Zeitschrift für Evangelische Ethik, Heft 4/2009 (PDF)
Themenheft: »Toleranz«
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Themenheft: »Toleranz«
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Toleranz im Recht (S. 267-268) Die Anerkennung geistiger Diversität zwischen Akzeptanzgebot und Rücksichtnahmepflichten
Von Christoph Enders
1. Einleitung: Die rechtsstaatliche Akzentuierung des Toleranzgebots
Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sucht man vergebens nach einem ausdrücklichen Hinweis auf das Gebot der Toleranz. Für eine derart unbestimmte Maßgabe war, so scheint es, kein Platz in einem Verfassungswerk, zu dessen zentralen Anliegen es gehört, den Bürgerinnen und Bürgern einen möglichst exakt umrissenen Rechtsstatus einzuräumen. Und doch hat sich das Bundesverfassungsgericht immer wieder auf dieses Gebot der Toleranz berufen. Die Bezugnahmen weisen allerdings auf den ersten Blick in zwei durchaus verschiedene Richtungen: In der einen Richtung begegnet der Rekurs selbst in einem prinzipiell abschließend konzipierten Rechtssystem bei näherem Nachdenken doch nicht völlig überraschend. Denn das Bundesverfassungsgericht hat die Beachtung des Toleranzgebots immer wieder gerade für das Schulverhältnis gefordert, um hier Grundrechtskonflikte zwischen dem Interesse an positiver Betätigung der Glaubens- und Religionsfreiheit und dem gegenläufigen Interesse, sich von Bekenntnissen fern- und freizuhalten, zum Ausgleich zu bringen. Damit bewegen wir uns nicht nur, weil religiöse Toleranz gefragt ist, auf dem angestammten Anwendungsfeld des Toleranzgebots. Vor allem bildet die öffentliche Schule zwar die Gesellschaft und die in ihr herrschenden Verhältnisse der Gleichordnung ab, in denen die Konfrontation mit anderen, religiös-weltanschaulich oder sozio-kulturell geprägten Lebensformen und Wertauffassungen gang und gäbe ist. Aber die Rückzugsmöglichkeiten des Einzelnen sind in der Schule naturgemäß beschränkt, gleichzeitig soll sich die soziale Kompetenz der Schülerinnen und Schüler erst noch bilden. Es herrschen also besonders konfliktträchtige Umstände, die sich abschließender Verrechtlichung entziehen. Die
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Rechtsordnung (in Gestalt der Landesverfassungen und Landesschulgesetze) verzichtet in dieser Situation auf eine definitive Festlegung von Rechten und Pflichten und verweist stattdessen (darin der Weimarer Reichsverfassung, Art. 148 Abs. 2 WRV, folgend) auf das Toleranzgebot, das hier vor allem in einer Rücksichtnahmepflicht, der Pflicht zum Respekt vor den Empfindungen Andersdenkender, Niederschlag findet. In dieser Ausprägung gehört es aber nicht allein zu den landesrechtlich formulierten Erziehungszielen der öffentlichen Schule. Das Bundesverfassungsgericht versteht es als Ausdruck eines Verfassungsprinzips und spricht vom »grundgesetzlichen Gebot der Toleranz«, das den hier geforderten »schonenden Ausgleich« anleiten soll.
Noch in einem ganz anderen Umfeld, und hier eher überraschend, macht sich aber das Gebot der Toleranz bemerkbar: Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich den demokratischen Rechtsstaat überhaupt als ein »System geistiger Freiheit und Toleranz« beschrieben. Der Begriff der »Toleranz« steht hier für die Liberalität, die den demokratischen Rechtsstaat wesensmäßig auszeichnet und die vor allem den miteinander konkurrierenden politischen Bestrebungen einen Freiraum für ihre Propaganda und die Aktion im Ringen um die legitime Macht im Gemeinwe- sen verheißt. Freilich treten in diesem Fall auch die Toleranzgrenzen schroffer hervor als in dem für das Schulverhältnis propagierten Modell eines schonenden Ausgleichs. Denn eine Freiheitsordnung muss zugleich mit den Freiräumen, die sie gewährt, die Möglichkeit der Totalablehnung ihres Grundprinzips ins Kalkül ziehen. Auf diese nur mit Toleranz zu antworten, kann schnell das Ende aller Toleranz bedeuten. Steht die »freiheitliche demokratische Grundordnung« als solche und im ganzen auf dem Spiel, zielt darum die Verfassung des Grundgesetzes keineswegs auf schonenden Ausgleich. Den »Feinden der Freiheit«, die die programmatische Duldsamkeit des Systems missbrauchen, um dieses zu zerstören und an seiner Stelle eine Diktatur der vermeintlich absoluten Wahrheit zu errichten, begegnet das »System geistiger Freiheit und Toleranz« mit scharfer Ausgrenzung (Art. 18, 21 Abs. 2 GG, vgl. auch Art 5 Abs. 3 Satz 2, Art. 9 Abs. 2 GG).
Was verbindet die beiden zunächst beziehungslos nebeneinander stehenden Erscheinungsformen des Toleranzgebots, die religiöse Toleranz im Schulverhältnis und die Toleranz des Staates gegenüber gesellschaftlichen Positionen und Konzepten im Kampf um die politische Macht? Es ist offenbar die Geistesfreiheit, die das Bundesverfassungsgericht immer wieder als vornehmsten Ausdruck der Würde des Menschen gekennzeichnet hat, den es als »geistig-sittliches Wesen« versteht, »das darauf angelegt ist, in Freiheit sich selbst zu bestimmen und sich zu entfalten«. Von zentraler Bedeutung für den Einzelnen, aber auch für das Funktionieren des freiheitlichen Gesamtsystems ist darum gerade die geistige Entfaltung der Persönlichkeit. Die Anerkennung des Menschen als eines geistig-sittlichen Wesens findet aber nicht allein und in den Konfliktsituationen des täglichen Lebens nicht einmal vorrangig ihren Niederschlag im speziellen Grundrechtsschutz unmittelbar geistiger Persönlichkeitsentfaltung.
Noch in einem ganz anderen Umfeld, und hier eher überraschend, macht sich aber das Gebot der Toleranz bemerkbar: Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich den demokratischen Rechtsstaat überhaupt als ein »System geistiger Freiheit und Toleranz« beschrieben. Der Begriff der »Toleranz« steht hier für die Liberalität, die den demokratischen Rechtsstaat wesensmäßig auszeichnet und die vor allem den miteinander konkurrierenden politischen Bestrebungen einen Freiraum für ihre Propaganda und die Aktion im Ringen um die legitime Macht im Gemeinwe- sen verheißt. Freilich treten in diesem Fall auch die Toleranzgrenzen schroffer hervor als in dem für das Schulverhältnis propagierten Modell eines schonenden Ausgleichs. Denn eine Freiheitsordnung muss zugleich mit den Freiräumen, die sie gewährt, die Möglichkeit der Totalablehnung ihres Grundprinzips ins Kalkül ziehen. Auf diese nur mit Toleranz zu antworten, kann schnell das Ende aller Toleranz bedeuten. Steht die »freiheitliche demokratische Grundordnung« als solche und im ganzen auf dem Spiel, zielt darum die Verfassung des Grundgesetzes keineswegs auf schonenden Ausgleich. Den »Feinden der Freiheit«, die die programmatische Duldsamkeit des Systems missbrauchen, um dieses zu zerstören und an seiner Stelle eine Diktatur der vermeintlich absoluten Wahrheit zu errichten, begegnet das »System geistiger Freiheit und Toleranz« mit scharfer Ausgrenzung (Art. 18, 21 Abs. 2 GG, vgl. auch Art 5 Abs. 3 Satz 2, Art. 9 Abs. 2 GG).
Was verbindet die beiden zunächst beziehungslos nebeneinander stehenden Erscheinungsformen des Toleranzgebots, die religiöse Toleranz im Schulverhältnis und die Toleranz des Staates gegenüber gesellschaftlichen Positionen und Konzepten im Kampf um die politische Macht? Es ist offenbar die Geistesfreiheit, die das Bundesverfassungsgericht immer wieder als vornehmsten Ausdruck der Würde des Menschen gekennzeichnet hat, den es als »geistig-sittliches Wesen« versteht, »das darauf angelegt ist, in Freiheit sich selbst zu bestimmen und sich zu entfalten«. Von zentraler Bedeutung für den Einzelnen, aber auch für das Funktionieren des freiheitlichen Gesamtsystems ist darum gerade die geistige Entfaltung der Persönlichkeit. Die Anerkennung des Menschen als eines geistig-sittlichen Wesens findet aber nicht allein und in den Konfliktsituationen des täglichen Lebens nicht einmal vorrangig ihren Niederschlag im speziellen Grundrechtsschutz unmittelbar geistiger Persönlichkeitsentfaltung.
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Bibliographische Angaben
- Autoren: Reiner Anselm , Ulrich Körtner
- 2009, Deutsch
- Verlag: GVH Zeitschriften
- ISBN-13: 044267420094
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- Dateiformat: PDF
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