternhauses und sah in den düsteren Novemberhimmel hinaus.
Sie war erst sechs Tage hier auf Vancouver Island und erwartete keine Anrufe. Ihre Eltern hatten sich erst gestern Abend aus Hawaii gemeldet.
Sie hob ab. „Hallo?"
„Hallo. Deine Stimme klingt ja ganz so, als täten dir die Ferien gut." Das war Bryce.
Andrea spürte, dass sie nervös wurde. Wenn Bryce anrief, musste es einen wichtigen Grund haben. „Was gibt es?"
„Ich habe unsere Idee mit den Prominenteninterviews verkauft - zunächst einmal fünf Sendungen, und wenn sie beim Publikum ankommen, dann werden noch einmal zehn produziert."
„Wunderbar." Andrea spielte mit der Telefonschnur. Sie ahnte, dass das noch nicht alles war. „Soll ich zurückkommen?"
„Nein." Bryce machte eine kleine Pause. Jetzt kommt es, dachte Andrea. „Einige Interviewpartner haben wir schon gefunden. Die meisten haben gleich zugesagt, bis auf die eine oder andere Ausnahme."
Andrea holte tief Atem. „Damit meinst du vermutlich Jeff Harmon."
„Wie hast du das erraten?"
„Warum hättest du sonst angerufen?", gab Andrea zurück. „Du hast in Erfahrung gebracht, dass Harmon sich hier in der Nähe aufhält."
„Nun, ja. Ich denke mir, solche Zufälle sollte man nutzen. Das Problem ist, dass wir den Mann nicht erreichen können. Ich hatte gehofft, dass es für dich vielleicht leichter ist, dich mit ihm in Verbindung zu setzen."
„Ich kann mir kaum vorstellen, dass er sehr angetan ist, wenn ich plötzlich vor seiner Tür stehe. Warum nehmen wir nicht jemand anderen? Harmon will ganz offenbar seine Ruhe."
„Genau darum geht es. Er gibt keine Interviews und schottet sich ganz ab - deshalb sind die Leute ja so wild darauf, etwas zu erfahren. Sie wollen einfach wissen, was mit ihm los ist."
„Ich soll ihn zu einem Interview überreden?", fragte Andrea benommen.
„Nein, nein. Du sollst nur dafür sorgen, dass er sich mit mir in Verbindung setzt."
Andreas Kehle war trocken geworden. „Ich werde es natürlich versuchen", sagte sie zögernd. „Aber ich bezweifle, dass ich etwas erreiche."
„Wer weiß. Es ist jedenfalls ein glücklicher Zufall, dass du gerade in seiner Nähe bist. Das ist unsere ganz große Chance."
Andrea legte den Hörer langsam auf. Wenn Bryce wüsste, dachte sie und nippte an ihrem lauwarmen Tee.
Im Grunde hatte sie nie aufgehört, Jeff zu lieben. Wie oft hatte sie Fotos von Jeff und seiner wunderschönen Frau in der Zeitung gesehen und sich gewünscht, sie selbst wäre diese Frau an seiner Seite? Wie oft hatte sie nachts wach gelegen und sich nach ihm gesehnt? Natürlich gönnte sie ihm sein Glück, aber sie konnte das Gefühl nicht loswerden, dass sie selbst um dieses Glück betrogen worden war. Wie hatte sie seine Frau beneidet!
Über die Jahre hatte der Schmerz nachgelassen. Aber die Entscheidung, ob sie wohl stark genug war, Jeff wiederzusehen, fiel ihr sehr schwer.
Kurz entschlossen stellte sie ihre Teetasse ab und wählte die Telefonnummer, die sie nie vergessen hatte. Kein Anschluss. Eine halbe Stunde versuchte sie die telefonische Auskunft zu erreichen, kam aber nicht durch. Würde Jeff überhaupt mit ihr sprechen wollen? Oder würde er sie, wie schon einmal, zurückweisen? Und wie würde sie damit zurechtkommen?
Andrea schlüpfte in ihren Wettermantel. Sie spürte kein bisschen die Kälte und den eisigen Wind, der vom Meer kam und durch die Straßen der Stadt pfiff. Obwohl sie sich einredete, dass sie Jeff nur aufsuchte, weil Bryce sich auf sie verließ, wusste sie insgeheim doch, dass es ihr in Wahrheit nur darum ging, ihn wiederzusehen.
Sie lief zum Hafen hinunter, in der Hoffnung, einen Fischer zu finden, der sie gegen entsprechende Bezahlung zu Jeffs Privatinsel hinüberfuhr. Sie hatte Glück.
Es regnete in Strömen, und Andrea band das nasse Haar mit einem Lederband im Nacken zusammen. Es war lange her, seit sie auf der Insel gewesen war. Damals hatten die Margeriten und Rhododendronbüsche geblüht, jetzt wirkte die Insel, die vor ihr aus dem stürmischen Meer auftauchte, grau und abweisend.
Die Erinnerungen an die glücklichste Zeit ihres Lebens, die ein so abruptes Ende gefunden hatte, holten Andrea ein. Die Insel wirkte plötzlich feindlich auf sie. Was wollte sie hier eigentlich? Einen winzigen Moment lang war sie versucht, den Fischer umkehren zu lassen, aber dieser Moment ging vorüber.
Andrea überredete den Fischer, eine Stunde auf sie zu warten, um sie dann wieder aufs Festland zurückzubringen.
Sie kletterte die Holztreppe hinauf, die vom Strand über die Klippen zum Inselinneren führte. Oben drehte sie sich noch einmal um und sah auf das Meer zurück. Weiße Gischt schlug an den Strand und die Felsen. Sie hätte nicht herkommen sollen. Aber jetzt konnte sie nicht mehr zurück.
Sie hastete den windgepeitschten, nassen Weg entlang. Vor dem alten Haus mit seinen Giebeln und Türmchen und Bleiglasfenstern blieb sie noch einmal stehen. Sie zögerte noch einen winzigen Moment, dann eilte sie zu der dicken Doppeltür und klopfte kräftig dagegen.
© MIRA Taschenbuch
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Autoren-Porträt von Lisa Jackson
Lisa Jackson arbeitete nach ihrem Studium für eine Bank, bevor sie das Schreiben für sich entdeckte. Mittlerweile haben die Romane der New York Times-Bestellerautorin weltweit eine begeisterte Leserschaft gefunden. Lisa Jackson lebt im Nordwesten der USA.
Bibliographische Angaben
- Autor: Lisa Jackson
- 2012, 1. Aufl., 368 Seiten, Maße: 12,5 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Heike Warth, Martin Hillebrand
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 3862784827
- ISBN-13: 9783862784820
- Erscheinungsdatum: 13.11.2012
Rezension zu „Was gestern war. Begierde und Betrug “
Gefährlich sexy - ein Muss für Romantic-Thriller-Fans!"RT Bookclub"Wer Stories mit Spannung und viel Sex-Appeal liebt, liegt bei Lisa Jackson goldrichtig!"RT Book Reviews
Kommentar zu "Was gestern war. Begierde und Betrug"
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