Weltmacht Vatikan
Trotzdem gelang dem Papsttum im 20. Jahrhundert ein beispielloser Aufstieg, dessen atemberaubende Geschichte der Autor hier fundiert schildert.
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Trotzdem gelang dem Papsttum im 20. Jahrhundert ein beispielloser Aufstieg, dessen atemberaubende Geschichte der Autor hier fundiert schildert.
Weltmacht Vatikan von Ludwig Ring-Eifel
LESEPROBEDie kirchlichen Heerscharen
Wer die einmalige Rolle des Papstes inder gegenwärtigen Weltpolitik verstehen will, muss denkomplizierten Aufbau seines Machtapparats kennen, denn seineherausragende Stellung auf Weltebene verdankt das Papsttumder Gegenwart nicht allein dem persönlichen Charisma desjeweiligen Amtsinhabers. Großen Anteil daran hat dieKirche, die er leitet und die ihn trägt. Sie bestehtaus einer breiten Basis und einer kleinen Spitze: den in der ganzen Welt präsenten katholischen »Heerscharen« und der zentralistisch organisierten Leitungsinstanz der Kirche, dem Heiligen Stuhl. Diese ursprünglich als Apostolischer Stuhl bezeichnete Institution umfasst den Papst selbst und die römische Kurie, also seinen Verwaltungsapparat mit dem Staatssekretariat als Herzstück. Erwird oft mit dem kleinen Vatikanstaat, in dem er seinen Sitz hat, verwechselt,weil beide Institutionen umgangssprachlich als »derVatikan« bezeichnet werden. Doch der Heilige Stuhl ist alles andere als ein Kleinstaat. Seine unter allen Staaten und Religionsgemeinschaften der Welt einzigartige Konstruktion trägt erheblich dazu bei, dass das Papsttum zu Beginn des dritten Jahrtausends seinen Einfluss wirksam und weithin sichtbar entfalten kann. Zwar verfügt der Papst - abgesehen voneiner Leibgarde von 110 Schweizergardisten - nicht über militärische Macht, doch sind derPapst, der Heilige Stuhl und die katholische Kirche keineswegs machtlos: Sie sind in der Lage, nicht nur das Denken, sondern auch das Handeln von Menschen in ihrem Sinn zu beeinflussen und den Lauf der Geschichte zu verändern. Unfreiwilligen Anschauungsunterricht darüber haben Stalins Erben in den Ostblockstaaten noch vor wenigen Jahren erhalten, als ein paar Millionen vom Papst geführte polnische Arbeiter ihnen in einem zähen Kampf die Macht aus den Händen rangen. Der Papst gab ihrem Widerstand die Kraft und der Vatikan bzw. die katholische Kirche vorOrt waren es, die diese Bewegung über Jahre materiell unterstützten undorganisierten. Ohne den Vatikan als Verbündetenwäre die Wende in Osteuropa anders verlaufen - wahrscheinlich hättendie polnischen Arbeiter wie viele andere vor ihnen vor der bewaffneten Übermacht der Kommunisten kapituliert.
Der politische Einfluss des modernenPapsttums wird nur selten so offensichtlich wie imPolen der 1980er Jahre. Er ist meist schwer zufassen und vor allem die Gegner der Kirche versuchen immer wieder vergebens, ihn zu begreifen. Denn diese Macht ist weder diktatorisch noch demokratisch organisiert und sie funktioniert trotz des streng zentralistischen Aufbaus der katholischen Hierarchie nicht so, wie die Befehlskette in einer Armee vom Oberbefehlshaber bis zum einfachen Soldaten verläuft. Die Kirche geht in der Regel auch nicht wie eine Partei oder eine Gewerkschaft vor, die ihre Mitglieder bei Wahlen, Streiks oder Protesten in Kampagnen mobilisiert.
Die Macht des Papstes in der Kirche undsein Einfluss weit über die Kirche hinaus sinddennoch unbestreitbar. Sie resultieren nichtzuletzt aus der schieren Größe der katholischen Weltkirche, deren Oberhaupt erist. Ebenso wie die personelle ist ihre institutionelleStärke beeindruckend: 2800 Bistümer mit 220 000 Pfarreien,mehr als 100 000 Sozialeinrichtungen vom Waisenhaus bis zum Altenheim, Zehntausende von Schulen von der Grundschule bis zur Universität sowie Hunderte von Zeitungen und Radiostationen gehören dazu. Keine andere Religionsgemeinschaft, auch nicht der Islam, hat eine vergleichbare weltweite Ausdehnung und eine ähnlich gut organisierte gesellschaftliche Präsenz. Sie wird verstärkt durch eine kaum noch überschaubare Zahl von katholischen Laienvereinigungen und den in jüngerer Zeit immer mächtiger werdenden geistlichen Bewegungen und Sondergruppenwie »Opus Dei«, »Communione e Liberazione«, »Sant'Egidio«oder die Fokolar-Bewegung, die ihre Mitglieder nichtselten in den wirtschaftlichen und politischen Eliten platzieren.
© 2004 Pattloch GmbH &Co. KG, München
Autoren-Porträtvon Ludwig Ring-Eifel
Ludwig Ring-Eifel ist einer der angesehenstenVatikan-Korrespondenten. Von der FAZ wechselte er als Rom-Berichterstatter zurKNA (Katholische Nachrichtenagentur). Ring-Eifel gilt als intimer Kenner desVatikans, dessen vielfältige Initiativen er mit Kenntnisreichtum und Sympathie,aber auch kritischer Distanz beleuchtet.
Interviewmit Ludwig Ring-Eifel
Siestudierten u.a. Philosophie, Theologie und Journalismus, schrieben für die FAZund berichten seit 1996 für die Katholische Nachrichtenagentur (KNA) aus demVatikan. Wie wird man Vatikan-Korrespondent? Was schätzen Sie an Ihrem Berufbesonders?
Dieberuflichen Voraussetzungen sind ähnlich wie für andereAuslands-Korrespondenten. Ich muss mich in eine fremde Welt mit ganz eigenenRegeln einfinden, aber ich darf nicht in ihr aufgehen, sondern muss das imBlick behalten, was die Leser zu Hause interessiert. Eine wichtigeVoraussetzung sind Fremdsprachenkenntnisse (Minimum: Italienisch und Englisch,nützlich sind auch Spanisch und Französisch sowie Grundkenntnisse in Latein undPolnisch).
EinVatikankorrespondent muss außerdem die Strukturen der katholischen Kirchekennen, ein Grundwissen in Theologie, Kirchenrecht und Kirchengeschichte istunbedingt erforderlich. Was ich an der Arbeit am Vatikan schätze, ist dieungeheure Vielfalt der Themen und die Internationalität der Menschen, denen manbegegnet. Ich bin immer wieder überrascht über die Masse an Intelligenz undBildung, die da im Vatikan versammelt ist. Da merkt man schon, dass der Papstauf einen weltweiten Pool von Köpfen (400.000 Priester, über eine MillionOrdensleute, 4.500 Bischöfe) zurückgreifen und die besten auswählen kann.
In"Weltmacht Vatikan" schildern Sie gleichermaßen kritisch wiekenntnisreich die zunehmende Bedeutung des Papsttums im 20. Jahrhundert undstellen die politischen Verdienste der einzelnen Päpste heraus. In welchenBereichen macht sich heute die Macht des Vatikan bemerkbar - Wirtschaft,Politik, Gesellschaft? Was genau meinen Sie mit der Bezeichnung"Weltmacht"?
Der BegriffWeltmacht kam mir in den Sinn, als ich beim Irak-Konflikt erlebte, wie sichAußenminister und Regierungschefs im Vatikan die Klinke in die Hand gaben. Allehofften irgendwie, der Papst könnte doch noch den Krieg verhindern - selbst alsdie UNO schon gescheitert war. Da wurde plötzlich deutlich, dass der Vatikanerheblichen Einfluss in der internationalen Politik hat. Noch dramatischer wardas in den 80er Jahren, als der Papst den friedlichen Umsturz in Osteuropa mitinitiierte und steuerte.
Solche"Glanzpunkte" sind aber nur möglich, weil der Vatikan auch abseitsder Medienscheinwerfer ständig politisch aktiv ist und seine "Connections"pflegt. Sein Einfluss ist im wahrsten Sinne des Wortes weltweit undgrenzüberschreitend, aber er ist doch keineswegs unbegrenzt. So ist der Vatikanzum Beispiel beim Ringen um die EU-Verfassung mit der Forderung nach einemGottesbezug gescheitert, hat aber ansonsten fast alle seine politischen Zieledurchgesetzt. Für einen Staat, der gar nicht Mitglied der EU ist, bleibt dastrotzdem ein beachtliches Ergebnis.
DemVatikan wird immer wieder vorgeworfen, er sei in geheime Machenschaften undundurchsichtige Geldgeschäfte verwickelt, es gäbe Verbindungen zur Mafia,Archive würden unter Verschluss gehalten etc. Als einer der angesehenstenVatikan-Korrespondenten: Wie steht es Ihrer Einschätzung nach um dieTransparenz im Vatikan?
DieVorstellungen, die manche Leute von den mafiosen Verflechtungen an der Spitzeder Kirche haben, sind nach meinen Erfahrungen maßlos übertrieben, oft sind esreine Phantasieprodukte. Aber eine Organisation, die fast ausschließlich ausPriestern besteht, ein weltweites Netz unterhält und ihren Hauptsitz in einemStaat hat, der jeder weltlichen oder internationalen Justiz entzogen bleibt,ist nun mal wie geschaffen für wilde Verschwörungstheorien. Hinzu kommt dannnoch das italienische Umfeld, in dem Vieles am Rande der Legalität abläuft unddie Mafia ihren Part spielt.
Dutzendevon Mordkomplott- oder Spionageromanen über den Vatikan haben aus diesemGemisch einen Mythos erzeugt, der so schnell nicht wieder aus den Köpfen herauszu bekommen ist. Sicher tragen die hohen Mauern des Vatikan und sein wenigtransparentes Geschäftsgebaren noch dazu bei, dass sich dieser Mythos hält. DerGeneralverdacht gegen den Vatikan sitzt auch bei vielen Korrespondenten tief,daran kann die Öffnung von Geheimarchiven oder eine bessere Pressearbeit nurwenig ändern.
Derjüngste Brief des Papstes an die Bischöfe "über die Zusammenarbeit von Mann und Frau inder Kirche und in der Welt" sorgte hierzulande für Kontroversen. Die BILD trug ihrenTeil dazu bei, dass dieses angeblich "feminismusfeindliche" Schreiben in Deutschland nichtgerade positiv aufgenommen wurde. Welche Meinung vertreten Sie zu diesem Thema?
Das sogenannte Feminismus-Dokument von Kardinal Ratzinger ist geradezu ein Lehrstückfür die verzerrte Wahrnehmung kirchlicher Anliegen in der Öffentlichkeit. Wasals theologischer Denkanstoß zu einem komplexen Thema gedacht war, kam als"Kampfansage an den Feminismus" bei den Leuten an. Dazu hat die BILD-Zeitungmit ihrer krassen Vorab-Berichterstattung einiges beigetragen, aber vermutlichhätten die meisten den Text auch ohne diese Verzerrung missverstanden. Wenn derVatikan etwas zur Frauenfrage schreibt, kann er nicht damit rechnen, dassjemand sich die Mühe macht, diesen Text gründlich zu lesen und ihn verstehen zuwollen. Bestimmte Vorurteile wollen bedient werden, und so fallen dann auch dieStellungnahmen aus. Was wirklich in dem Papier steht, ist zweitrangig. Solangeder Vatikan Frauen nicht zum Priesteramt zulässt, bleibt er nach den Koordinatender "political correctness" in Ungnade, da kann Ratzinger noch sodifferenziert argumentieren.
Wiebeurteilen Sie den Einfluss der Medien auf das Image des Vatikan?
Die Medientragen neben Romanen und Verschwörungstheorien ganz wesentlich zu dembesonderen Image des Vatikan bei. Weil nur wenige Medien wirklicheVatikan-Experten beschäftigen, können selbst ernannte Insider über dieangeblichen Geheimnisse des Papstes und seines Apparats alles möglicheerzählen, und das Schöne daran ist, dass die meisten Leute es auch glauben. DieWahrheit ist nach meinen Erfahrungen mit dem Vatikan sehr viel komplizierter,aber nicht weniger spannend. Ich hoffe, dass es mir mit "WeltmachtVatikan" gelungen ist, dieses Medien-Image hinter mir zu lassen undwenigstens einige Facetten der vatikanischen Politik angemessen zu beschreiben.
DieFragen stellte Mathias Voigt, literaturtest.de.
- Autor: Ludwig Ring-Eifel
- 304 Seiten, Maße: 14,7 x 21,7 cm, Geb. mit Su., Deutsch
- Verlag: Pattloch
- ISBN-10: 3629016790
- ISBN-13: 9783629016799
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Weltmacht Vatikan".
Kommentar verfassen