Wer Rache sucht
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Wer Rachesucht von Margaret Murphy
LESEPROBE
Neun Uhr. Schwarzer Himmel, graue Wolken. Die Straße unterMegan Wards Fenster glänzte geisterhaft nach einem plötzlichen Regenschauer.Die Autos verstopften die gesamte Straße, drängelten sich um einen Parkplatz,ein paar standen mit den Rädern auf dem Bordstein, wodurch die Lücke zu dengelben Backsteinhäusern gegenüber schmaler wurde. Ein Mann stand auf deranderen Seite auf dem Gehweg. Er war groß, kräftig gebaut, die Trapez-Muskelnin seinem Nacken waren so dick, dass sein Kopf wirkte, als wäre er zwischenseine Schultern gerammt. Er beobachtete das Haus nun schon seit fünfzehnMinuten, während Megan ihn aus der Dunkelheit ihres Zimmers heraus beobachtete.Ihr Atem ging flach und gepresst. Ein paar Jugendliche tauchten auf, sie warenauf dem Weg zu den Pubs in der Lark Lane, laut und prahlerisch, doch als sie andem Mann vorbeikamen, schwiegen sie und achteten darauf, ihm nicht zu nahe zukommen, und vermieden es, ihn anzusehen. Was wollte er von ihr? Sie seufzte undatmete tief durch. Du weißt, was er will, und du hast dir das selbsteingebrockt. Die Haustür wurde geöffnet, und aus dem Flur fiel Licht aufdie Straße. O Gott - Sara! Megan rannte aus ihrem Zimmer in den Flur undrief Saras Namen. Sie lief die Treppen hinunter und hörte das Klirren derMilchflaschen und den dumpfen Klang, als eine hinfiel und weiterrollte. »Sara!«Sie sprang die letzten paar Stufen hinunter, stolperte und prallte fast gegenihre Freundin, als diese wieder ins Haus lief. »Megan, was ist los?« Meganknallte die Tür zu und lehnte sich keuchend mit dem Rücken dagegen. »Er ist dadraußen«, sagte sie. Sara presste eine Hand auf den Mund. Sie hatte normalerweiseeinen klaren Blick und war selbstbewusst, doch jetzt wirkte sie klein und ihrGesichtsausdruck verkniffen, aber ihr Schrecken hielt nur kurz an. Sie griffschnell nach der Türklinke, ihre kurzfristige Schwäche ärgerte sie. Meganbreitete die Arme aus. »Nein. Sara - nicht.« Saras honigblonde Haare warenschulterlang und leicht gelockt. Sie strich sie hinter die Ohren und schob ihrKinn vor. »Du darfst nicht zulassen, dass er dich auf diese Weise terrorisiert,Megan«, sagte sie. »Du musst dich ihm stellen.« Megans Augen wurden größer.»Bitte, Sara « Sara wusste nichts, woher sollte sie auch wissen, wiegefährlich es war, sich diesem Mann zu stellen? »Nicht «, sagte sie nocheinmal und hörte den bittenden Tonfall in ihrer Stimme und spürte die Tränen inihren Augen. Saras Gesicht verschwamm. »Er ist ein Stalker, Megan«, sagte Sara.»Du hast das Recht, geschützt zu werden.« Du hast Unrecht, dachte Megan.Er ist kein Stalker, er beobachtet mich. Wie konnte sie Sara erklären,dass diese offene Überwachung viel bedrohlicher war als eine bloßeBesessenheit? Sie suchte nach Worten, aber sie fand keine. Sie vertraute Saraso sehr, wie sie in den letzten fünfzehn Jahren niemandem vertraut hatte, abersie wusste, dass Sara es nie verstehen würde, es nie verstehen könnte. »Dannruf wenigstens die Polizei an«, sagte Sara. Megans Schweigen machte sieungeduldig. »Das habe ich, erinnerst du dich? Es hat nichts genützt.« SarasHand packte fest zu und ließ dann locker. »Ich ich mache mir einfach Sorgen, Megan,das ist alles.« Megan wusste, dass Sara an ordentliche Gerichtsverfahren glaubte,daran, dass das System gerecht war und das Gesetz die Schwachen und Schutzlosenbeschützte. Megan sagte: »Ich rufe morgen an und spreche mit dem Detective.«Demjenigen, der angeblich ihren Fall bearbeitete. Verlorene Liebesmüh. Aber werwar sie schon, um Saras Illusion zu zerstören, die Illusion der Sicherheit ineiner gerechten Welt, in der gewalttätige Männer vor Gericht gebracht wurden?Sara hatte sich während ihrer vierunddreißig Lebensjahre auf diese Gewissheitverlassen. Ihr Glaube, dass das Gute immer überlegen war, machte sie stark und hatteihr das Selbstvertrauen gegeben, ihr Leben nach dem langsamen Sterben ihresMannes an Multipler Sklerose wieder neu aufzubauen. Er hatte ihr den Mutgegeben, in einem männlich dominierten Beruf Karriere zu machen, und Megan,eine Fremde, in ihr Zuhause aufzunehmen und Freundschaft mit ihr zu schließen.Megan würde nichts tun, um diese Überzeugung zu beschädigen oder ihreFreundschaft zu gefährden. »Ich verspreche«, sagte sie, »dass ich mit ihmsprechen werde.« Sara ließ die Türklinke los und sah Megan direkt an. »Lassdich nicht von der Angst lähmen, Megan«, sagte sie. Megan kannte die Angst, ihrReich, ihre hohen Klippen, die Energie und Chancen schufen, genauso wie ihrentiefen Treibsand, der einen festhielt und hinabzog und einem die Kraft raubteund Angst zu Panik werden ließ. Sie wusste auch, wie man Angst nutzen konnte,den bekannten Nervenkitzel des schnelleren Herzschlags, den raschen Anstieg derHirnaktivität, den Tunnelblick durch den Adrenalinschub konnte sie sogarbegrüßen. Es konnte funktionieren, wenn sie mitten in der Nacht, völligübermüdet, kurz vor einem Durchbruch stand und der schwere Pulsschlag der Angstund der Hochstimmung sie antrieben, weiterzumachen oder die Chance für immer zuverlieren. In solchen Momenten war es dieser Kontrast zwischen Angst und Hochstimmung,der sie etwas zu Ende bringen, der Logik folgen und die Verbindungen erkennenließ, selbst wenn das Ziel schwierig oder sogar gefährlich erschien. Dieses Malmachte die Angst sie jedoch krank und schwach; sie zog sie immer tiefer undtiefer nach unten, während sie im Sumpf der Unentschlossenheit strampelte. Siewar kurz davor aufzugeben. So war es noch nie gewesen. Sicher hatte sie schonAngst gehabt, aber früher hatte sie die Situation eingeschätzt und ihreEntscheidung für oder gegen ein Weitermachen getroffen, indem sie das Risikogegen den möglichen Gewinn abwägte. Sara war das neue Element in der Gleichung.Sie war zwar zu jung, um wie eine Ersatzmutter zu handeln, doch Sara hatteMegan ihr Zuhause und ihr Vertrauen angeboten und damit auch eine neuePerspektive, eine großzügigere, als das Leben ihr bisher gezeigt hatte, eine,die die Möglichkeit der Hoffnung zuließ und die die Krankheit der Schwäche mitsich brachte. Sie hielt an ihrem Fenster Wache, plante, träumte, ging jedesmögliche Szenario durch und erarbeitete einen Handlungsplan. Ihr Gesicht, dassich in dem Glas vage spiegelte, war schmal und ernst, die Nase schmal, zart.Ihre dunklen Haare fielen wie Seide auf ihre Schultern. Sie beobachtete dievorbeifahrenden Autos, die Abstände zwischen ihnen wurden länger, ein Taxihielt ein paar Häuser weiter an, und drei Mädchen taumelten lachend undbetrunken auf die Straße. Fußgänger, dann nächtliche Trinker, einHundebesitzer, der geduldig an jedem Laternenpfahl stehen blieb und wartete,während der Terrier sein Revier markierte. Schließlich die Clubbesucher, dienach dem Ritual des Tanzens, des Trinkens und des Schwitzens zu Paaren gewordenwaren. Pheromone und Testosteron, die Gerüche des sexuellen Abenteuers. Aberder Beobachter kehrte nicht zurück.
© Goldmann Verlag
Übersetzung: Christine Heinzius
- Autor: Margaret Murphy
- 2006, 445 Seiten, Maße: 18,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Aus d. Engl. v. Christine Heinzius
- Verlag: Arkana
- ISBN-10: 344246112X
- ISBN-13: 9783442461127
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