Wir Gutkrieger (PDF)
Warum die Bundeswehr im Ausland scheitern wird
Seit Jahren diskutiert die Öffentlichkeit über die Legitimität von Bundeswehreinsätzen im Ausland. Die politisch Verantwortlichen suggerieren uns meist, es handele sich dabei um eine Art bewaffneter Entwicklungshilfe. In Wirklichkeit sind es aber...
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Produktinformationen zu „Wir Gutkrieger (PDF)“
Seit Jahren diskutiert die Öffentlichkeit über die Legitimität von Bundeswehreinsätzen im Ausland. Die politisch Verantwortlichen suggerieren uns meist, es handele sich dabei um eine Art bewaffneter Entwicklungshilfe. In Wirklichkeit sind es aber Kampfeinsätze und es ist äußerst fraglich, ob die gesetzten Ziele mit militärischen Mitteln überhaupt erreicht werden können. Eric Chauvistré fordert, dass Politik und Öffentlichkeit nicht mehr nur moralisch argumentieren, sondern vor allem auch nach der Effektivität der Einsätze fragen. Er liefert eine kritische und fundierte Untersuchung einer von Politikern wie der Öffentlichkeit überschätzten Bundeswehr und ihrer Möglichkeiten, international zu intervenieren.
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1. Bedingt kriegsbereit "Neuer Anschlag auf Bundeswehr",1 "Tote an deutsch-afghanischem Kontrollpunkt",2 "Angriffe auf die Bundeswehr in Afghanistan"3 - für deutsche Medien sind das Nachrichten. Getötete oder verletzte Soldaten tauchen auf den Titelseiten der Zeitungen und in der Tagesschau auf. Schusswechsel mit deutscher Beteiligung, zumindest die öffentlich bekannt gewordenen, und Anschläge auf Bundeswehrsoldaten lassen politische Akteure in Berlin tief betroffen vor Kameras, Mikrofone und Notizblöcke treten. Auch die kleinste Lokalzeitung sieht sich zu einem Kommentar genötigt. Würden Medien und Parlamentarier in den Vereinigten Staaten oder Großbritannien ähnlich auf solche Ereignisse reagieren, sie hätten kaum noch Platz für andere Meldungen. Schießen und Sterben sind für die deutsche Öffentlichkeit noch nicht Routine. Als Krieger fühlt man sich nach wie vor unwohl. Die Erfahrung der Belgier, Briten, Franzosen und Niederländer, die in den Jahrzehnten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs den Verlust ihrer Kolonialreiche militärisch hinauszuzögern versuchten, blieb ihnen erspart. Die Mehrheit der Deutschen ist groß geworden ohne deutsche Soldaten im Krieg. Und für diejenigen, die den Zweiten Weltkrieg noch erlebt haben, ist der Einsatz von Militär vor allem als Weg in eine selbst verschuldete Katastrophe in Erinnerung geblieben. Krieg ist für sie eine existenzielle Bedrohung, der Krieg fand zu Hause statt. Das gilt für all jene, die den Zweiten Weltkrieg als Kind erlebten und deren traumatische Erfahrungen mitunter erst jetzt im Alter zutage treten. Aber es gilt, wenn auch auf andere Weise, selbst für diejenigen, die mit der Ost-West-Konfrontation und dem Kalten Krieg aufwuchsen. Auch hier war klar, dass der Krieg, den beide Seiten mit Aufwand und Akribie vorbereiteten, nicht irgendwo am anderen Ende der Welt stattfinden würde. Das theater of operations, das Einsatzgebiet der Bundeswehr, wäre der eigene Vorgarten gewesen. In Deutschland geht die Normalisierung
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des Kriegs deshalb nur schleppend voran. Das ist die eine mögliche Interpretation. Sie wäre beruhigend. Eine andere Sichtweise ist weniger wohlwollend und äußerst beunruhigend. Denn so angemessen es ist, dass jedes einzelne Todesopfer unter den Bundeswehrsoldaten noch gezählt wird und eine Meldung wert ist, kann dies auch ein Zeichen dafür sein, dass die Toten und Verletzten als Unfälle, als Ausnahmen, als Ergebnis vermeidbarer Fehler betrachtet werden. Deshalb zeugen zumindest die Reaktionen derjenigen, die sich, ob in Regierung, Parlament, Forschungsinstituten oder Medien, nahezu täglich mit den weltweiten Einsätzen der Bundeswehr beschäftigen, längst nicht mehr von besonderer Sensibilität. Die Kommentare, Appelle und Forderungen, die auf blutige Nachrichten aus den Einsatzgebieten der Bundeswehr folgen, sind eher ein Zeichen der Verdrängung, der Verlogenheit, der verantwortungslosen Naivität. Während Militärs offen von einem Kampfeinsatz sprechen, wird der Begriff von den politisch Verantwortlichen tunlichst gemieden. Das Wort "Krieg" ist unter deutschen Militärpolitikern ohnehin tabu. Der eigenen Öffentlichkeit wird seit Jahren suggeriert, die Bundeswehr sei in Afghanistan eine Truppe leicht bewaffneter Entwicklungshelfer. Dabei hat die Bundesregierung innerhalb der NATO schon vor Jahren ein Einsatzkonzept für Afghanistan abgesegnet, das Kampfeinsätze selbstverständlich einschließt. Diese Art der Auseinandersetzung mit dem Afghanistan-Einsatz ist beispielhaft für das Agieren der politischen Akteure, wenn es um die Bundeswehr geht. Man will ja nur Gutes, deshalb kann es nicht schlecht sein. Unter dieser Prämisse hat sich die militärische Rolle Deutschlands im letzten Jahrzehnt dramatisch verändert. Der quantitative Umfang der ständig im Ausland stationierten Bundeswehrkräfte ist mit mehr als 6500 Soldaten inzwischen beachtlich. Und dies soll erst der Anfang sein. Werden die von der Bundesregierung in ihrem Weißbuch von 2006 vorgestellten Pläne auch nur zu einem Teil umgesetzt, beteiligt sich Deutschland künftig noch stärker an militärischen Interventionen in allen Teilen der Welt. Selbst vermeintlich militärkritische Akteure, selbst diejenigen, die sich gegen die weltweiten Einsätze der Bundeswehr stellen, tragen zu dem verzerrten Bild bei. Zwar verweisen sie zu Recht auf die Umrüstung der Bundeswehr zu einer weltweiten Interventionsarmee. Doch sie machen den Fehler, dass sie die irrealen Machbarkeitsphantasien, die eben jenen militärischen Planungen zugrunde liegen, tatsächlich für umsetzbar halten. Einerseits gibt es also eine verbreitete Unterschätzung der weltweiten Aktivitäten der Bundeswehr, andererseits eine völlige Überschätzung ihrer realen militärischen Möglichkeiten. Problematisch ist all das nicht erst durch den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan geworden. Aber hier wird es sehr viel deutlicher als bislang in der noch immer kurzen Geschichte der deutschen Auslandseinsätze nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Vierzig Jahre lang war die Bundeswehr eine behäbige Truppe, die zwar überall im Land präsent war, aber im politischen Tagesgeschäft keine Rolle spielte. Aufgestellt im Jahre 1955 und damit sechs Jahre nach der Gründung der Bundesrepublik, war sie voll in die Strukturen der NATO eingebunden. Trotz ihrer damals viel größeren Sollstärke von fast einer halben Million Soldaten war sie als außenpolitisches Instrument nicht brauchbar. Es wäre auch niemand auf diese Idee gekommen. Der Posten des Verteidigungsministers war auch damals ein aufreibender Job, aber Reisen in alle Welt, zu aktuellen oder künftigen Einsatzgebieten, gehörten nicht zu seinen amtlichen Aufgaben. Ebenso wenig standen Ansprachen bei Trauerfeiern für getötete Soldaten im Terminkalender. Beschäftigt war der jeweilige Minister zu dieser Zeit vor allem mit der Regelung einer möglichst korruptionsfreien Beschaffung der nächsten Generation von schweren Panzern oder Kampfflugzeugen. Doch ein paar Opfer gab es schon damals. Sie blieben nicht aus bei Großmanövern der Bundeswehr und der in etwa gleich großen Stärke auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik stationierten verbündeten Armeen. Auf je sechzig Einwohner kam ein schwer bewaffneter Mensch in Uniform. Im Osten Deutschlands war der Militarisierungsgrad noch höher. Ein beträchtlicher Anteil der Fläche der alten DDR war als militärisches Sperrgebiet ausgewiesen. Mitten in Europa, einer der dichtestbesiedelten Regionen der Welt, wurde ständig Krieg gespielt. Man war jederzeit bereit für die große Panzerschlacht irgendwo zwischen Berliner Ring und Kamener Kreuz. Die Szenarien waren absurd, die Planungen real. Ein Krieg war jederzeit möglich. Und doch war allen bewusst, dass dieser potenzielle Krieg mit dem, worauf sich die Bundeswehr da vorbereitete, recht wenig zu tun haben würde. Mitten in einer hoch technisierten, hoch sensiblen Industriegesellschaft wäre dieser Krieg innerhalb kürzester Zeit nicht mehr zu führen gewesen. Und dann lagerten in Deutschland auch noch die Atomwaffen der Verbündeten, zeitweise Tausende, gedacht zum Einsatz innerhalb des Landes. Es gab zwei Optionen: Entweder kommen die Truppen und Waffen erst gar nicht zum Einsatz oder aber es gibt eine ungeheure Katastrophe. Es existierte also eine klare Trennung: zwischen Krieg und Frieden. Das Grundgesetz kennt diese Unterscheidung zwischen Zeiten mit und ohne Verteidigungsfall bis heute, aber die neue Bundeswehr hat mit der alten kaum etwas gemein. Die deutschen Streitkräfte sind kleiner geworden, mehrere hunderttausend Soldaten der NATO-Verbündeten haben Westdeutschland und den Westteil Berlins verlassen. Die Sowjetarmee ist vollständig aus Ostdeutschland abgezogen. Doch trotz dieses quantitativen Schwunds oder gerade deswegen hat das Militär in Deutschland dramatisch an Bedeutung gewonnen. Die Bundeswehr soll erklärtermaßen nicht mehr vorrangig dem Grundgesetzauftrag der Landesverteidigung dienen, sondern ein außenpolitisches Instrument sein.4 Die Bundeswehr wird zur Interventionsarmee, sie beteiligt sich an Kampfeinsätzen out of area und sie soll dies in Zukunft noch viel bedingungsloser, schneller und häufiger tun. Doch die Vergangenheit wirkt nach. Die über vier Jahrzehnte als Erfolg gefeierte atomare Abschreckung hat die Denkmuster nachhaltig geprägt. Deutlich wurde dies schon 1999 beim Kosovokrieg, als sich erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs deutsche Soldaten an Luftangriffen beteiligten. Während der Ost-West-Konfrontation - die britische Konfliktforscherin Mary Kaldor spricht rückblickend von einem "imaginären Krieg"5 - war es immer darum gegangen, mit etwas zu drohen, was man selbst nicht wirklich einsetzen wollte. Alle Einwände, die auf die potenziellen Folgen eines Atomwaffeneinsatzes verwiesen, wurden mit dem Argument beiseite geschoben, es sei ja gerade der Sinn der Drohung, diese nicht wahrzumachen. Das war das Kernproblem der Nukleardoktrin, denn sie konnte nur dann funktionieren, wenn zumindest der Gegner davon überzeugt war, dass die Atomwaffen im Zweifelsfall auch tatsächlich eingesetzt würden. Insbesondere für den Fall eines Kriegs in Europa bedeutete das aber, dass die Drohung des Atomwaffeneinsatzes auch zum Preis der Vernichtung der eigenen Bevölkerung wahrgemacht werden müsste - kein sonderlich glaubwürdiges Szenario. Um Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Drohung auszuräumen, wurde der Einsatz bis ins Detail vorbereitet und die Einsatzplanungen der NATO politisch vorab abgesegnet. Es war klar, dass es im Kriegsfall um Minuten gehen würde. Sollte tatsächlich ein sowjetischer Panzerangriff mit Atomwaffen gestoppt oder auf einen Atomwaffeneinsatz der Gegenseite reagiert werden, bliebe ohnehin keine Zeit für demokratische Entscheidungsabläufe. Statt der im Grundgesetz vorgesehenen Prozeduren zur Feststellung des Verteidigungsfalls, würde es eine kaum zu stoppende atomare Eskalation geben.6 Es gab eine Drohung und die Erwartung, dass sie nicht umgesetzt werden musste. Einen Plan B gab es nicht. Natürlich blieb immer fraglich, ob sich alle im Kriegsfall an die tödlichen Verpflichtungen gehalten hätten. Entscheidend ist, dass die Abschreckungsdoktrin das Denken geprägt hat. Offenbar funktionieren die Muster selbst zu einer Zeit noch, in der sich die Rahmenbedingungen von Grund auf geändert haben. Auch vor dem Kosovokrieg gab es eine Drohung, aber keinen Plan B für den Fall, dass die Drohung nicht wirken würde. Und es gab eine Reihe von frühzeitigen politischen Festlegungen, um die Drohung einigermaßen glaubwürdig zu machen: Als die Debatte um eine deutsche Beteiligung die Öffentlichkeit bewegte, war der Entschluss zur Teilnahme längst gefasst; nicht nur in Hinterzimmern des Kanzleramts, sondern ganz offiziell und öffentlich im Deutschen Bundestag. Die Abstimmung, mit der das Parlament der Regierung die Erlaubnis zur Angriffsbeteiligung gab, fand im Oktober 1998 und damit fast ein halbes Jahr vor dem Abwurf der ersten Bomben auf Jugoslawien statt. In der Parlamentsdebatte wurde selbstverständlich betont, dass es nur um Drohungen gehe, mit denen ein tatsächlicher Einsatz überflüssig gemacht werden sollte.7 Mit der Androhung militärischer Gewalt sollte die jugoslawische Regierung zum Einlenken - konkret: zur Akzeptanz von NATO-Truppen auf ihrem Territorium - bewegt werden. Als die Bombardements aber einmal begonnen hatten, gab es bald keine erreichbaren militärischen Ziele mehr. In der Auseinandersetzung ging es deshalb nur noch darum, ob die Angriffe gerechtfertigt, ob sie legitim und legal seien.
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Inhaltsverzeichnis zu „Wir Gutkrieger (PDF)“
Inhalt 1.Bedingt kriegsbereit 2.Robuste Illusionen 3.Erweiterte Sinnsuche 4.Gescheitertes Vorbild 5.Gefühlte Erfolge 6.Vernetzte Unsicherheit 7.Umkehr der Beweislast Anmerkungen
Autoren-Porträt von Eric Chauvistré
Eric Chauvistré, geboren 1965, promovierte nach dem Studium der Politologie und der Internationalen Beziehungen in Berlin und Canberra über Nuklearrüstung und militärische Interventionen. Er arbeitete als Korrespondent und Redakteur unter anderem für Reuters, die taz sowie das ZDF. Zuvor war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an mehreren Konfliktforschungsinstituten und veröffentlichte zahlreiche Artikel zu außenpolitischen Themen in deutschen und internationalen Fachzeitschriften. Heute arbeitet er als freier Journalist und Autor in Berlin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Eric Chauvistré
- 2009, 188 Seiten, Deutsch
- Verlag: CAMPUS VERLAG GMBH
- ISBN-10: 3593413345
- ISBN-13: 9783593413341
- Erscheinungsdatum: 02.03.2009
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