Willkommen in der Krise

Die Untersuchungen von Katastrophen bieten hochinteressante Einsichten,wie Sie und ich unsere persönlichen Krisen handhaben können. Eine Katastropheist noch weitaus schlimmer als eine Krise. Trotzdem betont Fritz, dassKatastrophen positive Wahrheiten über das menschliche Verhalten an das Lichtbringen. Genauso wie persönliche Krisen zeigen uns Katastrophen nämlich vieleunserer besten Eigenschaften als Menschen und soziale Wesen.

In den letzten Jahren kam es immer wieder zu verheerenden Katastrophen;die Zerstörung von New Orleans durch den Hurrikan Katrinaist nur eines von vielen Beispielen. In meiner unmittelbaren Nachbarschaft habeich einige Katastrophen hautnah miterlebt - in New York lebe ich beispielsweisenur ein paar Häuserblocks von dem Platz entfernt, an dem das ehemalige WorldTrade Center stand.

Damit spreche ich aus einer Erfahrung aus erster Hand, wenn ichbetone - und ich bin sicher, dass diejenigen unter Ihnen, die einmal eineKatastrophe hautnah miterlebt haben, meine Beobachtung bestätigen werden -,dass Katastrophen oft das Beste im Menschen hervorbringen, ohne im weitestenSinne zu Chaos oder noch Schlimmerem zu führen. Wir kennen alle die Nachrichtenvon Plünderungen und anderen kriminellen Gelegenheitstaten, die mit einerKatastrophe einhergehen. Natürlich sind solche Vorkommnisse ein gefundenesFressen für den die Sensationslust bedienenden Journalismus, allerdings bildensie bei weitem die Ausnahme. Bei Katastrophen handeln die meisten Menschenvoller Mitgefühl und arbeiten selbstlos und unermüdlich zusammen, um anderen zuhelfen, die von der Katastrophe betroffen sind.

Der Schlüsselaspekt, der die psychologischen Auswirkungen einerKatastrophe verringert, weil er den Alltagsmenschen inspiriert und auf einehöhere Stufe des Bewusstseins hebt, besteht darin, dass die Erfahrung geteiltwird. Die Wirkung des Hurrikans Katrina war so heftig,weil die Überschwemmung die Menschen daran hinderte, als Gemeinschaft zuhandeln. Sie waren nicht in der Lage, die durch die Katastrophe entstandeneemotionale, psychologische und körperliche Bürde und darüber hinaus entstandeneBelastungen zu teilen.

Krisen und Katastrophen sind in der Tat furchtbar. Unser täglichesLeben wirkt im Gegensatz dazu langweilig, geradezu idyllisch. Wenn wir unsselbst gegenüber ehrlich sind, enthüllt ein näherer Blick auf unser Leben eineandere Wirklichkeit. Unsere Alltagsroutine ist von Konflikten, Stressfaktorenund Frustration erfüllt. Selbst wenn wir von kleinen Sorgen und Verpflichtungenverfolgt werden, verlangt das Leben von uns selten den vollen Einsatz. Oftführen wir etwas nur mechanisch aus. Und abgesehen von unseren Familien undengen Freunden sowie in geringerem Maße unseren Nachbarn leben wir in einerGesellschaft, die in einzelne Bestandteile zerfallen ist, und haben mit denMenschen um uns herum wenig zu tun. So grenzen wir unsere alltäglichen Krisen vonder geteilten Erfahrung einer öffentlichen Katastrophe scharf ab - wir haltensie vor den anderen gut verborgen, manchmal sogar vor unseren engsten Freunden undgeliebten Menschen.

Was also können wir aus dem effektiven gemeinschaftlichen Handelnvon Menschen während einer Katastrophe lernen, das wir auf unseren Umgang mitKrisen in unserem eigenen Leben anwenden können? Untersuchen wir doch einmaldie Eigenschaften einer Katastrophe, um zu erkennen, welche Gemeinsamkeiten mitund welche Unterschiede zu unseren persönlichen Krisen wir entdecken. EineKatastrophe lässt alles im Leben der Betroffenen winzig erscheinen. EineKatastrophe vereinfacht und rationalisiert unser Leben. Bei einer Katastrophesind die dringlichsten Bedürfnisse konkret und drängen alle anderen Bedürfnissein den Hintergrund. Diese werden zu winzigen Ablenkungen von der eigentlichenArbeit, die gemacht werden muss. Jeder konzentriert sich auf die Notlage, umdenen zu helfen, denen es schlechter geht als ihm selbst, und die gesamteGemeinschaft wird schlagartig aktiv, um Hilfe zu leisten.

Die Menschen, die von der Katastrophe betroffen sind, bilden eineGemeinschaft, um ihre dringendsten Bedürfnisse zu erfüllen. Jeder legt sich insZeug, um zu helfen, und ist in einer gewissen Mission unterwegs, er hat eine höhereAufgabe, die jenseits des eigenen Selbst liegt. Die daraus entstehende engeVernetzung und die große Solidarität der Katastrophengemeinschaft sinderstaunlich.

Da die Katastrophe durch äußere Umstände verursacht wurde, weisendie Menschen sich oder anderen für ihr Unglück keine Schuld zu; sie fühlen sichauch nicht schuldig oder schämen sich. Jeder öffnet sich ungehindert undkommuniziert mit den anderen in der Katastrophengemeinschaft, wobei man sichgegenseitig physisch und emotional unterstützt. Das Trauern und Klagenangesichts der Verluste, des Leidens und der Entbehrungen ist intensiv, wirdaber von vielen geteilt.

Zwei Schlüsselmerkmale bei der Katastrophenhilfe sind dassolidarische Teilen von Hab und Gut und die schnelle Rückkehr zumAlltagsgeschäft. Das effektive Funktionieren angesichts öffentlicherKatastrophen steht im Gegensatz zu den uneffektiven Handlungen, mit denen wirunsere privaten Krisen angehen. Die meisten von uns neigen dazu, ihre Krisenfür sich zu behalten, meist weil sie sich schämen. Sie lassen zu, dass dieKrise sie so überwältigt, dass sie ihren alltäglichen Verpflichtungen nicht mehrnachgehen können.

Ich stamme aus einer Ärztefamilie und bin als Erwachsene schonimmer eine intuitive Heilerin gewesen. Auf medizinischem Gebiet hat das Wort»Krise« eine bestimmte Bedeutung: Es bezeichnet den Wendepunkt im Laufe einerErkrankung, an dem sich diese entweder dramatisch verschlechtert oder sichalles auf dramatische Weise zum Guten wendet. Unsere alltäglichen Krisen bietenuns ähnliche Wendepunkte, an denen sich unser Leben auf dramatische Weise zumBesseren oder Schlechteren wenden kann, je nachdem, wie wir handeln. Ich habedieses Buch geschrieben, um Sie darin zu unterstützen, Ihren sicheren Weg ausder Krise herauszufinden und dabei positive und bereichernde Erfahrungen zumachen.  

© Allegria Verlag

Übersetzung:Daniela Schenker