Blutmagie / Wolf Shadow Bd.6
Deutsche Erstausgabe. Roman
Die Hochzeit der FBI-Agentin Lily Yu mit dem Werwolfprinzen Rule Turner steht kurz bevor. Doch die Familien der beiden sind von der Verbindung alles andere als begeistert. Diese Schwierigkeiten treten allerdings in den Hintergrund, als San Diego von einem...
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Produktinformationen zu „Blutmagie / Wolf Shadow Bd.6 “
Klappentext zu „Blutmagie / Wolf Shadow Bd.6 “
Die Hochzeit der FBI-Agentin Lily Yu mit dem Werwolfprinzen Rule Turner steht kurz bevor. Doch die Familien der beiden sind von der Verbindung alles andere als begeistert. Diese Schwierigkeiten treten allerdings in den Hintergrund, als San Diego von einem unvorstellbar mächtigen magischen Geschöpf heimgesucht wird, das sich an Lilys Familie rächen will. Lily und Rule sind die Einzigen, die ihm Einhalt gebieten können, bevor es die ganze Stadt vernichtet.
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Wolf Shadow - Blutmagie von Eileen Wilks3
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Als die Energiestürme während der Wende die Grenzen zwischen den Welten niedergerissen hatten, waren Kreaturen hierher geweht worden, wie man sie seit Hunderten von Jahren auf der Erde nicht mehr gesehen hatte.
Die Energiestürme hatten sich gelegt, dem Himmel sei Dank. Und die Fachleute versicherten immer wieder, dass es ohne diese völlig undenkbar sei, hier herüber zu wechseln, und ebenso, dass jede Passage die Energie eines Netzknotens freisetze. Und der Coven in D.C., der eine hoch entwickelte Karte für Simulakren überwachte, beteuerte, es habe in der letzten Zeit keine nennenswerten Netzknotenaktivitäten gegeben. Zwar gab es ein Tor zwischen der Erde und einer anderen Welt - Edge -, doch das befand sich am anderen Ende des Landes und wurde von beiden Seiten mit Bannen geschützt und streng bewacht. Dort würde sich nichts durchschleichen können.
Aber undenkbar hieß nicht unmöglich, und Lily war von der Kompetenz der Fachleute nicht überzeugt. Deshalb folgte sie jedes Mal dem Ruf der Cops und untersuchte den Tatort.
Zuerst ließ sie die Hände über jeden Zentimeter des Steuers gleiten, von dem der schlaffe Airbag hing wie das größte Kondom der Welt. Das Monster des Tages war heute eine riesige Schlange gewesen, so dick wie eine Kuh, die, wie die Fahrerin des Honda schwor, plötzlich mit vor Gift triefenden Fängen vor ihrem Auto hochgeschossen sei. Natürlich war sie ausgewichen - und mit einem Pick-up zusammengestoßen.
Die Fahrerin des Honda hatte noch Glück gehabt, dass sie sich auf einer ruhigen Straße in einem Wohngebiet befunden hatte und der Fahrer des Pick-ups sehr schnell reagiert hatte. Sie war in die Notaufnahme gebracht worden, aber die Sanitäter glaubten nicht, dass sie schwer verletzt war. Der Pick-up-Fahrer behauptete steif und fest, er habe nicht einen Kratzer abbekommen.
Und - Überraschung, Überraschung! - er habe auch keine Schlange gesehen, weder riesig noch klein. Und auch Lily fand keine Spuren von Magie auf der Straße, wo die Schlange angeblich gewesen war.
Und hier auch nicht. Sie begann, das Armaturenbrett abzutasten.
Nicht, dass sie nichts Besseres zu tun gehabt hätte. Sie war gerade dabei, einen Betrugsfall unter Dach und Fach zu bringen, den sie zusammen mit der hiesigen Zweigstelle bearbeitet hatte, und war eben aus einer kleinen Stadt namens Eagle's Nest zurückgekommen. Die dortigen Ermittlungen hatten glücklicherweise nicht lange gedauert, denn sie hatte recht bald den angeblichen Lupusangriff an die Kollegen vor Ort übergeben können. Das Opfer war, wie sich herausgestellt hatte, betrunken gewesen und der Angreifer ein Bär, der die Mülltonnen auf der Suche nach Nahrung durchwühlt hatte.
Auch am Armaturenbrett war keine Magie zu spüren, also nahm sie sich den Krimskrams vor, den die Frau in ihrem Auto angesammelt hatte - eine leere Limodose, eine Zeitung, zerknüllte Rechnungen.
Ein Soziologe hätte den plötzlichen Anstieg von verrückten Anrufen wohl hochinteressant gefunden, und wer weiß? Vielleicht waren sie tatsächlich das Resultat der Kollision von Vernunft und Magie in der kollektiven Psyche. Die Wende hatte Angst in den Menschen hervorgerufen, daran gab es keinen Zweifel. Aber Lily zog konkrete Erklärungen vor - wie eine neue, nicht nachweisbare Droge. Oder ein neuer, nicht nachweisbarer Zauber.
Wenn es Letzteres war, dann war es ihr Job, ihn zu finden, verdammt. Doch sie fand nichts.
Sie rutschte vom Sitz herunter und ging in die Hocke, sodass sie mit den Händen über und unter den Fahrersitz fahren konnte. Sie erwartete nicht, etwas zu finden. Die Fahrerin hatte sie bereits überprüft, bevor die Sanitäter sie weggebracht hatten. Wenn die Frau verhext oder verzaubert war, hätte Lily es gespürt.
Auch auf dem Sitz fand sich nichts. Sie erhob sich, wobei sie darauf achtete, ihr Kleid nicht mit den schmutzigen Händen zu berühren.
Rule reichte ihr das Päckchen mit Erfrischungstüchern aus ihrer Handtasche. Sie nahm eines und lächelte ihn an. „Ich wusste doch, dass du dich noch mal nützlich machen würdest."
„Vergiss nicht die Gurkengläser."
Ihr wurde warm ums Herz. Als er ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte, hatten sie Gurken gegessen. Und Blinis und Käse. Dazu hatten sie einen köstlichen Dom Pérignon getrunken, aber dass er an die Gurken gedacht hatte, hatte sie gerührt. Sie lächelte, sagte aber nichts - konnte nicht sagen, was sie wollte, weil Munoz neben ihnen stand - und wischte sich die Hände ab. „Officer, mehr kann ich hier nicht tun. Es ist Ihr Fall. Vielen Dank für Ihre Kooperation."
Ihre Haut kribbelte schwach, als würden sich bei einer statischen Ladung die kleinen Härchen auf den Armen aufstellen. Automatisch hob sie den Kopf.
„Was ist?"
„Nichts." Das Prickeln wurde von Sorcéri - wie Cullen sie nannte - verursacht, kleine Fetzen reiner, ursprünglicher Magie, die frei umherschwirrten, bis sie absorbiert wurden. Sie wurden vom Ozean, von Netzknoten oder von Gewittern abgegeben und von Drachen angezogen. Sie suchte den Himmel nach Sam ab - der oftmals Sorcéri hinterließ -, aber der Himmel war so leer und blau wie ein abgestürzter Computerbildschirm.
Doch meist wollte Sam auch gar nicht gesehen werden. Cullen behauptete, dass Drachen sich nicht wirklich unsichtbar machen konnten; es handle sich um eine Phasenverschiebung, so wie bei Dämonen. Was auch immer das heißen sollte. „Schicken Sie mir bitte eine Kopie Ihres Berichts." Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Mist. Rule, wir müssen los."
Die Party fing zwar erst um sieben Uhr an, aber sie fand auf dem Clangut statt, das zwanzig Minuten Autofahrt von der Stadt entfernt lag. Und sie hatte noch einiges zu erledigen; die Babyparty war nur ein Teil der Festivitäten.
Rule war den ganzen Tag auf dem Clangut gewesen und hatte alles für den anderen Teil der Feier vorbereitet. Er war nur zurück in die Stadt gekommen, um sie abzuholen, weil sie weder ihr Privatauto noch ihren Dienstwagen zur Verfügung hatte. Ihr sechs Jahre alter Toyota brauchte ein neues Getriebe, und der Dienstwagen war immer noch in Eagle's Nest, wo es eine kleine Werkstatt gab.
Wie sich nämlich herausgestellt hatte, mochte der Bär den Geruch von Lupi nicht. Und ein zweihundert Kilo schwerer Schwarzbär kann, wenn er das Dach eines Wagens als Trampolin benutzt, erstaunlich viel Schaden anrichten.
Als Lily in Rules Mercedes einstieg, war sie schon dabei, die Nachrichten auf ihrem iPhone abzufragen. Die Babyparty mit einer traditionellen Lupus-Babyfeier zu kombinieren, hatte sie zuerst für eine gute Idee gehalten.
Selig sind die Unwissenden. Und die Wirklichkeit war ernüchternd.
Keine dringenden Nachrichten, deswegen tippte sie schnell ein paar Fakten über den Unfall ein, als sie vom Tatort wegfuhren. Langsam wurde sie richtig gut im Simsen. Nicht so flink wie ein Teeny, aber geschickt genug, um sich Notizen zu machen. „Was machen die Rippchen?", fragte sie Rule, ohne aufzusehen. „Es schadet doch nichts, dass wir ein bisschen später kommen, oder?"
„Sie sind noch im Grill. Isen fängt mit dem Huhn schon ohne mich an, mit ein bisschen Hilfe von Toby. Er freut sich schon auf heute Abend."
„Gut." Sie hob den Blick. „Gut für Toby, meine ich, und dass dein Vater dich tatkräftig unterstützt. Wenn der Rho beim Barbecue mitmacht, ist das doch gut für den Status, oder?"
Er trommelte mit den Fingern auf dem Steuer. „Ich weiß gar nicht mehr, warum ich dir eigentlich die politischen Dimensionen einer Kindsfeier erklärt habe."
„Weil ich dir keine andere Wahl gelassen habe."
„Oh, ja, jetzt erinnere ich mich wieder. Um deine Frage zu beantworten: Nein, Isen ist mein Vater, was allgemein bekannt ist, deshalb hat die Tatsache, dass er mir dabei hilft, ein Huhn zu grillen, keine besondere Bedeutung. Es soll vorkommen, dass Väter ihren Söhnen zur Hand gehen."
Sein humorloser Ton irritierte sie. „Wie soll ich verstehen, was für die Rangfolge von Bedeutung ist, wenn ich nicht frage?" Sie legte das Telefon weg. „Glaubst du, wir haben genug Rinderbrust? Und Rippchen? Wir können noch welche von Johnny's mitnehmen. Die machen gute Rippchen."
„Meine sind besser, und wir haben genug."
„Gastgeschenke", sagte sie plötzlich und drehte sich um. Auf dem Rücksitz lag ein großes Geschenkpaket neben zwei prallen Einkaufstaschen. „Ich kann sie nicht sehen. Rule ..."
„Sie sind im Kofferraum, wo du sie gestern verstaut hast, damit du sie nicht vergisst."
„Richtig. Stimmt ja. Ich rufe lieber noch mal Beth an. Sie bringt den Kuchen mit." Sie tippte die Nummer ihrer Schwester. „Ich hatte keine Zeit, ihr die Quittung zu schicken, deshalb will ich sichergehen, dass man ihr den Kuchen nicht ein zweites Mal in Rechnung stellt. Es ist wirklich lästig, dass ich mein Auto nicht habe. Ich ... Mist. Besetzt." Sie schrieb eine SMS.
„Lily, entspann dich. Es ist eine Party. Du sollst dich amüsieren."
„Gastgeber amüsieren sich nicht. Gastgeber geben die Party." Er lachte fast lautlos.
Sie schickte Beth die SMS und warf ihm einen bösen Blick zu. „Du lachst nicht mit mir. Das weiß ich, weil ich nämlich nicht lache."
Er streckte die Hand aus und massierte sanft ihren Nacken. „Dass Gastgeber sich nicht amüsieren dürfen - das ist etwas, das von deiner Mutter stammen könnte."
Verflixt. Er hatte recht. „Na gut. Wenn ich mich amüsieren soll, dann mache ich das. Nachdem die Party angefangen hat. Bis dahin darf ich mir noch Sorgen machen."
„Warum habe ich den Eindruck, als hättest du gerade im Geiste ‚muss mich amüsieren‘ auf eine To-do-Liste geschrieben?"
„Weil ich klug genug bin, es nicht vor deinen Augen auf eine echte Liste zu schreiben." Apropos ... Wieder wühlte sie in ihrer Handtasche, zog ein kleines Spiralbüchlein heraus, klappte es auf und überflog die Liste mit der Überschrift Babyparty/Kindsfeier. „Jetzt fühle ich mich besser."
„Gut." Er drückte ihre Schulter und ließ die Hand sinken. „Bitte mach dir keine Sorgen um die politischen Aspekte. Darum kümmere ich mich schon."
„Das kannst du vergessen." Sie betrachtete nachdenklich ihre Liste. Bis auf das Decken der Tische und das Arrangement des Buffets war alles erledigt, und dafür hatte sie eine separate Liste. Sie blätterte auch diese auf. „Ich habe Angst, ich könnte den Kuchenheber vergessen oder das Gästebuch irgendwo liegen lassen, aber ich will trotzdem alles über diesen politischen Kram und über die Sache mit dem Status und so wissen. Das muss ich, weil ich es nicht verstehe." Sie sah ihn an. „Ich lasse mich nicht von dir ausschließen."
Er streckte die Hand nach ihrer aus, und sie überließ sie ihm. Er schwieg noch einen Moment, dann sagte er: „Ich will dich nicht ausschließen. Das ist wie ein Reflex."
„Ich weiß. Aber du hast vor, dich zu bessern, nicht wahr?" Er lächelte. „So ist es."
Seine Berührung beruhigte sie. Wie immer. Das war das Magische am Band der Gefährten, das das Bedürfnis nach körperlichem Kontakt steigerte, doch gleichzeitig auch seinen positiven Einfluss. Sein Volk glaubte, dass das Band ein Geschenk der Dame war, ein Glaube, der sich in dem Titel widerspiegelte, den sie Lily gaben: die Auserwählte. Auserwählt von der Dame, meinten sie, denn weder sie noch Rule hatte eine Wahl gehabt. Zu Beginn zumindest nicht.
Aber das Wohltuende seiner Berührung war auch noch in einem archaischen, universellen Zauber begründet. Die meisten Menschen, dachte Lily, fühlen sich besser, wenn sie die Hand eines geliebten Wesens halten.
An einigen ihrer Sorgen, das gab sie gerne zu, war sie selbst schuld. Cynna war eine gute Freundin, und sie war schwanger, deshalb war es nur natürlich, dass Lily angeboten hatte, eine Babyparty für sie auszurichten. Niemand hatte sie dazu gezwungen, dies zur gleichen Zeit mit der Feier zu tun, die Rule und die Rhej der Nokolai für den Vater des Kindes abhielten - Cullen Seabourne, Zauberer und ehemaliger einsamer Wolf und der erste Lupus, der je geheiratet hatte. Aber sie hatte es für eine gute Idee gehalten. Lilys Wissen über die Nokolai und ihre Sitten hatte immer noch Lücken, aber in den neun Monaten, in denen sie mit Rule zusammen war, hatte sie schon an einigen Kinds-
feiern teilgenommen. Und nie war es eine große Sache gewesen.
Aber dieses Mal war es anscheinend anders. Ganz anders.
Die meisten von Cynnas Freunden und Bekannten, die ihr etwas für das Baby geschenkt hatten, arbeiteten mit ihr und Lily zusammen in der Einheit. Sie lebten nicht in der Nähe, deswegen war die Zahl der Gäste der Babyparty klein und überschaubar.
Ganz anders die Kindsfeier. Die Rippchen, nach denen sie Rule gefragt hatte, waren ein gutes Beispiel. Es ging nicht allein darum, dass jeder, der erschien, auch genug zu essen bekam. Nein, die Sache war um einiges komplizierter. Es mussten Reste übrig bleiben. Denn die Gäste durften, laut Rule, nicht das Gefühl haben, der Gastgeber habe sich für sie in Unkosten stürzen müssen. Aber wenn zu viel übrig blieb, war das auch wieder nicht gut. Der Gastgeber könnte sich beleidigt fühlen, weil nicht genug Gäste gekommen waren. Oder geriet in den Verdacht, sich für wichtiger zu halten, als er tatsächlich war, was als Schwäche ausgelegt wurde. Und der Lu Nuncio des Clans durfte nicht schwach sein.
Die Rippchen waren der große Test. Sie waren besonders beliebt und gingen deswegen schnell weg. Das Ziel war es, sagte Rule, dass es, wenn alle Teller gefüllt waren, keine Rippchen mehr gab und vielleicht auch keine Rinderbrust, aber immer noch Hühnchen und Würste und Beilagen.
Das Problem war, dass Lupi nicht auf ein „u. A. w. g." reagierten. Sie verschickten auch keine schriftlichen Einladungen, wenigstens nicht zu Kindsfeiern. Nein, der gesamte Clan fühlte sich eingeladen, und so konnten sie nichts anderes tun, als die abzuziehen, die schon vorher ein Geschenk geschickt hatten, und die Anzahl der infrage kommenden Gäste grob zu schätzen.
Die Schätzung war in der Tat recht grob gewesen - und von großer politischer Bedeutung, verdammt. Lily hasste Politik.
© 2011 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH.
Als die Energiestürme während der Wende die Grenzen zwischen den Welten niedergerissen hatten, waren Kreaturen hierher geweht worden, wie man sie seit Hunderten von Jahren auf der Erde nicht mehr gesehen hatte.
Die Energiestürme hatten sich gelegt, dem Himmel sei Dank. Und die Fachleute versicherten immer wieder, dass es ohne diese völlig undenkbar sei, hier herüber zu wechseln, und ebenso, dass jede Passage die Energie eines Netzknotens freisetze. Und der Coven in D.C., der eine hoch entwickelte Karte für Simulakren überwachte, beteuerte, es habe in der letzten Zeit keine nennenswerten Netzknotenaktivitäten gegeben. Zwar gab es ein Tor zwischen der Erde und einer anderen Welt - Edge -, doch das befand sich am anderen Ende des Landes und wurde von beiden Seiten mit Bannen geschützt und streng bewacht. Dort würde sich nichts durchschleichen können.
Aber undenkbar hieß nicht unmöglich, und Lily war von der Kompetenz der Fachleute nicht überzeugt. Deshalb folgte sie jedes Mal dem Ruf der Cops und untersuchte den Tatort.
Zuerst ließ sie die Hände über jeden Zentimeter des Steuers gleiten, von dem der schlaffe Airbag hing wie das größte Kondom der Welt. Das Monster des Tages war heute eine riesige Schlange gewesen, so dick wie eine Kuh, die, wie die Fahrerin des Honda schwor, plötzlich mit vor Gift triefenden Fängen vor ihrem Auto hochgeschossen sei. Natürlich war sie ausgewichen - und mit einem Pick-up zusammengestoßen.
Die Fahrerin des Honda hatte noch Glück gehabt, dass sie sich auf einer ruhigen Straße in einem Wohngebiet befunden hatte und der Fahrer des Pick-ups sehr schnell reagiert hatte. Sie war in die Notaufnahme gebracht worden, aber die Sanitäter glaubten nicht, dass sie schwer verletzt war. Der Pick-up-Fahrer behauptete steif und fest, er habe nicht einen Kratzer abbekommen.
Und - Überraschung, Überraschung! - er habe auch keine Schlange gesehen, weder riesig noch klein. Und auch Lily fand keine Spuren von Magie auf der Straße, wo die Schlange angeblich gewesen war.
Und hier auch nicht. Sie begann, das Armaturenbrett abzutasten.
Nicht, dass sie nichts Besseres zu tun gehabt hätte. Sie war gerade dabei, einen Betrugsfall unter Dach und Fach zu bringen, den sie zusammen mit der hiesigen Zweigstelle bearbeitet hatte, und war eben aus einer kleinen Stadt namens Eagle's Nest zurückgekommen. Die dortigen Ermittlungen hatten glücklicherweise nicht lange gedauert, denn sie hatte recht bald den angeblichen Lupusangriff an die Kollegen vor Ort übergeben können. Das Opfer war, wie sich herausgestellt hatte, betrunken gewesen und der Angreifer ein Bär, der die Mülltonnen auf der Suche nach Nahrung durchwühlt hatte.
Auch am Armaturenbrett war keine Magie zu spüren, also nahm sie sich den Krimskrams vor, den die Frau in ihrem Auto angesammelt hatte - eine leere Limodose, eine Zeitung, zerknüllte Rechnungen.
Ein Soziologe hätte den plötzlichen Anstieg von verrückten Anrufen wohl hochinteressant gefunden, und wer weiß? Vielleicht waren sie tatsächlich das Resultat der Kollision von Vernunft und Magie in der kollektiven Psyche. Die Wende hatte Angst in den Menschen hervorgerufen, daran gab es keinen Zweifel. Aber Lily zog konkrete Erklärungen vor - wie eine neue, nicht nachweisbare Droge. Oder ein neuer, nicht nachweisbarer Zauber.
Wenn es Letzteres war, dann war es ihr Job, ihn zu finden, verdammt. Doch sie fand nichts.
Sie rutschte vom Sitz herunter und ging in die Hocke, sodass sie mit den Händen über und unter den Fahrersitz fahren konnte. Sie erwartete nicht, etwas zu finden. Die Fahrerin hatte sie bereits überprüft, bevor die Sanitäter sie weggebracht hatten. Wenn die Frau verhext oder verzaubert war, hätte Lily es gespürt.
Auch auf dem Sitz fand sich nichts. Sie erhob sich, wobei sie darauf achtete, ihr Kleid nicht mit den schmutzigen Händen zu berühren.
Rule reichte ihr das Päckchen mit Erfrischungstüchern aus ihrer Handtasche. Sie nahm eines und lächelte ihn an. „Ich wusste doch, dass du dich noch mal nützlich machen würdest."
„Vergiss nicht die Gurkengläser."
Ihr wurde warm ums Herz. Als er ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte, hatten sie Gurken gegessen. Und Blinis und Käse. Dazu hatten sie einen köstlichen Dom Pérignon getrunken, aber dass er an die Gurken gedacht hatte, hatte sie gerührt. Sie lächelte, sagte aber nichts - konnte nicht sagen, was sie wollte, weil Munoz neben ihnen stand - und wischte sich die Hände ab. „Officer, mehr kann ich hier nicht tun. Es ist Ihr Fall. Vielen Dank für Ihre Kooperation."
Ihre Haut kribbelte schwach, als würden sich bei einer statischen Ladung die kleinen Härchen auf den Armen aufstellen. Automatisch hob sie den Kopf.
„Was ist?"
„Nichts." Das Prickeln wurde von Sorcéri - wie Cullen sie nannte - verursacht, kleine Fetzen reiner, ursprünglicher Magie, die frei umherschwirrten, bis sie absorbiert wurden. Sie wurden vom Ozean, von Netzknoten oder von Gewittern abgegeben und von Drachen angezogen. Sie suchte den Himmel nach Sam ab - der oftmals Sorcéri hinterließ -, aber der Himmel war so leer und blau wie ein abgestürzter Computerbildschirm.
Doch meist wollte Sam auch gar nicht gesehen werden. Cullen behauptete, dass Drachen sich nicht wirklich unsichtbar machen konnten; es handle sich um eine Phasenverschiebung, so wie bei Dämonen. Was auch immer das heißen sollte. „Schicken Sie mir bitte eine Kopie Ihres Berichts." Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Mist. Rule, wir müssen los."
Die Party fing zwar erst um sieben Uhr an, aber sie fand auf dem Clangut statt, das zwanzig Minuten Autofahrt von der Stadt entfernt lag. Und sie hatte noch einiges zu erledigen; die Babyparty war nur ein Teil der Festivitäten.
Rule war den ganzen Tag auf dem Clangut gewesen und hatte alles für den anderen Teil der Feier vorbereitet. Er war nur zurück in die Stadt gekommen, um sie abzuholen, weil sie weder ihr Privatauto noch ihren Dienstwagen zur Verfügung hatte. Ihr sechs Jahre alter Toyota brauchte ein neues Getriebe, und der Dienstwagen war immer noch in Eagle's Nest, wo es eine kleine Werkstatt gab.
Wie sich nämlich herausgestellt hatte, mochte der Bär den Geruch von Lupi nicht. Und ein zweihundert Kilo schwerer Schwarzbär kann, wenn er das Dach eines Wagens als Trampolin benutzt, erstaunlich viel Schaden anrichten.
Als Lily in Rules Mercedes einstieg, war sie schon dabei, die Nachrichten auf ihrem iPhone abzufragen. Die Babyparty mit einer traditionellen Lupus-Babyfeier zu kombinieren, hatte sie zuerst für eine gute Idee gehalten.
Selig sind die Unwissenden. Und die Wirklichkeit war ernüchternd.
Keine dringenden Nachrichten, deswegen tippte sie schnell ein paar Fakten über den Unfall ein, als sie vom Tatort wegfuhren. Langsam wurde sie richtig gut im Simsen. Nicht so flink wie ein Teeny, aber geschickt genug, um sich Notizen zu machen. „Was machen die Rippchen?", fragte sie Rule, ohne aufzusehen. „Es schadet doch nichts, dass wir ein bisschen später kommen, oder?"
„Sie sind noch im Grill. Isen fängt mit dem Huhn schon ohne mich an, mit ein bisschen Hilfe von Toby. Er freut sich schon auf heute Abend."
„Gut." Sie hob den Blick. „Gut für Toby, meine ich, und dass dein Vater dich tatkräftig unterstützt. Wenn der Rho beim Barbecue mitmacht, ist das doch gut für den Status, oder?"
Er trommelte mit den Fingern auf dem Steuer. „Ich weiß gar nicht mehr, warum ich dir eigentlich die politischen Dimensionen einer Kindsfeier erklärt habe."
„Weil ich dir keine andere Wahl gelassen habe."
„Oh, ja, jetzt erinnere ich mich wieder. Um deine Frage zu beantworten: Nein, Isen ist mein Vater, was allgemein bekannt ist, deshalb hat die Tatsache, dass er mir dabei hilft, ein Huhn zu grillen, keine besondere Bedeutung. Es soll vorkommen, dass Väter ihren Söhnen zur Hand gehen."
Sein humorloser Ton irritierte sie. „Wie soll ich verstehen, was für die Rangfolge von Bedeutung ist, wenn ich nicht frage?" Sie legte das Telefon weg. „Glaubst du, wir haben genug Rinderbrust? Und Rippchen? Wir können noch welche von Johnny's mitnehmen. Die machen gute Rippchen."
„Meine sind besser, und wir haben genug."
„Gastgeschenke", sagte sie plötzlich und drehte sich um. Auf dem Rücksitz lag ein großes Geschenkpaket neben zwei prallen Einkaufstaschen. „Ich kann sie nicht sehen. Rule ..."
„Sie sind im Kofferraum, wo du sie gestern verstaut hast, damit du sie nicht vergisst."
„Richtig. Stimmt ja. Ich rufe lieber noch mal Beth an. Sie bringt den Kuchen mit." Sie tippte die Nummer ihrer Schwester. „Ich hatte keine Zeit, ihr die Quittung zu schicken, deshalb will ich sichergehen, dass man ihr den Kuchen nicht ein zweites Mal in Rechnung stellt. Es ist wirklich lästig, dass ich mein Auto nicht habe. Ich ... Mist. Besetzt." Sie schrieb eine SMS.
„Lily, entspann dich. Es ist eine Party. Du sollst dich amüsieren."
„Gastgeber amüsieren sich nicht. Gastgeber geben die Party." Er lachte fast lautlos.
Sie schickte Beth die SMS und warf ihm einen bösen Blick zu. „Du lachst nicht mit mir. Das weiß ich, weil ich nämlich nicht lache."
Er streckte die Hand aus und massierte sanft ihren Nacken. „Dass Gastgeber sich nicht amüsieren dürfen - das ist etwas, das von deiner Mutter stammen könnte."
Verflixt. Er hatte recht. „Na gut. Wenn ich mich amüsieren soll, dann mache ich das. Nachdem die Party angefangen hat. Bis dahin darf ich mir noch Sorgen machen."
„Warum habe ich den Eindruck, als hättest du gerade im Geiste ‚muss mich amüsieren‘ auf eine To-do-Liste geschrieben?"
„Weil ich klug genug bin, es nicht vor deinen Augen auf eine echte Liste zu schreiben." Apropos ... Wieder wühlte sie in ihrer Handtasche, zog ein kleines Spiralbüchlein heraus, klappte es auf und überflog die Liste mit der Überschrift Babyparty/Kindsfeier. „Jetzt fühle ich mich besser."
„Gut." Er drückte ihre Schulter und ließ die Hand sinken. „Bitte mach dir keine Sorgen um die politischen Aspekte. Darum kümmere ich mich schon."
„Das kannst du vergessen." Sie betrachtete nachdenklich ihre Liste. Bis auf das Decken der Tische und das Arrangement des Buffets war alles erledigt, und dafür hatte sie eine separate Liste. Sie blätterte auch diese auf. „Ich habe Angst, ich könnte den Kuchenheber vergessen oder das Gästebuch irgendwo liegen lassen, aber ich will trotzdem alles über diesen politischen Kram und über die Sache mit dem Status und so wissen. Das muss ich, weil ich es nicht verstehe." Sie sah ihn an. „Ich lasse mich nicht von dir ausschließen."
Er streckte die Hand nach ihrer aus, und sie überließ sie ihm. Er schwieg noch einen Moment, dann sagte er: „Ich will dich nicht ausschließen. Das ist wie ein Reflex."
„Ich weiß. Aber du hast vor, dich zu bessern, nicht wahr?" Er lächelte. „So ist es."
Seine Berührung beruhigte sie. Wie immer. Das war das Magische am Band der Gefährten, das das Bedürfnis nach körperlichem Kontakt steigerte, doch gleichzeitig auch seinen positiven Einfluss. Sein Volk glaubte, dass das Band ein Geschenk der Dame war, ein Glaube, der sich in dem Titel widerspiegelte, den sie Lily gaben: die Auserwählte. Auserwählt von der Dame, meinten sie, denn weder sie noch Rule hatte eine Wahl gehabt. Zu Beginn zumindest nicht.
Aber das Wohltuende seiner Berührung war auch noch in einem archaischen, universellen Zauber begründet. Die meisten Menschen, dachte Lily, fühlen sich besser, wenn sie die Hand eines geliebten Wesens halten.
An einigen ihrer Sorgen, das gab sie gerne zu, war sie selbst schuld. Cynna war eine gute Freundin, und sie war schwanger, deshalb war es nur natürlich, dass Lily angeboten hatte, eine Babyparty für sie auszurichten. Niemand hatte sie dazu gezwungen, dies zur gleichen Zeit mit der Feier zu tun, die Rule und die Rhej der Nokolai für den Vater des Kindes abhielten - Cullen Seabourne, Zauberer und ehemaliger einsamer Wolf und der erste Lupus, der je geheiratet hatte. Aber sie hatte es für eine gute Idee gehalten. Lilys Wissen über die Nokolai und ihre Sitten hatte immer noch Lücken, aber in den neun Monaten, in denen sie mit Rule zusammen war, hatte sie schon an einigen Kinds-
feiern teilgenommen. Und nie war es eine große Sache gewesen.
Aber dieses Mal war es anscheinend anders. Ganz anders.
Die meisten von Cynnas Freunden und Bekannten, die ihr etwas für das Baby geschenkt hatten, arbeiteten mit ihr und Lily zusammen in der Einheit. Sie lebten nicht in der Nähe, deswegen war die Zahl der Gäste der Babyparty klein und überschaubar.
Ganz anders die Kindsfeier. Die Rippchen, nach denen sie Rule gefragt hatte, waren ein gutes Beispiel. Es ging nicht allein darum, dass jeder, der erschien, auch genug zu essen bekam. Nein, die Sache war um einiges komplizierter. Es mussten Reste übrig bleiben. Denn die Gäste durften, laut Rule, nicht das Gefühl haben, der Gastgeber habe sich für sie in Unkosten stürzen müssen. Aber wenn zu viel übrig blieb, war das auch wieder nicht gut. Der Gastgeber könnte sich beleidigt fühlen, weil nicht genug Gäste gekommen waren. Oder geriet in den Verdacht, sich für wichtiger zu halten, als er tatsächlich war, was als Schwäche ausgelegt wurde. Und der Lu Nuncio des Clans durfte nicht schwach sein.
Die Rippchen waren der große Test. Sie waren besonders beliebt und gingen deswegen schnell weg. Das Ziel war es, sagte Rule, dass es, wenn alle Teller gefüllt waren, keine Rippchen mehr gab und vielleicht auch keine Rinderbrust, aber immer noch Hühnchen und Würste und Beilagen.
Das Problem war, dass Lupi nicht auf ein „u. A. w. g." reagierten. Sie verschickten auch keine schriftlichen Einladungen, wenigstens nicht zu Kindsfeiern. Nein, der gesamte Clan fühlte sich eingeladen, und so konnten sie nichts anderes tun, als die abzuziehen, die schon vorher ein Geschenk geschickt hatten, und die Anzahl der infrage kommenden Gäste grob zu schätzen.
Die Schätzung war in der Tat recht grob gewesen - und von großer politischer Bedeutung, verdammt. Lily hasste Politik.
© 2011 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH.
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Autoren-Porträt von Eileen Wilks
Eileen Wilks wurde in Texas geboren und lebt seit über dreißig Jahren in der westtexanischen Stadt Midland. Seit 1996 schreibt sie Liebesromane, die regelmäßig auf die amerikanischen Bestsellerliste gelangen, und wurde mehrfach für den RITA Award und den Romantic Times Award nominiert.
Bibliographische Angaben
- Autor: Eileen Wilks
- 2011, 464 Seiten, Maße: 12,6 x 18,1 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Stefanie Zeller
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802584813
- ISBN-13: 9783802584817
- Erscheinungsdatum: 07.04.2011
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