Partially Ordered Systems: Ein Hund zu Weihnachten (ePub)
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Jake schien sich bei den Conners wohl zu fühlen, und doch war sein Abschied vorauszusehen. Mr und Mrs Conner wohnten am Rande einer wachsenden Stadt, wo die kleinen Parzellen in riesige Grundstücke übergehen und die Leute allzu oft ihre leeren Bierdosen, Fastfood-Verpackungen und unerwünschten Haustiere entsorgen. Jake lief immer weiter, verwahrlost, halb verhungert und ohne Hundemarke. Mr Conner fand ihn eines Tages im Februar auf der Veranda hinter dem Haus, wo er sich ausruhte. Der eiskalte Wind türmte den Schnee in der Auffahrt des bescheidenen Farmhauses hoch auf. Sie gaben Jake etwas zu fressen, bürsteten ihm das Fell und ließen ihn impfen. Dann warteten sie einfach ab. Sie hängten Flugblätter mit der Überschrift »Hund zugelaufen« auf, aber es meldete sich niemand. Ein Streuner wie Jake ist kein normales Haustier, das man sich anschafft. Ein zugelaufener Hund kann einfach wieder davonlaufen, sagten sich die Conners. Die Wochen vergingen, und Jake blieb. Mr und Mrs Conner konnten nicht verstehen, wie man einen solchen Hund aussetzen konnte. Der Tierarzt hatte ihnen zwar bestätigt, dass Jake schon etwas älter war, aber er war einer der bezauberndsten Hunde, die die Conners je erlebt hatten. Er war aufmerksam, eifrig, stubenrein, gut erzogen und beherrschte die Kommandos Sitz, Platz und Bleib. Er war ein guter Kamerad und blieb immer in der Nähe, ohne sich aufzudrängen. Außerdem war er neugierig und lernte schnell. Jake blieb den ganzen Sommer, nahm an Gewicht zu und gewann immer mehr Vertrauen in seine Umgebung. Doch als der Herbst kam und er wieder ganz zu Kräften gekommen war, wirkte er auf einmal ruhelos, wie ein Pionier, der sein eigenes Land erobern will. Immer öfter lief er abends fort und blieb tagelang verschwunden, einmal sogar eine ganze Woche. Seine Streifzüge wurden immer ausgedehnter. Die Conners versuchten es mit Zäunen, banden ihn an und sperrten ihn sogar abends ins Haus, aber Jake ließ sich einfach nicht halten. In einer Vollmondnacht, als sich
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der erste Frost auf das noch grüne Gras legte, verließ Jake die Conners, um zu tun, was er tun musste. Natürlich wurde viel spekuliert. Am wahrscheinlichsten schien es Mr Conner zu sein, dass Jake nach Hause gelaufen war, wo auch immer das sein mochte: Mrs Conner vermutete, dass ihn eine listige Hündin fortgelockt hatte. Die inzwischen erwachsenen Kinder der Conners dachten, dass er vielleicht eine Familie mit kleinen Kindern gefunden hatte, die mit ihm spielten, so wie ihre eigenen Kinder, wenn sie an den Wochenenden zu Besuch bei den Großeltern waren. Die ersten Tage waren die Conners zwar traurig, machten sich aber keine Sorgen. Jake war ein wichtiger Teil ihrer Familie gewesen, aber sie nahmen an, dass er seinen eigenen Regeln folgte. Als aus den Tagen Wochen und aus den Wochen Monate wurden, erschien ihnen Jakes Verschwinden ganz natürlich, und sie fanden sich damit ab. Ein Streuner kann auch einfach wieder verschwinden, sagten sie sich. Wenn sie an ihn dachten, sagten sie etwa: »Er hat noch etwas zu erledigen. Wenn er will, wird er von selbst zurückkommen.« Als der Winter kam, war die Erinnerung an Jake bereits zu einem verblichenen Foto aus dem Familienalbum geworden. Manchmal erzählten sie sich beim Abendessen Geschichten, die sie mit ihm erlebt hatten, und lachten. Einmal hatte ein Nachbar ihn bis in die Einfahrt ihres Hauses verfolgt und versucht, eine riesige schwarze Mülltüte zurückzuerobern, die Jake stolz im Maul hielt. Ein andermal war er einem Hasen bis auf einen zugefrorenen Weiher nachgejagt und dort herumgewirbelt wie ein Eiskunstläufer bei den Olympischen Spielen. Der Hase war stehen geblieben und hatte zugesehen, als würde er Jake auslachen. Auch Jake schien die Sache Spaß gemacht zu haben, denn er war aufgesprungen und hatte es noch einmal versucht, mit dem gleichen Ergebnis. Wenn Mrs Conner an Jake dachte, wurde sie oft ganz still. Dann sagte Mr Conner so was wie: »Reich mir bitte die Kartoffeln ... ich bin sicher, dass es ihm gut geht.« Jake hielt sich nach Westen, als er von den Conners und aus der Stadt fortlief. Es war schön, ein Streuner zu sein. Er war niemandem etwas schuldig. Er genoss eine Freiheit, die sich nur wenige zutrauen. Er schlief unter dem Sternenhimmel, unter Brücken, in Höhlen, auf Wiesen, hinter einem Baumstumpf verborgen oder auf der Veranda einer wohlwollenden Seele, die sich nicht an einem Landstreicher störte. Er fraß Dinge, die nicht unbedingt als Hundefutter geeignet waren. Er tat, was er tun musste, um sich zu ernähren. Dazu verfeinerte er seine Instinkte, die tief in ihm schlummerten. Er schärfte sein Gehör, sein Geruchssinn wurde feiner, und er nahm Bewegungen wahr, die ihm in seiner Zeit als Haustier entgangen wären. Er jagte wie ein wildes Tier. Er wartete. Er lief immer weiter. Er wusste nicht, wie lange es dauern würde oder wie weit er laufen müsste. Wenn er sein Ziel erreicht hätte, würde er es wissen. Er überließ sich vollkommen seinen Instinkten. Ähnlich wie Gänse, Lachse und manche Schmetterlinge zog es Jake zu einem ganz bestimmten Ort. Oft war es gefährlich. Er kam durch unfreundliche Gegenden, wo die Bewohner ihm auf ihre eigene Art klarmachten, dass einer wie er unerwünscht war. Sie würdigten ihn kaum eines Blickes und taten, als ob er Luft wäre. Sie fürchteten, dass ein wenig Freundlichkeit ihn nur zum Bleiben ermutigen könnte und sie ihn dann nie mehr loswürden. Wenn sie ihn nicht einfach ignorierten, drückten sie sich deutlicher aus. Einmal warf ein Mann einen Stein nach ihm. Als ihn ein paar junge Kerle in einem Auto eines Abends am Straßenrand entlanglaufen sahen, hielten sie genau auf ihn zu, als würde es ihnen Spaß machen, ihn zur Seite springen zu sehen. Jake blieb unverletzt, aber die Botschaft war eindeutig. Er musste weiter, immer nach Westen. Auch das Tierreich meinte es nicht gut mit ihm: Hunde verbellten ihn, Stinktiere sprühten ihn an, er wurde von Zecken gebissen, und Dornenhecken zerkratzten seine Flanken. Trotzdem lief er immer weiter, denn er wusste, dass er sein Ziel noch nicht erreicht hatte. Solche Zwischenfälle störten Jake wenig. Er war glücklich und zufrieden.
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Autoren-Porträt von Greg Kincaid
Greg Kincaid arbeitet im Hauptberuf als Rechtsanwalt. Der fünffache Vater lebt zusammen mit seiner Frau und zwei Hunden auf einer Farm in Kansas und engagiert sich bei verschiedenen sozialen Projekten und in der Tierhilfe. »Ein Hund unterm Weihnachtsbaum« ist bereits der vierte Roman über die Familie McCray und ihre Hunde.
Bibliographische Angaben
- Autor: Greg Kincaid
- Altersempfehlung: Ab 10 Jahre
- 2009, 192 Seiten, Deutsch
- Übersetzer: Gabriele Zigldrum
- Verlag: Random House ebook
- ISBN-10: 3641036097
- ISBN-13: 9783641036096
- Erscheinungsdatum: 20.11.2009
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eBook Informationen
- Dateiformat: ePub
- Größe: 0.20 MB
- Ohne Kopierschutz
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