Wo bleibt die Maus?

Mark Benecke, Jg. 1970 ist Kriminalbiologe und Spezialist für forensische Entomologie. Er studierte Biologie, Zoologie und Psychologie an der Universität zu Köln und absolvierte diverse polizeitechnische Ausbildungen im Bereich der Gerichtsmedizin in den USA, darunter an der FBI-Academy. Benecke wird als Sachverständiger herangezogen, um biologische Spuren bei vermuteten Gewaltverbrechen mit Todesfolgen auszuwerten. Er ist Ausbilder an deutschen Polizeischulen sowie Gastdozent in den USA, Vietnam, Kolumbien und auf den Philippinen. Bekannt ist er durch seine zahlreichen Fernsehauftritte, u.a. als Berater bei Medical Detectives und Galileo Mystery.

An diesem Buch scheiden sich die Geister. Abscheu und Ekel ruft es bei einigen Erwachsenen hervor, andere sind begeistert und begrüßen dieses Bilderbuch, weil es eine bedauerliche Lücke schließt. Es geht nicht nur um den Tod einer Maus, es geht um Verwesung, um das Gefressenwerden und ganz konkret darum, was "Kreislauf des Lebens" bedeutet. Es geht um Insekten, um die widerlichen grünen Schmeißfliegen und deren Maden. Und das alles wird supergenau dargestellt. Man kann nicht mal einfach kurz die Augen zumachen, nein, man muss es in Großaufnahme ertragen - oder, einfach zur Kenntnis nehmen - wie Kinder. Die sind daran sehr interessiert. Aha, die Eier, aus denen später die Maden schlüpfen, um die Maus mit Haut und Haar zu verspeisen, werden vorzugsweise in Augen, Mund und Ohren abgelegt, und auf die weichsten Stellen des Körpers, dorthin also, wo sie zunächst am besten geschützt sind, um zu reifen, zu schlüpfen, und um dann mit riesigem Appetit zu fressen. Weil sie keine Zähne haben, können sie lediglich die Weichteile verwerten. Nur die Knochen bleiben übrig, um langsam zu verrotten. Dies sorgt für viele neue Fliegen, und wie jedermann weiß: Mäuse gibt es auf jeden Fall immer genug. Natürlich stellen Kinder nach der Lektüre des Buches darüber hinausgehende unbequeme Fragen: Was geschieht mit dem Opa, der Oma, wenn sie tot sind? Ob der Opa auch ...? Aber warum sollen sie das nicht wissen wollen? Es ist der Lauf der Welt. Wer versucht, das vor den Kindern zu verstecken, muss sich nicht wundern, wenn sie sich die Welt falsch erklären. Wer Angst davor hat, dass dies bei den Kleinen Ängste auslösen könnte, der sollte einfach mal zuschauen, wie Kinder damit umgehen, wenn sie im Wald oder auf der Wiese selber ein totes Tier finden. (Rezension von Gabriele Hoffmann aus dem Libri-Fachkatalog Harry & Pooh 2008/2009)