ZWISCHENFALL AUF DER INSEL

Noch nie hatte ich Tamara nach Susak mitgenommen, ihr nicht einmal davon erzählt. Ich hütete die Insel wie ein strenges Geheimnis, wie einen Ort, an dem ich eines Tages Zuflucht nehmen möchte, ohne es andere wissen zu lassen. Den Urlaub mit den Kindern in Kroatien konnte ich Tamara nicht verheimlichen, habe aber jedes Mal, um sie zu irritieren, einen anderen Ort genannt. Als ich den Kindern zum ersten Mal das Haus in Susak zeigte, waren sie begeistert, besonders vom Sandstrand, vom Meer, den engen Gassen ohne Fahrzeuge. Es hat sie mächtig angespornt, den ausgebauten Dachboden als ihr Reich zu gestalten, manchmal musste ich sie an heißen Tagen zum Schwimmen drängen. Nachts schliefen sie lieber auf Matratzen am Dachboden als in ihren Betten, bis auf eine Ausnahme, als wir einen Skorpion zwischen den Matratzen fanden. Die Insel war ursprünglich für benzinbetriebene Fahrzeuge nicht zugelassen, schon in der Monarchie war sie ein Lungenkurort gewesen. Es gibt keine Autos, lediglich einige Traktoren für Transportzwecke. Inzwischen fahren einige junge Leute mit ihrem Motorrad unangemeldet zwischen Unter- und Oberdorf. Da die Straßen für Fahrzeuge nicht geeignet sind, höchstens für Fahrräder, können sich die Kinder, eigentlich alle Menschen, ungefährdet bewegen. Meinen Kindern habe ich das Versprechen abverlangt, niemandem zu erzählen, wo wir unseren Urlaub verbrachten, auch ihrer Mutter nicht, es sei ein strenges Geheimnis zwischen uns, sie sollten lediglich sagen, wir waren in Kroatien am Meer, und da sie beim Fahren geschlafen hätten, könnten sie sich an keine Namen erinnern. Sie haben sich in kürzester Zeit an die neue Umgebung gewöhnt, neue, anderssprachige Freunde gewonnen, auch den Kontakt zu Nachbarn von selbst gesucht.

Helmut Schwetz, 1950 in Österreich geboren, ist Arzt und Schriftsteller. Studium und Ausbildung in Wien. Bis zur Pensionierung Landarzt in Oberösterreich.Bisher erschienen: Abschied. Und andere Erzählungen, Literareon im Herbert Utz Verlag GmbH. München, ISBN: 978-3-8316-1866-8; Hildegardpatientin, Verlag Nina Roiter, Linz, ISBN: 978-3-903250-00-0; Ich nenne dich Fini, Verlag am Sipbach, ISBN: 978-3-903259-27-0