Buch der Leidenschaft (ePub)
und Neue Leidenschaft
Merkwürdig: die letzten acht Jahre meines Lebens erscheinen mir wie ein Tag, dagegen die Zeit von gestern zu heut durch Jahrzehnte getrennt auseinanderliegt. Mir ist, als wäre mein Reisewagen bei klarem Wetter allmählich hügelan gerollt, so daß die...
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Produktinformationen zu „Buch der Leidenschaft (ePub)“
Merkwürdig: die letzten acht Jahre meines Lebens erscheinen mir wie ein Tag, dagegen die Zeit von gestern zu heut durch Jahrzehnte getrennt auseinanderliegt. Mir ist, als wäre mein Reisewagen bei klarem Wetter allmählich hügelan gerollt, so daß die zurückgelegte Strecke von ihrem Ausgangspunkte an immer unter meinen Augen blieb, und plötzlich habe der Weg eine Biegung gemacht auf eine Art chinesischer Mauer zu, die Kutsche sei durch ein Tor gerollt und dieses habe sich, sobald sie hindurch war, für immer geschlossen und alles hinter mir versperrt.
Das hochverschneite Landhaus, darin ich dies schreibe, wird von mir, meiner Frau und den Kindern bewohnt, nicht zu vergessen mein Bruder Julius und seine Frau, die den östlichen Flügel für sich benützen. Gestern um die Dämmerung kam ich auf dem Bahnhof an, der tiefer im Tale liegt. Meine Frau, meine Kinder empfingen mich, und die ausgeruhten vierjährigen Litauer, die ich erst vor sechs Wochen gekauft habe, zogen den Schlitten, darin wir, in Pelzwerk wohl eingemummt, beieinandersaßen, mit Schellengeläute das Gebirge hinan. Weihnachten steht vor der Tür. Die Kinder lachten, forschten mich nach Geschenken aus, neckten und streichelten mich, indes meine Frau, im Gefühle mich wiederzuhaben, ein gesichertes Glück genoß.
Was bist denn du für ein Mensch? sprach ich zu mir. Äußerlich doch derselbe, denn die Gattin und die Kinder erkennen dich ganz für den, der du gewesen bist. Sie sind erfüllt von dem Jubel des Wiedersehens - und dir sitzt der Schmerz des Abschiedes wie ein unbeweglicher Stachel tief in der Brust! Warum erwärmt dich das volle und ahnungslose Vertrauen dieser hingegebenen Herzen nicht, sondern erzeugt einen ratlosen Schrecken in dir, wie etwas Furchtbares? Kannst du nicht, gewaltsam, ganz der Mann, ganz Gatte und Vater von ehedem wieder sein und in die vollkommene Harmonie dieser Seelen einstimmen?
Nein! - Es war, als habe irgendwo gegen die leichentuchartigen Schneeflächen der Talabhänge oder vor dem klaren und funkelnden Nachthimmel ein riesiges Haupt seine schweren Locken verneinend geschüttelt, kurz ehe mein Blick es treffen konnte. Es geht nicht an, du bist für sie tot!
Ich kam aus Berlin. Ich hatte eine berufliche Angelegenheit zu einem überraschend glücklichen Ende geführt. Nun auf einmal waren wir hinsichtlich unseres Durchkommens sorgenfrei. Für mich bedeutet das nicht allzuviel, für meine Frau, die von Natur geneigt ist, sich Sorgen zu machen, desto mehr. Die Freude über den Vermögenszuwachs ...
Das hochverschneite Landhaus, darin ich dies schreibe, wird von mir, meiner Frau und den Kindern bewohnt, nicht zu vergessen mein Bruder Julius und seine Frau, die den östlichen Flügel für sich benützen. Gestern um die Dämmerung kam ich auf dem Bahnhof an, der tiefer im Tale liegt. Meine Frau, meine Kinder empfingen mich, und die ausgeruhten vierjährigen Litauer, die ich erst vor sechs Wochen gekauft habe, zogen den Schlitten, darin wir, in Pelzwerk wohl eingemummt, beieinandersaßen, mit Schellengeläute das Gebirge hinan. Weihnachten steht vor der Tür. Die Kinder lachten, forschten mich nach Geschenken aus, neckten und streichelten mich, indes meine Frau, im Gefühle mich wiederzuhaben, ein gesichertes Glück genoß.
Was bist denn du für ein Mensch? sprach ich zu mir. Äußerlich doch derselbe, denn die Gattin und die Kinder erkennen dich ganz für den, der du gewesen bist. Sie sind erfüllt von dem Jubel des Wiedersehens - und dir sitzt der Schmerz des Abschiedes wie ein unbeweglicher Stachel tief in der Brust! Warum erwärmt dich das volle und ahnungslose Vertrauen dieser hingegebenen Herzen nicht, sondern erzeugt einen ratlosen Schrecken in dir, wie etwas Furchtbares? Kannst du nicht, gewaltsam, ganz der Mann, ganz Gatte und Vater von ehedem wieder sein und in die vollkommene Harmonie dieser Seelen einstimmen?
Nein! - Es war, als habe irgendwo gegen die leichentuchartigen Schneeflächen der Talabhänge oder vor dem klaren und funkelnden Nachthimmel ein riesiges Haupt seine schweren Locken verneinend geschüttelt, kurz ehe mein Blick es treffen konnte. Es geht nicht an, du bist für sie tot!
Ich kam aus Berlin. Ich hatte eine berufliche Angelegenheit zu einem überraschend glücklichen Ende geführt. Nun auf einmal waren wir hinsichtlich unseres Durchkommens sorgenfrei. Für mich bedeutet das nicht allzuviel, für meine Frau, die von Natur geneigt ist, sich Sorgen zu machen, desto mehr. Die Freude über den Vermögenszuwachs ...
Autoren-Porträt von Gerhart Hauptmann
Gerhart Hauptmann lebte von 1862 bis 1946 und war ein deutscher Schriftsteller.
Bibliographische Angaben
- Autor: Gerhart Hauptmann
- 2017, 1. Auflage, 517 Seiten, Deutsch
- Verlag: Books on Demand
- ISBN-10: 3743109077
- ISBN-13: 9783743109070
- Erscheinungsdatum: 17.02.2017
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eBook Informationen
- Dateiformat: ePub
- Größe: 1.51 MB
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