Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi: Bevor mir der Tod die Augen schließt (ePub)
Es ist Winter in Kopenhagen. Linnea Kirkegaard, die eigensinnige Rechtsanthropologin, findet am Tatort eines grausamen Mordes eine junge, blutverschmierte Schwarze. Sie ist die einzige Zeugin. Aber die traumatisierte Frau sagt kein Wort. Niemand weiß: Ist...
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Produktinformationen zu „Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi: Bevor mir der Tod die Augen schließt (ePub)“
Es ist Winter in Kopenhagen. Linnea Kirkegaard, die eigensinnige Rechtsanthropologin, findet am Tatort eines grausamen Mordes eine junge, blutverschmierte Schwarze. Sie ist die einzige Zeugin. Aber die traumatisierte Frau sagt kein Wort. Niemand weiß: Ist sie Täter oder Opfer? Dann verschwindet die Unbekannte. Linnea sucht fieberhaft nach ihr – und sie ist nicht die Einzige. Eine dramatische Verfolgungsjagd beginnt.
Lese-Probe zu „Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi: Bevor mir der Tod die Augen schließt (ePub)“
Bevor mir der Tod die Augen schließt von Benni Bodker und Karen Vad Brunn1
Pass auf, die Planken sind vereist! Wir brauchen nicht noch mehr Tote.«
Hauptkommissar Thor M. Dinesen ignorierte die Rufe, die durch die frostklare Luft vom Ufer her zu ihm herüberdrangen, und starrte stattdessen geradeaus. Die Blutspur schlängelte sich von der Leiche weg wie eine Signatur unter dem eigentlichen Motiv. Auch wenn sich bereits Kristalle gebildet hatten, war das Muster des geronnenen Blutes auf dem dicken Eis nach wie vor deutlich zu erkennen. Er drehte sich ein wenig nach links, um die Leiche anzusehen. Aus der Entfernung betrachtet erschien ihm die Szenerie noch unwirklicher.
»Man könnte meinen, Bjørn Nørgaard hätte hier eine Kunstperformance veranstaltet.«
Thor murmelte leise vor sich hin und betrachtete das Eis, eine weiße Leinwand für das makabre Bild. Es war so perfekt, beinahe wie arrangiert. Der nackte Tote hatte einen athletischen Körper und lag in einer seltsam gekrümmten Haltung da, als würde er sich der Arabeske des Blutes anpassen. Mikkel Spang-Hansen, 31 Jahre alt, freiberuflicher Jour nalist mit steiler Karriere und Eisbader. All das und einiges mehr wussten sie bereits über das Opfer, doch aus welchem Grund er hier seinen Tod gefunden hatte, verrieten weder diese Informationen noch die Anordnung dieses Bildes. Bis jetzt. Thor starrte weiterhin angestrengt über das Eis. Er hatte das Gefühl, die Komposition könnte ihm etwas Entscheidendes verraten, wenn er sie nur lange genug analysierte, doch alle wesentlichen Hinweise schienen ihm sofort wieder zu entgleiten.
Mittlerweile zeigten sich die ersten Strahlen der Morgensonne, und er versuchte, seine Gedanken neu zu ordnen und sich auf etwas anderes zu konzentrieren.
»Na, was denkst du?«
... mehr
Die knirschenden Schritte auf dem festen Schnee hinter ihm waren verstummt. Thor konnte den Atem seines Kollegen im Nacken spüren.
»Ich denke daran, wie warm es jetzt gerade in Virginia ist.«
»Du bist doch ein Masochist. Außerdem zielte meine Frage nicht darauf ab.«
»Dann musst du sie das nächste Mal eben anders stellen. «
Thor drehte sich zu Kommissar Daniel Kraus um, der ausnahmsweise fünf Minuten eher als er am Tatort eingetroffen war. Sie hatten einen kleinen Wettbewerb laufen, wer zuerst am Tatort war, und Thor gewann fast immer, obwohl er im Gegensatz zum ewigen Junggesellen Kraus oft innerhalb kürzester Zeit jemanden finden musste, der auf seine Tochter aufpasste.
»Außerdem glaube ich kaum, dass ich hier der Masochist bin.«
Er deutete auf das Eis. Kraus schüttelte den Kopf.
»Wie ein Selbstmord sieht das nicht grade aus, wenn du mich fragst.«
»Ich meinte auch eher das Eisbaden.«
Thor und Kraus befanden sich in der Mitte der Brücke, die zu den hölzernen Umkleidekabinen der Badeanstalt Helgoland führte. Hinter ihnen lag der Amager Strandpark unter einer Schneedecke und erinnerte eher an ein Wintersport gebiet als die neueste Sommeroase der Großstadt. Vor ihnen tauchten die Holzpfähle des erst kürzlich wiedererrichteten Meeresschwimmbads auf. Von hier hatten sie einen direkten Blick auf das fünf bis sechs Meter entfernt liegende Loch im Eis, neben dem man das Opfer vor knapp einer Stunde gefunden hatte.
Hier trafen sich von Oktober bis Mai jeden Dienstag die Eisbader, und es war bekannt, dass Spang-Hansen normalerweise vor den anderen eintraf. Der Vereinsvorsitzende hatte ihn auf dem Eis gefunden und den Notruf alarmiert, die Streife war zur selben Zeit eingetroffen wie der Rettungs wagen. Der Mann war übel zugerichtet und blutete stark aus einer tiefen, fünf bis sechs Zentimeter langen Wunde auf der linken Seite des Halses. Während die Rettungssanitäter übernahmen, führte die Polizei ein kurzes Verhör mit dem Vereinsvorsitzenden durch.
Er erklärte, er habe den Mann auf dem Eis sofort entdeckt und weder Puls noch Atmung feststellen können. Die Sanitäter bestätigten kurz darauf, dass Spang-Hansen keine Vitalfunktionen mehr aufwies und die vielen Verletzungen vermutlich von Messerstichen stammten. Zum Glück hatten die Streifenpolizisten so schnell gehandelt, dass Thor und seine Kollegen kurz nach dem Leichenfund und vermutlich auch nicht lange nach dem Mord eingetroffen waren. Die Beamten von der Streife hatten sofort den Dienstgruppenleiter im Präsidium kontaktiert, einen mutmaßlichen Mord gemeldet und dann damit begonnen, das Gelände abzusperren. Der Gruppenleiter hatte daraufhin die Mordkommission mit Thor M. Dinesen als diensthabenden Beamten eingeschaltet und zudem die Unterstützung der Kriminaltechnik, eine Hundestaffel sowie einen Rechtsmediziner angefordert, der allerdings noch auf der Køge-Bucht-Autobahn im Stau steckte. Er würde demzufolge die Leichenschau erst durchführen können, wenn bereits wertvolle Ermittlungszeit unwiderruflich verloren gegangen war.
»Wir brauchen die Namen der anderen Eisbader«, sagte Thor. »›Die Wikinger‹ oder wie sie sich nennen. Einige sind inzwischen sowieso aufgetaucht, aber es gibt doch bestimmt auch eine Mitgliederliste.«
»Wir haben auch ein paar Leute losgeschickt, um die Nachbarschaft zu befragen. Sollte es Zeugen geben, werden wir sie garantiert finden.«
Thor hörte nur mit halbem Ohr hin, was der Kollege erzählte.
»Er wurde vermutlich vor nicht allzu langer Zeit hier ermordet. Nicht gerade der diskreteste Ort der Welt. Außer ganz früh am Morgen, bevor die Eisbader und alle anderen Frühaufsteher auf den Beinen sind. Natürlich kann es sich um eine Zufallstat handeln. Raubmord oder irgendwas in der Richtung. Aber dazu erscheint mir das alles viel zu geordnet. Was sagt uns das?«
»Dass es sich um einen vorsätzlich geplanten Mord handelt. «
Thor nickte und holte sein Handy aus der Tasche.
»Und nicht nur das. Der Mörder muss gewusst haben, dass Spang-Hansen immer als Erster hier ankam. Also sollten wir wohl erst mal die übrigen Masochisten im Club unter die Lupe nehmen. Wer weiß, vielleicht erweist sich ja einer von ihnen auch als Sadist.«
*
»So macht meine Mutter den aber nie!«
Maja schob die Schale mit dem Haferbrei von sich und schaute Linnea an, gespannt darauf, wie ihre Provokation ankommen würde. Linnea hatte eine elende Nacht mit verstopfter Nase hinter sich, und nachdem Thor zu einem mutmaßlichen Mord gerufen worden war, hatte sie lange unter der warmen Dusche gestanden, um Energie für den Morgen mit seiner siebenjährigen Tochter zu tanken. Sie hatte sich gerade noch eine Tasse Kaffee kochen können, ehe es Zeit wurde, das Mädchen zu wecken und ihr zu erklären, dass ihr Vater leider zur Arbeit musste und Linnea und sie einen Vormittag zu zweit vor sich hatten.
Maja hatte Linnea misstrauisch angeblickt. Kein Wunder, denn bisher hatten sie nicht viel Zeit miteinander verbracht. Linnea übernachtete eigentlich nur bei Thor, wenn Maja bei ihrer Mutter war, worüber sie auch froh war.
»Tja, das wird wohl daran liegen, dass ich nicht deine Mutter bin. Und wenn du ihn jetzt schon eklig findest, solltest du ihn erst mal probieren, wenn er kalt geworden ist! Ich an deiner Stelle würde ihn schnell essen, bevor er erstarrt.«
Linnea bereute sofort, dass sie das Mädchen angeschnauzt hatte. Aber wenn es nach Maja ginge, gäbe es von morgens bis abends nur Leberpastetenbrote, und das konnte nicht gesund sein. Während Maja am Esstisch hockte und schmollend in ihrem Haferbrei stocherte, stand Linnea in der offenen Küche mit Aussicht über die Einfamilienhäuser in Valby und schmierte Pausenbrote. Wieder einmal überkam sie das dringende Bedürfnis, die Doppelhaushälfte im Cæciliavej mit der Schaukel im Garten und der Katzen- klappe in der Haustür einfach zu verlassen, und die eigene, minimalistisch eingerichtete Wohnung in der Knabrostræde mit den immer noch unausgepackten Umzugskartons und der Matratze auf dem Boden erschien ihr plötzlich wie der Ort auf der Welt, an dem sie am allerliebsten wäre.
Die ganze Aktion war typisch für Thor und seine unkomplizierte Sicht auf alle Dinge. Seinetwegen steckte sie nun von Paracetamol betäubt bis über beide Ohren in Haferbrei und Leberpastete.
Thor und Linnea waren sich zum ersten Mal kurz nach ihrer Ankunft in Kopenhagen begegnet. Die gegenseitige Anziehung war stark, allerdings nur so lange, bis Thors Tochter ins Bild kam. Zu dieser Zeit konnte Linnea ihr Leben unmöglich länger als fünf Tage im Voraus planen und beendete das Verhältnis unter dem Vorwand, in San Francisco warteten zu viele offene Angelegenheiten auf sie. Was nicht mal gelogen war, denn damals lebte ihr Freund Phil noch immer in der gemeinsamen Wohnung und wunderte sich darüber, was sie so lange im kleinen Dänemark hielt, für das sie doch sonst immer nur Gleichgültigkeit übriggehabt hatte.
Seitdem war ziemlich viel passiert, und nun saß sie hier mit einem festen Job und einer festen Beziehung, glücklicherweise aber auch mit einer Wohnung in der Innenstadt. Sie war Linneas private Höhle, in der sie sich nach wie vor heimischer fühlte als in Thors gemütlichem, aber kleinbürgerlichem Häuschen. Dort hielt sie es nie lange aus, ohne dass ihr die Luft zum Atmen knapp wurde.
»Es ist doch keine große Sache, du musst sie nur aus dem Bett holen und ihr die Anziehsachen rauslegen«, hatte Thor auf dem Weg zur Tür gesagt.
Er hatte gewirkt, als wäre er in Gedanken bereits am Tatort, hatte sie dann jedoch so lange geküsst, dass sie sich japsend wieder losreißen musste, um Luft zu holen.
»Ach so, und nicht zu vergessen das Frühstück und die Pausenbrote. Den Weg zur Schule kann sie dir selbst zeigen.«Was hätte Thor wohl gemacht, wenn Linnea nicht da gewesen wäre? Hätte er Maja dann einfach allein zurückgelassen, oder jemand anderen gefunden, dem er sie aufs Auge drücken konnte? Meistens war er nicht besonders vorausschauend, er war eher ein Mann der Tat. Das war Teil seines Charmes, machte Linnea allerdings manchmal auch rasend.
»Du musst daran denken, dass ich heute Schwimmen habe!«
Überraschenderweise hatte Maja ihr Frühstück inzwischen aufgegessen und zeigte jetzt auf den Stundenplan, der am Kühlschrank hing. Linnea nahm sich zusammen und bat Maja, ihr zu helfen, die Schwimmtasche zu packen. Gemeinsam durchwühlten sie Majas Schrank auf der Suche nach einer Schwimmbrille, als Linneas Blackberry im Wohnzimmer klingelte. Als sie endlich abnahm, hatte sie einen ungeduldigen Thor in der Leitung.
»Du musst unbedingt kommen!«
Noch bevor Thor ausgesprochen hatte, ahnte Linnea, worauf er hinauswollte. Sie sah zu Maja hinüber, die gerade triumphierend mit ihrer Schwimmbrille auf der Nase ins Zimmer stolziert kam, lächelte sie kurz an und kehrte ihr den Rücken zu.
»Ich hüte gerade deine Tochter, habe soeben das widerlichste Pausenbrotpacket der Welt für sie geschmiert und soll dafür sorgen, dass sie in einer Stunde in der Schule ist. Und jetzt willst du mich plötzlich zu deinem Fall hinzuziehen? Ich bin keine Rechtsmedizinerin, sondern Forensische Anthropologin. Muss ich dir den Unterschied erklären? «
Thor ignorierte ihren genervten Tonfall.
»Dieser Tatort ist so neu und unberührt, wie ich es selten erlebt habe. Komm schon, Linnea, du weißt genau, was ein paar Stunden Verzögerung für eine Ermittlung bedeuten können.«
»Vergiss es!«
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Die knirschenden Schritte auf dem festen Schnee hinter ihm waren verstummt. Thor konnte den Atem seines Kollegen im Nacken spüren.
»Ich denke daran, wie warm es jetzt gerade in Virginia ist.«
»Du bist doch ein Masochist. Außerdem zielte meine Frage nicht darauf ab.«
»Dann musst du sie das nächste Mal eben anders stellen. «
Thor drehte sich zu Kommissar Daniel Kraus um, der ausnahmsweise fünf Minuten eher als er am Tatort eingetroffen war. Sie hatten einen kleinen Wettbewerb laufen, wer zuerst am Tatort war, und Thor gewann fast immer, obwohl er im Gegensatz zum ewigen Junggesellen Kraus oft innerhalb kürzester Zeit jemanden finden musste, der auf seine Tochter aufpasste.
»Außerdem glaube ich kaum, dass ich hier der Masochist bin.«
Er deutete auf das Eis. Kraus schüttelte den Kopf.
»Wie ein Selbstmord sieht das nicht grade aus, wenn du mich fragst.«
»Ich meinte auch eher das Eisbaden.«
Thor und Kraus befanden sich in der Mitte der Brücke, die zu den hölzernen Umkleidekabinen der Badeanstalt Helgoland führte. Hinter ihnen lag der Amager Strandpark unter einer Schneedecke und erinnerte eher an ein Wintersport gebiet als die neueste Sommeroase der Großstadt. Vor ihnen tauchten die Holzpfähle des erst kürzlich wiedererrichteten Meeresschwimmbads auf. Von hier hatten sie einen direkten Blick auf das fünf bis sechs Meter entfernt liegende Loch im Eis, neben dem man das Opfer vor knapp einer Stunde gefunden hatte.
Hier trafen sich von Oktober bis Mai jeden Dienstag die Eisbader, und es war bekannt, dass Spang-Hansen normalerweise vor den anderen eintraf. Der Vereinsvorsitzende hatte ihn auf dem Eis gefunden und den Notruf alarmiert, die Streife war zur selben Zeit eingetroffen wie der Rettungs wagen. Der Mann war übel zugerichtet und blutete stark aus einer tiefen, fünf bis sechs Zentimeter langen Wunde auf der linken Seite des Halses. Während die Rettungssanitäter übernahmen, führte die Polizei ein kurzes Verhör mit dem Vereinsvorsitzenden durch.
Er erklärte, er habe den Mann auf dem Eis sofort entdeckt und weder Puls noch Atmung feststellen können. Die Sanitäter bestätigten kurz darauf, dass Spang-Hansen keine Vitalfunktionen mehr aufwies und die vielen Verletzungen vermutlich von Messerstichen stammten. Zum Glück hatten die Streifenpolizisten so schnell gehandelt, dass Thor und seine Kollegen kurz nach dem Leichenfund und vermutlich auch nicht lange nach dem Mord eingetroffen waren. Die Beamten von der Streife hatten sofort den Dienstgruppenleiter im Präsidium kontaktiert, einen mutmaßlichen Mord gemeldet und dann damit begonnen, das Gelände abzusperren. Der Gruppenleiter hatte daraufhin die Mordkommission mit Thor M. Dinesen als diensthabenden Beamten eingeschaltet und zudem die Unterstützung der Kriminaltechnik, eine Hundestaffel sowie einen Rechtsmediziner angefordert, der allerdings noch auf der Køge-Bucht-Autobahn im Stau steckte. Er würde demzufolge die Leichenschau erst durchführen können, wenn bereits wertvolle Ermittlungszeit unwiderruflich verloren gegangen war.
»Wir brauchen die Namen der anderen Eisbader«, sagte Thor. »›Die Wikinger‹ oder wie sie sich nennen. Einige sind inzwischen sowieso aufgetaucht, aber es gibt doch bestimmt auch eine Mitgliederliste.«
»Wir haben auch ein paar Leute losgeschickt, um die Nachbarschaft zu befragen. Sollte es Zeugen geben, werden wir sie garantiert finden.«
Thor hörte nur mit halbem Ohr hin, was der Kollege erzählte.
»Er wurde vermutlich vor nicht allzu langer Zeit hier ermordet. Nicht gerade der diskreteste Ort der Welt. Außer ganz früh am Morgen, bevor die Eisbader und alle anderen Frühaufsteher auf den Beinen sind. Natürlich kann es sich um eine Zufallstat handeln. Raubmord oder irgendwas in der Richtung. Aber dazu erscheint mir das alles viel zu geordnet. Was sagt uns das?«
»Dass es sich um einen vorsätzlich geplanten Mord handelt. «
Thor nickte und holte sein Handy aus der Tasche.
»Und nicht nur das. Der Mörder muss gewusst haben, dass Spang-Hansen immer als Erster hier ankam. Also sollten wir wohl erst mal die übrigen Masochisten im Club unter die Lupe nehmen. Wer weiß, vielleicht erweist sich ja einer von ihnen auch als Sadist.«
*
»So macht meine Mutter den aber nie!«
Maja schob die Schale mit dem Haferbrei von sich und schaute Linnea an, gespannt darauf, wie ihre Provokation ankommen würde. Linnea hatte eine elende Nacht mit verstopfter Nase hinter sich, und nachdem Thor zu einem mutmaßlichen Mord gerufen worden war, hatte sie lange unter der warmen Dusche gestanden, um Energie für den Morgen mit seiner siebenjährigen Tochter zu tanken. Sie hatte sich gerade noch eine Tasse Kaffee kochen können, ehe es Zeit wurde, das Mädchen zu wecken und ihr zu erklären, dass ihr Vater leider zur Arbeit musste und Linnea und sie einen Vormittag zu zweit vor sich hatten.
Maja hatte Linnea misstrauisch angeblickt. Kein Wunder, denn bisher hatten sie nicht viel Zeit miteinander verbracht. Linnea übernachtete eigentlich nur bei Thor, wenn Maja bei ihrer Mutter war, worüber sie auch froh war.
»Tja, das wird wohl daran liegen, dass ich nicht deine Mutter bin. Und wenn du ihn jetzt schon eklig findest, solltest du ihn erst mal probieren, wenn er kalt geworden ist! Ich an deiner Stelle würde ihn schnell essen, bevor er erstarrt.«
Linnea bereute sofort, dass sie das Mädchen angeschnauzt hatte. Aber wenn es nach Maja ginge, gäbe es von morgens bis abends nur Leberpastetenbrote, und das konnte nicht gesund sein. Während Maja am Esstisch hockte und schmollend in ihrem Haferbrei stocherte, stand Linnea in der offenen Küche mit Aussicht über die Einfamilienhäuser in Valby und schmierte Pausenbrote. Wieder einmal überkam sie das dringende Bedürfnis, die Doppelhaushälfte im Cæciliavej mit der Schaukel im Garten und der Katzen- klappe in der Haustür einfach zu verlassen, und die eigene, minimalistisch eingerichtete Wohnung in der Knabrostræde mit den immer noch unausgepackten Umzugskartons und der Matratze auf dem Boden erschien ihr plötzlich wie der Ort auf der Welt, an dem sie am allerliebsten wäre.
Die ganze Aktion war typisch für Thor und seine unkomplizierte Sicht auf alle Dinge. Seinetwegen steckte sie nun von Paracetamol betäubt bis über beide Ohren in Haferbrei und Leberpastete.
Thor und Linnea waren sich zum ersten Mal kurz nach ihrer Ankunft in Kopenhagen begegnet. Die gegenseitige Anziehung war stark, allerdings nur so lange, bis Thors Tochter ins Bild kam. Zu dieser Zeit konnte Linnea ihr Leben unmöglich länger als fünf Tage im Voraus planen und beendete das Verhältnis unter dem Vorwand, in San Francisco warteten zu viele offene Angelegenheiten auf sie. Was nicht mal gelogen war, denn damals lebte ihr Freund Phil noch immer in der gemeinsamen Wohnung und wunderte sich darüber, was sie so lange im kleinen Dänemark hielt, für das sie doch sonst immer nur Gleichgültigkeit übriggehabt hatte.
Seitdem war ziemlich viel passiert, und nun saß sie hier mit einem festen Job und einer festen Beziehung, glücklicherweise aber auch mit einer Wohnung in der Innenstadt. Sie war Linneas private Höhle, in der sie sich nach wie vor heimischer fühlte als in Thors gemütlichem, aber kleinbürgerlichem Häuschen. Dort hielt sie es nie lange aus, ohne dass ihr die Luft zum Atmen knapp wurde.
»Es ist doch keine große Sache, du musst sie nur aus dem Bett holen und ihr die Anziehsachen rauslegen«, hatte Thor auf dem Weg zur Tür gesagt.
Er hatte gewirkt, als wäre er in Gedanken bereits am Tatort, hatte sie dann jedoch so lange geküsst, dass sie sich japsend wieder losreißen musste, um Luft zu holen.
»Ach so, und nicht zu vergessen das Frühstück und die Pausenbrote. Den Weg zur Schule kann sie dir selbst zeigen.«Was hätte Thor wohl gemacht, wenn Linnea nicht da gewesen wäre? Hätte er Maja dann einfach allein zurückgelassen, oder jemand anderen gefunden, dem er sie aufs Auge drücken konnte? Meistens war er nicht besonders vorausschauend, er war eher ein Mann der Tat. Das war Teil seines Charmes, machte Linnea allerdings manchmal auch rasend.
»Du musst daran denken, dass ich heute Schwimmen habe!«
Überraschenderweise hatte Maja ihr Frühstück inzwischen aufgegessen und zeigte jetzt auf den Stundenplan, der am Kühlschrank hing. Linnea nahm sich zusammen und bat Maja, ihr zu helfen, die Schwimmtasche zu packen. Gemeinsam durchwühlten sie Majas Schrank auf der Suche nach einer Schwimmbrille, als Linneas Blackberry im Wohnzimmer klingelte. Als sie endlich abnahm, hatte sie einen ungeduldigen Thor in der Leitung.
»Du musst unbedingt kommen!«
Noch bevor Thor ausgesprochen hatte, ahnte Linnea, worauf er hinauswollte. Sie sah zu Maja hinüber, die gerade triumphierend mit ihrer Schwimmbrille auf der Nase ins Zimmer stolziert kam, lächelte sie kurz an und kehrte ihr den Rücken zu.
»Ich hüte gerade deine Tochter, habe soeben das widerlichste Pausenbrotpacket der Welt für sie geschmiert und soll dafür sorgen, dass sie in einer Stunde in der Schule ist. Und jetzt willst du mich plötzlich zu deinem Fall hinzuziehen? Ich bin keine Rechtsmedizinerin, sondern Forensische Anthropologin. Muss ich dir den Unterschied erklären? «
Thor ignorierte ihren genervten Tonfall.
»Dieser Tatort ist so neu und unberührt, wie ich es selten erlebt habe. Komm schon, Linnea, du weißt genau, was ein paar Stunden Verzögerung für eine Ermittlung bedeuten können.«
»Vergiss es!«
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Autoren-Porträt von Benni Bødker, Karen Vad Bruun
Hinter dem Pseudonym Bødker Bruun verbirgt sich das Autorenpaar Karen Vad Bruun und Benni Bødker. Karen Vad Bruun, Jahrgang 1977, lebt und schreibt in Kopenhagen.Hinter dem Pseudonym Bødker Bruun verbirgt sich das Autorenpaar Karen Vad Bruun und Benni Bødker. Benni Bødker, Jahrgang 1975, ist Autor zahlreicher Kinderbücher und Rezensent für skandinavische Krimis.
Bibliographische Angaben
- Autoren: Benni Bødker , Karen Vad Bruun
- 2014, 336 Seiten, Deutsch
- Übersetzer: Ursel Allenstein
- Verlag: Ullstein eBooks
- ISBN-10: 3843706417
- ISBN-13: 9783843706414
- Erscheinungsdatum: 04.01.2014
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