Wind des Südens
Ein mitreißender Abenteuerroman über das China und Australien der Pionierzeit.
Der Ruf desRegenvogels von Patricia Shaw
LESEPROBE
ERSTES KAPITEL
Über den grauen Straßenhing ein dunkler, finsterer Himmel, rußiger Schneeregen fegte über die eilendeMenschenmenge hinweg und ließ die Londoner, die ihre Ohren gegen die beißendeKälte verpackt hatten, eiligst schützende Unterstände aufsuchen.
CorbyMorgan schlitterte über das schmierige Pflaster und kämpfte mit seinemRegenschirm. Er war verärgert, dass er keine Pferdedroschke gefunden hatte,fürchtete zu spät zu kommen und wusste, dass sein Vater die Tür öffnen undsagen würde: »Wie immer zu spät, Corby!«
Als er um eine Eckebog, hinein in eine heftige Windböe, blähte sich sein Schirm nach außen,zersprungene Stangen und schwarzes Tuch flatterten und schlugen wie eine übelzugerichtete Krähe. Während er versuchte, den Schirm wieder zusammenzulegen,grinsten abgehärmte Gesichter und freuten sich an seiner misslichen Lage, alssei er ein zu ihrem Vergnügen bestellter Spaßmacher. Corbyerrötete vor Verlegenheit. Er warf das nutzlose Gerät weg, mit grimmigerBefriedigung nahm er wahr, dass es zur Strafe unter den Rädern einer Kutschezermalmt wurde. Ihm war kalt, er fühlte sich schlecht und durchnässt überquerteer die Straße zur Luton Street, auf dem Weg zum wichtigsten Treffen seinesLebens.
CorbyMorgan, so sagte man, war nichts weiter als ein Träumer, einer jenerdesillusionierten jungen Engländer, die sich nach der sonnenüberfluteten,romantischen Lieblichkeit der Südsee sehnten, nach Utopia - ein Wahn, deroffenbar viele von diesen verdorbenen Cambridge-Absolventen ergriff, für diedas Gras immer irgendwo anders grüner war, sei es nun in Italien, Spanien oder,wie in seinem Fall, im Südpazifik. Genauer: in einer tropischen Idylle namens Trinity Bay.
Aber das stimmte nicht.Er biss die Zähne zusammen und bahnte sich seinen Weg. Er und Roger McLiver hatten diesen Schritt mit größter Sorgfaltvorbereitet und geplant. Sie hatten nicht die Absicht, ihr Leben und ihre Investitionenan einem öden Strand zu vergeuden. Sie hatten einen Ort gesucht, wo sie Geldverdienen und das gefällige Leben eines Gentlemans genießen konnten. Und, beiGott, sie hatten ihn gefunden! Corby erinnerte sichnoch gut an ihren Jubel, als Roger mit dem Zeitungsausschnitt der Times zu ihmkam. Genau das war es, wonach sie gesucht hatten! Sie waren so aufgeregt, dasssie zwei Flaschen Champagner tranken, bevor sie eine Antwort verfassten. Undselbst dann waren sie vorsichtig, vernichteten den ersten Brief und bekundetenin einem zweiten lediglich ihr Interesse, statt sich von ihrem Enthusiasmusmitreißen zu lassen, was den Besitzer nur zu einem höheren Preis undBetrügereien veranlassen konnte.
Mit derselben Vorsichthatten sie dann die angebotene Zuckerplantage in der TrinityBay im Norden von Queensland, im fernen Australien, gekauft. Obwohl keiner vonihnen die Antipoden jemals gesehen hatte, konnten sie durch informierteBankleute telegrafisch Näheres in Erfahrung bringen. Man antwortete ihnen, dassProvidence in der Tat eine etablierte Plantage unterrenommierter Leitung und mit stabilen Exportzahlen war, nicht eine dieserGelegenheiten, die von allen möglichen Gaunern angeboten wurden und schnellesGeld versprachen.
Bis gestern war allesunter Kontrolle gewesen. Allmächtiger Gott, er und Jessie hatten bereitsgepackt, waren reisefertig, und dann das! Roger, sein Freund, sein Partner,hatte sein Wort gebrochen! Hatte ihn fallen gelassen.
»Zum Teufel mit seinenGründen!« murmelte Corby,während er seine behandschuhten Hände zusammenschlug. »Seine Frau und ihreFamilie! Zur Hölle mit ihnen allen! Es wird ihm noch Leid tun. Zuckerplantagenin dieser Gegend werfen eine Menge Geld ab. Ich werde ein reicher Mann sein,während' er noch immer in London am Rockzipfel seiner Frau hängen wird.
Wenigstensunterstützt mich Jessie«, seufzte er. »Meine Frau hat genügend Verstand, umsich diese goldene Gelegenheit nicht entgehen zu lassen. Ich werde nichtaufgeben.«
© Schneekluth Verlag
Übersetzung: Karl-Heinz Ebnet
Autoren-Porträt von Patricia Shaw
Patricia Shaw ist in Melbourne geboren und aufgewachsen.Sie war Lehrerin, Journalistin, Assistentin des Gouverneurs von Queensland undLeiterin der Abteilung für Oral History in der Parlamentsbibliothek. AusInterviews zur australischen Geschichte, die sie im Rahmen dieser Tätigkeit mitZeitzeugen führte, entstand die Idee, historische Romane zu schreiben. Heutegilt sie als die ChronistinAustraliens. In ihren Romanen verarbeitet sie auf spannende Weise dieBesiedlung des Kontinents durch die Engländer oder den Goldrausch im 19.Jahrhundert. Sie selbst ist eine passionierte Leserin, neben Barbara Wood undKen Follett schätzt sie auch Autoren wie Patrick White und DBC Pierre.
PatriciaShaw lebt in Queensland. Ihre Romane sind internationale Bestseller undverkauften sich bislang über 5,4 Millionen Mal. Ihr Buch "Wind desSüdens" wurde mit dem "Corine - Internationaler Buchpreis 2004"in der Sparte "Weltbild Leserpreis" ausgezeichnet.
Interview mit Patricia Shaw
Gerade haben Sie für "Wind desSüdens" den "Corine - Internationaler Buchpreis 2004" erhalten.Er wird am 17. November in München vergeben. Werden Sie zur Preisverleihungnach Deutschland reisen?
Ja - undich freue mich sehr darauf!
Den Preis erhalten Sie in der Sparte"Weltbild Leserpreis". Ihre Romane sind allesamt Bestseller. Kam derPreis vielleicht dennoch auch überraschend für Sie?
Ich warüberwältigt, als ich davon hörte, dass ich den Preis vielleicht gewinnenkönnte; und ziemlich überrascht, als ich ihn dann tatsächlich bekam. Dass soviele Menschen sich die Mühe gemacht haben zu wählen - dafür möchte ich michganz herzlich bedanken!
In den letzten Jahren haben Rosamunde Pilcher, BarbaraWood und Ken Follett diesen Preis gewonnen. KennenSie ihre Bücher? Was lesen Sie selber gerne, welche sind Ihre Lieblingsautoren?
Ja, ich kenne alle Bücherder genannten Autoren. Ken Follett habe ich vor einpaar Jahren sogar getroffen. Ich lese alles Mögliche. Ich liebe Mystery-Geschichten und Krimis und lese Unmengen vonRomanen, auch Historisches. Immer wieder kehre ich zu den Büchern von PatrickWhite zurück, um meinen Stil an ihnen zu schulen. Und DBC Pierre, der u.a. "Jesus von Texas" geschrieben hat, erinnertmich daran, dass ich mich selbst nicht zu ernst nehmen sollte.
Im "Wind des Südens" gehtes u.a. um den Goldrausch im 19. Jahrhundert. Was fasziniert Sie besonders andiesem Thema?
Der Goldrausch ist etwas,das einen packt und schüttelt. Die Extreme faszinieren mich, Höhen wie Tiefen.Ganze Klumpen von Gold auszugraben, das ist doch einfach fantastisch! Sichgegen die Erde stemmen, die Hitze ertragen, mit knappen Vorräten auskommenmüssen, sich gegen feindliche Eingeborene zur Wehr setzen - und dann dieseWeite. Und das alles ist wirklich geschehen!
Sie sindeigentlich Historikerin und Sachbuch-Autorin. Wann haben Sie angefangen, Romanezu schreiben, und was gab den Anstoß dazu?
Ich dachte bereitsdarüber nach, Romane zu schreiben, als ich noch in der Parlamentsbibliothek an"Stimmen der Vergangenheit" mitarbeitete, einem Projekt im BereichOral History. Im Rahmen dieses Projektes haben wirmit pensionierten Politikern über ihr Leben gesprochen - von ihrer Kindheit biszu den Stationen ihrer Karriere. Einige Geschichten haben mich regelrechtgefesselt. Vor allem die Älteren hatten etwas zu sagen, erzählten zum Beispielvon ihren Großeltern, die Australien mit zu dem gemacht haben, was es heuteist. Ich fand diese Schicksale faszinierend und wollte unbedingt darüberschreiben. Gleichzeitig wusste ich, dass ich mit Sachbüchern zu diesem Themanicht das Publikum erreichen konnte, das ich erreichen wollte. Also entschiedich mich, Abenteuergeschichten zu schreiben. Wenn nötig, nahm ich realePersonen als Vorbilder und erfand den Rest einfach dazu. Ich war mir nichtsicher, ob das klappen würde, aber ich dachte, einen Versuch ist es wert.
Man bezeichnet Siemitunter als "Chronistin Australiens". Erkennen Sie sich in dieserCharakterisierung wieder? Haben Ihre Romane immer auch so etwas wie einenhistorischen Kern?
Ich liebeGeschichte. Geschichte ist für mich, als würde man Tageszeitungen ausvergangenen Zeiten lesen. Und ich liebe Zeitungen! Unglücklicherweise wird inAustralien fast nur europäische Geschichte gelehrt. Das heißt, wir lernen allesMögliche über die europäischen Kriege, Könige und Königinnen. Die politischeGeschichte Australiens habe ich mir quasi direkt erschlossen - durch meineArbeit. Ich wusste, dass es meinen Romanen eine gewisse Tiefe geben würde, wennsie auf historischen Tatsachen beruhen. Die meisten meiner Bücher haben einenrealen Hintergrund. "Südland" bezieht sich beispielsweise auf dieAnfänge von Sydney und die Gründung von Rinderzuchtfarmen im Norden. "Winddes Südens" enthält eine realistische Beschreibung von Cooktown,den Goldfeldern, dem Chaos und dem Gemetzel, so wie alles zu jener Zeit war.
Haben Sie selber auch eine direkteVerbindung zu den australischen Pionieren? Woher stammt die tiefe Verbundenheitmit der Weite Australiens, die aus all Ihren Büchern spricht?
Ich bin ja schon etwas älter und habe Pioniere aus denverschiedensten Gegenden getroffen. Darunter waren auch einige ältere deutscheSiedler, die in eine Stadt an der "Goldküste" gezogen waren. Siegehörten zu den ersten Weißen überhaupt in diesem Distrikt. Es war sehr schön,mit ihnen zu sprechen. Am Anfang lebten sie in Lehmhütten im Busch, gut 90Meilen von der nächsten Stadt, Brisbane, entfernt. Sie waren Holzfäller,spezialisiert auf Zedernholz, und kamen zusammen mit ihren Frauen hierher - denganzen langen Weg von Deutschland! Verstehen Sie nun meine Faszination? BeiMenschen, die nach Australien emigriert sind, interessiert mich immer, woherund warum sie kamen.
Die Interviews mit pensionierten Politikern, die ich imRahmen meiner Arbeit für die Parlamentsbibliothek geführt habe, halfen mir,dieses Land zu verstehen. Und sie weckten in mir die Sehnsucht, mehr zuerfahren, denn ihre Lebensgeschichten waren absolut faszinierend.
Wenn ich also an einem Buch z.B. über Darwin [im NordenAustraliens] arbeite, dann mache ich mich zuerst auf den Weg dorthin. In meinenBüchern nehme ich die Leser mit auf meine Reise. Ich lasse sie mit meinen Augensehen und alles entdecken. Ich habe sie mitgenommen ins tropische Cairns, ins trockene und staubige Kalgoorlie,zu den Farmen im Outback, nach Cooktownim hohen Norden - und uns allen machen diese Reisen großen Spaß!
Könnten Sie sichvorstellen, in einem anderen Land zu leben? In Deutschland vielleicht?
In der Schule inMelbourne habe ich Deutsch gelernt - und zwar während des Krieges! Heute ärgereich mich darüber, dass ich nach der Schule nicht weiter gemacht habe. Jetztfällt es mir schwer, eine neue Sprache zu lernen. Ich könnte mir tatsächlichvorstellen, in Deutschland zu leben, wenn ich die Sprache beherrschen würde.Und ich habe mir auch schon einen Ort in Deutschland ausgesucht: Als ich einmalin Köln war, machte ich einen Ausflug rheinaufwärts in ein kleines Dorf. Einruhiger Ort, an dem man Leute treffen, ihnen zuhören konnte. Es ist einfachschön, sich an solch herrliche Orte zu träumen!
Vom Schreiben einmal abgesehen: Wasmögen Sie sonst noch?
Spaziergänge, Filme,Lesen, Schwimmen, Leute treffen oder einen gemütlichen Lunch in einemStrand-Café. Ferien mit meiner Familie auf Hamilton Island. Am Abend auf derVeranda sitzen, ein Glas in der Hand, den Blick zum Meer und die Vögelbeobachten.
Die Fragen stellte Roland Große Holtforth,literaturtest.de.
- Autor: Patricia Shaw
- 2004, Sonderausg., 670 Seiten, 1 Abbildungen, Maße: 14,4 x 21,8 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Dufner, Karin; Hartmann, Elisabeth
- Verlag: Knaur
- ISBN-10: 3426661888
- ISBN-13: 9783426661888
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