E-Book: Wodka und Oliven (PDF)
neudeutsch #1 präsentiert den Debütroman "Wodka und Oliven" des Kölner Autors Adrian Kasnitz: Moritz ist neu in Berlin und treibt verloren durch die Stadt. Den flüchtigen Bekanntschaften, denen er auf seiner ruhelosen Suche begegnet, erzählt er splitterhaft...
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Produktinformationen zu „E-Book: Wodka und Oliven (PDF)“
neudeutsch #1 präsentiert den Debütroman "Wodka und Oliven" des Kölner Autors Adrian Kasnitz: Moritz ist neu in Berlin und treibt verloren durch die Stadt. Den flüchtigen Bekanntschaften, denen er auf seiner ruhelosen Suche begegnet, erzählt er splitterhaft von dem Haus in der Provinz, in dem er aufwuchs, und den Geschichten seiner Bewohner. Erst als er sich in die Kellerin Ella verguckt, wird ihm klar, dass er vor seiner eigenen Geschichte flieht, die bis nach Polen und Griechenland führt.
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"War das ein besonderes Haus?", fragte sie. Er schüttelte den Kopf und blickte an ihr vorbei auf die Straße, wo der Verkehr stockte. Zögerlich begann er, das Haus zu beschreiben. Aus der Entfernung sah es aus wie irgendeins in dieser Gegend, ein schlichtes Haus mitten in einer Häuserzeile einer gewöhnlichen Straße eines Berliner Stadtbezirks, mehrere, wohl fünf Stockwerke hoch wie alle diese Häuser, im Erdgeschoss ein Ladenlokal, das seiner ursprünglichen Bestimmung beraubt nun einem Getränkemarkt oder einem Sonnenstudio diente. Aber je genauer er die Fassade beschrieb, desto deutlicher trat der eigentliche Charakter hervor. Es war ein Haus, an dem jede Renovierung spurlos vorbeigegangen war. Der Putz bröckelte, die Farbe bleichte, die Holzrahmen waren verzogen, die Fenster beschlugen bei Kälte und standen bei Hitze sperrangelweit auf. Ja, vielleicht könnte so ein von jedem Investor vergessenes Haus noch irgendwo in Berlin stehen, irgendwo in Deutschland, irgendwo. Und dieses Irgendwo musste er schließlich verraten. Die Straßenzüge am Prenzlauer Berg, an die sie gedacht hatte, wichen nun einer grauen Fassade in der Provinz. Es blieb nichts von der Hauptstadt, ihrem aufpoppenden Glanz und ihrer Wichtigkeit zurück. Das Haus war ein einfaches und seine Bewohnerschaft gemein. Das hippe Völkchen wurde kurzerhand eingetauscht in stumpfe Bürgerinnen und Bürger mit einfältigen Bedürfnissen. Es war Provinz, tiefste westfälische Provinz. Die Straße schrumpfte, reduzierte sich auf ein einziges Haus. "Unser Haus", sagte Moritz, und so wie er es sagte, klang es schon wieder ein wenig stolz. Aber was waren das nun für Bürgerinnen und Bürger und, das interessierte sie schon erheblich mehr, wie sah er, Moritz, als Bewohner dieses Hauses aus? Er zweifelte, ob und wie er sich selbst beschreiben sollte. Sollten doch die Geschichten der anderen herhalten. Mit ihnen könnte er sie abspeisen, so tun als ob. Das würde sie schon zufriedenstellen. Es war verlockend, ihr irgendein Ideal,
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irgendeine Möglichkeitsform von sich aufzutischen, die sie niemals durchschauen würde. Da sie sich kaum kannten, würde jede Hochstapelei Erfolg haben. Aber dafür saß er ja nicht hier, dafür war er nicht umhergeirrt, hatte nicht seinen Schmerz gehegt, um sich jetzt in Lügengeschichten zu verstricken. Er schaute die junge Frau an, die ihm selbstbewusst und eigenständig vorkam, die nichts verlangte und nichts erwartete, außer dass er sprach. Und dann konnte er nicht anders, als ihr die Wahrheit zu sagen, zumindest etwas, das sich dieser Wahrheit annäherte. Er war ein Kind gewesen in diesem Haus, klein und unauffällig zwischen den anderen Kindern. Er war nicht besonders laut und war auch später schmächtig geblieben, unscheinbar, so, dass man ihn ständig suchen musste, wenn man wirklich etwas von ihm wollte. Vielleicht hatte er sich absichtlich kleiner gemacht, hatte sich hinter Lujo, seinem älteren Bruder, versteckt, wollte übersehen werden oder eine Ameise sein in einem Ameisenstaat, den das Haus bildete. Das Dabeisein genügte ihm. Sein älterer Bruder war so etwas wie der Anführer gewesen. Er war es, der den Ball hatte, wenn die Kinder spielen wollten. In seiner Hosentasche waren die Münzen, wenn es galt, unten im Laden ein Eis zu kaufen. Er war einfach der Älteste und in dieser Funktion genoss er das uneingeschränkte Ansehen der Jungen, die Bewunderung der Mädchen. Neben den beiden gab es eine ganze Reihe von anderen Kindern, die das Haus bevölkerten, nicht so zum Gefallen des Vermieters zwar, aber doch so, dass sich die Familien, die darin eingezogen waren, als Familien einrichten konnten und nicht so bald wegziehen wollten. Und in dieser Landschaft aus Kindergesichtern war er eines. Ein Gesicht, das sich aus gewöhnlichen Merkmalen zusammensetzte. Aus Augen, Nase und Mund. Mit Frisur und eigenständigem Profil. Manchmal, wenn Moritz allein gewesen war, hatte er sich sein Gesicht als eines vorgestellt, das alle beherbergte, alle, die er damals gekannt hatte. Sowohl die Kinder als auch die Erwachsenen. Es spiegelte das Haus und seine Bewohner wider und hob sich von einem ebenso zusammengesetzten eines anderen Hauses, einer anderen Straße, einer anderen Stadt ab. Und in den anderen Gesichtern las er, wie sie sich mit der Zeit veränderten, wie die Züge zunächst ihre Weichheit ablegten und schärfer wurden, Kanten und Schnitte bekamen, wie sie markanter oder aufgedunsener wurden, Narben bildeten und Falten sammelten, wie sie alterten, abstarben, vergessen wurden. Moritz war zweifellos ein Kind, ein Kind unter anderen, ein Kind, das aus dem Haus schaute und sich Schritt für Schritt die Welt aneignen wollte, das Haus, die Straße und immer weitere Teile der Stadt. An dem Morgen fühlte sich Moritz besser. Nicht so sehr, dass er wirklich glaubte, ohne Hilfe auszukommen, aber doch so, dass es für einen Gang hinaus reichte. Er war unterwegs zum Arzt. Er hatte einen Termin und er wusste nicht mehr, wie er zu dem Termin gekommen war. Irgendein Umstand hatte ihn dazu veranlasst, den Arzt, es war eine Ärztin, zu konsultieren, ein Schmerz im Rücken, ein Phantom, ein wiederkehrendes Zipperlein. Die Ärztin würde ihm dieses oder jenes Medikament verschreiben, das man in solchen Fällen einem Kassenpatienten verschreibt. Es darf nicht zu teuer sein, darf das Budget nicht sprengen. Schon wieder einer dieser betrunkenen Kassenpatienten, würde die Ärztin denken. Er wusste, dass er bei früheren Terminen bei ihr das Bedürfnis verspürte, sich freizumachen, sich ganz und gar auszuziehen, ihr seinen bloßen Körper zu zeigen, nicht aus irgendeinem sexuellen Bedürfnis, sondern einfach darum, weil er auf Erlösung hoffte. Eine Bewegung ihres Arms und sein Schmerz würde ihm genommen. Aber so nah kam die Ärztin nie, sie hielt Abstand, einen gewissen, wohl Sicherheitsabstand, das konnte er verstehen. Jetzt, an diesem Tag, auf dem Weg zum Arzt, der eine Ärztin war, als er sich besser fühlte und ein paar Schritte machte, konnte er die Ärztin und ihre Zurückhaltung gut verstehen. Die Ärztin hatte einfach keine Lust auf ein stinkendes, ungepflegtes Etwas und musste aber doch. Dann, als er schon auf der Hauptstraße war, die durch die Stadt und gleichermaßen zum Arzt führte, aber noch ein, zwei Blocks von der Praxis entfernt war, sah er in die Krone der Bäume, die dort hingestellt waren als eine Art Abgrenzung von Fahrbahn und Bürger- und Nichtbürgersteig. Vielleicht hätte es in einer anderen Stadt ein Radweg getan oder eine Reihe mit Ketten verbundener Poller, hier waren laubtragende Bäume ausgewählt worden, die erst spärliches Laub trugen, von Tag zu Tag zwar dichter werdend, aber doch eher an einen grünen Flaum denn Vollbart erinnerten. Das Licht flutete durch die Äste und es sah irgendwie angenehm aus, warum, konnte er nicht erklären. Als er bei der nächsten Straßenecke angelangt war, war da dieses Mädchen, diese junge Frau, die ihm entgegenkam. Er war sich gar nicht sicher, ob sie wirklich auf diesem Bürgersteig als Bürgerin ging oder nur dort stand und sich umwandte. Vielleicht gab es einen Grund, warum sie das hätte tun sollen, aber er fiel ihm nicht ein. Ein Hupen von den vorbeirasenden Wagen? Ein Rufen von irgendwoher? Ein Lichtreflex irgendeines aufgekippten Fensters? Ein vermeintliches Wiedererkennen eines davoneilenden Passanten? Jedenfalls wurde bei ihrer Bewegung ihr Hals deutlich sichtbar. Die Stelle unter dem Kinn, die sonst im Schatten verborgen lag. Dort, er war sich jetzt sicher, war diesmal kein Schatten, sondern ein Muttermal, ein besonderes Muttermal, das nur selten von irgendjemandem entdeckt wurde. Vielleicht hielt die Frau es absichtlich versteckt? Vielleicht ließ es sich gar nicht so gut verstecken und all das Verstecken-Tun war nur eine Antwort auf die vielen Blicke, die dieses Mal, es war ein Mal in Herz-, ja gar Herzchenform, auf sich zog. Und manche hielten es sicherlich für dahin tätowiert.
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Autoren-Porträt von Adrian Kasnitz
Adrian Kasnitz lebt als Schriftsteller und Herausgeber in Köln. Er wurde 1974 im Ermland geboren, wuchs dort und in Westfalen auf.Nach dem Studium der Geschichte in Köln und Prag, war er wissenschaftlicher Mitarbeiter der Uni Köln. Kassnitz' Texte wurden u.a. mit dem Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium ausgezeichnet und bereits in über zehn Sprachen von A wie Arabisch bis U wie Ukrainisch übersetzt, vertont und verfilmt. "Wodka und Oliven" ist der Debütroman des Schriftstellers.
Bibliographische Angaben
- Autor: Adrian Kasnitz
- 2012, 180 Seiten, Deutsch
- Verlag: CH. SCHROER
- ISBN-10: 395445002X
- ISBN-13: 9783954450022
- Erscheinungsdatum: 09.08.2012
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