Was mein Herz begehrt
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Was mein Herz begehrt von Lajos Zilahy
LESEPROBE
I.
Man schrieb den Monat September.Sieben Uhr abends.
Über den Hügeln von Ofen hörte manden Klang eines
Tarogato, der den Sommer zu verabschiedenschien.
An der Straßenecke stand ein jungerMann, auf seinen
Spazierstock gelehnt, rauchte eineZigarette und lauschte
der Musik. Hier angelangt, verspürteer auf einmal keine
Lust mehr, der Einladung des Doktorszum Tee zu folgen.
All die fremden Menschen, mit denener sich nichts zu sagen
hatte. Bekanntschaften dieser Artführen ja später
nur zu Peinlichkeiten in derStraßenbahn: Sollte man die
Dame im Samthut,die man beim Tee flüchtig kennen gelernt
hatte und der man nun gegenübersaß,grüßen oder
nicht? Grüßt man nicht, ist esunangenehm, grüßt man
aber, ist es noch unangenehmer. DieUnterhaltungen, die
sich in solchen Situationen ergeben,sind doch die reinste
Qual.
Der junge Mann lauschte dem weichenKlang des Tarogato
und dachte, es wäre vermutlichklüger, in der wunderbaren
Abenddämmerung durch die Hügel vonOfen zu
schlendern.
Er zerknüllte denStraßenbahnfahrschein, den er noch
immer in der Hand hielt, warf diePapierkugel in die Höhe
und schleuderte sie mit seinemSpazierstock wie einen
Schlagball durch die Luft.
Dann kehrte er um, spazierte dieStraße in die andere
Richtung hinunter und ließ das Hausdes Doktors hinter
sich zurück. Vor der Glastür einerApotheke machte er
Halt und rückte sich die Krawattezurecht. Aufmerksam
betrachtete er sein Gesicht. Eswirkte gleich auf den ersten
Blick angenehm und gewinnend. Diewarme Sonne
hatte die Haut braun gefärbt, diegraublauen Augen
leuchteten scharf und zugleichfröhlich, die Züge wirkten
ernst, das kastanienbraune, leichtgewellte Haar quoll
unter dem breitkrempigen Filzhuthervor, gerade Nase,
schmale Lippen, die Verschlossenheitvermuten ließen,
ein langer Hals, stolze Kopfhaltung.Der junge Mann
stand eine Weile vor dem schwarzenGlas der Apothekentür,
als wollte er sich fotografierenlassen. Schließlich
ging er gelangweilt weiter.
Er trug einen grauen Mantel, der -obwohl ein wenig abgetragen
- elegant wirkte. Seine ernsten,ruhigen Schritte
verrieten schon jetzt, wie er mitsechzig Jahren aussehen
würde: ein hagerer, feiner alterHerr, die Schultern etwas
gebeugt, derselbe gemessene Schrittwie heute. Vielleicht
würde er als Zeichen der Trauerschwarze Handschuhe
tragen. Man würde ihn Exzellenznennen, Herr Hofrat,
Herr Abgeordneter - das ganze Lebenlag schließlich
noch vor ihm, trug er doch einenDoktortitel und war derzeit
in der Rechtsabteilung eines großenBankhauses
tätig.
Seinen Spazierstock schwingend, kamer die sonntägliche
Fehérvári-Straße herunter. Dienstmädchen ingestärkten
Kattunröcken rauschten an ihmvorbei, Männer
rauchten in den Torbögen ihrePfeife, die Langeweile
eines Sonntagnachmittags lagglanzlos und lähmend über
der Straße.
Gegenüber der Brücke, wo einst dasalte Badehaus gestanden
hatte, verbargen hohe Planken denNeubau des
Hotels Gellértvor neugierigen Blicken. Péter sah durch
einen Spalt hindurch. Auf den frischaufgeworfenen Erdhaufen,
in den wie von Riesenhandaufgewühlten Gräben
lagen Balken und schmutzige Bretterherum, Werkzeuge
und Schubkarren bildeten ein wirresDurcheinander. Alles
erinnerte an lautes Treiben, an dasächzende Knirschen
schwer beladener Wagen, an Gehämmere, Staubwolken,
aufgewirbelt durch herabstürzendeHolzbalken.
Nun lag alles starr in dersonntäglichen Stille.
Péter versuchte, sich die Umrisse des neuentstehenden
Hotels vorzustellen. Er dachtedaran, dass es dort oben,
wo im Augenblick nur Wind und Sonneherrschten und
gerade ein paar zwitschernde Spatzenvorbeiflogen, bald
schon Zimmer geben würde, Betten,Teppiche, rauschende
Wasserleitungen, läutende Telefone.Gäste in Abendrobe
würden die Treppe herunterkommen,nackte Frauen in
weißen Wannen baden und Kellner imFrack mit beladenen
Tabletts durch die Gänge eilen.
»Merkwürdig«, dachte er, »hier, wojetzt nur der Wind
weht, werden bald schon Worte,Seufzer, Lachen zu hören
sein.«
Eine gewisse Gleichgültigkeitüberkam ihn, der er jetzt
nicht Herr zu werden vermochte.
Zwei kleine Jungen gingen an ihmvorbei. Der größere
der beiden trug eine lange Angelruteüber der Schulter,
der kleine, der kaum Schritt haltenkonnte, trippelte aufgeregt
hinterher. Sie verschwanden in einerSeitengasse,
gingen in Richtung des totenDonauarmes. Plötzlich verspürte
Péter den Wunsch, den Knaben zu folgen.Er erinnerte
sich an vergangene Sonntagnachmittage,an denen
ihn solche Ausflüge begeisterthatten. Er sah den Wald
vor sich, die dunklen,geheimnisvollen Nester in den vom
Blitz getroffenen kahlen Bäumen undhörte das Krächzen
der Krähen, er sah das lehmigeWasser des kleinen Flusses,
die goldgrünen Schatten der Weidenund meinte sogar,
das Glucksen des Schlamms in seinenlöchrigen
Schuhen zu hören.
All das währte nur einen Augenblick.Die Erinnerungen
verflüchtigten sich ebenso rasch,wie sie gekommen
waren. Mit krauser Stirn starrte ervor sich hin, verärgert
über sein Unvermögen, die Zeittotzuschlagen. Die Leere
und Sinnlosigkeit des Lebens wurdeihm plötzlich bewusst.
Als Gymnasiast hatte er es kaumerwarten können,
das Abitur hinter sich zu bringen,als Student hatte
er gehofft, dass sich ihm nach demExamen mit einem
Schlag sämtliche Türen öffnen würdenund dass sich hinter
ihnen Glanz, Frauen, Leidenschaftund ihm noch unbekannte
aufregende Dinge verbargen, die nurauf ihn
warteten.
Und jetzt stand er auf der Straßeund hatte weder Lust
noch Kraft, sich eine Zigaretteanzuzünden. Was würde
ihm das Leben noch bringen?
Vorgestern hatte er das deutscheKindermädchen der
Familie Binzim Stiegenhaus umarmt und geküsst. Das
betörend-süßliche Parfüm desMädchens lag immer noch
in der Luft. Er verdrängte denGedanken.
Seine Mutter wünschte sich eineSchwiegertochter.
Seit Monaten schwatzte sie wiezufällig mit Begeisterung
über ArankaVajnik und machte ihn damit nur nervös. Sie
war naiv genug zu glauben, ihm dasMädchen vorsichtig
einreden zu können. Sogar über ihreMitgift, die Anzahl
der Laken, wusste sie genauBescheid. Péter aber dachte
nur an ihren glänzenden, fettigenTeint und den misstrauischen,
stechenden Blick.
© Verlagsgruppe Random House
Übersetzung: Eta Neumann-Veithund Andrea Seidler
- Autor: Lajos Zilahy
- 2005, 542 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Diana
- ISBN-10: 345326519X
- ISBN-13: 9783453265196
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