Was mich am Leben stört
Mehr als 784 Gefühlsausbrüche
"Was mich am Leben stört, ist, dass es ein Wunschkonzert ist - nur ohne die Hits. Dass Brad Pitt selbst mit Windpocken und schwerer Fischvergiftung besser aussieht als ich nach zwölf Stunden Schönheitsschlaf. Dass intelligentes Waschmittel existiert, aber...
Leider schon ausverkauft
Taschenbuch
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Produktdetails
Produktinformationen zu „Was mich am Leben stört “
Klappentext zu „Was mich am Leben stört “
"Was mich am Leben stört, ist, dass es ein Wunschkonzert ist - nur ohne die Hits. Dass Brad Pitt selbst mit Windpocken und schwerer Fischvergiftung besser aussieht als ich nach zwölf Stunden Schönheitsschlaf. Dass intelligentes Waschmittel existiert, aber kein intelligentes Leben. Dass ich vom Verstand nur die 'Limited Edition' besitze. Dass ich bis auf mein Äußeres und meine inneren Werte absolut perfekt bin. Dass ich nicht sportlich sein, sondern nur so aussehen will. Dass meine Rache- und Todeslisten so viel Papierarbeit verursachen. Dass Verkäuferinnen immer zwei Oktaven höher mit mir reden als normal. Und dass es noch so viel mehr gibt, was mich am Leben stört ..."
Lese-Probe zu „Was mich am Leben stört “
Was mich am Leben stört von Lars LindigkeitWas mich am Leben stört, ist, dass sich nicht endlich jemand hinsetzt und all die kleinen, mittleren, großen und extragroßen Dinge aufschreibt, die am Leben stören. Ein solches Kompendium ist mehr als überfällig. Man könnte es in einem Rutsch von vorne bis hinten durchlesen, zu Hause oder unterwegs, man könnte auch einfach wild darin blättern, ob allein oder gemeinsam mit Freunden. Beim Lesen würde man zustimmend nicken oder mit dem Kopf schütteln, ob aus Widerspruch zur Behauptung oder nur angesichts der Abgründe, die sich in der offengelegten Seele des Autors auftun. Oder vielleicht lachen. In jedem Fall wäre alles, was am Leben stört, endlich vereint. Dass es ein solches Buch bislang nicht gibt, stört mich sehr.
Was mich am Leben stört, ist, dass ich mich gar nicht vorgestellt habe. Wie unhöflich von mir. Gestatten: Mein Name ist Lars. Gute Freunde nennen mich »Lars vom Mars«, »Lars gib Gas«, »Lars will Spaß« oder »Lindigkeit Geschwindigkeit«. Gute Feinde einfach nur: »Lars«. In diesem Punkt sind mir Letztere weit sympathischer.
Was mich am Leben stört, ist, dass Brad Pitt selbst mit Windpocken und schwerer Fischvergiftung immer noch tausendmal attraktiver aussähe als ich nach zwölf Stunden Schönheitsschlaf. Gerecht ist diese Natur nicht. Aber das hatte sie vermutlich auch nie vor.
Was mich am Leben stört, ist, dass ich jeden Tag mindestens einmal darüber nachdenke, wie unglaublich es ist, dass unser Herz aus dem Nichts heraus schlägt, immer weiter und weiter, ohne Pause, Millionen über Millionen Mal. Das geht doch gar nicht. Ich habe große Angst, dass mein Herz das irgendwann auch mal merkt.
... mehr
Was mich am Leben stört, sind Typen, die sich von meinen stattlichen 1,90 Meter in ihrer Sicht eingeschränkt wähnen und den Spruch bringen: »Ist dein Vater Glaser?« Nein, ist er nicht. Ist dein Vater Gehirnchirurg? Auch nicht? Na also. Ich schätze, dann kann keiner unserer beiden Väter richten, was wir uns vom jeweils anderen wünschen.
Was mich am Leben stört, ist, dass ich nie lügen mag, wenn mich jemand fragt: »Wie geht's dir?« Darum antworte ich stets ganz ehrlich: »Wie immer!« Das ist ein guter Trick.
Was mich am Leben stört, ist, dass ich kein Vierschanzentournee- Springer bin. Dann hätte ich die beste Ausrede der Welt, kein Silvester feiern zu müssen, schließlich müsste ich am nächsten Morgen beim Neujahrsspringen ausgeschlafen und topfit sein, um all die verkaterten Zuschauer zu Hause an den Fernsehgeräten mit einem grandiosen Sprung zu erfreuen. Und das täte ich gerne. Jedes Jahr aufs Neue liefert Silvester den Zeitraffer unseres ganzen verdammten Seins an nur einem einzigen Abend: Du gehst mit völlig überhöhten Erwartungen hinein - und verlässt am Ende umso enttäuschter die Party. Böse Menschen, packt schon mal den Sekt ein. In der Hölle feiern sie Silvester täglich.
Was mich am Leben stört, ist, dass ich nicht Meier oder Müller heiße, sondern Lindigkeit. Ich bestellte früher oft was bei Smileys, dem Bringdienst meines Vertrauens. Irgendwann kam ein neuer Liefertyp die Treppen hoch, blieb vor mir stehen und musterte mich stumm. Die Plastiktüte mit meinem Essen baumelte in seiner Hand, er machte keine Anstalten, sie mir zu überreichen. Nach gefühlten Stunden fragte ich: »Äh ... ist was?« Daraufhin deutete er auf seinen Smileys-Ausweis an der roten Jacke: Der Kerl hieß »Lutz Lindigkeit«. Gibt's ja gar nicht. Und nun? Unsicher, wie ich angemessen zu reagieren habe, schüttelte ich ihm geschäftspartnerisch die Hand. »Wir sind aber nicht irgendwie verwandt, oder?«, fragte ich bescheuert. Er: »Doch, bestimmt!« Er starrte mich immer noch an, anstatt mir endlich mein Essen zu geben. Ich las es in seinen erwartungsvoll leuchtenden Augen: Lutz Lindigkeit erwartete von Lars Lindigkeit, dass dieser ihn in seine Wohnung bittet, damit sie bei einer Tasse heißem Kakao gemeinsam unter der Sofadecke das Lindigkeit-Stammbuch studieren könnten. Eines ist klar: Wenn Meiers auf Meiers treffen oder Müllers auf Müllers, passiert so was nicht. Ich möchte keine Familienzusammenführung, nur weil ich einen selteneren Nachnamen trage. Ich möchte nur meinen Hühnerbrustsalat mit Joghurt-Dressing. Den habe ich am Ende auch bekommen. Weil Blut dicker ist als Wasser, knallte ich Lutz Lindigkeit die Tür ein klein wenig sanfter vor der Nase zu als anderen Smileys-Fahrern. Seitdem bestelle ich bei Joey's.
Was mich am Leben stört, ist, dass mir lange das amtliche Beispiel für ein sogenanntes »Erste-Welt- Problem« fehlte. Gestern dann fragte im Supermarkt neben mir eine Frau die Verkäuferin: »Haben Sie auch organisches Bio-Katzenfutter?« Verkäuferin: »Nein, leider nicht.« Frau (traurig): »Schade. Dann muss ich weitersuchen.« Meine Beispielslücke in Sachen Erste-Welt-Problem? Geschlossen.
Was mich am Leben stört, ist, dass ich keinen Porno-Buddy habe. Der Porno-Buddy des Vertrauens kommt im Falle deines überraschenden Todes blitzschnell rüber, um die Pornofilm-Sammlung zu vernichten, bevor deine trauernden Eltern sie beim Ausräumen der Wohnung entdecken. Das ist ein Porno-Buddy. Habe ich nicht. Zumindest habe ich einen Kluge-Buddy. Der vernichtet im Falle meines unerwarteten Ablebens die dctp-Mitschnittsammlung von Alexander Kluge. Meine mich bitterlich beweinenden Eltern würde es das Herz brechen, nach meinem Tod zu erfahren, dass ich viele Jahre ein Doppelleben geführt habe und in Wahrheit schlau war. Vor allem, wenn sie gleich danach entdecken, womit ich dieses Talent vergeudet habe: mit Pornogucken.
Was mich am Leben stört, ist mein E-Mail-Passwort »fickhengst666«. Nicht grundsätzlich, nur das eine Mal, als ich es, internetlos gestrandet in der Pampa, meinem Vater am Telefon durchgeben musste, um an eine wichtige Nachricht zu gelangen. Ich habe ihm das Wort ganz langsam als Einzelbuchstaben diktiert, in der Hoffnung, es damit zur Unkenntlichkeit in seine atomaren Bestandteile zu zerlegen. Manchmal hofft man falsch im Leben.
Was mich am Leben stört, sind die Rauchmelder in meiner Wohnung. Eines Tages kamen auf Wunsch meines Vermieters fremde Männer mit grimmigem Blick und haben sie einfach angeschraubt. Ich war völlig wehrlos. Wenn ich jetzt nachts im Bett an die Decke starre, sehe ich die Rauchmelder blinken wie schamvoll errötete Glühwürmchen. Ich weiß: Vielleicht retten diese Rauchmelder mir irgendwann einmal das Leben. Wahrscheinlicher aber ist, dass sie nur den bedrohten Neun-Volt-Block vor dem Aussterben retten. Und ich kann ihretwegen kein Brathähnchen mehr machen. Das Eingebrannte in meinem Backofen qualmt so stark, dass die Rauchmelder beim Öffnen der Klappe anspringen. Einmal hat unter mir jemand die Feuerwehr gerufen, weil ich nicht schnell genug an die hohe Decke gekommen war, um die Batterien rauszureißen. Das war übel, denn da musste ich mein Brathähnchen mit den vergeblich angerückten Feuerwehrmännern teilen. Später lag ich mit knurrendem Magen wach im Bett und beobachtete über mir das Blinken der Rauchmelder, die mir das alles eingebrockt hatten. Da habe ich mich plötzlich gefragt, ob es wohl Ironie wäre, wenn in einer Rauchmelderfabrik die komplette Produktion verbrennt, weil in der Lagerhalle keine Rauchmelder installiert waren. Ich bin dann aufgestanden und habe die Definition von »Ironie« gegoogelt. Nein, wäre es nicht. Das wäre nur Pech. Aber irgendwie auch: wunderbar.
Was mich am Leben stört, ist, dass ich mir die zum Loft umgebaute Kirche nicht leisten kann, die neulich bei der Haspa als Immobilie aushing. Gott und ich - das wäre eine WG. Wobei: Ich fürchte, Gott ist der Typ Gott, der sich gerne vor dem Toilettenputzen drückt.
Was mich am Leben stört, sind Spaßvögel der traurigen Gestalt mit »S-EX«-Kennzeichen. Die ihre Karre extra in Stuttgart anmelden, nur für diesen Wahnsinnsbrüller. Zeit dazu besitzen deren Halter reichlich, denn Freunde haben sie keine. Das, was ihr Nummernschild propagiert, erst recht nicht. Das Kfz-Kennzeichen ist der verrußte Spiegel unserer Träume. Ich selbst besitze nur ein Fahrrad.
Was mich am Leben stört, ist, im Jahr 2000 kurz Aktienmillionär auf dem Papier gewesen zu sein und dann zu gierig zum Verkaufen. Herzlichen Dank, Neuer Markt. Das schmerzt bis heute so, als hätte die splitternackte Megan Fox mich zu sich ins Bett gebeten und ich wäre großkotzig aus dem Schlafzimmer stolziert mit den Worten: »Ach nee, lass stecken - ich warte, bis Angelina Jolie und Scarlett Johansson dazukommen.«
Was mich am Leben stört, ist dieses Mädchen aus Holland, das mit sechzehn Jahren die Welt umsegelt hat. Seinetwegen musste ich mich der Frage stellen: Was habe ich mit sechzehn gemacht? Zu Hause »Lustige Taschenbücher« gelesen. Heute auch noch. Frühlebensreifes Weltumsegler-Mädchen aus Holland: Du bist zu mir wie die gemeine kleine Schwester, die ich nie hatte.
Was mich am Leben stört, sind Eltern, die ihr Kind für hochbegabt halten, weil es nur Fünfen und Sechsen nach Hause bringt. Liebe Eltern: Bitte zieht die Möglichkeit in Betracht, dass sich euer kleiner Einstein oder eure kleine Marie Curie in der Schule vielleicht gar nicht langweilt, sondern einfach nur strunzblöd ist. Dafür muss man wirklich kein Genie sein.
Was mich am Leben stört, ist, dass ich kein Golden Retriever bin. Golden Retriever sehen alle gleich toll aus, jeder Einzelne von ihnen. Wir Menschen hingegen - von kompletter Häßlette bis überirdischer Beau alles dabei. Das Tierreich beweist: Das Ideal eines Schönheitssozialismus ist real umsetzbar. Aber eben nur, wenn man Golden Retriever ist. Ich hätte gerne einen, aber mir fehlt die Lust, zum Gassigehen morgens früh auf zustehen. Im Gegensatz zu diesem gesegneten Köter brauche ich meinen Schönheitsschlaf.
Was mich am Leben stört, sind die vielen Menschen, die mich für einen Idioten halten. Verdammte Schwarmintelligenz.
Was mich am Leben stört, sind die Kurznachrichten, die ich beim Warten am Gate sicherheitshalber vorbereite, falls ich gleich im Flugzeug abstürzen sollte. An meine Eltern: »Ich weiß, ich war kein guter Sohn, aber im nächsten Leben bei meinen nächsten Eltern mach ich alles wieder gut.« An meinen großen Bruder: »Sag Papa, er soll sein Handy anschalten, hab ne SMS geschrieben.« An meinen Steuerberater: »Vorsteueranmeldung eilt nicht.« An meine vergeblich Angebetete: »Ich fand deine blöden ›Maroon 5‹ in Wahrheit total scheiße.« An meinen besten Schulfreund: »Ich hab ja immer gesagt, ich sterbe früher.« An meinen Chef: »Endlich kann ich loswerden, was ich WIRKLICH von Ihnen halte - Sie waren echt ein gottverdammt arschlieber Boss! Danke für alles!!« An Bruce Springsteen: »Deine Mucke war schlicht, aber ich habe sie genossen. Und jetzt stürze ich ab. ONE, TWO, THREE, FOUR!« An den Piloten im Cockpit: »Du Pfeife.« Wenn ich meine vorbereiteten Kurznachrichten so durchgehe: Ich kann nicht ausschließen, dass ich dieses Ende verdient hätte.
Was mich am Leben stört, ist, dass der Weg leider nicht das Ziel ist. Sonst dürfte ich vor den Haustüren von Bekannten, die mich eingeladen haben, erleichtert wieder umdrehen.
Was mich am Leben stört, sind langweilige Menschen, die mich mit Geschichten über ihre noch langweiligere Verwandtschaft langweilen. Grobe Faustregel: Bitte fangt nur an zu erzählen, wenn eure Story endet mit den Worten: »... und dann hat die Polizei bei meinem Cousin all die abgetrennten Köpfe im Gefrierfach gefunden.«
Was mich am Leben stört, ist der Skype-Bleistift. Wenn ich mit einem Mädchen, das ich gut finde, über Skype chatte und es frage: »Wollen wir morgen ins Kino?«, dann erscheint oben neben ihrem Namen dieser kleine animierte Bleistift, der mir zeigt, dass sie gerade tippt. Den sehe ich manchmal ewig und plötzlich - pling! - steht bei mir: »ok«. Mehr nicht. Einfach nur »ok«. Dann weiß ich wegen des Stasi-Bleistifts ganz genau, dass dieses Mädchen, das ich wie eingangs erwähnt gut finde, eigentlich was viel Längeres geschrieben hat, sich aber in letzter Sekunde vor dem Senden umentschieden hat. Nämlich für: »ok«. Das ist doch arg verdächtig. Vermutlich stand bei ihr zuerst etwas ganz anderes wie: »Du, wir müssen reden. So geht das wirklich nicht weiter mit uns beiden. Ich weiß, du findest mich gut, aber ganz ehrlich: Ich finde dich scheiße. Nicht nur so mittel - wirklich richtig, richtig scheiße. Ins Kino möchte ich deshalb auch nicht mit dir, denn du stinkst und neben stinkenden Männern sitzen Frauen gerade im Kino eher ungern. Bitte tauch hier nie mehr auf, ruf nicht mehr an und hör vor allem auf, mich anzuskypen. Ach, du lässt es ja eh nicht von selbst, ich lösche jetzt diesen Account. Habe ein halbwegs erträgliches Leben im Rahmen deiner Möglichkeiten. Und wasch dich.« So etwas in dieser Richtung wird sie in ihre Tastatur gehackt haben, während ich auf der anderen Seite hilflos wartend dem tänzelnden Bleistift zuschauen musste. Dann aber hat das Mädchen, das ich gut finde, kurz innegehalten und gedacht: »Nee, das kann ich ihm nicht antun ... Ach, was soll's, irgendwie gehen selbst zwei Stunden Kino mit diesem stinkenden Iltis rum.« Da hat sie alles wieder gelöscht und neu getippt: »ok«. Und wäre da nicht dieser blöde Bleistift, hätte ich mich weiterhin der glückseligen Illusion hingeben können, zwischen uns liefe alles traumhaft. Skype- Bleier, du bist auf meiner Todesliste ganz oben.
Copyright © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main.
Was mich am Leben stört, sind Typen, die sich von meinen stattlichen 1,90 Meter in ihrer Sicht eingeschränkt wähnen und den Spruch bringen: »Ist dein Vater Glaser?« Nein, ist er nicht. Ist dein Vater Gehirnchirurg? Auch nicht? Na also. Ich schätze, dann kann keiner unserer beiden Väter richten, was wir uns vom jeweils anderen wünschen.
Was mich am Leben stört, ist, dass ich nie lügen mag, wenn mich jemand fragt: »Wie geht's dir?« Darum antworte ich stets ganz ehrlich: »Wie immer!« Das ist ein guter Trick.
Was mich am Leben stört, ist, dass ich kein Vierschanzentournee- Springer bin. Dann hätte ich die beste Ausrede der Welt, kein Silvester feiern zu müssen, schließlich müsste ich am nächsten Morgen beim Neujahrsspringen ausgeschlafen und topfit sein, um all die verkaterten Zuschauer zu Hause an den Fernsehgeräten mit einem grandiosen Sprung zu erfreuen. Und das täte ich gerne. Jedes Jahr aufs Neue liefert Silvester den Zeitraffer unseres ganzen verdammten Seins an nur einem einzigen Abend: Du gehst mit völlig überhöhten Erwartungen hinein - und verlässt am Ende umso enttäuschter die Party. Böse Menschen, packt schon mal den Sekt ein. In der Hölle feiern sie Silvester täglich.
Was mich am Leben stört, ist, dass ich nicht Meier oder Müller heiße, sondern Lindigkeit. Ich bestellte früher oft was bei Smileys, dem Bringdienst meines Vertrauens. Irgendwann kam ein neuer Liefertyp die Treppen hoch, blieb vor mir stehen und musterte mich stumm. Die Plastiktüte mit meinem Essen baumelte in seiner Hand, er machte keine Anstalten, sie mir zu überreichen. Nach gefühlten Stunden fragte ich: »Äh ... ist was?« Daraufhin deutete er auf seinen Smileys-Ausweis an der roten Jacke: Der Kerl hieß »Lutz Lindigkeit«. Gibt's ja gar nicht. Und nun? Unsicher, wie ich angemessen zu reagieren habe, schüttelte ich ihm geschäftspartnerisch die Hand. »Wir sind aber nicht irgendwie verwandt, oder?«, fragte ich bescheuert. Er: »Doch, bestimmt!« Er starrte mich immer noch an, anstatt mir endlich mein Essen zu geben. Ich las es in seinen erwartungsvoll leuchtenden Augen: Lutz Lindigkeit erwartete von Lars Lindigkeit, dass dieser ihn in seine Wohnung bittet, damit sie bei einer Tasse heißem Kakao gemeinsam unter der Sofadecke das Lindigkeit-Stammbuch studieren könnten. Eines ist klar: Wenn Meiers auf Meiers treffen oder Müllers auf Müllers, passiert so was nicht. Ich möchte keine Familienzusammenführung, nur weil ich einen selteneren Nachnamen trage. Ich möchte nur meinen Hühnerbrustsalat mit Joghurt-Dressing. Den habe ich am Ende auch bekommen. Weil Blut dicker ist als Wasser, knallte ich Lutz Lindigkeit die Tür ein klein wenig sanfter vor der Nase zu als anderen Smileys-Fahrern. Seitdem bestelle ich bei Joey's.
Was mich am Leben stört, ist, dass mir lange das amtliche Beispiel für ein sogenanntes »Erste-Welt- Problem« fehlte. Gestern dann fragte im Supermarkt neben mir eine Frau die Verkäuferin: »Haben Sie auch organisches Bio-Katzenfutter?« Verkäuferin: »Nein, leider nicht.« Frau (traurig): »Schade. Dann muss ich weitersuchen.« Meine Beispielslücke in Sachen Erste-Welt-Problem? Geschlossen.
Was mich am Leben stört, ist, dass ich keinen Porno-Buddy habe. Der Porno-Buddy des Vertrauens kommt im Falle deines überraschenden Todes blitzschnell rüber, um die Pornofilm-Sammlung zu vernichten, bevor deine trauernden Eltern sie beim Ausräumen der Wohnung entdecken. Das ist ein Porno-Buddy. Habe ich nicht. Zumindest habe ich einen Kluge-Buddy. Der vernichtet im Falle meines unerwarteten Ablebens die dctp-Mitschnittsammlung von Alexander Kluge. Meine mich bitterlich beweinenden Eltern würde es das Herz brechen, nach meinem Tod zu erfahren, dass ich viele Jahre ein Doppelleben geführt habe und in Wahrheit schlau war. Vor allem, wenn sie gleich danach entdecken, womit ich dieses Talent vergeudet habe: mit Pornogucken.
Was mich am Leben stört, ist mein E-Mail-Passwort »fickhengst666«. Nicht grundsätzlich, nur das eine Mal, als ich es, internetlos gestrandet in der Pampa, meinem Vater am Telefon durchgeben musste, um an eine wichtige Nachricht zu gelangen. Ich habe ihm das Wort ganz langsam als Einzelbuchstaben diktiert, in der Hoffnung, es damit zur Unkenntlichkeit in seine atomaren Bestandteile zu zerlegen. Manchmal hofft man falsch im Leben.
Was mich am Leben stört, sind die Rauchmelder in meiner Wohnung. Eines Tages kamen auf Wunsch meines Vermieters fremde Männer mit grimmigem Blick und haben sie einfach angeschraubt. Ich war völlig wehrlos. Wenn ich jetzt nachts im Bett an die Decke starre, sehe ich die Rauchmelder blinken wie schamvoll errötete Glühwürmchen. Ich weiß: Vielleicht retten diese Rauchmelder mir irgendwann einmal das Leben. Wahrscheinlicher aber ist, dass sie nur den bedrohten Neun-Volt-Block vor dem Aussterben retten. Und ich kann ihretwegen kein Brathähnchen mehr machen. Das Eingebrannte in meinem Backofen qualmt so stark, dass die Rauchmelder beim Öffnen der Klappe anspringen. Einmal hat unter mir jemand die Feuerwehr gerufen, weil ich nicht schnell genug an die hohe Decke gekommen war, um die Batterien rauszureißen. Das war übel, denn da musste ich mein Brathähnchen mit den vergeblich angerückten Feuerwehrmännern teilen. Später lag ich mit knurrendem Magen wach im Bett und beobachtete über mir das Blinken der Rauchmelder, die mir das alles eingebrockt hatten. Da habe ich mich plötzlich gefragt, ob es wohl Ironie wäre, wenn in einer Rauchmelderfabrik die komplette Produktion verbrennt, weil in der Lagerhalle keine Rauchmelder installiert waren. Ich bin dann aufgestanden und habe die Definition von »Ironie« gegoogelt. Nein, wäre es nicht. Das wäre nur Pech. Aber irgendwie auch: wunderbar.
Was mich am Leben stört, ist, dass ich mir die zum Loft umgebaute Kirche nicht leisten kann, die neulich bei der Haspa als Immobilie aushing. Gott und ich - das wäre eine WG. Wobei: Ich fürchte, Gott ist der Typ Gott, der sich gerne vor dem Toilettenputzen drückt.
Was mich am Leben stört, sind Spaßvögel der traurigen Gestalt mit »S-EX«-Kennzeichen. Die ihre Karre extra in Stuttgart anmelden, nur für diesen Wahnsinnsbrüller. Zeit dazu besitzen deren Halter reichlich, denn Freunde haben sie keine. Das, was ihr Nummernschild propagiert, erst recht nicht. Das Kfz-Kennzeichen ist der verrußte Spiegel unserer Träume. Ich selbst besitze nur ein Fahrrad.
Was mich am Leben stört, ist, im Jahr 2000 kurz Aktienmillionär auf dem Papier gewesen zu sein und dann zu gierig zum Verkaufen. Herzlichen Dank, Neuer Markt. Das schmerzt bis heute so, als hätte die splitternackte Megan Fox mich zu sich ins Bett gebeten und ich wäre großkotzig aus dem Schlafzimmer stolziert mit den Worten: »Ach nee, lass stecken - ich warte, bis Angelina Jolie und Scarlett Johansson dazukommen.«
Was mich am Leben stört, ist dieses Mädchen aus Holland, das mit sechzehn Jahren die Welt umsegelt hat. Seinetwegen musste ich mich der Frage stellen: Was habe ich mit sechzehn gemacht? Zu Hause »Lustige Taschenbücher« gelesen. Heute auch noch. Frühlebensreifes Weltumsegler-Mädchen aus Holland: Du bist zu mir wie die gemeine kleine Schwester, die ich nie hatte.
Was mich am Leben stört, sind Eltern, die ihr Kind für hochbegabt halten, weil es nur Fünfen und Sechsen nach Hause bringt. Liebe Eltern: Bitte zieht die Möglichkeit in Betracht, dass sich euer kleiner Einstein oder eure kleine Marie Curie in der Schule vielleicht gar nicht langweilt, sondern einfach nur strunzblöd ist. Dafür muss man wirklich kein Genie sein.
Was mich am Leben stört, ist, dass ich kein Golden Retriever bin. Golden Retriever sehen alle gleich toll aus, jeder Einzelne von ihnen. Wir Menschen hingegen - von kompletter Häßlette bis überirdischer Beau alles dabei. Das Tierreich beweist: Das Ideal eines Schönheitssozialismus ist real umsetzbar. Aber eben nur, wenn man Golden Retriever ist. Ich hätte gerne einen, aber mir fehlt die Lust, zum Gassigehen morgens früh auf zustehen. Im Gegensatz zu diesem gesegneten Köter brauche ich meinen Schönheitsschlaf.
Was mich am Leben stört, sind die vielen Menschen, die mich für einen Idioten halten. Verdammte Schwarmintelligenz.
Was mich am Leben stört, sind die Kurznachrichten, die ich beim Warten am Gate sicherheitshalber vorbereite, falls ich gleich im Flugzeug abstürzen sollte. An meine Eltern: »Ich weiß, ich war kein guter Sohn, aber im nächsten Leben bei meinen nächsten Eltern mach ich alles wieder gut.« An meinen großen Bruder: »Sag Papa, er soll sein Handy anschalten, hab ne SMS geschrieben.« An meinen Steuerberater: »Vorsteueranmeldung eilt nicht.« An meine vergeblich Angebetete: »Ich fand deine blöden ›Maroon 5‹ in Wahrheit total scheiße.« An meinen besten Schulfreund: »Ich hab ja immer gesagt, ich sterbe früher.« An meinen Chef: »Endlich kann ich loswerden, was ich WIRKLICH von Ihnen halte - Sie waren echt ein gottverdammt arschlieber Boss! Danke für alles!!« An Bruce Springsteen: »Deine Mucke war schlicht, aber ich habe sie genossen. Und jetzt stürze ich ab. ONE, TWO, THREE, FOUR!« An den Piloten im Cockpit: »Du Pfeife.« Wenn ich meine vorbereiteten Kurznachrichten so durchgehe: Ich kann nicht ausschließen, dass ich dieses Ende verdient hätte.
Was mich am Leben stört, ist, dass der Weg leider nicht das Ziel ist. Sonst dürfte ich vor den Haustüren von Bekannten, die mich eingeladen haben, erleichtert wieder umdrehen.
Was mich am Leben stört, sind langweilige Menschen, die mich mit Geschichten über ihre noch langweiligere Verwandtschaft langweilen. Grobe Faustregel: Bitte fangt nur an zu erzählen, wenn eure Story endet mit den Worten: »... und dann hat die Polizei bei meinem Cousin all die abgetrennten Köpfe im Gefrierfach gefunden.«
Was mich am Leben stört, ist der Skype-Bleistift. Wenn ich mit einem Mädchen, das ich gut finde, über Skype chatte und es frage: »Wollen wir morgen ins Kino?«, dann erscheint oben neben ihrem Namen dieser kleine animierte Bleistift, der mir zeigt, dass sie gerade tippt. Den sehe ich manchmal ewig und plötzlich - pling! - steht bei mir: »ok«. Mehr nicht. Einfach nur »ok«. Dann weiß ich wegen des Stasi-Bleistifts ganz genau, dass dieses Mädchen, das ich wie eingangs erwähnt gut finde, eigentlich was viel Längeres geschrieben hat, sich aber in letzter Sekunde vor dem Senden umentschieden hat. Nämlich für: »ok«. Das ist doch arg verdächtig. Vermutlich stand bei ihr zuerst etwas ganz anderes wie: »Du, wir müssen reden. So geht das wirklich nicht weiter mit uns beiden. Ich weiß, du findest mich gut, aber ganz ehrlich: Ich finde dich scheiße. Nicht nur so mittel - wirklich richtig, richtig scheiße. Ins Kino möchte ich deshalb auch nicht mit dir, denn du stinkst und neben stinkenden Männern sitzen Frauen gerade im Kino eher ungern. Bitte tauch hier nie mehr auf, ruf nicht mehr an und hör vor allem auf, mich anzuskypen. Ach, du lässt es ja eh nicht von selbst, ich lösche jetzt diesen Account. Habe ein halbwegs erträgliches Leben im Rahmen deiner Möglichkeiten. Und wasch dich.« So etwas in dieser Richtung wird sie in ihre Tastatur gehackt haben, während ich auf der anderen Seite hilflos wartend dem tänzelnden Bleistift zuschauen musste. Dann aber hat das Mädchen, das ich gut finde, kurz innegehalten und gedacht: »Nee, das kann ich ihm nicht antun ... Ach, was soll's, irgendwie gehen selbst zwei Stunden Kino mit diesem stinkenden Iltis rum.« Da hat sie alles wieder gelöscht und neu getippt: »ok«. Und wäre da nicht dieser blöde Bleistift, hätte ich mich weiterhin der glückseligen Illusion hingeben können, zwischen uns liefe alles traumhaft. Skype- Bleier, du bist auf meiner Todesliste ganz oben.
Copyright © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main.
... weniger
Autoren-Porträt von Lars Lindigkeit
Lars Lindigkeit wurde geboren und wird aller Voraussicht nach sterben. Dazwischen lebt er in Hamburg.
Bibliographische Angaben
- Autor: Lars Lindigkeit
- 2013, 1. Auflage., 256 Seiten, Maße: 9 x 14,2 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596512964
- ISBN-13: 9783596512966
- Erscheinungsdatum: 22.08.2013
Rezension zu „Was mich am Leben stört “
Weil er das aber mit Humor, Intelligenz und erprobter Alltagsnähe tut, stellt sich bei der Lektüre nicht Tristesse, sondern zunehmend gute Laune ein. Live - Stadtmagazin im Saarland, Oktober 2013
Kommentar zu "Was mich am Leben stört"
0 Gebrauchte Artikel zu „Was mich am Leben stört“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Was mich am Leben stört".
Kommentar verfassen