Insel im Sturm (ePub)
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Ihr Ziel: der Kampf gegen die Sklaverei. Doch der Sklavenhändler Rory Frost macht ihr einen Strich durch die Rechnung.
Der zweite große historische Roman der Autorin von ''Palast der Winde''.
Insel im Sturm von M.M. Kaye
LESEPROBE
In Anbetracht der tiefgreifenden Wirkung, die ein paar, von einer verrufenen alten Irin gebrummelten Worte auf das Leben von Hero Athena Hollis haben sollten, das einzige Kind von Barclay Hollis aus Boston, Massachusetts, wäre es interessant zu wissen, in welchem Umfang, wenn überhaupt, vorgeburtliche Einflüsse Charakter und Gesinnung bestimmten.
Unverkennbar hatte die Vererbung die Hand im Spiel; Heros Mutter nämlich, Harriet Crayne Hollis, hatte sich von jeher mit glühendem Eifer für die Sache der Wohltätigkeit eingesetzt. Ein Faktum, das Barclay, unversehens von einem klassischen Profil und einem Paar himmelblauer Augen gefangen, voll bewußt gewesen war, als er um ihre Hand angehalten hatte, auch wenn er es damals lediglich als ein Zeichen eines auf liebenswerte Weise mitfühlenden und wahrhaft weiblichen Wesens und als Beweis dafür gesehen hatte, daß Harriets Schönheit beileibe nicht nur äußerlich war.
Er hatte jedoch nicht damit gerechnet, sich mit einer Frau verheiratet zu sehen, die von ihm erwartete, daß er ihren Enthusiasmus für gute Werke teilte. Kaum nämlich waren die Flitterwochen vorbei, mußte er entdecken, daß seine junge Frau, nicht zufrieden damit, ihren Namen auf zahlreiche Subskriptionslisten zu setzen, es geradezu für ihre Pflicht hielt, Ämter in allen möglichen Vereinen und Ausschüssen zu übernehmen, Flugschriften abzufassen und zu verteilen, in denen gegen Ungerechtigkeiten protestiert und auf Reformen gedrungen wurde, und schließlich auch mit entschiedener Tatkraft gegen solche Übelstände wie den Ausschank von Alkohol, Kinderarbeit, Prostitution und Sklaverei zu Felde zu ziehen. Insbesondere gegen die Sklaverei... Barclay, ein bequemlicher Mensch, der gern seine Ruhe hatte und sich am liebsten mit seinen Pferden, dem Schachspiel und den Klassikern befaßte, hatte selbst nie einen Drang verspürt, die Welt und das Wohl der um ihn herum Lebenden zu verbessern. Er befand, seine Harrtet treibe die Dinge zu weit. Selbstverständlich mußte jeder denkende Mensch zugeben, daß es hier auf dieser Welt Grausamkeit, Unterdrükkung und Ungerechtigkeit im Übermaß gab und schon immer gegeben hatte. Daß Harrtet sich das alles mit solcher Leidenschaft zu Herzen nahm und sogar ein persönliches Problem daraus machte, war sowohl unnötig, als auch ganz und gar unweiblich. In zweierlei Hinsicht war er daher hocherfreut, als seine Frau ihm die Mitteilung machte, daß sie schwanger wäre. Nicht nur, meinte er, würde sie ihm nun den gewünschten Erben schenken, der eines Tages die weiten Ländereien von Hollis Hill übernehmen würde; ihre Mutterpflichten und das Einrichten eines Kinderzimmers würden ihre Interessen und Energien gewiß in ruhigere und häuslichere Bahnen lenken.
Eine große, gesunde Familie, überlegte sich Barclay, war genau das, was Hatty brauchte: hübsche, intelligente Söhne, die seine eigene Vorliebe für griechische Mythologie und Vollblüter teilten, und liebreizende, lebhafte Töchter, die ihre Mutter zu Hause auf Trab hielten.
Doch es sollte so nicht kommen. Die schnelle Erregbarkeit seiner Frau und ein paar Zeilen Fettgedrucktes auf einem zerknitterten Zeitungsblatt hatten dieser Vorstellung - und Harriets Leben - ein plötzliches Ende gemacht.
Hierzu benötigte das Schicksal ein Päckchen mit einem selbstgestrickten Schal und einer hübschen silbernen Klapper darinnen, das eine alte Schulfreundin, die mit einem Pflanzer in Georgia verheiratet war, im Hinblick auf das bevorstehende freudige Ereignis geschickt hatte. Als liebevoller Schutz um die Klapper gewickelt war Zeitungspapier, und wie es nun so kommt, fiel der Blick der werdenden Mutter auf eine Anzeige, in schwarzen fetten Lettern gedruckt:
Zu verkaufen. Negerfrau (23 Jahre, gutwillig, anstellige Köchin und Wäscherin) mit vier Kindern zwischen 6 und 1'/z. Je nach Verwendung getrennt oder zusammen abzugeben.
Dieses Inserat war nur eines von vielen auf der Seite. Harriet jedoch, die immer schon gegen die Sklaverei gewesen war und nun bald selbst Mutter werden sollte, traf das >Je nach Verwendung getrennt oder zusammen abzugeben< wie eine Faust ins Gesicht.
Sie erbleichte, griff sich an die Kehle, und rief mit hoher, erstickter Stimme: »Aber ... man kann ihr doch nicht einfach die Kinder nehmen! Ihre eigenen Kinder! Das ist nicht recht! Das ist gemein-grauenhaft! Das müßte man verbieten! Mein Gott, warum tut denn niemand etwas dagegen?«
Wie etwas Ekelhaftes schleuderte Harriet das Zeitungsblatt von sich, überschüttete ihren Mann mit gewaltigen Anklagen gegen die ganze grauenhafte Institution der Sklaverei und raffte schließlich Schal, Klapper und Papier zusammen und warf alles mit heftiger Bewegung in den offenen Kamin. Als das Papier Feuer fing, entstand plötzlich ein Luftzug, der einen der weiten Musselinärmel von Harriets Neglige in die Flammen wehte. Das hauchzarte Gewebe loderte auf, als hätte man es mit Öl getränkt, und obwohl Barclay sofort zu seiner Frau gestürzt war und das Feuer an ihr mit bloßen Händen erstickt hatte, hatte sie doch so schwere Verbrennungen erlitten, daß auf Grund der Schmerzen und des Schocks die Wehen vorzeitig einsetzten und sich übermäßig lange hinzogen. Anderthalb Tage später kam dann das Kind zur Welt, und Harriet starb dabei.
Barclay hatte sich nicht wieder verheiratet. Neununddreißig war er gewesen, als er um Harriet angehalten hatte, und die knapp bemessene Erfahrung als Ehemann hatte ausgereicht, ihn davon zu überzeugen, daß er eigentlich nicht zum Familienvater geschaffen war. Nachdem er die Verwandtschaft zunächst damit schockiert hatte, seine Tochter unbedingt Hero Athena taufen zu lassen, wobei, was das Ganze noch schlimmer machte, dieser zweite Name ausgerechnet zu Ehren seiner Lieblingsstute und nicht etwa der Göttin der Weisheit gegeben war, rührte und überraschte er die engeren und weiteren Familienmitglieder darauf mit einer abschlägigen Antwort auf das hochherzige Angebot seiner Schwester Lucy, das mutterlose Kind in ihrer eigenen großen und blühenden Familie großzuziehen. Sie ahnten allerdings nicht, daß keineswegs übergroße väterliche Zuneigung zu dem winzigen, schreienden Wesen im spitzenverzierten Korbwagen ihn bewogen hatte, Lucys Angebot abzulehnen, sondern die bedenkliche Tatsache, daß auch Lucy einen starken Hang zu guten Werken aufwies. In ihrem Fall war es die Fremdenmission.
Barclay hatte genug von derlei Dingen und auf keinen Fall die Absicht, zuzulassen, daß seine Tochter in die eigenwilligen Fußstapfen ihrer Mutter trat und sich zu einer tatkräftigen und weithin vernehmbaren Verfechterin nobler Ideale entwickelte. Seiner Ansicht nach gehörte eine Frau ins Haus und nicht an ein öffentliches Rednerpult. Und hätte es sich nicht so gefügt, daß er einige Jahre später genau jenen Abend zum Besuch eines erkrankten Freundes wählte, an dem die Erzieherin seiner Tochter, Miss Penbury, ihren Beitrag zu einem von Lucys zahlreichen Wohltätigkeitsbasaren abzugeben versprochen hatte, so wäre ihm Hero Athena in seinen Bemühungen vielleicht entgegengekommen. Ganz sicher allerdings kann man da nicht sein, da sie ja schließlich doch auch das Kind von Harriet Crayne war. Jedenfalls bot die vorübergehende Abwesenheit von Mr. Hollis und der Gouvernante einer gewissen Biddy Jason Gelegenheit, Hollis Hill in aller Heimlichkeit einen Besuch abzustatten - was niemals hätte geschehen können, wenn zumindest der Herr des Hauses daheim gewesen wäre.
Man munkelte, daß die Witwe Jason die siebente Tochter des siebenten Sohnes jener Bridey Clooney aus Tyrone war, die einst als weise Frau berühmt gewesen und schließlich als Hexe verbrannt worden war. Nun, vielleicht stimmte das sogar. Jedenfalls gab es in Boston genug Leute, die bereit waren, es zu glauben, und die weiterhin bereit waren, darauf zu schwören, daß die alte Mrs. Jason das Zweite Gesicht hatte und die Zukunft voraussagen konnte, darunter eben auch Mrs. Cobb, die Köchin von Hollis Hill.
Mrs. Cobb hatte die Hellseherin benachrichtigen lassen, daß die Luft rein war, und ließ sich für ein Päckchen Schnupftabak und zwei Unzen chinesischen Tee gerade ihre Zukunft aus der Hand lesen, als die Tochter ihres Herrn, die mittlerweile sechsjährige Hero Hollis, zur Küche geschlichen kam.
Eigentlich hätte Hero im Kinderzimmer sein müssen. Doch Miss Penbury würde gewiß noch eine Stunde ausbleiben, ihr Vater war auch nicht da, und im übrigen hatte sie wirklich keine Lust mehr, an der langweiligen Stickarbeit zu sticheln, die ihr die Erzieherin in die Hand gedrückt hatte, damit sie auch ordentlich beschäftigt war. Da sie aber meist das tat, was ihr gefiel, faltete sie die Stickarbeit säuberlich zusammen und ging nach unten, um Kekse und Kandiszucker zu suchen.
Man hatte die Lampen noch nicht angezündet, und die Halle lag im Dunkeln, doch aus der Küche konnte Hero Stimmen hören, und ein heller Lichtstreif auf den Steinfliesen zeigte ihr, daß die Tür am hinteren Ende des langen Flurs angelehnt war. Auf Zehenspitzen schlich sie sich hin, schob ihren kleinen Körper durch den schmalen Spalt, verhielt im Schatten des großen Küchenschranks und lauschte mit aufgerissenen Augen, gebannt vom Anblick eines wunderlichen, hexenhäßlichen alten Weibs mit einem schrulligen hohen Hut, und vom tiefen Klang ihrer Stimme, die von unerwarteten Begegnungen murmelte, von dunklen Männern und Reisen über das Wasser, und die Mrs. Cobb ermahnte, sich vor einer blonden Frau zu hüten, die ihr nichts Gutes wolle.
Deutsch von Mechthild Sandberg
ã S.Fischer Verlag GmbH
- Autor: M.M. Kaye
- 2012, 730 Seiten, Deutsch
- Verlag: Weltbild Deutschland
- ISBN-10: 3863657705
- ISBN-13: 9783863657703
- Erscheinungsdatum: 01.10.2012
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