Was ist der Mensch?
Die Entdeckung der Natur des Geistes
Was die Neurowissenschaft wirklich zu sagen hat - und was nichtDie Fortschritte der Wissenschaft scheinen unser Welt- und Selbstbild immer wieder zu erschüttern. Waren es in den vergangenen Jahrhunderten die Lehren von Kopernikus, Darwin oder Freud,...
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Produktinformationen zu „Was ist der Mensch? “
Was die Neurowissenschaft wirklich zu sagen hat - und was nicht
Die Fortschritte der Wissenschaft scheinen unser Welt- und Selbstbild immer wieder zu erschüttern. Waren es in den vergangenen Jahrhunderten die Lehren von Kopernikus, Darwin oder Freud, die für fundamentale "Kränkungen" des Menschen verantwortlich gemacht wurden, so sind es heute die Erkenntnisse der Neurowissenschaft, die unser menschliches Selbstverständnis nachhaltig in Frage stellen. Doch worum geht es bei diesen Auseinandersetzungen wirklich? Erliegen die Teilnehmer der aktuellen Debatte um das Bewusstsein und den freien Willen, den uns manche Hirnforscher absprechen möchten, nicht einem grundlegenden Missverständnis? Michael Pauen erzählt die spannende Geschichte eines Jahrhunderte alten Scheinkonflikts und zeigt, dass die Erkenntnisse der Neurowissenschaften uns nicht bedrohen, sondern - ganz im Gegenteil - das Verständnis für zentrale menschliche Fähigkeiten verbessern.
* Warum die aktuelle Hirnforschung kein neues Menschenbild erzwingt
* Widerlegung der Mythen von der "Kränkung" des menschlichen Selbstverständnisses durch Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschung
* Auswege aus einem vermeintlich unlösbaren Widerspruch zwischen Natur- und Geisteswissenschaften
"Ein flüssiger Stil, interessante Beschreibungen und detaillierte Erklärungen laden nicht nur zum Lesen ein, sondern auch dazu künftige Entwicklungen mit Interesse zu verfolgen."
Ö1
"Pauens Darstellung überzeugt durch ihre Kombination von historischen und systematischen Argumenten."
Die Welt
Klappentext zu „Was ist der Mensch? “
Was die Neurowissenschaft wirklich zu sagen hat und was nicht. Die Fortschritte der Wissenschaft scheinen unser Welt- und Selbstbild immer wieder zu erschüttern. Waren es in den vergangenen Jahrhunderten die Lehren von Kopernikus, Darwin oder Freud, die für fundamentale »Kränkungen« des Menschen verantwortlich gemacht wurden, so sind es heute die Erkenntnisse der Neurowissenschaft, die unser menschliches Selbstverständnis nachhaltig in Frage stellen. Doch worum geht es bei diesen Auseinandersetzungen wirklich? Erliegen die Teilnehmer der aktuellen Debatte um das Bewusstsein und den freien Willen, den uns manche Hirnforscher absprechen möchten, nicht einem grundlegenden Missverständnis? Michael Pauen erzählt die spannende Geschichte eines Jahrhundert alten Scheinkonflikts und zeigt, dass die Erkenntnisse der Neurowissenschaften uns nicht bedrohen, sondern ganz im Gegenteil, das Verständnis für zentrale menschliche Fähigkeiten verbessern. Warum die aktuelle Hirnforschung kein neuesMenschenbild erzwingt, Widerlegung der Mythen von der »Kränkung« des menschlichen Selbstverständnisses durch Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschung, Auswege aus einem vermeintlich unlösbaren Widerspruch zwischen Natur und Geisteswissenschaften.
Die Fortschritte der Wissenschaft scheinen unser Welt- und Selbstbild immer wieder zu erschüttern. Waren es in den vergangenen Jahrhunderten die Lehren von Kopernikus, Darwin oder Freud, die für fundamentale "Kränkungen" des Menschen verantwortlich gemacht wurden, so sind es heute die Erkenntnisse der Neurowissenschaft, die unser menschliches Selbstverständnis nachhaltig in Frage stellen. Doch worum geht es bei diesen Auseinandersetzungen wirklich? Erliegen die Teilnehmer der aktuellen Debatte um das Bewusstsein und den freien Willen, den uns manche Hirnforscher absprechen möchten, nicht einem grundlegenden Missverständnis? Michael Pauen erzählt die spannende Geschichte eines Jahrhunderte alten Scheinkonflikts und zeigt, dass die Erkenntnisse der Neurowissenschaften uns nicht bedrohen, sondern - ganz im Gegenteil - das Verständnis für zentrale menschliche Fähigkeiten verbessern.
• Warum die aktuelle Hirnforschung kein neues Menschenbild erzwingt
• Widerlegung der Mythen von der "Kränkung" des menschlichen Selbstverständnisses durch Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschung
• Auswege aus einem vermeintlich unlösbaren Widerspruch zwischen Natur- und Geisteswissenschaften
• Warum die aktuelle Hirnforschung kein neues Menschenbild erzwingt
• Widerlegung der Mythen von der "Kränkung" des menschlichen Selbstverständnisses durch Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschung
• Auswege aus einem vermeintlich unlösbaren Widerspruch zwischen Natur- und Geisteswissenschaften
Lese-Probe zu „Was ist der Mensch? “
Neurowissenschaften und Selbstverst ndnisKaum eine andere Wissenschaft hat in den letzten Jahren soviel ffentliche Aufmerksamkeit erregt wie die Hirnforschung, und es spricht alles daf r, dass dies auch in den kommenden Jahren nicht viel anders sein wird. Der Grund liegt auf der Hand: Die Hirnforschung befasst sich mit den nat rlichen Grundlagen derjenigen F higkeiten, die uns als Menschen auszeichnen. Ihre Erkenntnisse haben daher einen wesentlich engeren Bezug zu unserem Selbstverst ndnis als die der klassischen Naturwissenschaften. Es mag sogar so aussehen, als w rde die Entdeckung der Natur des Geistes uns erstmals eine wissenschaftliche Antwort auf eine unserer ltesten Fragen liefern: Was ist der Mensch?
Diese Aussicht erweckt Interesse, aber sie ruft auch ngste wach: Wird eine wissenschaftliche, gar eine naturwissenschaftliche Antwort auf diese Frage nicht zu einer Degradierung des Menschen f hren? M ssen wir nicht erwarten, dass damit unser tradiertes Selbstverst ndnis tiefgreifend revidiert werden muss?
Der Grund f r diese ngste liegt offenbar in einem prinzipiellen Konflikt: W hrend wir n mlich auf der einen Seite davon ausgehen, dass es in unserer Welt mit rechten naturwissenschaftlichen Dingen zugeht, neigen wir andererseits zu der Vorstellung, dass uns zentrale menschliche F higkeiten wie Bewusstsein, Selbstbewusstsein und Willensfreiheit autonom auch gegen ber der Natur machen: Wie kann man noch von Bewusstsein sprechen, wenn die Naturwissenschaft in unserem Gehirn nur die Aktivit ten einfacher Nervenzellen findet? Wie kann man an der Existenz eines Ich festhalten, wenn weder die Psychologie noch die Neurowissenschaft irgendeinen Beleg f r ein solches Ich finden? Schlie lich: Welchen Ort soll die Willensfreiheit in einer Welt haben, die vollst ndig von Naturgesetzen determiniert wird?
Abgesehen davon scheinen es die spezifische W rde des Menschen und seine besonderen F higkeiten gar nicht zuzulassen, dass bei ihm eben die Mechanismen
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wirksam sind, die die nichtmenschliche, ja die unbelebte Natur beherrschen. Das aber w rde bedeuten, dass im Gehirn Dinge passieren m ssten, die einer wissenschaftlichen Erkl rung prinzipiell entzogen sind.
Offenbar geraten wir hier in ein grundlegendes Dilemma von Naturalismus und Menschenbild: Entweder man gibt wichtige Teile unserer wissenschaftlichen Erkl rungsanspr che auf und akzeptiert, dass es prinzipiell nicht m glich ist, die nat rlichen Grundlagen einiger f r unser Selbstverst ndnis zentraler menschlicher Eigenschaften zu verstehen, oder man h lt an den wissenschaftlichen Erkl rungs- und Verst ndnisanspr chen fest und stellt im Gegenzug die Realit t jener f r unser Selbstverst ndnis zentralen Eigenschaften in Frage. Die Folgen k nnen dramatisch sein: Der Hirnforscher Wolf Singer etwa prognostiziert einen "Frontalangriff auf unser Selbstverst ndnis und unsere Menschenw rde" mit weitreichenden Konsequenzen zum Beispiel f r unser Rechtssystem, aber auch f r den allt glichen Umgang miteinander.
Singers Zitat l sst erkennen, dass nicht nur die Verteidiger traditionalistischer Vorstellungen von der Unvereinbarkeit von Wissenschaft und Menschenbild berzeugt sind: Auch die - eher aus den Naturwissenschaften stammenden Skeptiker - glauben an diesen Gegensatz. Uneins sind sich Verteidiger und Skeptiker in einem anderen Punkt: W hrend die Verteidiger traditionalistischer Auffassungen der Ansicht sind, dass die Wissenschaften fr her oder sp ter an eine Grenze sto en werden, die den Angriff auf unser Menschenbild stoppen wird, gehen die naturwissenschaftlichen Skeptiker von dem Erfolg ihres Programms und damit von einer unvermeidlichen Revision unseres Menschenbildes aus.
Eine Geschichte der Kr nkungen?
Die neurowissenschaftliche Forschung unserer Tage w rde sich damit l ckenlos einer Entwicklung einf gen, die bereits vor mehr als einem Jahrhundert von Friedrich Nietzsche beobachtet worden ist:
"Ach, der Glaube an seine [des Menschen; M. P.] W rde, Einzigkeit, Unersetzlichkeit in der Rangabfolge der Wesen ist dahin - er ist Thier geworden, Thier, ohne Gleichniss, Abzug und Vorbehalt. ... Seit Kopernikus scheint der Mensch auf eine schiefe Ebene gerathen - er rollt immer schneller nunmehr aus dem Mittelpunkte weg - wohin? in's Nichts? ... alle Wissenschaft, ... ist heute darauf aus, dem Menschen seine bisherige Achtung vor sich auszureden, wie als ob dieselbe nichts als ein bizarrer Eigend nkel gewesen sei."
Nietzsche artikuliert eine bis heute sehr weit verbreitete Vorstellung, die immer wieder in den unterschiedlichsten Variationen wiederholt worden ist. Ihr zufolge f hrt die Entwicklung der Wissenschaften sp testens seit dem Zerbrechen des Ptolem ischen Weltbildes zu einer fortw hrenden Degradierung des Menschen. Sigmund Freud wird wenig sp ter von einer Geschichte der "Kr nkungen" des menschlichen Narzissmus durch Kopernikus, Darwin und insbesondere durch seine, Freuds eigene Theorie sprechen.
Tr fen diese Vorstellungen zu, dann w ren wir l ngst in dem von Nietzsche prognostizierten "Nichts" angekommen und die immensen Fortschritte, die gerade die Wissenschaften vom Menschen seither erzielt haben, h tten uns jegliche Achtung vor uns selbst ausgetrieben. Genau dies ist jedoch nicht der Fall: Die Kopernikanische Kr nkung ist ein reiner Mythos, und auch von einer Kr nkung durch Darwin und die moderne Biologie kann keine Rede sein. In Wirklichkeit hat sich unser Menschenbild in seinen Grundz gen als erstaunlich stabil erwiesen, ja es sieht so aus, als h tte sich das Bewusstsein der besonderen menschlichen W rde seit Nietzsche trotz aller R ckschl ge eher noch verst rkt. In jedem Falle haben wir uns zumindest soviel Achtung und W rde bewahrt, dass die Prognose ihres Verlusts bis heute f r erregte Diskussionen sorgen kann.
Tats chlich, so lautet die zentrale These dieses Buches, beruht die Vorstellung eines Dilemmas von Naturalismus und Menschenbild auf einem prinzipiellen Missverst ndnis, ich werde im Folgenden von einem "naturalistischen Missverst ndnis" sprechen. Es gibt also keinen prinzipiellen Konflikt zwischen Naturalismus und Menschenbild - ganz im Gegenteil: Weit entfernt davon, die zentralen menschlichen F higkeiten in Frage zu stellen, erkl rt der Naturalismus nur, wie sie zustande kommen. Die Entdeckung der Natur des Geistes verschafft uns die Aussicht auf ein besseres Verst ndnis der f r uns zentralen F higkeiten. Das bedeutet auch, dass der Unterschied zwischen dem Menschen und der au ermenschlichen Natur durch eine wissenschaftliche Erkl rung nicht etwa nivelliert wird, vielmehr helfen uns die Wissenschaften, diesen Unterschied besser zu erfassen.
Ein historisches Argument
St tzen kann sich diese Behauptung zun chst einmal auf historische Beobachtungen. Bis weit ins 19. Jahrhundert gelten naturalistische Erkl rungen wichtiger menschlicher F higkeiten als ausgeschlossen; stattdessen beruft man sich auf bernat rliche Urspr nge. Das Leben verdankte sich einer speziellen Lebenskraft, der h here Rang des Menschen gegen ber dem Tier wurde darauf zur ckgef hrt, dass der Mensch in einem eigenen Akt von Gott geschaffen worden sei, und die geistigen F higkeiten des Menschen wurden als das Produkt einer immateriellen Seelensubstanz betrachtet.
Die Fortschritte in Biologie und Hirnforschung f hren dazu, dass praktisch alle diese Auffassungen innerhalb des 19. Jahrhunderts aufgegeben werden m ssen. H tte Nietzsche Recht, dann h tte es damit auch zu einer fundamentalen Revision des Menschenbildes und zu einer Degradierung des Menschen kommen m ssen. Genau dies ist jedoch ganz offensichtlich nicht geschehen: Unser Menschenbild hat sich gegen ber dem des fr hen 19. Jahrhunderts nicht grundlegend ge ndert, und wenn es sich ge ndert hat, dann ist es allenfalls anspruchsvoller geworden. In jedem Falle aber halten wir fest an den prinzipiellen Unterschieden zwischen Steinen, Tieren und Menschen. Was sich ver ndert hat, sind nicht die Unterscheidungen selbst, sondern die Erkl rungen f r diese Unterschiede: Wir bem hen keine bernat rlichen Urspr nge mehr, sondern beziehen uns auf wissenschaftliche Theorien ber die zugrundeliegenden nat rlichen Prozesse, die uns im Allgemeinen zu einem besseren Verst ndnis der fraglichen F higkeiten f hren.
Im Grunde ist dies nicht weiter verwunderlich: Wie h tten sich die Theorien von Biologie und Hirnforschung etablieren sollen, wenn sie keine angemessenen Erkl rungen f r die zentralen menschlichen F higkeiten geliefert h tten? Solche Erkl rungen treten zwar an die Stelle der tradierten Berufung auf bernat rliche Urspr nge, doch die Existenz der zu erkl renden F higkeiten d rften sie kaum in Frage stellen: Eine Theorie, die die Existenz des Lebens abstreitet, h tte sich schwerlich als Erkl rung f r die vitalen F higkeiten von Organismen etablieren k nnen.
Mehr noch. Offenbar sind biologische Erkl rungen der Unterschiede zwischen Lebewesen und unbelebten Objekten in der Regel informativer als etwa der Verweis auf die Lebenskraft ; hnliches gilt f r die Seele oder einen g ttlichen Sch pfungsakt. Solche bernat rlichen Merkmale liefern nur auf den ersten Blick klare Unterscheidungskriterien, tats chlich ist ihr Erkl rungswert denkbar gering.
Wenn die Naturwissenschaften uns also zu einem besseren Verst ndnis der relevanten Unterschiede f hren, dann entf llt der Grund f r die Annahme, diese Wissenschaften st nden in einem prinzipiellen Konfliktverh ltnis zu unserem Menschenbild. Damit kl rt sich das naturalistische Missverst ndnis: Die Annahme eines prinzipiellen Gegensatzes von Naturalismus und Menschenbild ist einfach falsch.
Die bisherige Geistes- und Wissenschaftsgeschichte bietet also offenbar keinen ernsthaften Ansatz f r die Annahme einer prinzipiellen Unvereinbarkeit von Naturalismus und Menschenbild. Die Auseinandersetzung mit dieser Geschichte zeigt aber, wie der Eindruck einer solchen Unvereinbarkeit und damit das naturalistische Missverst ndnis zustande kommen kann: Solange angemessene naturalistische Theorien ber die Grundlagen zentraler menschlicher F higkeiten nicht nur faktisch fehlen, sondern au erhalb des Vorstellungsbereiches liegen, muss der R ckgriff auf bernat rliche Erkl rungen einfach sehr naheliegend erscheinen. Dann aber weckt der Naturalismus, der solche bernat rlichen Erkl rungen bestreitet, fast zwangsl ufig den Verdacht, er negiere auch die Existenz dieser F higkeiten. So muss man den Eindruck haben, dass La Mettrie mit seiner These vom Menschen als einer Maschine die geistigen F higkeiten in Frage stelle, die die Theoretiker des 17. und 18. Jahrhundert auf eine immaterielle Seele zur ckgef hrt hatten: Maschinen verf gen nun einmal nicht ber geistige F higkeiten.
Entscheidend ist, dass sich die Grenzen naturalistischer Erkl rungen innerhalb der Wissenschaftsgeschichte verschieben. Der wissenschaftliche Fortschritt f hrt immer wieder zur Entwicklung von Erkl rungsans tzen, die wenige Generationen zuvor nicht vorstellbar waren. Sobald angemessene naturalistische Theorien f r bestimmte F higkeiten verf gbar werden, l st sich der Gegensatz von Naturalismus und Menschenbild zumindest f r diese F higkeiten auf - meist allerdings nur, um an einer anderen Stelle wieder aufzutauchen.
Ein systematisches Argument
Nat rlich lassen sich die historischen Beobachtungen nicht ohne weiteres auf die Gegenwart bertragen: Wir k nnen nicht davon ausgehen, dass sich die Grenzen auch weiterhin immer weiter verschieben und das naturalistische Missverst ndnis sich auch in Zukunft immer wieder aufl sen wird. Es mag sein, dass einige der f r uns zentralen geistigen und volitionalen, also willensbezogenen Eigenschaften prinzipiell nicht auf nat rliche Prozesse zur ckzuf hren sind, und zwar ganz unabh ngig von allen historisch bedingten Einschr nkungen unseres Vorstellungsverm gens.
Ausr umen l sst sich das Missverst ndnis nur durch eine systematische Auseinandersetzung, die zeigt, dass solche prinzipiellen Schwierigkeiten nicht existieren. Wohlgemerkt: Auch dies bedeutet nicht, dass das naturalistische Projekt erfolgreich sein wird; es hei t nur, dass es keine prinzipiellen Gr nde gibt, die einen solchen Erfolg ausschlie en. Im Folgenden m chte ich die Kernpunkte eines solchen systematischen Argumentes am Beispiel der
Willensfreiheit kurz skizzieren.
Das Problem der Willensfreiheit bildet zweifellos einen der Schwerpunkte der Diskussion ber die Grenzen des Naturalismus. Vertreter traditionalistischer Auffassungen gehen ebenso wie viele Neurobiologen davon aus, dass nur solche Handlungen frei sind, die nicht durch Naturgesetze und nat rliche Prozesse determiniert sind. Ein Zur ckf hren freier Handlungen auf nat rliche Prozesse scheidet f r sie aus. Wenn sich unsere Handlungen beziehungsweise die ihnen zugrunde liegenden neuronalen Prozesse naturalistisch erkl ren lassen, sind wir nicht frei, sind wir dagegen frei, gibt es keine umfassenden naturalistischen Erkl rungen. So behauptet der Kognitionsforscher Wolfgang Prinz, dass die "Idee eines freien menschlichen Willens ... mit wissenschaftlichen berlegungen prinzipiell nicht zu vereinbaren" sei.
Zur Diskussion stehen hier die Ma st be, die man sinnvollerweise auf freie Handlungen anwenden kann. Die von Prinz und vielen anderen vertretene Position unterstellt die Unvereinbarkeit von Freiheit und Determination, doch diese Unterstellung wird sich als unzutreffend herausstellen. Freiheit l sst sich am besten als Selbstbestimmung verstehen, und Selbstbestimmung wird durch Determination nicht eingeschr nkt. Eine Aufhebung der Determination f hrt immer nur zu einer Zunahme von Zufall und damit zur Abnahme der Selbstbestimmung: Wenn eine Handlung nicht determiniert ist, dann kann sie auch nicht durch den Handelnden determiniert sein. Je geringer das Ma an Determination, desto h her das Ma an Zufall und desto geringer der Einfluss des Handelnden. Der Gegensatz von Freiheit und Determination l st sich damit auf: Es kommt nicht darauf an, ob eine Handlung determiniert ist, entscheidend ist vielmehr, wie sie determiniert ist. Ist sie durch den Handelnden selbst bestimmt, dann ist sie selbstbestimmt und damit frei.
Der Konflikt von Naturalismus und Menschenbild entf llt auch an dieser Stelle. hnliches, so werde ich in diesem Buch zeigen, gilt f r die beiden anderen Brennpunkte der gegenw rtigen Debatte: Zum einen geht es dabei um das Problem des Bewusstseins, insbesondere des sogenannten ph nomenalen Bewusstseins. Es wird sich herausstellen, dass es die oftmals behauptete prinzipielle Kluft zwischen den qualitativen Eigenschaften von Gef hlen oder Farbempfindungen einerseits und unseren neurobiologischen Erkl rungen andererseits nicht gibt. Zum zweiten geht es um das Problem von Selbst und Selbstbewusstsein: Irren wir uns nicht ganz gewaltig, wenn wir uns ein "Ich" zuschreiben? Die Antwort lautet: Wir irren uns nicht! Tats chlich k nnen wir den Fortschritt naturalistischer Erkl rungen auch in diesen F llen beruhigt abwarten, ohne eine fundamentale Revision unseres Menschenbildes bef rchten zu m ssen.
Praktische Folgen
Will man die Konsequenzen der Neurowissenschaften f r unser Selbstverst ndnis beurteilen, dann muss man auch die praktischen Folgen ber cksichtigen.
Praktische Konsequenzen ergeben sich insbesondere aus Anwendungen der neurowissenschaftlichen Forschung in der Medizin, der Pharmakologie und der Neuroprothetik. Schon heute sind Neuroimplantate und Neuroprothesen verf gbar, die den Ausfall bestimmter Hirnaktivit ten kompensieren k nnen. Neben technischen Weiterentwicklungen auf diesen Gebieten ist auch zu erwarten, dass mit steigenden Kenntnissen ber neurochemische Zusammenh nge auch wirksamere Psychopharmaka verf gbar werden. Probleme resultieren vor allem aus der Verwendung dieser Pr parate durch Gesunde: Medikamente, die zur Bek mpfung von kognitiven Defiziten entwickelt wurden, k nnen n mlich von gesunden Personen zur Steigerung ihrer kognitiven Leistungsf higkeit verwendet werden. Dies geschieht in gr erem Ausma e heute bereits mit Ritalin, einem Medikament, das vor allem zur Bek mpfung der Hyperaktivit t von Kindern eingesetzt wird.
Ich werde einige Vorschl ge machen, um einen akzeptablen Gebrauch solcher Hilfsmittel und Medikamente von Formen des Missbrauchs abzugrenzen. Eine zentrale Rolle wird dabei der Begriff der Person spielen.
Auch diese weitreichenden praktischen Konsequenzen zeigen noch einmal, dass wir es bei den Fortschritten der Hirnforschung mit einem substantiellen Umbruch zu tun haben - hnlich wie er sich mit der Entwicklung der Biologie im 19. Jahrhundert vollzogen hat.
Es ist nicht weiter verwunderlich, dass solche Umbr che Bef rchtungen ausl sen und dass die Protagonisten der Ver nderungen mit weitreichenden und zum Teil spektakul ren Prognosen auftreten. Die Ank ndigung der Befreiung von langgehegten Illusionen, aber auch die Rede von tiefgreifenden Kr nkungen, die der bislang in seinen selbstverliebten Illusionen befangene Mensch von den Wissenschaften zu erwarten hat, geh ren seit einem Jahrhundert zur Rhetorik der Auseinandersetzungen, die solche Umbr che begleiten.
Tats chlich hat es solche grundlegenden Kr nkungen in der Vergangenheit nicht gegeben, und nichts spricht daf r, dass wir uns in Zukunft auf sie einstellen m ssen: Der behauptete Gegensatz von Naturalismus und Menschenbild existiert einfach nicht. Nat rlich werden wir unsere Vorstellungen von uns selbst in einigen Punkten korrigieren und ver ndern m ssen. Insgesamt ist jedoch zu erwarten, dass wir Zug um Zug besser verstehen werden, welche Motive uns antreiben, welche Mechanismen unserem Selbstbewusstsein zugrunde liegen und wie sich bewusste von unbewussten Prozessen unterscheiden. M glich ist ein solches Verst ndnis nur, wenn wir ein gemeinsames Bezugssystem haben, in das wir die f r den Menschen charakteristischen F higkeiten ebenso einordnen k nnen wie alle anderen Naturph nomene. Die Unterschiede werden dadurch nicht aufgehoben - ganz im Gegenteil: Unterschiede k nnen erst in einer verst ndlichen Weise expliziert werden, wenn wir ber ein solches gemeinsames Bezugssystem verf gen.Die endg ltige Antwort auf die Frage, was der Mensch ist, wird also noch weiter auf sich warten lassen. Besonders beunruhigend ist dies nicht, weil wenig daf r spricht, dass unsere bisherigen Vorstellungen von uns selbst irgendwann einmal fundamental revidiert werden m ssten. Das liegt auch daran, dass diese Vorstellungen nicht einfach eine sch ne Erfindung sind, sondern das h rteste Experiment ber sich ergehen lassen mussten, das man sich denken kann: unser allt gliches Handeln. W re unser Menschenbild wirklich so verfehlt wie oft behauptet, dann m ssten wir immer wieder scheitern, wenn wir uns und unsere Mitmenschen als verantwortungsf hige, bewusste und selbstbewusste Subjekte behandeln. Dies ist jedoch nicht der Fall. Im Allgemeinen bew hren sich diese Annahmen erstaunlich gut, ja, es sieht so aus, als h tten sie in den letzten Jahren sogar noch weiter an Bedeutung gewonnen.
Offenbar geraten wir hier in ein grundlegendes Dilemma von Naturalismus und Menschenbild: Entweder man gibt wichtige Teile unserer wissenschaftlichen Erkl rungsanspr che auf und akzeptiert, dass es prinzipiell nicht m glich ist, die nat rlichen Grundlagen einiger f r unser Selbstverst ndnis zentraler menschlicher Eigenschaften zu verstehen, oder man h lt an den wissenschaftlichen Erkl rungs- und Verst ndnisanspr chen fest und stellt im Gegenzug die Realit t jener f r unser Selbstverst ndnis zentralen Eigenschaften in Frage. Die Folgen k nnen dramatisch sein: Der Hirnforscher Wolf Singer etwa prognostiziert einen "Frontalangriff auf unser Selbstverst ndnis und unsere Menschenw rde" mit weitreichenden Konsequenzen zum Beispiel f r unser Rechtssystem, aber auch f r den allt glichen Umgang miteinander.
Singers Zitat l sst erkennen, dass nicht nur die Verteidiger traditionalistischer Vorstellungen von der Unvereinbarkeit von Wissenschaft und Menschenbild berzeugt sind: Auch die - eher aus den Naturwissenschaften stammenden Skeptiker - glauben an diesen Gegensatz. Uneins sind sich Verteidiger und Skeptiker in einem anderen Punkt: W hrend die Verteidiger traditionalistischer Auffassungen der Ansicht sind, dass die Wissenschaften fr her oder sp ter an eine Grenze sto en werden, die den Angriff auf unser Menschenbild stoppen wird, gehen die naturwissenschaftlichen Skeptiker von dem Erfolg ihres Programms und damit von einer unvermeidlichen Revision unseres Menschenbildes aus.
Eine Geschichte der Kr nkungen?
Die neurowissenschaftliche Forschung unserer Tage w rde sich damit l ckenlos einer Entwicklung einf gen, die bereits vor mehr als einem Jahrhundert von Friedrich Nietzsche beobachtet worden ist:
"Ach, der Glaube an seine [des Menschen; M. P.] W rde, Einzigkeit, Unersetzlichkeit in der Rangabfolge der Wesen ist dahin - er ist Thier geworden, Thier, ohne Gleichniss, Abzug und Vorbehalt. ... Seit Kopernikus scheint der Mensch auf eine schiefe Ebene gerathen - er rollt immer schneller nunmehr aus dem Mittelpunkte weg - wohin? in's Nichts? ... alle Wissenschaft, ... ist heute darauf aus, dem Menschen seine bisherige Achtung vor sich auszureden, wie als ob dieselbe nichts als ein bizarrer Eigend nkel gewesen sei."
Nietzsche artikuliert eine bis heute sehr weit verbreitete Vorstellung, die immer wieder in den unterschiedlichsten Variationen wiederholt worden ist. Ihr zufolge f hrt die Entwicklung der Wissenschaften sp testens seit dem Zerbrechen des Ptolem ischen Weltbildes zu einer fortw hrenden Degradierung des Menschen. Sigmund Freud wird wenig sp ter von einer Geschichte der "Kr nkungen" des menschlichen Narzissmus durch Kopernikus, Darwin und insbesondere durch seine, Freuds eigene Theorie sprechen.
Tr fen diese Vorstellungen zu, dann w ren wir l ngst in dem von Nietzsche prognostizierten "Nichts" angekommen und die immensen Fortschritte, die gerade die Wissenschaften vom Menschen seither erzielt haben, h tten uns jegliche Achtung vor uns selbst ausgetrieben. Genau dies ist jedoch nicht der Fall: Die Kopernikanische Kr nkung ist ein reiner Mythos, und auch von einer Kr nkung durch Darwin und die moderne Biologie kann keine Rede sein. In Wirklichkeit hat sich unser Menschenbild in seinen Grundz gen als erstaunlich stabil erwiesen, ja es sieht so aus, als h tte sich das Bewusstsein der besonderen menschlichen W rde seit Nietzsche trotz aller R ckschl ge eher noch verst rkt. In jedem Falle haben wir uns zumindest soviel Achtung und W rde bewahrt, dass die Prognose ihres Verlusts bis heute f r erregte Diskussionen sorgen kann.
Tats chlich, so lautet die zentrale These dieses Buches, beruht die Vorstellung eines Dilemmas von Naturalismus und Menschenbild auf einem prinzipiellen Missverst ndnis, ich werde im Folgenden von einem "naturalistischen Missverst ndnis" sprechen. Es gibt also keinen prinzipiellen Konflikt zwischen Naturalismus und Menschenbild - ganz im Gegenteil: Weit entfernt davon, die zentralen menschlichen F higkeiten in Frage zu stellen, erkl rt der Naturalismus nur, wie sie zustande kommen. Die Entdeckung der Natur des Geistes verschafft uns die Aussicht auf ein besseres Verst ndnis der f r uns zentralen F higkeiten. Das bedeutet auch, dass der Unterschied zwischen dem Menschen und der au ermenschlichen Natur durch eine wissenschaftliche Erkl rung nicht etwa nivelliert wird, vielmehr helfen uns die Wissenschaften, diesen Unterschied besser zu erfassen.
Ein historisches Argument
St tzen kann sich diese Behauptung zun chst einmal auf historische Beobachtungen. Bis weit ins 19. Jahrhundert gelten naturalistische Erkl rungen wichtiger menschlicher F higkeiten als ausgeschlossen; stattdessen beruft man sich auf bernat rliche Urspr nge. Das Leben verdankte sich einer speziellen Lebenskraft, der h here Rang des Menschen gegen ber dem Tier wurde darauf zur ckgef hrt, dass der Mensch in einem eigenen Akt von Gott geschaffen worden sei, und die geistigen F higkeiten des Menschen wurden als das Produkt einer immateriellen Seelensubstanz betrachtet.
Die Fortschritte in Biologie und Hirnforschung f hren dazu, dass praktisch alle diese Auffassungen innerhalb des 19. Jahrhunderts aufgegeben werden m ssen. H tte Nietzsche Recht, dann h tte es damit auch zu einer fundamentalen Revision des Menschenbildes und zu einer Degradierung des Menschen kommen m ssen. Genau dies ist jedoch ganz offensichtlich nicht geschehen: Unser Menschenbild hat sich gegen ber dem des fr hen 19. Jahrhunderts nicht grundlegend ge ndert, und wenn es sich ge ndert hat, dann ist es allenfalls anspruchsvoller geworden. In jedem Falle aber halten wir fest an den prinzipiellen Unterschieden zwischen Steinen, Tieren und Menschen. Was sich ver ndert hat, sind nicht die Unterscheidungen selbst, sondern die Erkl rungen f r diese Unterschiede: Wir bem hen keine bernat rlichen Urspr nge mehr, sondern beziehen uns auf wissenschaftliche Theorien ber die zugrundeliegenden nat rlichen Prozesse, die uns im Allgemeinen zu einem besseren Verst ndnis der fraglichen F higkeiten f hren.
Im Grunde ist dies nicht weiter verwunderlich: Wie h tten sich die Theorien von Biologie und Hirnforschung etablieren sollen, wenn sie keine angemessenen Erkl rungen f r die zentralen menschlichen F higkeiten geliefert h tten? Solche Erkl rungen treten zwar an die Stelle der tradierten Berufung auf bernat rliche Urspr nge, doch die Existenz der zu erkl renden F higkeiten d rften sie kaum in Frage stellen: Eine Theorie, die die Existenz des Lebens abstreitet, h tte sich schwerlich als Erkl rung f r die vitalen F higkeiten von Organismen etablieren k nnen.
Mehr noch. Offenbar sind biologische Erkl rungen der Unterschiede zwischen Lebewesen und unbelebten Objekten in der Regel informativer als etwa der Verweis auf die Lebenskraft ; hnliches gilt f r die Seele oder einen g ttlichen Sch pfungsakt. Solche bernat rlichen Merkmale liefern nur auf den ersten Blick klare Unterscheidungskriterien, tats chlich ist ihr Erkl rungswert denkbar gering.
Wenn die Naturwissenschaften uns also zu einem besseren Verst ndnis der relevanten Unterschiede f hren, dann entf llt der Grund f r die Annahme, diese Wissenschaften st nden in einem prinzipiellen Konfliktverh ltnis zu unserem Menschenbild. Damit kl rt sich das naturalistische Missverst ndnis: Die Annahme eines prinzipiellen Gegensatzes von Naturalismus und Menschenbild ist einfach falsch.
Die bisherige Geistes- und Wissenschaftsgeschichte bietet also offenbar keinen ernsthaften Ansatz f r die Annahme einer prinzipiellen Unvereinbarkeit von Naturalismus und Menschenbild. Die Auseinandersetzung mit dieser Geschichte zeigt aber, wie der Eindruck einer solchen Unvereinbarkeit und damit das naturalistische Missverst ndnis zustande kommen kann: Solange angemessene naturalistische Theorien ber die Grundlagen zentraler menschlicher F higkeiten nicht nur faktisch fehlen, sondern au erhalb des Vorstellungsbereiches liegen, muss der R ckgriff auf bernat rliche Erkl rungen einfach sehr naheliegend erscheinen. Dann aber weckt der Naturalismus, der solche bernat rlichen Erkl rungen bestreitet, fast zwangsl ufig den Verdacht, er negiere auch die Existenz dieser F higkeiten. So muss man den Eindruck haben, dass La Mettrie mit seiner These vom Menschen als einer Maschine die geistigen F higkeiten in Frage stelle, die die Theoretiker des 17. und 18. Jahrhundert auf eine immaterielle Seele zur ckgef hrt hatten: Maschinen verf gen nun einmal nicht ber geistige F higkeiten.
Entscheidend ist, dass sich die Grenzen naturalistischer Erkl rungen innerhalb der Wissenschaftsgeschichte verschieben. Der wissenschaftliche Fortschritt f hrt immer wieder zur Entwicklung von Erkl rungsans tzen, die wenige Generationen zuvor nicht vorstellbar waren. Sobald angemessene naturalistische Theorien f r bestimmte F higkeiten verf gbar werden, l st sich der Gegensatz von Naturalismus und Menschenbild zumindest f r diese F higkeiten auf - meist allerdings nur, um an einer anderen Stelle wieder aufzutauchen.
Ein systematisches Argument
Nat rlich lassen sich die historischen Beobachtungen nicht ohne weiteres auf die Gegenwart bertragen: Wir k nnen nicht davon ausgehen, dass sich die Grenzen auch weiterhin immer weiter verschieben und das naturalistische Missverst ndnis sich auch in Zukunft immer wieder aufl sen wird. Es mag sein, dass einige der f r uns zentralen geistigen und volitionalen, also willensbezogenen Eigenschaften prinzipiell nicht auf nat rliche Prozesse zur ckzuf hren sind, und zwar ganz unabh ngig von allen historisch bedingten Einschr nkungen unseres Vorstellungsverm gens.
Ausr umen l sst sich das Missverst ndnis nur durch eine systematische Auseinandersetzung, die zeigt, dass solche prinzipiellen Schwierigkeiten nicht existieren. Wohlgemerkt: Auch dies bedeutet nicht, dass das naturalistische Projekt erfolgreich sein wird; es hei t nur, dass es keine prinzipiellen Gr nde gibt, die einen solchen Erfolg ausschlie en. Im Folgenden m chte ich die Kernpunkte eines solchen systematischen Argumentes am Beispiel der
Willensfreiheit kurz skizzieren.
Das Problem der Willensfreiheit bildet zweifellos einen der Schwerpunkte der Diskussion ber die Grenzen des Naturalismus. Vertreter traditionalistischer Auffassungen gehen ebenso wie viele Neurobiologen davon aus, dass nur solche Handlungen frei sind, die nicht durch Naturgesetze und nat rliche Prozesse determiniert sind. Ein Zur ckf hren freier Handlungen auf nat rliche Prozesse scheidet f r sie aus. Wenn sich unsere Handlungen beziehungsweise die ihnen zugrunde liegenden neuronalen Prozesse naturalistisch erkl ren lassen, sind wir nicht frei, sind wir dagegen frei, gibt es keine umfassenden naturalistischen Erkl rungen. So behauptet der Kognitionsforscher Wolfgang Prinz, dass die "Idee eines freien menschlichen Willens ... mit wissenschaftlichen berlegungen prinzipiell nicht zu vereinbaren" sei.
Zur Diskussion stehen hier die Ma st be, die man sinnvollerweise auf freie Handlungen anwenden kann. Die von Prinz und vielen anderen vertretene Position unterstellt die Unvereinbarkeit von Freiheit und Determination, doch diese Unterstellung wird sich als unzutreffend herausstellen. Freiheit l sst sich am besten als Selbstbestimmung verstehen, und Selbstbestimmung wird durch Determination nicht eingeschr nkt. Eine Aufhebung der Determination f hrt immer nur zu einer Zunahme von Zufall und damit zur Abnahme der Selbstbestimmung: Wenn eine Handlung nicht determiniert ist, dann kann sie auch nicht durch den Handelnden determiniert sein. Je geringer das Ma an Determination, desto h her das Ma an Zufall und desto geringer der Einfluss des Handelnden. Der Gegensatz von Freiheit und Determination l st sich damit auf: Es kommt nicht darauf an, ob eine Handlung determiniert ist, entscheidend ist vielmehr, wie sie determiniert ist. Ist sie durch den Handelnden selbst bestimmt, dann ist sie selbstbestimmt und damit frei.
Der Konflikt von Naturalismus und Menschenbild entf llt auch an dieser Stelle. hnliches, so werde ich in diesem Buch zeigen, gilt f r die beiden anderen Brennpunkte der gegenw rtigen Debatte: Zum einen geht es dabei um das Problem des Bewusstseins, insbesondere des sogenannten ph nomenalen Bewusstseins. Es wird sich herausstellen, dass es die oftmals behauptete prinzipielle Kluft zwischen den qualitativen Eigenschaften von Gef hlen oder Farbempfindungen einerseits und unseren neurobiologischen Erkl rungen andererseits nicht gibt. Zum zweiten geht es um das Problem von Selbst und Selbstbewusstsein: Irren wir uns nicht ganz gewaltig, wenn wir uns ein "Ich" zuschreiben? Die Antwort lautet: Wir irren uns nicht! Tats chlich k nnen wir den Fortschritt naturalistischer Erkl rungen auch in diesen F llen beruhigt abwarten, ohne eine fundamentale Revision unseres Menschenbildes bef rchten zu m ssen.
Praktische Folgen
Will man die Konsequenzen der Neurowissenschaften f r unser Selbstverst ndnis beurteilen, dann muss man auch die praktischen Folgen ber cksichtigen.
Praktische Konsequenzen ergeben sich insbesondere aus Anwendungen der neurowissenschaftlichen Forschung in der Medizin, der Pharmakologie und der Neuroprothetik. Schon heute sind Neuroimplantate und Neuroprothesen verf gbar, die den Ausfall bestimmter Hirnaktivit ten kompensieren k nnen. Neben technischen Weiterentwicklungen auf diesen Gebieten ist auch zu erwarten, dass mit steigenden Kenntnissen ber neurochemische Zusammenh nge auch wirksamere Psychopharmaka verf gbar werden. Probleme resultieren vor allem aus der Verwendung dieser Pr parate durch Gesunde: Medikamente, die zur Bek mpfung von kognitiven Defiziten entwickelt wurden, k nnen n mlich von gesunden Personen zur Steigerung ihrer kognitiven Leistungsf higkeit verwendet werden. Dies geschieht in gr erem Ausma e heute bereits mit Ritalin, einem Medikament, das vor allem zur Bek mpfung der Hyperaktivit t von Kindern eingesetzt wird.
Ich werde einige Vorschl ge machen, um einen akzeptablen Gebrauch solcher Hilfsmittel und Medikamente von Formen des Missbrauchs abzugrenzen. Eine zentrale Rolle wird dabei der Begriff der Person spielen.
Auch diese weitreichenden praktischen Konsequenzen zeigen noch einmal, dass wir es bei den Fortschritten der Hirnforschung mit einem substantiellen Umbruch zu tun haben - hnlich wie er sich mit der Entwicklung der Biologie im 19. Jahrhundert vollzogen hat.
Es ist nicht weiter verwunderlich, dass solche Umbr che Bef rchtungen ausl sen und dass die Protagonisten der Ver nderungen mit weitreichenden und zum Teil spektakul ren Prognosen auftreten. Die Ank ndigung der Befreiung von langgehegten Illusionen, aber auch die Rede von tiefgreifenden Kr nkungen, die der bislang in seinen selbstverliebten Illusionen befangene Mensch von den Wissenschaften zu erwarten hat, geh ren seit einem Jahrhundert zur Rhetorik der Auseinandersetzungen, die solche Umbr che begleiten.
Tats chlich hat es solche grundlegenden Kr nkungen in der Vergangenheit nicht gegeben, und nichts spricht daf r, dass wir uns in Zukunft auf sie einstellen m ssen: Der behauptete Gegensatz von Naturalismus und Menschenbild existiert einfach nicht. Nat rlich werden wir unsere Vorstellungen von uns selbst in einigen Punkten korrigieren und ver ndern m ssen. Insgesamt ist jedoch zu erwarten, dass wir Zug um Zug besser verstehen werden, welche Motive uns antreiben, welche Mechanismen unserem Selbstbewusstsein zugrunde liegen und wie sich bewusste von unbewussten Prozessen unterscheiden. M glich ist ein solches Verst ndnis nur, wenn wir ein gemeinsames Bezugssystem haben, in das wir die f r den Menschen charakteristischen F higkeiten ebenso einordnen k nnen wie alle anderen Naturph nomene. Die Unterschiede werden dadurch nicht aufgehoben - ganz im Gegenteil: Unterschiede k nnen erst in einer verst ndlichen Weise expliziert werden, wenn wir ber ein solches gemeinsames Bezugssystem verf gen.Die endg ltige Antwort auf die Frage, was der Mensch ist, wird also noch weiter auf sich warten lassen. Besonders beunruhigend ist dies nicht, weil wenig daf r spricht, dass unsere bisherigen Vorstellungen von uns selbst irgendwann einmal fundamental revidiert werden m ssten. Das liegt auch daran, dass diese Vorstellungen nicht einfach eine sch ne Erfindung sind, sondern das h rteste Experiment ber sich ergehen lassen mussten, das man sich denken kann: unser allt gliches Handeln. W re unser Menschenbild wirklich so verfehlt wie oft behauptet, dann m ssten wir immer wieder scheitern, wenn wir uns und unsere Mitmenschen als verantwortungsf hige, bewusste und selbstbewusste Subjekte behandeln. Dies ist jedoch nicht der Fall. Im Allgemeinen bew hren sich diese Annahmen erstaunlich gut, ja, es sieht so aus, als h tten sie in den letzten Jahren sogar noch weiter an Bedeutung gewonnen.
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Autoren-Porträt von Michael Pauen
Michael Pauen, Dr. phil. habil., geb. 1956 in Krefeld. Studium in Marburg, Frankfurt und Hamburg. Promotion 1989, Habilitation 1995. Visiting Professor am Institute for Advanced Study in Amherst, Massachusetts, und Fellow an der Cornell-University in Ithaca; New York. Fellow am Hanse-Wissenschaftskolleg, Bremen. 1997 Ernst-Bloch-Förderpreis. Z. Zt. Professurvertretung an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.
Bibliographische Angaben
- Autor: Michael Pauen
- 2007, 269 Seiten, Maße: 13,6 x 21,6 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: DVA
- ISBN-10: 3421042241
- ISBN-13: 9783421042248
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