Blow Out / Ullstein eBooks (ePub)
Thriller
Der steigende Meeresspiegel der Nordsee. Eine junge Frau, die sieht, was niemand wissen darf. Vier tote Wissenschaftler auf einer einsamen Bohrinsel im Ozean. Und eine hochgeheime Akte.
Journalist Nick Schäfer dachte, das Schlimmste an diesem Herbst 2052...
Journalist Nick Schäfer dachte, das Schlimmste an diesem Herbst 2052...
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Produktinformationen zu „Blow Out / Ullstein eBooks (ePub)“
Der steigende Meeresspiegel der Nordsee. Eine junge Frau, die sieht, was niemand wissen darf. Vier tote Wissenschaftler auf einer einsamen Bohrinsel im Ozean. Und eine hochgeheime Akte.
Journalist Nick Schäfer dachte, das Schlimmste an diesem Herbst 2052 sei der rasant steigende Meeresspiegel der Nordsee und die Evakuierung seiner Mutter aus ihrem Heimatdorf. Doch dann kommt der Anruf seiner Exfreundin Emma. Sie ist in Todesangst. Hat sie wirklich Beweise dafür, wer hinter dieser verheerenden Umweltkatastrophe steckt? Ist deswegen jeder kritische Wissenschaftler auf ungeklärte Weise tödlich verunglückt? Und wie kann Nick Emma und sich vor ihren mächtigen Gegnern retten?
"Hochspannend, intelligent und beängstigend realitätsnah." Wulf Dorn
Journalist Nick Schäfer dachte, das Schlimmste an diesem Herbst 2052 sei der rasant steigende Meeresspiegel der Nordsee und die Evakuierung seiner Mutter aus ihrem Heimatdorf. Doch dann kommt der Anruf seiner Exfreundin Emma. Sie ist in Todesangst. Hat sie wirklich Beweise dafür, wer hinter dieser verheerenden Umweltkatastrophe steckt? Ist deswegen jeder kritische Wissenschaftler auf ungeklärte Weise tödlich verunglückt? Und wie kann Nick Emma und sich vor ihren mächtigen Gegnern retten?
"Hochspannend, intelligent und beängstigend realitätsnah." Wulf Dorn
Lese-Probe zu „Blow Out / Ullstein eBooks (ePub)“
Blow Out von Uwe LaubPROLOG
15. November 2015
»Etwas läuft schief.« Roman Leuthard ging nervös auf und ab. »Ich weiß es.«
»Du machst dir zu viele Sorgen, mon ami«, entgegnete Claude Chevallier.
»Er ist schon viel zu lange fort.« Zum wiederholten Mal warf Leuthard einen Blick auf seine Armbanduhr.
»Geduld, du kannst nicht erwarten, dass Brooks alles auf Anhieb versteht. Xavier muss vermutlich ganz von vorne anfangen.« Chevallier klang nicht besonders überzeugend.
»Ich gebe ihm noch zehn Minuten, dann sehe ich nach ihm.«
Die beiden Geophysiker standen im Windschatten einer der mannshohen Pumpen der Hauptplattform, gut verborgen vor unliebsamen Blicken, die es in letzter Zeit häufig gab. Die ersten Ausläufer des Hurrikans peitschten auf sie ein. Windböen zerrten an ihren Overalls. Aus Angst vor herumfliegenden Gegenständen hatte sich Leuthard seinen Schutzhelm tief ins Gesicht geschoben. Trotz des wasserdichten Schutzoveralls fror er.
... mehr
Die dunklen Wolken, die vor drei Stunden nur schwach am Horizont auszumachen gewesen waren, hingen jetzt direkt über der Bohrinsel. Schon bald würde der Hurrikan sie mit voller Wucht treffen. Sorgenfalten zogen sich quer über Leuthards Stirn. Er sah durch die Umzäunung nach unten. Fünfzig Meter tiefer tobte das Meer. Die aus südöstlicher Richtung heranrollende Dünung kam ihm gewaltig vor. Mit unbändiger Kraft donnerten die gut und gerne zwanzig Meter hohen Wellenberge gegen die mächtigen Pfeiler der Bohrinsel. Selbst durch den heulenden Wind hindurch hallte der dumpfe Donner des Aufpralls bis zu ihnen hinauf. Gischt spritzte in Fontänen über die Stahlträger der untersten Plattform, erfasst und mitgerissen vom stürmischen Wind. Eine weitere enorme Welle krachte gegen die Pfeiler, und nicht zum ersten Mal spürte Leuthard ein bedrohliches Vibrieren unter den Füßen.
Die imposanten Vorboten des herannahenden Hurrikans kündigten einen Sturm der Superlative an. Sam war ein Hurrikan der Stufe fünf. Mehr Gewalt und Zerstörungswut brachte kein anderes Wetterphänomen auf diesem Planeten hervor. In einer Mischung aus Abscheu und Bewunderung zog Leuthard die Mundwinkel nach unten. Sein Blick wanderte über die gewaltigen Kräne, Turbinen und Pipelines sowie die Gebäude der Hauptplattform, deren 245 Meter hoher Bohrturm das Zentrum bildete. In einiger Entfernung blinkten die Positionslichter der weiteren drei Plattformen. 110 000 Tonnen Stahl und 12 Milliarden US-Dollar hatte der Bau der Independence verschlungen. Bald würde sich zeigen, ob die Konstrukteure dieses stählernen Monsters einen guten Job gemacht hatten.
Leuthard fluchte leise. Wo blieb Xavier? Der Wind peitschte ihnen immer stärker ins Gesicht. Mit zusammengekniffenen Augen starrte er auf die Aufzugstüren des Hauptgebäudes, in der Hoffnung, sie würden sich endlich öffnen und Professor Xavier Rochas ausspucken. »Vielleicht war es ein Fehler, auf Powell zu hoffen. Wir hätten zuerst Genf benachrichtigen sollen.«
Chevallier seufzte auf: »Das Thema haben wir doch längst durch. Xavier ist sich nicht sicher. Warum die Pferde unnötig scheu machen? Wenn wir falschliegen, wird man uns die Hölle heißmachen.«
Leuthards Blick schoss von der Aufzugstür zu dem korpulenten Franzosen. »Und was, wenn wir richtigliegen? «
Chevallier seufzte. »In diesem Fall, mon ami, erwartet uns wesentlich Schlimmeres.«
Ein Lichtschein fiel auf den dunklen Boden der Plattform, als mit einem Mal die Aufzugstüren zur Seite glitten. Ein hagerer Mann trat hinaus in den Sturm und sah sich suchend um.
»Voilà. Siehst du, Roman, alles in bester Ordnung.« Chevallier wollte gerade seinem Kollegen etwas zurufen.
Im letzten Moment legte Leuthard ihm eine Hand über den Mund. »Still!« Er deutete in Richtung des Aufzugs.
Hinter Rochas' Rücken lösten sich drei Schatten aus dem Hintergrund. Im Gegensatz zu den Wissenschaftlern trugen diese Männer keine Overalls, sondern die schwarze Uniform der Marines, die hier, wie generell in schützenswerten US-Einrichtungen, den Sicherheitsdienst versahen. Helme mit heruntergeklapptem Visier verbargen ihre Gesichter. An ihren Gürteln baumelten, neben Funkgeräten und Stabtaschenlampen, beachtliche Schusswaffen. Die Marines bauten sich im Halbkreis vor Rochas auf. Ihr Anführer redete auf ihn ein. Durch den tosenden Wind war kein Wort zu verstehen, die bedrohliche Körpersprache des durchtrainierten Marine aber sprach Bände. Rochas antwortete wild gestikulierend.
»Was geht hier vor?«, fragte Chevallier leise.
»Keine Ahnung.«
»Sollen wir rübergehen?«
»Nein.«
»Wieso nicht?«
»Ich bin mir nicht sicher.« Leuthard kniff die Augen zusammen und bemühte sich, in den rapide schlechter werdenden Lichtverhältnissen Genaueres zu erkennen. Selbst die Scheinwerfer und Flutlichter schienen inzwischen vom Sturm eingeschüchtert. Ihre Lichtkegel wirkten matt und verloren sich auf halber Strecke in der Dunkelheit.
Unvermittelt holte der Anführer aus und verpasste Rochas einen fulminanten Magenschwinger. Der Spanier klappte zusammen, wurde von den beiden anderen Marines hochgehoben, bekam den nächsten Hieb verpasst und ging in die Knie. Der Anführer griff in Rochas' Haare und riss dessen Kopf nach hinten. Mit einem kurzen, aber harten Faustschlag mitten ins Gesicht brach er ihm die Nase. Blut schoss über Rochas' Mund und Kinn. Breitbeinig und mit verschränkten Armen standen die Kameraden des Anführers daneben, während dieser weiter auf den Wissenschaftler eindrosch.
»Verdammt!«, stieß Chevallier hervor, »wir müssen ihm helfen.«
»Wir beide gegen drei Marines?«
»Roman, die prügeln gerade unseren Freund tot!«
»Die haben Waffen.«
»Sie werden uns schon nicht erschießen.«
Leuthard erwiderte nichts. Nach allem, was er in den letzten Tagen von River Maddox erfahren hatte, war er sich da nicht so sicher.
Unvermittelt ließen die Männer von Rochas ab, der zusammengekrümmt auf dem Boden lag. Der Anführer schickte seine Kameraden fort und sah ihnen nach, bis sie hinter einer Ecke verschwanden. Dann packte er Rochas am Overall, zerrte ihn hoch und schmetterte ihn mit dem Gesicht voraus mehrmals mit voller Wucht gegen eine Turbine.
»Mon dieu«, flüsterte Chevallier.
Leuthard schnappte nach Luft. Gleich aus mehreren klaffenden Platzwunden an Rochas' Kopf und Nase strömte Blut. Schnell war dessen gesamte rechte Gesichtshälfte blutverschmiert, das Auge zugeschwollen. Der Anblick war grauenhaft. Leuthard wurde bewusst, dass er sich näher am Geschehen befand, als ihm lieb war.
Der Marine schob das Visier seines Helms nach oben und betrachtete Rochas. Leuthard kannte den Mann vom Sehen - einer von Brooks' Lakaien, die seit Wochen hinter den Wissenschaftlern herspionierten.
Mit einem tosenden Geräusch öffnete der Himmel sämtliche Schleusen. Sintflutartiger, vom Sturm gepeitschter Regen klatschte in Leuthards Gesicht. Der Hurrikan gewann an Intensität. Innerhalb von Sekunden triefte Leuthards Overall vor Nässe. Eine besonders heftige Sturmböe fegte über die Plattform und zerrte an der Stahlkonstruktion der Independence. Hin und her schwingende Stahltrossen flogen durch die Luft. Um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, musste sich sogar der athletische Marine mit einer Hand an der Turbine festhalten. Er vergewisserte sich, dass ihn niemand beobachtete, drehte Rochas auf den Bauch, hob den Kopf des wehrlosen Mannes an und hämmerte ihn mit dem Gesicht gegen die Kante des Turbinensockels. Wieder spritzte Blut nach allen Seiten. Einen Moment lang zuckte der Spanier noch unkontrolliert, dann war es vorbei. Sein Gesicht war nur noch eine Mischung aus Blut, Knochen und Hirnmasse. Das linke Auge war herausgerissen und hing aufgespießt auf einer Schraube an der Kante des Sockels. Der prasselnde Regen vermischte sich mit dem Blut des Wissenschaftlers und schwemmte es fort.
Leuthard war wie erstarrt und konnte den Blick nicht von dem klaffenden Loch abwenden, in dem sich soeben noch Rochas' Augapfel befunden hatte. Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, achtete er nicht auf Chevallier, der plötzlich aufsprang. »Assassin!«, brüllte er und rannte mit erhobenen Fäusten auf Rochas' Mörder zu.
Leuthard war fassungslos. Was dachte sich dieser durchgeknallte Franzose dabei? Wollte er etwa einen Elite soldaten niederschlagen?
Im selben Moment, in dem sich der Marine umdrehte und den korpulenten Wissenschaftler auf sich zurennen sah, wusste Leuthard, dass Chevallier so gut wie tot war.
Es kam nicht einmal ansatzweise zu einem Kampf.
Zwei Meter bevor Chevallier den Marine erreichte, rutschte er auf den nassen Bodenplatten aus und schlitterte ihm direkt gegen die Schienbeine. Ohne viel Aufhebens hieb ihm der Elitekämpfer die Handkante gegen die Halsschlagader. Chevallier sackte auf der Stelle in sich zusammen. Der Marine griff hinter sich und hielt plötzlich einen schweren Gegenstand in den Händen. Starr vor Angst, folgte Leuthards Blick der Hand mit dem Schraubenschlüssel, die einen weiten Bogen beschrieb und krachend auf dem Hinterkopf des am Boden liegenden Wissenschaftlers niederging.
Chevallier bäumte sich auf, und sein Mund verzerrte sich. Aus einer klaffenden Wunde am Hinterkopf rann das Blut in Strömen. Am ganzen Leib zuckend, kippte der Franzose mit weit aufgerissenen Augen zur Seite. Seine Hände verkrampften sich, dann rührte er sich nicht mehr.
Leuthard starrte auf die beiden leblosen Körper seiner Kollegen, mit denen er noch vor einer Stunde gemeinsam im Labor über dem Gaschromatographen gebrütet hatte. Das alles fühlte sich an wie ein Alptraum - nur war es verdammt real. Bei allen Heiligen, in welchen Wahnsinn waren sie hier nur hineingeraten?
Der Marine sah sich um, als erwarte er jeden Moment die Attacke eines weiteren Angreifers, und packte dann Chevalliers Arme. Er schleifte ihn zur gegenüberliegenden Umzäunung, hinter der es in die Tiefe ging. Mit Mühe stemmte er den schweren Franzosen hoch und hievte ihn über die Absperrung. Ungerührt sah er dem leblosen Körper nach, der wie ein Sack Zement in die Tiefe fiel und von den gischtsprühenden Wellenbergen mitgerissen wurde.
Der Marine kehrte zu Rochas' Leiche zurück. An der Turbine hielt er inne und zog den aufgespießten Augapfel von der hervorstehenden Schraube. Achtlos warf er ihn ins Meer und widmete sich dann dem Spanier.
Endlich löste sich Leuthard aus seiner Schockstarre. Die einzige Möglichkeit, zu entkommen, lag in dem kurzen Moment, in dem der Marine damit beschäftigt war, Rochas über das Absperrgitter zu hieven. Dabei musste er Leuthard zwangsläufig den Rücken zukehren. Das Problem dabei war, dass Leuthards einziger Fluchtweg direkt an der Stelle vorbeiführte, an der noch vor wenigen Sekunden die beiden Leichen gelegen hatten. Er schauderte.
Der Marine erreichte die Umzäunung und begann mit der Entsorgung von Rochas' Leiche.
Leuthard löste sich aus seinem Versteck. Noch während er loslief, schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf. Der Marine war bestens durchtrainiert. Womöglich würde Leuthard es nicht bis in sein Quartier schaffen. Er brauchte eine Waffe!
Mit einem raschen Blick vergewisserte er sich, dass der Marine noch immer mit Rochas beschäftigt war und nicht in seine Richtung blickte. Vor der Blutlache ging er in die Knie. Er zog die Ärmel des Overalls über seine Hände und griff sich den Schraubenschlüssel, ohne diesen dabei mit seinen nackten Fingern zu berühren. Der Gedanke, Chevalliers und Rochas' Blut an seinen Händen zu spüren, ekelte ihn. Das Werkzeug wog schwer in Leuthards Hand, aber wenigstens war er jetzt nicht mehr ganz chancenlos.
Er erhob sich in dem Moment, in dem der Marine sich umdrehte.
Einen Augenblick lang starrten sie sich an.
Copyright © Ullstein TB Verlag
Die dunklen Wolken, die vor drei Stunden nur schwach am Horizont auszumachen gewesen waren, hingen jetzt direkt über der Bohrinsel. Schon bald würde der Hurrikan sie mit voller Wucht treffen. Sorgenfalten zogen sich quer über Leuthards Stirn. Er sah durch die Umzäunung nach unten. Fünfzig Meter tiefer tobte das Meer. Die aus südöstlicher Richtung heranrollende Dünung kam ihm gewaltig vor. Mit unbändiger Kraft donnerten die gut und gerne zwanzig Meter hohen Wellenberge gegen die mächtigen Pfeiler der Bohrinsel. Selbst durch den heulenden Wind hindurch hallte der dumpfe Donner des Aufpralls bis zu ihnen hinauf. Gischt spritzte in Fontänen über die Stahlträger der untersten Plattform, erfasst und mitgerissen vom stürmischen Wind. Eine weitere enorme Welle krachte gegen die Pfeiler, und nicht zum ersten Mal spürte Leuthard ein bedrohliches Vibrieren unter den Füßen.
Die imposanten Vorboten des herannahenden Hurrikans kündigten einen Sturm der Superlative an. Sam war ein Hurrikan der Stufe fünf. Mehr Gewalt und Zerstörungswut brachte kein anderes Wetterphänomen auf diesem Planeten hervor. In einer Mischung aus Abscheu und Bewunderung zog Leuthard die Mundwinkel nach unten. Sein Blick wanderte über die gewaltigen Kräne, Turbinen und Pipelines sowie die Gebäude der Hauptplattform, deren 245 Meter hoher Bohrturm das Zentrum bildete. In einiger Entfernung blinkten die Positionslichter der weiteren drei Plattformen. 110 000 Tonnen Stahl und 12 Milliarden US-Dollar hatte der Bau der Independence verschlungen. Bald würde sich zeigen, ob die Konstrukteure dieses stählernen Monsters einen guten Job gemacht hatten.
Leuthard fluchte leise. Wo blieb Xavier? Der Wind peitschte ihnen immer stärker ins Gesicht. Mit zusammengekniffenen Augen starrte er auf die Aufzugstüren des Hauptgebäudes, in der Hoffnung, sie würden sich endlich öffnen und Professor Xavier Rochas ausspucken. »Vielleicht war es ein Fehler, auf Powell zu hoffen. Wir hätten zuerst Genf benachrichtigen sollen.«
Chevallier seufzte auf: »Das Thema haben wir doch längst durch. Xavier ist sich nicht sicher. Warum die Pferde unnötig scheu machen? Wenn wir falschliegen, wird man uns die Hölle heißmachen.«
Leuthards Blick schoss von der Aufzugstür zu dem korpulenten Franzosen. »Und was, wenn wir richtigliegen? «
Chevallier seufzte. »In diesem Fall, mon ami, erwartet uns wesentlich Schlimmeres.«
Ein Lichtschein fiel auf den dunklen Boden der Plattform, als mit einem Mal die Aufzugstüren zur Seite glitten. Ein hagerer Mann trat hinaus in den Sturm und sah sich suchend um.
»Voilà. Siehst du, Roman, alles in bester Ordnung.« Chevallier wollte gerade seinem Kollegen etwas zurufen.
Im letzten Moment legte Leuthard ihm eine Hand über den Mund. »Still!« Er deutete in Richtung des Aufzugs.
Hinter Rochas' Rücken lösten sich drei Schatten aus dem Hintergrund. Im Gegensatz zu den Wissenschaftlern trugen diese Männer keine Overalls, sondern die schwarze Uniform der Marines, die hier, wie generell in schützenswerten US-Einrichtungen, den Sicherheitsdienst versahen. Helme mit heruntergeklapptem Visier verbargen ihre Gesichter. An ihren Gürteln baumelten, neben Funkgeräten und Stabtaschenlampen, beachtliche Schusswaffen. Die Marines bauten sich im Halbkreis vor Rochas auf. Ihr Anführer redete auf ihn ein. Durch den tosenden Wind war kein Wort zu verstehen, die bedrohliche Körpersprache des durchtrainierten Marine aber sprach Bände. Rochas antwortete wild gestikulierend.
»Was geht hier vor?«, fragte Chevallier leise.
»Keine Ahnung.«
»Sollen wir rübergehen?«
»Nein.«
»Wieso nicht?«
»Ich bin mir nicht sicher.« Leuthard kniff die Augen zusammen und bemühte sich, in den rapide schlechter werdenden Lichtverhältnissen Genaueres zu erkennen. Selbst die Scheinwerfer und Flutlichter schienen inzwischen vom Sturm eingeschüchtert. Ihre Lichtkegel wirkten matt und verloren sich auf halber Strecke in der Dunkelheit.
Unvermittelt holte der Anführer aus und verpasste Rochas einen fulminanten Magenschwinger. Der Spanier klappte zusammen, wurde von den beiden anderen Marines hochgehoben, bekam den nächsten Hieb verpasst und ging in die Knie. Der Anführer griff in Rochas' Haare und riss dessen Kopf nach hinten. Mit einem kurzen, aber harten Faustschlag mitten ins Gesicht brach er ihm die Nase. Blut schoss über Rochas' Mund und Kinn. Breitbeinig und mit verschränkten Armen standen die Kameraden des Anführers daneben, während dieser weiter auf den Wissenschaftler eindrosch.
»Verdammt!«, stieß Chevallier hervor, »wir müssen ihm helfen.«
»Wir beide gegen drei Marines?«
»Roman, die prügeln gerade unseren Freund tot!«
»Die haben Waffen.«
»Sie werden uns schon nicht erschießen.«
Leuthard erwiderte nichts. Nach allem, was er in den letzten Tagen von River Maddox erfahren hatte, war er sich da nicht so sicher.
Unvermittelt ließen die Männer von Rochas ab, der zusammengekrümmt auf dem Boden lag. Der Anführer schickte seine Kameraden fort und sah ihnen nach, bis sie hinter einer Ecke verschwanden. Dann packte er Rochas am Overall, zerrte ihn hoch und schmetterte ihn mit dem Gesicht voraus mehrmals mit voller Wucht gegen eine Turbine.
»Mon dieu«, flüsterte Chevallier.
Leuthard schnappte nach Luft. Gleich aus mehreren klaffenden Platzwunden an Rochas' Kopf und Nase strömte Blut. Schnell war dessen gesamte rechte Gesichtshälfte blutverschmiert, das Auge zugeschwollen. Der Anblick war grauenhaft. Leuthard wurde bewusst, dass er sich näher am Geschehen befand, als ihm lieb war.
Der Marine schob das Visier seines Helms nach oben und betrachtete Rochas. Leuthard kannte den Mann vom Sehen - einer von Brooks' Lakaien, die seit Wochen hinter den Wissenschaftlern herspionierten.
Mit einem tosenden Geräusch öffnete der Himmel sämtliche Schleusen. Sintflutartiger, vom Sturm gepeitschter Regen klatschte in Leuthards Gesicht. Der Hurrikan gewann an Intensität. Innerhalb von Sekunden triefte Leuthards Overall vor Nässe. Eine besonders heftige Sturmböe fegte über die Plattform und zerrte an der Stahlkonstruktion der Independence. Hin und her schwingende Stahltrossen flogen durch die Luft. Um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, musste sich sogar der athletische Marine mit einer Hand an der Turbine festhalten. Er vergewisserte sich, dass ihn niemand beobachtete, drehte Rochas auf den Bauch, hob den Kopf des wehrlosen Mannes an und hämmerte ihn mit dem Gesicht gegen die Kante des Turbinensockels. Wieder spritzte Blut nach allen Seiten. Einen Moment lang zuckte der Spanier noch unkontrolliert, dann war es vorbei. Sein Gesicht war nur noch eine Mischung aus Blut, Knochen und Hirnmasse. Das linke Auge war herausgerissen und hing aufgespießt auf einer Schraube an der Kante des Sockels. Der prasselnde Regen vermischte sich mit dem Blut des Wissenschaftlers und schwemmte es fort.
Leuthard war wie erstarrt und konnte den Blick nicht von dem klaffenden Loch abwenden, in dem sich soeben noch Rochas' Augapfel befunden hatte. Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, achtete er nicht auf Chevallier, der plötzlich aufsprang. »Assassin!«, brüllte er und rannte mit erhobenen Fäusten auf Rochas' Mörder zu.
Leuthard war fassungslos. Was dachte sich dieser durchgeknallte Franzose dabei? Wollte er etwa einen Elite soldaten niederschlagen?
Im selben Moment, in dem sich der Marine umdrehte und den korpulenten Wissenschaftler auf sich zurennen sah, wusste Leuthard, dass Chevallier so gut wie tot war.
Es kam nicht einmal ansatzweise zu einem Kampf.
Zwei Meter bevor Chevallier den Marine erreichte, rutschte er auf den nassen Bodenplatten aus und schlitterte ihm direkt gegen die Schienbeine. Ohne viel Aufhebens hieb ihm der Elitekämpfer die Handkante gegen die Halsschlagader. Chevallier sackte auf der Stelle in sich zusammen. Der Marine griff hinter sich und hielt plötzlich einen schweren Gegenstand in den Händen. Starr vor Angst, folgte Leuthards Blick der Hand mit dem Schraubenschlüssel, die einen weiten Bogen beschrieb und krachend auf dem Hinterkopf des am Boden liegenden Wissenschaftlers niederging.
Chevallier bäumte sich auf, und sein Mund verzerrte sich. Aus einer klaffenden Wunde am Hinterkopf rann das Blut in Strömen. Am ganzen Leib zuckend, kippte der Franzose mit weit aufgerissenen Augen zur Seite. Seine Hände verkrampften sich, dann rührte er sich nicht mehr.
Leuthard starrte auf die beiden leblosen Körper seiner Kollegen, mit denen er noch vor einer Stunde gemeinsam im Labor über dem Gaschromatographen gebrütet hatte. Das alles fühlte sich an wie ein Alptraum - nur war es verdammt real. Bei allen Heiligen, in welchen Wahnsinn waren sie hier nur hineingeraten?
Der Marine sah sich um, als erwarte er jeden Moment die Attacke eines weiteren Angreifers, und packte dann Chevalliers Arme. Er schleifte ihn zur gegenüberliegenden Umzäunung, hinter der es in die Tiefe ging. Mit Mühe stemmte er den schweren Franzosen hoch und hievte ihn über die Absperrung. Ungerührt sah er dem leblosen Körper nach, der wie ein Sack Zement in die Tiefe fiel und von den gischtsprühenden Wellenbergen mitgerissen wurde.
Der Marine kehrte zu Rochas' Leiche zurück. An der Turbine hielt er inne und zog den aufgespießten Augapfel von der hervorstehenden Schraube. Achtlos warf er ihn ins Meer und widmete sich dann dem Spanier.
Endlich löste sich Leuthard aus seiner Schockstarre. Die einzige Möglichkeit, zu entkommen, lag in dem kurzen Moment, in dem der Marine damit beschäftigt war, Rochas über das Absperrgitter zu hieven. Dabei musste er Leuthard zwangsläufig den Rücken zukehren. Das Problem dabei war, dass Leuthards einziger Fluchtweg direkt an der Stelle vorbeiführte, an der noch vor wenigen Sekunden die beiden Leichen gelegen hatten. Er schauderte.
Der Marine erreichte die Umzäunung und begann mit der Entsorgung von Rochas' Leiche.
Leuthard löste sich aus seinem Versteck. Noch während er loslief, schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf. Der Marine war bestens durchtrainiert. Womöglich würde Leuthard es nicht bis in sein Quartier schaffen. Er brauchte eine Waffe!
Mit einem raschen Blick vergewisserte er sich, dass der Marine noch immer mit Rochas beschäftigt war und nicht in seine Richtung blickte. Vor der Blutlache ging er in die Knie. Er zog die Ärmel des Overalls über seine Hände und griff sich den Schraubenschlüssel, ohne diesen dabei mit seinen nackten Fingern zu berühren. Der Gedanke, Chevalliers und Rochas' Blut an seinen Händen zu spüren, ekelte ihn. Das Werkzeug wog schwer in Leuthards Hand, aber wenigstens war er jetzt nicht mehr ganz chancenlos.
Er erhob sich in dem Moment, in dem der Marine sich umdrehte.
Einen Augenblick lang starrten sie sich an.
Copyright © Ullstein TB Verlag
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Autoren-Porträt von Uwe Laub
Uwe Laub, 1971 geboren, lebt in der Nähe von Stuttgart. Blow Out ist sein erster Roman.
Bibliographische Angaben
- Autor: Uwe Laub
- 2013, 1. Auflage, 512 Seiten, Deutsch
- Verlag: Ullstein Taschenbuchvlg.
- ISBN-10: 3843706433
- ISBN-13: 9783843706438
- Erscheinungsdatum: 13.09.2013
Abhängig von Bildschirmgröße und eingestellter Schriftgröße kann die Seitenzahl auf Ihrem Lesegerät variieren.
eBook Informationen
- Dateiformat: ePub
- Größe: 1.79 MB
- Ohne Kopierschutz
Pressezitat
"Uwe Laub zieht in seinem Debüt 'Blow Out' sämtliche Register des Action-Genres. Dieser Roman wütet wie ein Orkan.", Sat1 Buchtipp, Peter Hetzel, 16.01.2014
Family Sharing
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